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Von der „nachholenden Revolution“ in die „Vereinigungskrise“?. Für eine konzeptionelle und begriffliche Erneuerung der Transformationsforschung

  • Auch heute, knapp drei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch der DDR und dem Beitritt des kleineren ostdeutschen Staates zur größeren Bundesrepublik hat sich die Zeitgeschichte noch kaum mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich das, was seit 1990 auf dem Boden des nunmehr voll-souveränen Deutschlands entstand, in geschichtswissenschaftlicher Perspektive erfassen, verstehen und einordnen lässt. Für die These, dass es sich bei der nach Osten erweiterten Bundesrepublik nicht bloß um eine Fortsetzung von Altbekanntem, sondern teilweise um etwas Neues handelte, sprachen neben dem radikal gewandelten internationalen Kontext schon aus zeitgenössischer Sicht die besonderen Bedingungen des politischen Umbruchs in der spätsozialistischen DDR. Verglichen mit den kommunistischen Nachbarstaaten waren die Umwälzungen in Ostdeutschland durch ein besonders hohes Tempo geprägt. Binnen weniger Monate kollabierte ein politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches System, welches sich bis dahin – trotz vielfältiger Anpassungsschwierigkeiten und Krisenerscheinungen – durch einen bemerkenswerten Grad an Stabilität und Selbstbewusstsein ausgezeichnet hatte. Neben dem schlagartigen Zerfall des SED-Staats stellte die schnelle Übertragung des politischen und sozioökonomischen Modells der Bundesrepublik die zweite große Besonderheit dar. In der sozialwissenschaftlichen Literatur wird dieser Vorgang wahlweise als eine „von therapeutischen Maßnahmen bereinigte Schocktherapie“, als „natürliches Experiment“ oder als „electric chair therapy“ bezeichnet: Mit dem erklärten Ziel, innerhalb kürzester Zeit eine vollständige Angleichung an westdeutsche Produktivitäts-, Lohn-, Konsum- und Rechtsstandards zu erreichen, wurden sämtliche institutionellen Arrangements der alten Bundesrepublik in die neuen Bundesländer transplantiert. Die Geschwindigkeit, Totalität und Radikalität, in der sich diese Veränderungsprozesse vollzogen, setzten wiederum verschiedene Dynamiken in Gang, für die Jürgen Kocka seinerzeit den Begriff der „Vereinigungskrise“ geprägt hat.

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Metadaten
Author:Annette WeinkeGND
URL:https://zeitgeschichte-online.de/themen/von-der-nachholenden-revolution-die-vereinigungskrise
DOI:https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2561
Parent Title (German):Dossier: Weder Ost noch West. Ein Themenschwerpunkt über die schwierige Geschichte der Transformation Ostdeutschlands
Publisher:ZZF - Centre for Contemporary History: Zeitgeschichte online
Place of publication:Potsdam
Document Type:Online Publication
Language:German
Date of first Publication:2019/03/18
Release Date:2023/07/19
ZZF Chronological-Classification:2000er
1990er
ZZF Topic-Classification:Alltag
Migration
Politik
Gedächtnis
Bevölkerung
Oral History
Recht
Regionales
Transformation
Verfassung
Zeitzeugen
ZZF Regional-Classification:Europa / Westeuropa / Deutschland / DDR
Europa / Westeuropa / Deutschland / Bundesrepublik
Web-Publications:Zeitgeschichte online
(Theme) dossier(s):zeitgeschichte|online / Weder Ost noch West. Ein Themenschwerpunkt über die schwierige Geschichte der Transformation Ostdeutschlands
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