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Orientalismus
(2021)
Westliche Repräsentationen des „Orients“ gehören zu den zentralen Gegenständen geistes- und kulturwissenschaftlicher Forschung der letzten Jahrzehnte, was insbesondere auf Edward Saids kontrovers diskutierte Studie „Orientalism“ zurückzuführen ist. Felix Wiedemann widmet sich in seinem Docupedia-Beitrag der Said’schen Orientalismus-Theorie, ihrer Rezeption, Kritik und Weiterführung. Im zweiten Teil des Beitrags werden exemplarische Problemfelder der neueren Orientalismusforschung – der deutsche Orientalismus, die Rolle der Altertumswissenschaften, der jüdische Orientalismus, der Zusammenhang von Orientalismus, Rassismus und Antisemitismus – skizziert.
Oral history has been enriching the theoretical and methodological debates of German-language contemporary history research for over forty years. While early skepticism towards oral history has long since given way to its broad (and sometimes uncritical) acceptance and application, there is still much debate about what exactly it is as both a method and a research field, and what value for historiography – and as source material – it has. In our contribution to the debate, we explore how oral history has developed over time, which international and interdisciplinary influences have proven significant, its underlying theoretical and methodological concepts, and which factors might shape its future.
Oral History
(2023)
Seit gut vierzig Jahren bereichert die Oral History die geschichtstheoretischen und methodischen Debatten der deutschsprachigen Zeitgeschichte. Zwar ist die anfängliche Skepsis gegenüber der Oral History längst einer breiten Akzeptanz und (teils unreflektierten) Anwendung gewichen. Doch was diese Methode und Forschungsperspektive genau ist und welchen historiografischen (Quellen-)Wert sie hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Unser Beitrag zu dieser Diskussion fragt danach, welche Entwicklung die Oral History genommen hat, welche internationalen und -disziplinären Einflüsse bedeutsam sind, welche theoretischen und praktischen Konzepte ihr zugrunde liegen und was ihre Zukunft prägt.
Ein Bild verwundert in einer Ausstellung mit dem Titel „Fragende Blicke. Neun Zugänge zu ethnografischen Fotografien“: Die Farbaufnahme im klassischen 10 x 15 cm-Format aus dem Jahr 1984 zeigt drei Personen, die vor dem Museum Fünf Kontinente (damals Staatliches Museum für Völkerkunde) in der Münchner Maximilianstraße posieren. Es scheint ein grauer, kalter Tag gewesen zu sein, an dem die Aufnahme entstand, die in ihrem Stil an Touristenaufnahmen erinnert und sich in jedem privaten Familienfotoalbum befinden könnte. Zwischen einer Frau rechts und einem älteren Herrn links steht ein junger dunkelhäutiger Mann. Durch die Bildunterschrift „Alfredo (Aherowë) zu Besuch in München“ kann schließlich eine Verbindung zu einer daneben hängenden Aufnahme mit dem Titel „Yaima, Asiawës Frau, mit ihrem Sohn“ hergestellt werden. Sie wurde 1954, also 30 Jahre zuvor, im Dorf Mahekodotedi in Venezuela, in dem Waika, eine Gruppe der Yanomami leben, von dem älteren Mann auf der Farbaufnahme, dem Ethnologen Otto Zerries, aufgenommen. Auf dem Bild sehen wir eben jenen jungen Mann als Baby auf dem Rücken seiner Mutter.
Durch die theoretischen Einflüsse der Postcolonial Studies hat sich die Neuere Kolonialgeschichte insgesamt tiefgreifend gewandelt: Zunehmend wird von einer verflochtenen, reziproken Geschichte des Westens und des „globalen Südens” ausgegangen, ältere Perspektiven wie ein einseitiger Einfluss Europas oder eine verspätete Moderne des Südens treten in den Hintergrund. Nach einem Überblick über die wesentlichen theoretischen Ansätze geht Ulrike Lindner insbesondere auf neuere Forschungen zur deutschen Kolonialgeschichte ein, die verstärkt kulturgeschichtliche Aspekte einbeziehen, Verflechtungen zwischen Kolonien und Mutterland herausarbeiten und die Einflüsse von kolonialen Strukturen, Diskursen und Vorstellungen in der deutschen Gesellschaft aufzuzeigen versuchen.
Neoliberalismus
(2016)
Der Beitrag behandelt die ideengeschichtlichen Ursprünge, die politische Praxis und die sozialen Folgen des Neoliberalismus. Diese wirtschaftspolitische Ideologie wird von einem Idealbild freier, autonomer, und sich ins Gleichgewicht bringender Märkte, rational agierender Marktakteure und einem individualistisch-materialistischen Menschenbild getragen. Philipp Ther unterteilt in seinem Artikel die Geschichte des Neoliberalismus in vier größere Perioden, die von den 1930er-Jahren bis zur globalen Finanz-, Budget und Wirtschaftskrise von 2008/09 reichen, und geht anschließend auf mögliche Themengebiete und Zugänge einer zeithistorischen Neoliberalismusforschung ein, die auf einer analytischen und wertneutralen Benutzung dieses Begriffs beruht.
Modernisierung
(2010)
Im Einzelnen sehr unterschiedliche modernisierungstheoretische Ansätze – von einer Modernisierungstheorie im Singular sollte nicht gesprochen werden – beanspruchen zu erklären, wie aus traditionalen bzw. vormodernen moderne Gesellschaften entstehen. Dazu wird in der Regel ein Set von mobilisierenden Faktoren präsentiert, die als Kriterium für den Transformationsprozess untersucht werden können. Auf einer weiteren Stufe der Theorieentwicklung wird auch die Modernisierung bereits moderner Gesellschaften als „reflexive Modernisierung" thematisiert.
Moderne (Version 2.0)
(2018)
Version 2.0: Wenige Begriffe dürften für die konzeptionelle Rahmung und Periodisierung zeithistorischer Forschungen, aber auch für die Erfahrungshorizonte, Selbst- und Weltdeutungen vieler Menschen im 20. Jahrhundert von ähnlich zentraler Bedeutung sein wie der Begriff der „Moderne“, den Christof Dipper in seinem Beitrag einer komplexen Historisierung unterzieht. In seiner Skizze der Moderne als einer historischen Epoche, die der Autor um 1880 beginnen und etwa 100 Jahre später enden lässt, betont Dipper die Verschränkung sozialstruktureller Basisprozesse und zeitgenössischer Erfahrungs- und Wahrnehmungsmuster einer grundstürzend neuen Epoche.
Moderne (english version)
(2018)
The word Moderne (modernity) has been a staple of many disciplines ever since the 1980s, though previously restricted almost exclusively to the fields of aesthetics and literary criticism (and referred to here in English as “modernism”). The term can have a variety of meanings, however, depending on its context.
Moderne
(2010)
Bewegungsorientierte Themen liegen im Trend. Der Beitrag stellt Mobilitätsgeschichte als heterogenen Querschnittsbereich vor. Dieser erfasst mehrere Forschungsfelder wie die Verkehrs-, Umwelt-, Migrations-, Tourismus- und Globalgeschichte. Im Beitrag werden theoretisch-methodische Überlegungen aus den interdisziplinären Mobility Studies rekapituliert und Schlaglichter auf aktuelle Forschungsthemen, Potenziale und Grenzen der Mobilitätsgeschichte geworfen.
(Version 2.0, siehe auch Version 1.0) The field of Migration History looks at both ends of human mobility and the complex and diverse processes of migration. In her article Barbara Lüthi defines human migration, which can be either international or internal, and gives a short overview of the history of migration in the 20th century. After a discussion of the approaches and perspectives on the research field Lüthi closes with an examination of the current topics in Migration History: refugees and so-called illegal migrants.
Migration has been a constant feature of human history – "homo migrans" has existed ever since "homo sapiens". Moving away from the traditional nation-based dichotomy of emigration – immigration, the less specific term migration allows for many possible trajectories, time spans, directions and destinations. It can be temporary or long-term, voluntary or forced. It can occur in stages or in cycles, and can be mono-directional or more varied. Generally speaking, however, human migration can be defined as crossing the boundary of a political or administrative unit for a certain minimum period.
Methoden queeren Forschens
(2023)
Queere Methoden – der Begriff ist ebenso unklar wie widersprüchlich. Wie kann so etwas wie Methoden, die für Ordnung und Übersichtlichkeit stehen, mit queer in Verbindung gebracht werden, also mit den damit verbundenen flüchtigen, widerspenstigen Praktiken und Subjektpositionen oder gar mit einem Theoriekorpus, der alle normativen Setzungen zu unterlaufen verspricht? Zunächst ließe sich vermuten, dass queeres Forschen sich mit queeren Themen, Lebensweisen und Selbstverständnissen beschäftigt – so wie sich die historische Forschung mit der Vergangenheit auseinandersetzt. Warum sollten dazu andere als die etablierten Methoden des archivalischen, historischen oder ethnographischen Forschens notwendig sein? So einfach liegen die Dinge jedoch nicht. Genauso wenig wie die Geschichtswissenschaft schlicht Vergangenes erzählt, beschreibt queere Forschung lediglich queere Lebensweisen. Schon lange ist queer nicht mehr nur ein Adjektiv, das im Sinne von LSBTIA* ein Feld von Subjektpositionen bezeichnet. Häufig wird queeren auch als Verb gebraucht, das ein aktives Tun meint – zum Beispiel im Umgang mit Methoden und dem Forschen selbst. Es geht also darum, die Art und Weise zu queeren, wie sich Forscher*innen den Feldern ihres Interesses nähern und ihre Themen erkunden.
Menschenrechte sind zur globalen Leitkategorie aufgestiegen. Die wissenschaftliche Erforschung der Geschichte der Internationalisierung von Rechtsansprüchen haben Historiker/innen erst vor einigen Jahren für sich entdeckt. Lasse Heerten skizziert in seinem Beitrag, dass Menschenrechte als ein semantisch äußerst offenes Vehikel unterschiedliche Ideen transportieren können und kritisch historisiert werden müssen. Zentral sind dabei Fragen nach Emergenz, ambivalenten Effekten und der Vielgestaltigkeit von Menschenrechten im Verlauf der Geschichte.
Je nach Perspektive wird die „Geschichte der Medizin“ als Teildisziplin der Geschichte oder die „Geschichte in der Medizin“ als Prozess der Selbstreflexion und Selbstvergewisserung in der Medizin betrachtet. Nach einer chronologischen Einordnung der Zeitgeschichte der Medizin folgt ein kurzer Abriss zur Geschichte des Fachs sowie zu seinem Wandel und den damit verbundenen Kontroversen. Anschließend stellen die Autor*innen Themen, Methoden und theoretische Zugriffe sowie Akteur*innen vor und fragen nach dem aktuellen Verhältnis von Medizingeschichte und Medizinethik.
Welche Impulse kann das Werk Max Webers der Zeitgeschichte liefern? Wie haben sich Zeithistoriker/innen im 20. Jahrhundert und bis in die Gegenwart bei der gedanklichen Ordnung ihrer Probleme von Weber inspirieren lassen? Ausgehend von der „Vielfalt der Perspektiven“, aus denen Webers Themen und Begrifflichkeiten fruchtbar gemacht werden, zeichnet Gangolf Hübinger die Bedeutung Max Webers für wechselnde zeitgeschichtliche Problemstellungen nach und zeigt, was seinen Denkstil letztlich ausmacht: die Verknüpfung von Universalgeschichte und Gegenwartsdiagnose.
Der Erste Weltkrieg ist auch ein Krieg der Bilder, genauer: ein Krieg, in dem erstmals das Medium der Fotografie massenhaft eingesetzt wurde. Schon der „begeisterte“ Abmarsch der deutschen Truppen Anfang August 1914[1] wurde in unzähligen Aufnahmen dokumentiert. Dabei war die Bildberichterstattung stark der Zensur unterworfen. Alle Kriegsparteien hatten zu Beginn oder während des Kriegs eigene Presse- oder Propagandabüros eingerichtet. Die Kriegsberichte und die Fotografien wurden extrem für propagandistische Zwecke eingesetzt; viele Bilder von der angeblichen Front waren zudem gefälscht bzw. in der Heimat nachgestellt worden. Der Krieg war also auch zu einem Medienkrieg geworden. Andererseits blieben die Kriegsaufnahmen nicht mehr auf Bildjournalisten, Fotografen und Propagandaabteilungen beschränkt. Einige Soldaten besaßen inzwischen Kleinbildkameras und dokumentierten ihre Kriegserlebnisse mit eigenen Fotoapparaten.
The article traces the collective term “living history” in its various definitions, forms and manifestations, offering an overview of this widespread phenomenon. It will consider developments in the United States and Europe, as well as taking a look at historical precursors of present-day forms. Whereas living history in the Anglo-American world has long been a well-established part of the educational and cultural work of museums, in Germany there is still a great deal of skepticism towards this form of historical representation. Finally, it asks how the fields of history and cultural studies might best engage with living history and which theoretical approaches exist for investigating and analyzing living history.
Living History
(2020)
Der Artikel zeichnet den Sammelbegriff Living History in seinen verschiedenen Definitionen, Formen und Ausprägungen nach, um einen Überblick zum breiten Phänomenbestand zu geben. Dabei werden sowohl Entwicklungen in den USA als auch in Europa berücksichtigt sowie historische Vorläufer gegenwärtiger Phänomene thematisiert. Während im angloamerikanischen Raum Living History als Bildungsangebot und Programmbestandteil vollständig in die Museumslandschaft integriert ist, gibt es in Deutschland noch immer Vorbehalte gegen diese Art der Darstellung. Abschließend wird der Frage nachgegangen, wie sich die Geschichts- und Kulturwissenschaften zur Living History verhalten können: Welche theoretischen Zugänge und Ansätze gibt es zur Untersuchung und Analyse von Living History?