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Die »Wende« als Form der Kolonisierung? Zur Genese und Aktualität eines populären Deutungsschemas

  • Bei der Lektüre des 2023 erschienenen Bestsellers »Der Osten: eine westdeutsche Erfindung« von Dirk Oschmann sowie beim Nachvollzug der bisweilen heftigen Diskussionen, die dieses Buch ausgelöst hat, bekommt man unweigerlich das Gefühl, einer Orientalismus-Debatte 2.0 beizuwohnen. Zur Erinnerung: Edward Saids 1978 publiziertes Buch »Orientalism«, in dem ausgehend von primär wissenschaftlicher Wissensproduktion die koloniale Zurichtung und Erfindung des Orients beschrieben und kritisiert wird, gilt gemeinhin als einer der Gründungstexte postkolonialer Kritik. Tatsächlich lesen sich die Ausführungen des Leipziger Literaturwissenschaftlers Oschmann stellenweise so, als ob Ostdeutschland und die Ostdeutschen einem westdeutschen Zugriff quasi hilflos ausgeliefert wären. Gerade diese Zuspitzung wurde von einigen Kommentator*innen kritisiert, ähnlich wie bei der Orientalismus-Debatte im Anschluss an Said. Überhaupt fällt auf, dass Oschmann, wenngleich er sich nicht systematisch mit postkolonialer Theorie auseinandersetzt, so etwas wie eine postkoloniale Rhetorik in Anschlag bringt. Zum Beispiel heißt es an einer Stelle, »dass die Art und Weise, was und wie über ›den Osten‹ öffentlich geredet, geschrieben und gesendet wird, in Form von konstant negativen Identitätszuschreibungen und Essentialisierungen, komplett vom ›Westen‹ beherrscht und durchherrscht ist«. Zudem fällt auf, dass zwar auch der Kolonisierungsbegriff nicht systematisch zum Einsatz kommt, gleichwohl aber der Kolonialismus als historische Referenz erwähnt wird: »Dem Osten […] ›Demokratiefeindlichkeit‹ vorzuwerfen, ist nicht nur zynisch, sondern folgt obendrein einem seit Jahrhunderten eingeführten Herrschafts- und Diskursmuster, mit dem der westliche Kolonialismus verschiedener Couleur seine Hegemonie zu begründen sucht.« Ostdeutschland also als westdeutsche Kolonie? Und postkoloniale Kritik als Analyse-Tool für postsozialistische Dynamiken?

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Metadaten
Author:Felix AxsterGND
URL:https://zeithistorische-forschungen.de/1-2023/6112
DOI:https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2674
Parent Title (German):Zeithistorische Forschungen – Studies in Contemporary History
Publisher:ZZF – Centre for Contemporary History: Zeithistorische Forschungen
Place of publication:Potsdam
Document Type:Journal Article
Language:German
Date of Publication (online):2023/12/02
Date of first Publication:2023/12/02
Release Date:2023/12/19
Volume:20
Issue:1
First Page:161
Last Page:180
Dewey Decimal Classification:9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
ZZF Chronological-Classification:20. Jahrhundert
1990er
21. Jahrhundert
ZZF Topic-Classification:Soziales
Politik
Staatssozialismus
Vergleiche
Gedächtnis
Medien
Begriffe
Emotionen
Public History
Raum
Postcolonial Studies
Arbeit
Erinnerung
Historische Semantik
Mentalität
Sozialstruktur
Transformation
Verfassung
Westernisierung
Zäsuren
Kolonialismus
Web-Publications:Zeithistorische Forschungen
Studies in Contemporary History: Articles:1 / 2023 Ausweisen – Rückführen – Abschieben
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