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Vernetzte Bankenwelt. Computerisierung in der Kreditwirtschaft der Bundesrepublik und der DDR
(2018)
Anlässlich des 80. Geburtstages von Franz Kafka hatte vom 27. bis 29. Mai 1963 im barocken Schloss von Liblice die inzwischen legendäre Kafka-Konferenz unter der Federführung von Eduard Goldstücker und seiner Prager Germanistenkollegen stattgefunden. Ein Jahr danach, im Sommer 1964 berichtete der Budapester Korrespondent der Associated Press über die kulturpolitische Situation in den osteuropäischen Ländern. Unter dem Titel „Wer wird sich schon vor Kafka fürchten?“ diagnostizierte der Autor ein „kulturpolitisches Tauwetter“, das insbesondere in Ungarn, der Tschechoslowakei und Polen zu spüren sei.
Radio Luxembourg war in der europäischen Rundfunklandschaft der Nachkriegszeit eine Ausnahme: Die privatkommerzielle Radiostation sendete werbefinanzierte Unterhaltungsprogramme in die benachbarten Staaten und erreichte damit ein Millionenpublikum. Die Autorin Anna Jehle zeigt anhand verschiedener Untersuchungsfelder - der Unternehmens- und Programmgeschichte, der Zielgruppen, der Marketingaktivitäten und des Werbezeitenverkaufs -, wie eng die Entwicklung der Konsumgesellschaft im Frankreich der sogenannten trente glorieuses mit der Verbreitung und Nutzung des Radios verbunden war. Mit seinem ganz auf Massenkonsum ausgerichteten Rundfunkkonzept war Radio Luxembourg nicht nur integraler Bestandteil, sondern auch Katalysator und Agent der Konsummoderne. Dies hatte weitreichende Auswirkungen für das französische Rundfunksystem, das sich unter dem Einfluss Radio Luxembourgs kommerzialisierte, und zwar bereits lange vor der Deregulierung des Rundfunks in den 1980er Jahren.
Geht es um die Kunst des Nationalsozialismus, geht es in der Regel auch um Arno Breker. Hitlers Lieblingsbildhauer ist der wohl bekannteste Vertreter der offiziell anerkannten deutschen Kunst zwischen 1933 und 1945 und auch dank seiner langen Nachkriegskarriere eigentlich immer noch für einen Skandal gut, wie die Schweriner Ausstellung im Jahr 2006 zeigte. Braucht es da wirklich noch eine weitere Publikation, die sich mit diesem Künstler beschäftigt? Nach Lektüre der überarbeiteten und erweiterten Fassung der von Patrick Neuhaus bei Michael Wildt an der Humboldt-Universität Berlin vorgelegten Magisterarbeit muss diese Frage eindeutig bejaht werden. Es handelt sich um eine Spezialuntersuchung zur Breker-Ausstellung im Musée de l’Orangerie im besetzten Paris 1942, die einer der prominentesten Aspekte von Brekers Biografie ist.
Der 88-jährige Dokumentarfilmer Frederick Wiseman hat seinen neuesten Film „Ex Libris“ einer Einrichtung gewidmet, die nur unwesentlich älter ist als er selbst: der im Jahr 1911 gegründeten Public Library in New York. Wie in seinen 41 Filmen zuvor verzichtet er auch dieses Mal auf Kommentare aus dem Off und geht stattdessen mit seiner Kamera hinein in die Lesesäle, die Diskussionen und die Arbeitsprozesse. Seine Beobachtungen sind so erwartbar wie überraschend und zeigen vor allem eins: die Bibliothek ist ein wichtiger Lernort für die Demokratie.
Radio San Remo
(2018)
Die Aufnahme hält eine dramatische Szene fest: Angehörige der Volksmarinedivision erwidern am Morgen des 24. Dezember 1918 das von Regierungstruppen auf sie gerichtete Artilleriefeuer, das eben ihre Verteidigungsstellung im Pfeilersaal des Berliner Schlosses getroffen hat; sechs Mann richten in fieberhafter Eile die durcheinandergeworfenen Maschinengewehre neu aus, ohne einen Blick für den tot vor ihnen liegenden Kameraden übrig zu haben; ein weiterer Matrose spurtet mit einer Munitionskiste über den von Glassplittern und Mobiliartrümmern übersäten Teppich, um Nachschub an die Frontlinie zu bringen.
"Ruhrpott-Rambo" Die Schimanski-Tatorte und der Wandel von Gewalt in westdeutschen Fernsehkrimis
(2018)
»Viele Jugendliche könnten durch solche Sendungen zur Ansicht gelangen, daß Gewalt gegen Mitmenschen etwas Normales ist und zur Nachahmung empfohlen wird«, schrieb eine Zuschauerin anlässlich der Ausstrahlung des ARD-Tatorts »Zweierlei Blut« mit Kommissar Schimanski (Götz George) am 22. Juli 1984. Die »Bild«-Zeitung behauptete, Millionen Zuschauer seien »empört«, und der »Spiegel« zitierte Bremens Polizeipräsident Ernst Diekmann mit den Worten: »Geschmacklos, ekelerregend, undenkbar«. Tatsächlich spielte Gewalt in diesem Film auch jenseits des im Fernseh-Krimi obligatorischen Mordes eine zentrale Rolle. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe gewaltaffiner Fußballfans, in deren Reihen der Mörder vermutet wird. Im Rahmen seiner verdeckten Ermittlungen wird der Kommissar von den Jugendlichen enttarnt, zusammengeschlagen und nackt auf dem Rasen des Fußballstadions drapiert. Die Misshandlung selbst wird jedoch nur angedeutet: Man sieht lediglich einige Fußtritte gegen den bereits am Boden liegenden Schimanski. Die Gewalt ist vor allem durch eine eindrucksvolle Gesichtsverletzung präsent, die der Polizist – wie auch in zahlreichen anderen Folgen der Serie – für den Rest der Handlung mit sich herumträgt.
Wolfgang Knöbl zählt zu den Protagonisten der soziologischen Gewaltforschung in Deutschland. Im April 2015 übernahm er die Leitung des Hamburger Instituts für Sozialforschung von dessen Gründer Jan Philipp Reemtsma, der das HIS seit 1984 als international renommiertes Zentrum der Gewaltforschung, Gesellschaftsbeobachtung und Sozialtheorie etabliert hatte. Nach Stationen an der Freien Universität Berlin, in New York City, Toronto und Göttingen lehrt Wolfgang Knöbl neben seiner Hamburger Tätigkeit nun Politische Soziologie und Gewaltforschung an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Arbeiten verbinden historische Forschungsinteressen (Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozeß. Staatsbildung und innere Sicherheit in Preußen, England und Amerika 1700–1914, Frankfurt a.M. 1998) mit sozialtheoretischen Leitfragen (Spielräume der Modernisierung. Das Ende der Eindeutigkeit, Weilerswist 2001; zusammen mit Hans Joas: Kriegsverdrängung. Ein Problem in der Geschichte der Sozialtheorie, Frankfurt a.M. 2008). Das Gespräch führten Thomas Schaarschmidt, Winfried Süß, Peter Ulrich Weiß und Jan-Holger Kirsch am 21. Juni 2018 im Hamburger Institut für Sozialforschung.
Die Geschichte des modernen Fußballs ist auch eine Geschichte regelmäßiger Gewaltausbrüche unter Zuschauern und Fans. Diese Tendenz verstärkte sich in den 1970er- und 1980er-Jahren, wobei nicht nur die Bundesrepublik, sondern auch die DDR zum Schauplatz drastischer Gewaltereignisse wurde. Der Beitrag zeichnet nach, wie sich die Methoden und Standards der Gewaltprävention im Fußball während der vergangenen Jahrzehnte verändert haben. Untersucht wird vor allem das spannungsreiche Handlungsdreieck aus Sozialpädagogik, Sicherheitsstrategien der Polizei und gesellschaftlichem Engagement des Deutschen Fußballbundes (DFB). Erst im Angesicht der merklichen Radikalisierung der Fan-Gewalt nach dem Mauerfall fanden diese unterschiedlichen Akteure zu einer stabilen und konstruktiven Zusammenarbeit. Zugleich gewann die gesellschaftliche Rolle des Fußballsports an Gewicht. Das Fan-Milieu gilt mittlerweile als sensibler Indikator politisch-sozialer Spannungen. Zudem erweiterte der DFB seine rein sportpolitische Funktion und beansprucht heute die Rolle eines wichtigen gesellschaftspolitischen Akteurs.
Am Beispiel der Strafvollzugsreform in der Bundesrepublik Deutschland thematisiert der Aufsatz Gewalt als Problem in Prozessen sozialer Ordnungsbildung, konkret: beim Umbau der westdeutschen Gesellschaft zu einem demokratischen Gemeinwesen. Gewalt als Handlungsoption war (und ist) in der Haft allgegenwärtig – nicht nur, weil die Insassen einander verletzen und sogar töten können, sondern auch, weil Gefangene potentiellen Übergriffen von Wärtern ausgesetzt waren. Auf welche Weise war die Bundesrepublik seit den späten 1960er-Jahren bemüht, insbesondere staatliche Gewalt gegen Gefangene einzuhegen und auch das Gefängnis als eine vom Liberalisierungsparadigma erfasste Institution erscheinen zu lassen? In welchem Maße wandelten sich Vorstellungen und Bewertungen von legitimer und illegitimer Gewalt? Durch mehrere Gefängnisskandale wuchs die Sensibilität der Medienöffentlichkeit und der Politik für Gewaltakte in Haftanstalten. Diesen sollte mit neuen Ansätzen der »Resozialisierung« begegnet werden, wozu unter anderem eine bessere Schulung des Personals zählte. Die Erfolge blieben freilich begrenzt, die Konzepte strittig. Das Gefängnis ist bis in die Gegenwart gleichermaßen ein Ort der Einhegung und der Entgrenzung von Gewalt.
In seiner Rede auf einem Empfang in der Düsseldorfer Industriekredit-Bank im September 1969 bedauerte der BDI-Präsident Fritz Berg (1901–1979), dass man Teilnehmern eines wilden Streiks bei der Dortmunder Hoesch AG nicht mit Waffengewalt entgegengetreten sei. Man hätte »doch ruhig schießen sollen, einen totschießen, dann herrsche wenigstens wieder Ordnung«. Der ehemalige Fahnenjunker der preußischen Gardepioniere bezog sich dabei auf eine Meldung der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«, die auf ihrer Titelseite darüber berichtet hatte, dass nicht streikwillige Kollegen von streikenden Stahlarbeitern körperlich bedroht worden seien. Eine andere Gruppe habe das Vorstandsbüro gestürmt und anschließend versucht, sich gewaltsam Zutritt zur Villa eines Werksdirektors zu verschaffen. Dessen Ehefrau habe die marodierenden Malocher mit gezogener Waffe am Betreten ihres Anwesens gehindert. Als die geladenen Repräsentanten der nordrhein-westfälischen Wirtschaft auf Bergs Worte mit Schweigen reagierten, setzte dieser noch einmal nach und erklärte, seine Aussage könne man ruhig zitieren.
Der Artikel von Rüdiger Hachtmann beleuchtet die Genesis der Polykratie-Theorie – zentral sind dabei die Thesen Franz Leopold Neumanns im Rahmen seiner bahnbrechenden Untersuchung „Behemoth“ –, nimmt die einzelnen Elemente der mit dem Begriff „Polykratie“ verbundenen Überlegungen zur Struktur des NS-Herrschaftssystems kritisch in den Blick und diskutiert deren Defizite.