1950er
Filtern
Erscheinungsjahr
Dokumenttyp
Sprache
- Deutsch (116) (entfernen)
Gehört zur Bibliographie
- nein (116) (entfernen)
Nach dem 11. September 2001 schienen viele zuvor intensiv debattierte Themen schlagartig an Brisanz verloren zu haben - so auch die Welle der fremdenfeindlichen Gewalt, die Deutschland im Sommer 2000 erschütterte und die den Anstoß zur wissenschaftlichen Tagung „Fremde und Fremd-Sein in der DDR“ am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) im Dezember desselben Jahres gab. Aus einiger Distanz zeigt sich jedoch, daß beide Phänomene - trotz ihrer unterschiedlichen Tragweite - auf ein grundlegendes Problem moderner Gesellschaften verweisen, das im vorliegenden Band am Beispiel der DDR expliziert wird: die Frage nach der Fähigkeit und dem Willen zur Integration der „Fremden“ bzw. des „Anderen“ in eine moderne Gesellschaft.
Mit Stalins „Revolution von oben“ seit 1928 und dem Beginn der Fünfjahrespläne wandte sich die UdSSR von Europa ab. Während die Bolschewiki im Jahrzehnt nach ihrer Machtübernahme Europa revolutionieren wollten, erklärten sie nun die radikale Umgestaltung des eigenen Landes zur Priorität. Um die verschiedenen Nationen und Ethnien des Vielvölkerreiches für den „Aufbau des Sozialismus“ zu mobilisieren, bediente sich der Propagandastaat seit 1935 der Metapher der „Großen Freundschaft“ der sowjetischen Völker. Seit Ende der dreißiger Jahre betonte die Propaganda außerdem die Vorreiterrolle des russischen Volkes - seine Verdienste um die Revolution und seine historischen Leistungen in der Staatsbildung erhoben es zum primus inter pares, zu dem die kleineren Brudervölker der UdSSR in „Liebe und Dankbarkeit“ aufblicken sollten. Der Diskurs der Völkerfreundschaft war Bestandteil eines bolschewistischen Nationalismus, der die politische Kultur der Sowjetunion bis zu ihrem Ende prägte und die russische Gesellschaft bis in die Gegenwart beeinflusst.
Ideologierausch und Realitätsblindheit. Raymond Arons Kritik am Intellektuellen „französischen Typs“
(2009)
„We can reasonably congratulate ourselves“, schrieb 1955 der Historiker Denis Brogan im „Times Literary Supplement“, „that our men of letters and academics either have more sense or are not encouraged to be so silly, but it is an ominous fact that the world is full of intellectuals of the French type.“ Intellektuelle französischen Typs: Das waren für den Mann aus Cambridge vor allem Schriftsteller und Hochschullehrer, die sich coram publico für utopische Sozialexperimente engagierten und deren Verstand vom Dunstschleier politischer Ideologien vernebelt sei. Großbritannien könne sich glücklich schätzen, dass seine geistigen Eliten in der Tradition des Common Sense verwurzelt und mit den Mechanismen praktischer Politik vertraut seien. Frankreich dagegen, als Sinnbild für weite Teile Europas (und „der Welt“), leide unter der Dominanz von im wahrsten Sinne des Wortes unvernünftigen Intellektuellen - „not nearly as much in contact with reality as [their counterparts] in the much more closely integrated English society“. Die vermeintliche Unvernunft bzw. „Dummheit“ von Intellektuellen „französischen Typs“ war demnach auf eine tiefreichende Entfremdung von Politik und Gesellschaft zurückzuführen, die insbesondere mit zwei sich einander bedingenden Faktoren verknüpft zu sein schien: Ideologierausch und Realitätsblindheit.
In der DDR nahmen Recht, Markt und Geld im wirtschaftlichen Austausch und im Prozess der sozialen Interaktion nur einen geringen Stellenwert ein. Die - im Vergleich zu westlich-kapitalistischen Gesellschaften - geringe Geltungskraft dieser „differenzierten Rationalitäts-kriterien“ wirkte sich nicht nur auf die Ausübung der politischen Herrschaft und die Ent-scheidungsprozesse aus, sondern auch auf die Allokation ökonomischer Ressourcen und die Ausprägung gesellschaftlicher Ungleichheit. So waren der Zugang zu Verbrauchsgütem - vor allem zu den begehrten Konsumgütem -, die damit verbundenen sozialen Differenzen und kulturellen Distinktionen in der Gesellschaft der DDR weitgehend nicht monetär bestimmt.
"Hütet euch vor falschen Propheten!" Hörfunkkommentare der katholischen Kirche aus Berlin 1950-1962
(2006)
Von der SED als das „trojanische Pferd der Imperialisten“ gefürchtet, nahm die Medienarbeit des Bistums Berlin im Kalten Krieg an der Schnittstelle von Politik und Religion eine besondere Stellung ein. Kirchenpolitisch von außerordentlicher Bedeutung, umfasste das Bistum neben der gesamten Stadt Berlin auch die Mark Brandenburg sowie Teile Vor- und Hinterpommems und befand sich direkt an der „Nahtstelle der Systeme“. Dadurch avancierte das Ordinariat rasch zum Zentrum der katholischen antikommunistischen Medienarbeit in Westberlin. Der Aufbau eines internen und externen katholischen Kommunikationssystems, das sich auch auf die modernen Massenmedien stützte, lag nach 1945 in den Händen von Prälat Walter Adolph. Virtuos setzte er Presse, Hörfunk und Film im „Glaubenskrieg“ zwischen „bolschewistischem Totalitarismus“ und „christlicher Weltordnung“ ein. Adolph war sicherlich kein intellektueller, originärer Vordenker; seine Aufgabe war die mediale Vermittlung katholischer Vorstellungen an religiös orientierte Öffentlichkeiten in beiden deutschen Staaten. Der von Aktion und Reaktion bestimmte „Kalte Medienkrieg“ in Ost und West soll hier von der spezifischen Situation im „Bistum an Gottes Front“ genauer beleuchtet werden.
Der Schlaf scheint auf den ersten Blick eine „anthropologische Konstante“ zu sein. Eine Historisierung der Regeln und Praktiken des Schlafs im 20. Jahrhundert kann jedoch zeigen, wie eng Vorstellungen vom „richtigen“ Schlafen an die Machtstrukturen der Gesellschaft geknüpft waren. Dieser Artikel geht der Frage nach, auf welche Weise Arbeitgeber, Sozialplaner, Ärzte und Psychologen auf den Schlaf und damit auf den Körper, die Arbeitskraft und die Zeit des Individuums zuzugreifen versuchten. Anhand von fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen und Diskussionen, aber auch von populären Ratgebertexten wird in einem ersten Schritt untersucht, wie und warum der Rhythmus des Schlafs seit Ende der 1920er-Jahre zu einem stark beachteten Thema wurde. In einem zweiten Schritt geht es um die Veränderungen, die der Zweite Weltkrieg im Umgang mit dem Schlaf bewirkte. In einem dritten Schritt wird der entscheidende Bruch in der Mitte der 1950er-Jahre untersucht, der das schlafende und arbeitende Individuum zum Gegenstand einer modernen Schlafforschung und neuer Schlafregeln machte.