Nationalsozialismus
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Die Geschichte der deutschen Teilung war auch die Geschichte einer geteilten Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit und den Widerstand gegen das NS-Regime. Beide deutsche Staaten verstanden sich als politische Alternative zur nationalsozialistischen Diktatur - die Bundesrepublik als parlamentarische Demokratie westlicher Prägung und die DDR als „antifaschistischer“ Staat - und entwickelten ausgehend von ihrer jeweiligen gesellschaftspolitischen Ordnung unterschiedliche Strategien des Umgangs mit ihrer gemeinsamen Vorgeschichte von 1933 bis 1945. Als Nachfolgestaaten des „Dritten Reiches“ wurden die DDR und die Bundesrepublik bei ihren Bemühungen um die Wiedergewinnung internationaler Akzeptanz zu Konkurrenten auf dem Gebiet der Vergangenheitsaufarbeitung. In den Propagandagefechten des Kalten Krieges gehörte die NS-Vergangenheit zu den zentralen Feldern der deutsch-deutschen Auseinandersetzung, bei der sich sowohl die DDR - als Gesellschaft, in der dem Nationalsozialismus die „ökonomischen Wurzeln“ entrissen seien - wie auch die Bundesrepublik - als antitotalitäre Alternative zu jeglicher Form der Diktatur - als das bessere und einzig legitime Deutschland nach Hitler zu profilieren suchten. Die Auseinandersetzung um die Vergangenheit war somit Teil der Beziehungs- und Perzeptionsgeschichte beider deutscher Staaten, woraus sich beträchtliche Wechselwirkungseffekte und spiegelbildliche Polarisierungen u. a. bei geschichtspolitischen Positionen ergaben. Die Notwendigkeit, die materiellen und geistigen Folgen der NS-Herrschaft und des verlorenen Krieges zu beseitigen, die Verpflichtung zur juristischen Aufarbeitung der NS-Verbrechen, die Erwartungen der Opfer und des Auslandes auf Wiedergutmachung sowie die Aufgabe der gesellschaftlichen Integration der großen Mehrheit ehemaliger Anhänger des NS-Regimes stellten die DDR und die Bundesrepublik vor ähnliche Herausforderangen. In beiden Gesellschaften wurde der Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstand zum Gegenstand innenpolitischer Auseinandersetzungen und des Generationenkonflikts - in der Bundesrepublik u. a. mit den Wiedergutmachungs- und Verjährungsdebatten, der Studentenbewegung von 1968, den alltags- und erfahrangsgeschichtlichen Initiativen der achtziger Jahre und dem Historikerstreit, in der DDR - weit weniger öffentlich wahrnehmbar - mit der Auflösung der WN, dem 17. Juni 1953, den Konflikten zwischen verschiedenen Richtungen der Widerstands- und Emigrantentradition, dem von Literatur und Kunst aufgeworfenen Thema Antifaschismus und Verdrängung oder der von der DDR-Opposition in den Achtzigern ausgehenden Kritik an antifaschistischen Ritualen und hausgemachten rechtsextremen Tendenzen.
Gegenstand dieses Beitrages ist der betriebliche Alltag einer mittelständischen Tuchfabrik in Guben und der dort unter den Bedingungen der NS-Kriegswirtschaft und des Zweiten Weltkrieges Beschäftigten. Versucht wird eine Rekonstruktion alltäglicher Situationen von deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern, ab 1943 auch von ausländischen Arbeitskräften, aber auch des Unternehmens selbst. Die Untersuchung fußt fast ausschließlich auf Quellenmaterial des Betriebsarchives der Firma C. Lehmann’s Wwe. & Sohn, Tuchfabrik Guben. Neue Perspektiven für die Sicht von Lebenssituationen im Dritten Reich haben sich zwar aus diesem Aktenmaterial nicht ergeben, doch fügen sich einige Facetten ein in das Gesamtbild vom Leben unter der nationalsozialistischen Diktatur.
Geht es um die Kunst des Nationalsozialismus, geht es in der Regel auch um Arno Breker. Hitlers Lieblingsbildhauer ist der wohl bekannteste Vertreter der offiziell anerkannten deutschen Kunst zwischen 1933 und 1945 und auch dank seiner langen Nachkriegskarriere eigentlich immer noch für einen Skandal gut, wie die Schweriner Ausstellung im Jahr 2006 zeigte. Braucht es da wirklich noch eine weitere Publikation, die sich mit diesem Künstler beschäftigt? Nach Lektüre der überarbeiteten und erweiterten Fassung der von Patrick Neuhaus bei Michael Wildt an der Humboldt-Universität Berlin vorgelegten Magisterarbeit muss diese Frage eindeutig bejaht werden. Es handelt sich um eine Spezialuntersuchung zur Breker-Ausstellung im Musée de l’Orangerie im besetzten Paris 1942, die einer der prominentesten Aspekte von Brekers Biografie ist.
Rezension: #LastSeen Bildatlas. Fotografische Überlieferung von Deportationen aus dem Reichsgebiet
(2023)
Als Online-Rechercheplattform zur Fotogeschichte der nationalsozialistischen Verfolgung präsentiert sich seit Mitte März 2023 das Projekt #LastSeen und setzt dabei eigene neue Maßstäbe. Auf der Landingpage der Webseite www.lastseen.org hat der:die Benutzer:in zunächst die Wahl zwischen dem Entdeckungsspiel und dem Bildatlas. Der vorliegende Text widmet sich ausschließlich dem Bildatlas sowie der historischen Einbettung und Präsentation der in ihm enthaltenen derzeit 406 Fotografien von Deportationen von Jüdinnen und Juden sowie von Sinti:zze und Rom:nja aus 32 Orten in den Jahren 1938 bis 1943
Der Artikel von Rüdiger Hachtmann beleuchtet die Genesis der Polykratie-Theorie – zentral sind dabei die Thesen Franz Leopold Neumanns im Rahmen seiner bahnbrechenden Untersuchung „Behemoth“ –, nimmt die einzelnen Elemente der mit dem Begriff „Polykratie“ verbundenen Überlegungen zur Struktur des NS-Herrschaftssystems kritisch in den Blick und diskutiert deren Defizite.
Zur Transformation von Häftlingen in Überlebende gehörte schon 1945 eine spezifische Visualität als KZ-Überlebende: Ihre Berichte gewannen mit den Fotografien und Zeichnungen an Glaubwürdigkeit und letztlich Bedeutung. Welche Motive und Sujets gehörten zu dieser Identitätssuche der Überlebenden? Meistens nutzten ehemalige Häftlinge die Bilder der alliierten Befreier, die eine spezifische Auffinde-Situation der Lager bei Kriegsende zeigten.
In der Geschichtswissenschaft wurde in den letzten Jahren häufiger für eine transnationale Perspektive geworben. Diese soll die bislang eher national orientierte Geschichtsschreibung erweitern, indem Interaktionen, wechselseitige Wahrnehmungen und Transfers zwischen Ländern und Kulturen berücksichtigt werden. Bislang sind entsprechend konzipierte Studien jedoch noch rar, wenngleich viele Projekte in Arbeit sind. Zudem fällt eine gewisse Schwerpunktbildung auf: Epochal konzentrieren sie sich meist auf das ausgehende 19. Jahrhundert und die 1960/70er Jahre, thematisch auf einzelne Themen wie den Kolonialismus, die Migration, Wirtschaft, Wissenschaft oder soziale Netzwerke. Damit blieben viele klassische Bereiche der Zeitgeschichtsforschung eher ausgespart - wie der Nationalsozialismus (...)
Von April 2019 bis März 2022 erschloss das durch die German-Israeli Foundation geförderte Forschungsprojekt „Jewish Photography of Crisis: The German Reality in the Eyes of Jewish Photographers, 1928-1938“ jüdische Perspektiven auf das Ende der Weimarer Republik, den Beginn der NS-Diktatur und die zunehmende Ausgrenzung und Verfolgung von Jüd:innen. Zum Abschluss der dreijährigen Arbeit luden OFER ASHKENAZI (Jerusalem) und ANNETTE VOWINCKEL (Potsdam) zu einem Workshop an der Hebrew University of Jerusalem am 10. und 11. April ein.
Von den Nürnberger Wirtschaftsprozessen bis zu den Verhandlungen um Zwangsarbeiterentschädigungen - deutsche Konzerne haben stets versucht, das öffentliche Bild von ihrer NS-Vergangenheit selbst zu prägen. Sebastian Brünger untersucht nun erstmals die Kontinuitäten und Brüche dieser Vergangenheitsbearbeitung seit 1945. An vier Beispielen (Bayer, Deutsche Bank, Daimler und Degussa) erörtert er Strategien und Formen unternehmerischer Vergangenheitsbearbeitung und analysiert sie im Kontext von Öffentlichkeit, Politik und Wissenschaft ihrer jeweiligen Zeit.
Brünger zeigt, wie Unternehmen die Veränderungen der deutschen Geschichtskultur nachvollzogen bzw. mitbestimmten, während konkrete Rollenbilder wie etwa das vom »anständigen Kaufmann« weiter tradiert und Forschungsaufträge an Historiker zunehmend zu einem wichtigen Imagefaktor wurden. Damit erweitert Brünger den gedächtnisgeschichtlichen Blickwinkel auf die deutsche Geschichtskultur um die Dimension der Unternehmensgeschichte und begreift Unternehmen als Akteure des kulturellen Gedächtnisses.
Eine Verbindung der Themenfelder »Fotografie« und »Diktatur«[1] führt schnell dazu, dass »Bildpropaganda« als gemeinsamer Nenner ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Mit Blick auf die bereits geleistete Forschung gilt dies jedenfalls für die Geschichte des Nationalsozialismus und des Stalinismus, die in dieser Hinsicht besser erforscht sind als verschiedene Diktaturen im Süden oder außerhalb Europas. Wenngleich Fotografie in Diktaturen zweifellos für propagandistische Zwecke eingespannt wurde, so erscheint eine Konzentration auf diese Form der Funktionalisierung des Mediums in vielerlei Hinsicht doch problematisch.