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Das gesellschaftstheoretische und sozialphilosophische Werk des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas hat, nicht nur gemessen an seiner interdisziplinären und internationalen Rezeption, die Geistesgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv geprägt. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Habermas durch seine tagespolitischen Interventionen bekannt geworden, in denen er als klassischer „public intellectual“ zu relevanten politischen, gesellschaftlichen und ethischen Fragen dezidiert Stellung bezieht. Ihren vornehmlichen Ort findet diese Zusammenführung von Theorie und Lebenswelt bis heute aber weniger im Rahmen von Symposien, Konferenzen oder der akademischen Lehre, sondern vorzugsweise in der Gestalt politischer Publizistik, den „Kleinen Politischen Schriften“.
Cultural Turns
(2010)
In den neueren Kultur- und Sozialwissenschaften ist noch immer die Rede vom „Cultural Turn”, der in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Hinwendung der einzelnen Disziplinen auf die Analyse kultureller Bedeutungen und symbolischer Ordnungen ausgelöst hat. Diese Meistererzählung von dem einen herausgehobenen Cultural Turn, der noch dazu im Bann eines übermächtigen linguistic turn verharrt, ist jedoch fragwürdig. Denn wendet man sich der Vielzahl und Verschiedenheit der cultural turns zu, dann entfaltet sich eine andere Geschichte der neueren Kulturwissenschaften, die ausdrücklich auf Pluralisierung zielt.
There is no single answer to the question: What is intellectual history? Commenting in the mid-1980s on two recent volumes dedicated to the sub-discipline's methods and perspectives, John Pocock wryly remarked: "I recommend reading them, but after doing so myself, I am persuaded that whatever 'intellectual history' is, and whatever 'the history of ideas' may be, I am not engaged in doing either of them." In the United States, in many respects the heartland of intellectual history, the scholarly community has grappled with the ambiguous relationship of "intellectual history" to "the history of ideas" for almost a century.
Das Wort „Antisemitismus" dient einerseits als Oberbegriff für jede Art von Judenfeindschaft. Andererseits charakterisiert es im engeren Sinne, als Wortbildung des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, eine neue, pseudowissenschaftlich und nicht religiös, sondern mit „Rassen"-Eigenschaften und -Merkmalen argumentierende Form des antijüdischen Vorbehalts. Von diesem modernen Antisemitismus ist der religiös motivierte, ältere Antijudaismus zu unterscheiden.
Der Wohnungs- und Städtebau der Zwischenkriegszeit bildet ein Paradebeispiel für die Intentionen und Grenzen der frühen Rationalisierungsdiskurse als einem Kernelement des Fordismus. Der Erste Weltkrieg verhalf der Bewegung sowohl in Deutschland wie in Frankreich zum Durchbruch. Während in Frankreich die private Schwerindustrie trotz staatlicher Rahmensetzungen den Takt angab, wurden in Deutschland die ersten Pilotprojekte der Rationalisierung nach 1918 von sozialistischen „Bauhütten“ und den Kommunen realisiert. Die aus Amerika kommenden Konzepte von Ford, Taylor und Gilbreth wirkten als Katalysatoren auf die in Europa entwickelten Ideen. In der Weltwirtschaftskrise zeigte sich, dass die Rationalisierung im Bauwesen die steigenden Zinsbelastungen am Kapitalmarkt nicht ausgleichen konnte. Der Aufsatz vertritt die These, dass ungeachtet nationaler Varianten in Europa insgesamt die „endogenen“ Konzepte und Triebkräfte (wie Erster Weltkrieg, Wohnungsreform und Sozialpolitik) eine deutlich wichtigere Rolle spielten, als es das Schlagwort vom „Fordismus“ anzeigt.
Die folgende Skizze verzichtet ganz auf normative Stellungnahmen. Wie man „gute“ Zeitgeschichte schreiben und welche Aufgaben sie haben sollte – solche Proklamationen sind eine allzu verbreitete Übung von Historikern, zumal sie ohne die Anstrengung empirischer Forschung von der Hand gehen. Stattdessen soll hier gefragt werden, inwieweit wir es uns überhaupt erlauben können, Diagnosen über Wandel und Kontinuität in der Zeitgeschichtsschreibung aufzustellen und daran Empfehlungen zu knüpfen, solange wir nicht auf empirisch gesichertem Grund stehen. Wohlgemerkt, es geht um Anfragen, nicht um Resultate oder Lösungen. Sind die oft behaupteten Tendenzen – zunehmende Marktabhängigkeit, Emotionalisierung, Internationalisierung, mangelnde Selbstreflexion der Zeitgeschichte, teleologische und gegenwartslegitimatorische Geschichtsschreibung à la Treitschke – typisch für die Zeitgeschichte? Vorausgesetzt, die Elemente des Merkmalskatalogs treffen überhaupt zu: Was davon betrifft die Zeitgeschichte, was die gesamte Geschichtsschreibung?
Die erste Assoziation, die viele heute mit dem Thema Angst in der Politik verbinden, ist der gegenwärtige internationale oder islamistische Terrorismus. Eine eindeutige Definition dessen, was eigentlich der Begriff Terrorismus beinhaltet, fällt zwar nach wie vor schwer. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Verbreitung von Angst zu einem der am häufigsten genannten definitorischen Merkmale von Terrorismus gehört. Terroristen versuchen gezielt unterder Bevölkerung Angst zu verbreiten, damit diese wieder um Druck auf die Regierungen ausübt. Peter Waldmann hat daher darauf verwiesen, dass Terrorismus »primär eine Kommunikationsstrategie« darstelle, die durch die Instrumentalisierung von Angstgefühlen danach trachte, gegnerisches Verhalten zu konditionieren.
Die moderne Versicherungswirtschaft entstand als Reaktion auf die vielfältigen neuen Risiken, die sich mit der Industrialisierung entwickelten. Die verstärkte Risikoabsicherung war verbunden mit einem Denken in Wahrscheinlichkeiten und deren rechnerischer Bestimmung. Ende des 19. Jahrhunderts war die Versicherungsindustrie bereits voll entwickelt, und der Staat erklärte das Versicherungsprinzip zur Leittechnik der Risikovorsorge. Heute stößt die Versicherungswirtschaft aufgrund der global wirksamen ökologischen, ökonomischen und terroristischen Risiken jedoch an ihre finanziellen Grenzen; sie kann mit der raschen Expansion der Risiken kaum noch Schritt halten. Der Aufsatz skizziert die Anfänge von Versicherungen sowie die Durchsetzung des Versicherungsprinzips vor allem im Laufe des 19. Jahrhunderts. Er gibt einige Hinweise zur weiteren Entwicklung von Versicherungen im 20. Jahrhundert und lenkt den Blick schließlich auf die neuartigen Probleme, denen sich Versicherungen in der „Weltrisikogesellschaft“ des beginnenden 21. Jahrhunderts ausgesetzt sehen.
Soundscape Stammheim
(2010)
Die Rote Armee Fraktion (RAF) markiert nicht nur in visueller, sondern auch in akustischer Hinsicht ein herausragendes Phänomen der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. So war eine der ersten Stellungnahmen, die nach der Befreiung Andreas Baaders im Mai 1970 veröffentlicht wurde, eine Tonbandaufzeichnung Ulrike Meinhofs. Die Journalistin Michèle Ray hatte sie nach Abschluss ihres Interviews dem „Spiegel“ überlassen. Damit konnten die Aussagen Meinhofs zum Aufbau der Roten Armee nicht nur als Text, sondern auch als Ton der Nachwelt erhalten bleiben.