Nationalsozialismus
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Zur Transformation von Häftlingen in Überlebende gehörte schon 1945 eine spezifische Visualität als KZ-Überlebende: Ihre Berichte gewannen mit den Fotografien und Zeichnungen an Glaubwürdigkeit und letztlich Bedeutung. Welche Motive und Sujets gehörten zu dieser Identitätssuche der Überlebenden? Meistens nutzten ehemalige Häftlinge die Bilder der alliierten Befreier, die eine spezifische Auffinde-Situation der Lager bei Kriegsende zeigten.
Im ersten Teil unseres multimedialen Interviews mit Annette Vowinckel, veröffentlicht im März 2023 auf Visual History, blickten Janaina Ferreira dos Santos und Iulia Sucutardean auf Urlauber auf einem Kreuzfahrtschiff in Richung Kuba, Diplomaten auf einer Tagung des Warschauer Pakts und Models auf einer Leipziger Modemesse. Nun wird eine Fotografie in den Blick genommen, auf der vier Männer zu sehen sind: Überlebende des Konzentrationslagers Buchenwald.
Eine Verbindung der Themenfelder »Fotografie« und »Diktatur«[1] führt schnell dazu, dass »Bildpropaganda« als gemeinsamer Nenner ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Mit Blick auf die bereits geleistete Forschung gilt dies jedenfalls für die Geschichte des Nationalsozialismus und des Stalinismus, die in dieser Hinsicht besser erforscht sind als verschiedene Diktaturen im Süden oder außerhalb Europas. Wenngleich Fotografie in Diktaturen zweifellos für propagandistische Zwecke eingespannt wurde, so erscheint eine Konzentration auf diese Form der Funktionalisierung des Mediums in vielerlei Hinsicht doch problematisch.
Gegenstand dieses Beitrages ist der betriebliche Alltag einer mittelständischen Tuchfabrik in Guben und der dort unter den Bedingungen der NS-Kriegswirtschaft und des Zweiten Weltkrieges Beschäftigten. Versucht wird eine Rekonstruktion alltäglicher Situationen von deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern, ab 1943 auch von ausländischen Arbeitskräften, aber auch des Unternehmens selbst. Die Untersuchung fußt fast ausschließlich auf Quellenmaterial des Betriebsarchives der Firma C. Lehmann’s Wwe. & Sohn, Tuchfabrik Guben. Neue Perspektiven für die Sicht von Lebenssituationen im Dritten Reich haben sich zwar aus diesem Aktenmaterial nicht ergeben, doch fügen sich einige Facetten ein in das Gesamtbild vom Leben unter der nationalsozialistischen Diktatur.