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Wer war die Frauenbewegung im Kaiserreich – und wenn ja, wie viele?. Ein Plädoyer für die Anerkennung und Erforschung des proletarischen Flügels der Bewegung

  • Frauenbewegungen in ihren „langen Wellen“ (Ute Gerhard) weisen historische ‚Interferenzen‘ auf, die sich insbesondere an Konflikten, Brüchen ebenso wie Solidaritäten und Bündnissen zeigen. Diese Phänomene lassen sich in Frauenbewegungskontexten über große Zeiträume hinweg nachweisen. In der Frauenbewegung des Kaiserreichs spielte der Konflikt zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen eine besondere Rolle, denn er führte hier zu einer selbstständigen Organisation und gezielten Mobilisierung von Arbeiterinnen jenseits der bürgerlichen Frauenvereine. Diese Konstellation erzeugte in der Geschichtsschreibung der Frauenbewegung, die mit den Aktivistinnen der ersten Welle einsetzte, von Beginn an Streitigkeiten darüber, wer zur Frauenbewegung zählte oder besser: wer nicht dazu gehören sollte. In der Historiographie der Frauenbewegung, die anfangs von Aktivistinnen betrieben wurde, die sich selbst zum Forschungsgegenstand machten und damit ein politisches Programm verfolgten, dominierte lange die Betonung der Differenz. Die jüngere Forschung hat zwar den Blick geweitet, um der Heterogenität der Frauenbewegung im Kaiserreich Rechnung zu tragen, aber schreibt paradoxerweise die Marginalisierung der proletarischen Frauenbewegung tendenziell fort, indem sie sowohl ältere Narrative aus der Forschung übernimmt als auch implizit gegen die Renaissance der „Klassenfrage“ in der zweiten Rezeptionswelle der 1970er Jahre gerichtet ist. Eine (schlaglichtartige) Rekonstruktion der Rezeptionsgeschichte erscheint lohnenswert, da dadurch Schieflagen und deren Ursachen offengelegt werden können. Wir vertreten in diesem Beitrag die These, dass sich das zeitgenössische Schicksal des doppelten Paria-Daseins der organisierten Proletarierin im Kaiserreich auf traurige Art und Weise in der gegenwärtigen Forschung wiederholt: Einerseits wird ihre Geschichte politisch marginalisiert, weil sie eine Frau ist, und andererseits, weil ihr als Sozialdemokratin/Sozialistin bis heute die eigene Autonomie abgesprochen wird. Unser Beitrag versteht sich als Aufschlag einer möglichen Debatte und möchte dazu anregen, die proletarische Frauenbewegung als wichtige Referenzfigur der deutschen Frauenbewegungsgeschichte (wieder) wahrzunehmen, um der Heterogenität der Frauenbewegung(en) des Deutschen Kaiserreichs in einem intersektionalen Sinne gerecht zu werden.

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Metadaten
Author:Vincent StreichhahnGND, Jana GüntherORCiDGND
URL:https://zeitgeschichte-online.de/themen/wer-war-die-frauenbewegung-im-kaiserreich-und-wenn-ja-wie-viele
DOI:https://doi.org/10.14765/zzf.dok-2494
Parent Title (German):Dossier: Preußen und das Kaiserreich im Gedächtnis. Zur Erinnerungs- und Rezeptionsgeschichte der Hohenzollernmonarchie
Publisher:ZZF - Centre for Contemporary History: Zeitgeschichte online
Place of publication:Potsdam
Document Type:Online Publication
Language:German
Date of first Publication:2021/07/23
Release Date:2023/07/01
ZZF Chronological-Classification:20. Jahrhundert
vor 1900
ZZF Topic-Classification:Geschlecht
Politik
Gender Studies
Klassen
Presse
Soziale Bewegungen
ZZF Regional-Classification:Europa / Westeuropa / Deutschland / Bundesrepublik
Web-Publications:Zeitgeschichte online
(Theme) dossier(s):zeitgeschichte|online / Preußen und das Kaiserreich im Gedächtnis. Zur Erinnerungs- und Rezeptionsgeschichte der Hohenzollernmonarchie
Licence (German):License LogoZZF - Clio Lizenz