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„Eine Militärgeschichte von unten" ist der Untertitel eines Sammelbandes zum „Krieg der kleinen Leute", den der Freiburger Militärhistoriker Wolfram Wette 1992 herausgegeben hat. Beide Titel des Buches, mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen, klingen griffig-programma1isch; und so sind sie uuch gemeint. Die Militärgeschichte - das ist ihre Botschaft - wurde hisher immer nur in der Perspekive von oben betrieben; sie beschränkte sich auf die Analyse von Schlachten, die Taten einzelner Heerfuhrer und eine mehr oder weniger vom Objekt faszinierte Darstellung der eingesetzten Waffen.
Wissenschaftlich scheint die Tragfähigkeit des Genozidbegriffes erschöpft, ironischerweise nicht zuletzt, weil seine Durchsetzung die Aufmerksamkeit auf das Phänomen massiver Gewalt gelenkt und sich unser Kenntnisstand enorm verbreitert hat. Eben weil wir jetzt so viel mehr wissen, legt er der Forschung Fesseln an. Mit seinen nur scheinbar klaren Vorgaben verstellt er den Blick auf die mitunter doch sehr anders gelagerten Realitäten entgrenzter Gewalt. Lässt man ihn für den wissenschaftlichen Diskurs fallen, könnte man sich endlich zu der Einsicht durchringen, dass Gewaltabläufe auch inkonsistent und kontingent, dass die Handlungen der Opfer, des Auslands eine Rolle spielen können für Entscheidungsprozesse der Täter, und dass nicht immer der Wille entscheidend ist, sondern die Tat.
Als 1940 "der soziale Wohnungsbau des Führers" ins Leben gerufen und als Aufgabe der Deutschen Arbeitsfront (DAF) zugewiesen wurde (Führererlaß 15.11.1949), schien damit eine drastische Wende in der Wohnungspolitik und Wohnungsproduktion eingeleitet. So fällt am Programm des neuen "sozialen Wohnungsbaus" ins Auge, daß er zu jenem Zeitpunkt ins Leben gerufen wurde, als jahrelange Kriegsvorbereitung in die Kriegsführung und Kriegswirtschaft überführt worden waren; bei angespanntester Wirtschaftslage sollten nun zwar "Kanonen statt Butter" erzeugt werden, aber eben auch das Friedensgut Wohnung. Mit dem neuen Massenwohnungsbau vollzogen die Nationalsozialisten eine Abkehr von der Förderung des privaten Wohnungsbaues und wandten sich einem staatlich geförderten gemeinnützigen Wohnungsbau zu, wie er bereits in den 20er Jahren unter anderem politischen Vorzeichen bestanden hatte. An die Stelle von Selbsthilfe und vorstädtischer Klein-Siedlung mit Eigenheim und Nebenerwerb, die 1931 am Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise durch die Brüningschen Notverordnungen zum neuen Ziel der Wohnungspolitik erhoben worden waren und nach 1933 auch die Anerkennung der Nationalsozialisten gefunden hatten, sollte nun eine durchrationalisierte und möglichst weitgehend auf industrielle Basis gestellte Massenproduktion von Mietwohnungen in Groß-Siedlungen treten. Im Zuge solcher "Industrialisierung des Wohnungsbaus" (Stratemann, 1941) sollten, unter Berufung auf Henry Ford, "Wohnungen wie Autos gebaut" werden. Die Wohnhäuser aber sollten heimattümelnd-herkömmlich im Sinne von "Blut und Boden" gestaltet sein. Der neue "Führerwohnungsbau" (Wagner, H., 1941: 152) wurde während des Krieges in kleiner Serie mit dem Ziel erprobt, ihn nach dem erhofften schnellen Endsieg in jährliche Großserien von 600 000 Wohnungen umzusetzen.
The introduction to this issue on historical surveillance studies argues for an integrated understanding of surveillance that focuses on the interconnectedness of the state, economy and sciences within the context of different forms of technological revolution. It suggests reading contemporary diagnoses of ‘total surveillance’ from a long-term historical perspective beginning in the seventeenth century. In this light, surveillance is not limited to intelligence history or state control. Rather, it produces patterns of order and data that can be deployed for political processes like urban planning, welfare policy, crime prevention, or the persecution of political opponents. Furthermore, surveillance is also part of the economy, encompassing market and consumption research, advertising, and workplace monitoring. Research into the political and the economic aspects of surveillance should be combined. After defining the term ‘surveillance’ and differentiating between security and surveillance studies, the article provides an overview of different empirical studies in this new historiographical field. It concludes with short summaries of the articles collected in this issue.
Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR) spricht von der größten humanitären Flüchtlingskatastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg (UNHCR 2014) und die Anzahl an Asyl- und Schutzsuchenden in Europa nimmt Ausmaße wie seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr an. Die Themen Flucht und Flüchtlingsaufnahme werden in Öffentlichkeit und Politik kontrovers diskutiert. Für die Sozialwissenschaften sind die Themen Vertreibung, Zwangsmigration und Flüchtlingsschutz nicht nur hoch aktuell, sondern fundamental mit der Organisation und Gestalt der modernen Staatenwelt verbunden. Aus vielfältigen Gründen sind Menschen gezwungen, auf der Suche nach Unterstützung und politischem Schutz ihre Länder zu verlassen. In der nationalstaatlich organisierten Welt können fundamentale Rechte nur gewährleistet werden, wie Hannah Arendt es bekanntermaßen ausdrückte, sofern man das Recht hat, Rechte zu haben (Arendt 1994: 290-302). Jene, die aus ihren Herkunftsländern fliehen, klagen damit nicht nur gegenüber der restlichen Welt ihre Menschenrechte ein, sie stellen auch grundsätzliche Fragen an die Sozialwissenschaften. Wie gehen in unserer globalen Gesellschaft, aber auch regional, national und lokal, Flucht und Vertreibung einher mit humanitärer Unterstützung, mit dem Anspruch auf Rechte und Schutz für Flüchtlinge? Damit verbunden sind auch Fragen von Sicherheitspolitik, Grenzschutz, Rassismus und ökonomischen Interessen, um nur einige Themen zu benennen. Flüchtlinge existieren tatsächlich und metaphorisch zugleich an der Peripherie und im Zentrum.
Die DDR gilt in ökologischer Hinsicht als failed state. Diese Wertung speist sich aus den Darstellungen der ostdeutschen Umweltbedingungen in der westdeutschen Presse in den 1980er Jahren. Während vor 1981 die Umwelt in der DDR allenfalls eine marginale Rolle spielte, brannten sich während des Wendeherbstes 1989 die Bilder von biologisch toten Flüssen, großflächig absterbenden Wäldern, Tagebau-Restlöchern und unwirtlichen Industrielandschaften in das ikonographische Gedächtnis der Bundesrepublik.
Über die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg. Tendenzen, ursächliche Hintergründe, Perspektiven
(2003)
Meine unvollständigen und groben Striche zu einem hochkomplexen, strukturgeschichtlichen Vorgang können lediglich andeuten, daß sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Indizien für die These sprechen, daß es sich bei den vielen Kriegen in der Dritten und nun auch vormals Zweiten Welt um einen konfliktiv nachholenden Prozeß kapitalistischer Vergesellschaftung und bürgerlicher Staatskonsolidierung handelt, der eines Tages in eine Zivilisierung wie in den kapitalistischen Metropolen münden müßte. Einen deterministischen Automatismus gibt es dabei allerdings nicht; jeder Schritt in diese Richtung wird aus sozialen Kämpfen hervorgehen müssen. Wohl aber darf man hoffen, daß der Prozeß insgesamt schneller und weniger kriegerisch als in Europa vonstatten gehen wird.
Emmanuel Macron ist nicht nur der erste französische Präsident, der nach der Kolonialzeit seines Landes geboren wurde, sondern auch der erste, der unumwunden von einer Kolonialschuld spricht und bereits 2017 – unter zum Teil heftiger Kritik – sein Vorhaben andeutete, Rückführungen von Kulturobjekten in ihre Herkunftsländer im Globalen Süden anzuregen. Nach seiner Wahl beauftragte er die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Intellektuellen Felwine Sarr damit, einen Bericht zu verfassen, der darlegen sollte, wie ein solches Verfahren gelingen kann.
Im Gegensatz zu Deutschland ist auf politischer Ebene in Frankreich also recht viel in Bewegung. Allerdings ist die Resonanz aus der Bevölkerung – wiederum anders als im deutschsprachigen Raum – zurückhaltender, wie Bénédicte Savoy im Gespräch mit Gabriele Metzler berichtet. Das Videointerview war Teil der Vorlesung Der lange Nachhall des Kolonialreichs. Deutsche Geschichte im europäischen und globalen Kontext seit 1919, die Metzler im ersten pandemiebedingt digitalen Universitätssemester, dem Sommersemester 2020, an der Humboldt-Universität zu Berlin hielt. Mit freundlicher Genehmigung der Gesprächspartnerinnen durfte es an dieser Stelle veröffentlicht werden.
Der Tonfall war alarmistisch. »Der Staat«, so proklamierte der sozialdemokratische Politiker Erhard Eppler, »der von seinen Bürgerinnen und Bürgern erwartet, daß sie sich ihre Sicherheit am Markt kaufen, wohl wissend, daß nur wenige dies können« verdiene »seinen Namen nicht« mehr. Es schien Eppler die »verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Staates« zu sein, das »Grundbedürfnis aller Menschen, nicht dauernd in Angst zu leben« zu erfüllen; man müsse daher zwingend darauf bestehen, »daß die Polizei in [einem] Arbeiterwohnviertel genauso patroulliert [sic] wie im vornehmeren, daß ein Einbrecher hier genauso viel riskiert wie dort, daß es keine Viertel« gebe, »wo die Polizei sich allenfalls bei Tage, und dann nur in Rudeln, blicken läßt und andere, wo sie zugunsten privater Dienste abgedankt« habe. Im Jahr 2002 veröffentlichte der Parteilinke seine Streitschrift »Vom Gewaltmonopol zum Gewaltmarkt?«, in der er gegen eine zunehmende Erosion staatlicher Kernkompetenzen anschrieb, die gegenwärtig vor allem aus ökonomischen Motiven grundsätzlich zur Disposition gestellt würden. Insbesondere »Privatisierung und Kommerzialisierung« bzw. eine rasch voranschreitende »Ökonomisierung« erschienen Eppler als existenzielle Bedrohungen des modernen Staates und seines fundamentalen Daseinszweckes, der Sicherheitsgewährung für seine Bürger durch das staatliche Gewaltmonopol. Durch die »Kommerzialisierung der inneren Sicherheit« werde diese zu einer »Ware am Markt« oder gar einem »Luxusgut«.
Bei einer Autopsie der Sowjetunion könnten Historiker auf dem Totenschein vermerken: »Verstorben an Ökozid«. Diese provokante These zweier renommierter westlicher Experten kann den Zerfall der Sowjetunion natürlich nicht hinreichend erklären. Aber aus umweltgeschichtlicher Sicht werden aufschlussreiche Aspekte sowjetischer Geschichte deutlich, die sonst allzu leicht durch das Raster historischer Forschung fallen. So lag die primäre Ursache für den Niedergangsprozess des ersten sozialistischen Staats auf Erden in seinem immer offensichtlicheren Mangel an wirtschaftlicher Leistungskraft, der nicht zuletzt auf den fortgesetzten Raubbau an Natur und Gesellschaft zurückzu-führen ist. Die Sowjetunion erwies sich als unfähig, sich den Bedingungen des postindustriellen Wandels im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts anzupassen. Der britische Historiker Eric Hobsbawm brachte es auf den Punkt, als er schrieb, die Sowjetunion hätte »mit wahrhaft titanischen Anstrengungen die beste Wirtschaft der Welt nach den Maßstäben der I890er-Jahre aufgebaut.« Mit ihrem »ziemlich archaischen, auf Eisen und Rauch beruhenden Industriesystem« geriet sie in den 1970er- und 1980er-Jahren immer tiefer in den Strudel ihres politischen und wirtschaftlichen Niedergangs.
Untersucht man heute, gut zwei Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989, die Zeit des Kalten Krieges, so kommt man kaum umhin, sie als eine Ära der Verschwendung zu betrachten: der Verschwendung von Geldern für riesige Waffenarsenale, der Verschwendung von Ressourcen, die von zivilen auf militärische Zwecke umgelenkt wurden, und schließlich – das wohl hartnäckigste, bis heute andauernde Problem – der Verschwendung von Millionen Hektar Land, die verwüstet und mitsamt dem Grundwasser durch giftige Chemikalien und radioaktiven Müll kontaminiert wurden.
Die neuen Technologien des späten neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts, die zum ersten Mal die Reproduktion. Aufzeichnung, Manipulation und Übertragung des Tons ermöglichten, haben offensichtlich tief greifende Auswirkungen auf die Modalitäten der auditiven Wahrnehmung mit sich gebracht, sowie zur Gestaltung neuer Öffentlichkeiten beigetragen. Die These dieses Beitrages ist, dass sich gerade in diesen Zeiten des technologischen Wandels die Tätigkeit des Hörens als ein besonders umkämpftes Feld innerhalb der Konstruktion von Öffentlichkeit zeigt.
Sind die staatssozialistischen Diktaturen an einem Übermaß an „Sicherheit“ gescheitert? Gewöhnlich werden ja eher die verschiedensten Formen des Mangels als Grund für ihren Niedergang angeführt. Es fehlte an Vielem und an allen Ecken und Enden: an individuellen Freiheiten, an Konsumgütern, und schließlich auch den Kommunisten selbst an Zukunftsperspektiven. Selbstverständlich lässt sich argumentieren, dass das eine mit dem anderen zusammenhing. Eine umfassende, die Gesellschaft durchherrschende Politik der Sicherheit nach außen und innen verschlingt beträchtliche Ressourcen für Infrastrukturen, Schutz- und Waffensysteme sowie für die alltäglich zu verrichtenden Tätigkeiten des Überwachens, Kontrollierens und Disziplinierens. Weit vorausschauende vorbeugende Gefahrenabwehr hat ihren Preis, wenn sie allzu enge Grenzen setzt: Sie schränkt die Entfaltung und Selbstbestimmung vieler Individuen ein und kann Kreativität und Unternehmungsgeist behindern, Innovation und damit auch Produktivität und Wachstum hemmen. Wiewohl umfassende Sicherheit kurzfristig der Legitimität eines Regimes zu Gute kommen mag, können ihre Kosten und Nebenwirkungen auf Dauer die soziale Entwicklung behindern und so zum Legitimitätsverlust beitragen.
Sind die staatssozialistischen Diktaturen an einem Übermaß an „Sicherheit“ gescheitert? Gewöhnlich werden ja eher die verschiedensten Formen des Mangels als Grund für ihren Niedergang angeführt. Es fehlte an Vielem und an allen Ecken und Enden: an individuellen Freiheiten, an Konsumgütern, und schließlich auch den Kommunisten selbst an Zukunftsperspektiven. Selbstverständlich lässt sich argumentieren, dass das eine mit dem anderen zusammenhing. Eine umfassende, die Gesellschaft durchherrschende Politik der Sicherheit nach außen und innen verschlingt beträchtliche Ressourcen für Infrastrukturen, Schutz- und Waffensysteme sowie für die alltäglich zu verrichtenden Tätigkeiten des Überwachens, Kontrollierens und Disziplinierens. Weit vorausschauende vorbeugende Gefahrenabwehr hat ihren Preis, wenn sie allzu enge Grenzen setzt: Sie schränkt die Entfaltung und Selbstbestimmung vieler Individuen ein und kann Kreativität und Unternehmungsgeist behindern, Innovation und damit auch Produktivität und Wachstum hemmen. Wiewohl umfassende Sicherheit kurzfristig der Legitimität eines Regimes zu Gute kommen mag, können ihre Kosten und Nebenwirkungen auf Dauer die soziale Entwicklung behindern und so zum Legitimitätsverlust beitragen.