DDR
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Solidarität und Alltag der DDR aus der Sicht exilierter Mitglieder des African National Congress
(2023)
Der Sozialismus sollte ein Gegenentwurf zum Kapitalismus sein. Dessen immanente Schwächen und seinen daraus vermeintlich zwangsläufig resultierenden Zusammenbruch hatte Karl Marx in seinen Schriften eingehend dargelegt. Seine Epigonen gingen davon aus, daß es reiche, die grundlegenden Konstellationen des Kapitalismus zu beseitigen, um damit eine dauerhaft krisenfreie Entwicklung der Gesellschaft zu gewährleisten. Diese Zuversicht beruhte darauf, daß der Mensch in der Lage sei, sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und Gesellschaft nach rationalen Kriterien zu planen und zu gestalten - oder wie es bei Marx hieß „Geschichte [zu] machen“.
Die Gesellschaft sozialistischer Staaten wird oft als „arbeiterlich“ bezeichnet. Unabhängig davon, ob man dieser Pointierung folgt oder nicht, ist wohl sicher, daß diese Gesellschaften in hohem Maße von Arbeit geprägt waren. Mit dem Themenkreis „Arbeitsbeziehungen, Arbeitsverhältnisse, Arbeiterexistenzen“ wird also ein Bereich berührt, der eins der wichtigsten Laboratorien staatssozialistischer Politik war. Die besondere Bedeutung der Arbeitswelt sozialistischer Staaten betont auch Peter Hübner in seinem Beitrag. Er weist darauf hin, daß diese Sphäre seit 1989 eine nachträgliche, überwiegend positive Bewertung durch die ehemalige Bevölkerung erfahren habe und sie darum heute einen zentralen Bezugspunkt sentimentaler Rückschau darstelle.
Direkt nach dem Kriege photographierte Gerhard Gronefeld Berliner Kinder. Für sein Archiv gab er den Aufnahmen den Titel "Schlüsselkinder": Drei Jungen, in Trümmern spielend, tragen unübersehbar an einer reißfesten Schnur Wohnungsschlüssel um den Hals, wie sie in Berliner Mietskasernen üblich waren. Im Mittelpunkt des Bildes schaut ein Junge den Photographen direkt, offen, verschmitzt, doch gleichzeitig vorsichtig abwartend an. Auf seinen Knien liegt ein abgeklopfter Ziegelstein, über den die zerstörte Stadt mit in das Bild hineingenommen ist, als Spiel- wie als Arbeitsplatz, denn Steineklopfen war eine Tätigkeit, durch die sich Kinder ein paar Pfennige verdienen konnten. Gleichzeitig verweist dieser Ziegelstein im Verbund mit den sichtbaren Schlüsseln auch auf ein Abwesendes: auf die Mutter, die irgendwo "bis spät in die Nacht" arbeitet. Gronefeld, selbst „Berliner Junge“, zeigt Sympathie für die Kinder. Er dokumentiert sie ohne Anklage selbstständig als Herren über Raum und Zeit.
Heiße Rhythmen im Kalten Krieg. Swing und Jazz hören in der SBZ/DDR und der VR Polen (1945–1970)
(2011)
Der Aufsatz geht der Frage nach, wie Hörerinnen und Hörer in der SBZ/DDR und in Polen über Radio, Schallplatten und Live-Musik Zugang zu Jazzmusik erhielten. In beiden Gesellschaften entwickelte sich die Jazzszene in einem charakteristischen Spannungsfeld: Einerseits bezeichneten die sozialistischen Regime Jazz mit Beginn des Kalten Kriegs als „amerikanisch-imperialistische Musik“ und versuchten den „Jazztumult“ aus dem öffentlichen Raum und dem Rundfunk zu verdrängen. Andererseits war es mit Hilfe persönlicher Kontakte zu Menschen im Westen sowie vermittelt über die Programme der US Information Agency weiterhin möglich, sich Zugang zu Jazzmusik zu verschaffen. Der Vergleich der DDR mit Polen zeigt dabei, dass sich die bis dahin ähnlichen Kulturpolitiken beider Staaten ab 1956 wesentlich unterschieden. Polen öffnete sich für Jazz und unterstützte zum Teil die Szene wie auch die Musiker; an den Konzerteinnahmen verdienten die Kulturfunktionäre mit. In der DDR agierte das Regime dem Jazz gegenüber zunächst weiter ablehnend, bis der Beat zum neuen musikalischen Feindbild avancierte.
Eine besondere Chance, bottom-up-Einblicke in die Alltagsgeschichte von Menschen mit Behinderungen in der DDR und ihre Agency zu erhalten, bieten Eingaben: Bitt- und Beschwerdebriefe, die die Bürger:innen der DDR zu Hunderttausenden jährlich an staatliche Organe richteten, um Probleme im Alltagsleben und Konflikte mit Staat und Verwaltung zu lösen. Zunächst werden in diesem Beitrag die Besonderheiten solcher Eingaben in der DDR skizziert. Sodann wird erörtert, inwiefern die Analyse der Eingaben von Menschen mit Behinderungen und ihren Angehörigen eine wertvolle Perspektive auf ihr Alltagsleben und ihre Interaktionen mit Staat und Expert:innen ermöglicht und wo dabei Grenzen der Aussagekraft liegen. Dies wird anhand von Einzelfällen exemplarisch veranschaulicht.
Im Jahr 2020 soll nach aktuellem Zeitplan das Humboldt Forum eröffnen – sollten bis dahin alle technischen Probleme gelöst sein. Damit würde nach über sechs Jahren Bauzeit das rekonstruierte Berliner Schloss der Öffentlichkeit übergeben. Mit der (teilweise) wiederhergestellten Hohenzollernresidenz kehrte dann nicht nur eines der markantesten Bauwerke in die historische Stadtmitte zurück. Im 30. Jahr der deutschen Einheit erhielte Berlin endlich jenes lang ersehnte Symbol, das die „neue“ Bundesrepublik und ihre Hauptstadt für alle Welt sichtbar an preußische Traditionen rückbinden soll: die der Aufklärung, der Toleranz und des Humanismus. Mit diesem Brückenschlag zum „anderen“ – besseren – Preußen hätte die Suche nach einer vom 20. Jahrhundert möglichst unbelasteten, Identität stiftenden Meistererzählung im Zeitalter „post-murum“ ihr (vorläufiges) Ende gefunden.
Nehmen wir das Ansinnen ernst, eine zeitgeschichtliche Forschung zum bundesdeutschen Rechtsextremismus zu entwickeln, dann sollte diese ihren Gegenstand in seinem Facettenreichtum würdigen. Dies bedeutet unter anderem, dass eine zeitgeschichtliche Forschung zum Thema einen Bereich benötigt der rechtsextreme Kulturarbeit und -erscheinungen untersucht. Denn Rechtsextremismus ist nicht allein ein politisches Phänomen und darum nicht vollständig über die Untersuchung von Organisationen, Ideologien, Strategien, Gewalttaten oder über Wahlergebnisse erfassbar. Vielmehr ist Rechtsextremismus in seiner Entwicklung in Deutschland seit 1945 auch als sozialer und eben kultureller Zusammenhang in den Blick zu nehmen. Die rechtsextreme Kulturarbeit dürfte bedeutende Beiträge zur Reproduktionsfähigkeit, für die Vernetzung, für die Sinnvermittlung und Traditionsvermittlung und für die Herstellung von Identität geleistet haben und stellt so einen Austragungsort für strategische, ästhetische und in zweiter Linie auch inhaltliche Debatten in ihrem Lager bereit.
Die sechziger Jahre waren eine spannende Zeit des Umbruchs, der lebhafte Diskussionen zur Folge hatte. Hansjakob Stehles journalistisches Engagement und seine informellen Aktivitäten im Vorfeld der Gespräche zwischen dem Senat und der östlichen Seite gehören zu diesem interessanten Kapitel der Berliner Geschichte des Kalten Krieges.
Die Fernsehreihe »Wettlauf mit der Zeit« stellte von 1986 bis 1989 in über 80 Folgen den Zuschauern die Entwicklung und Anwendung sogenannter Schlüsseltechnologien vor und zeigte deren vorgeblich positive Wirkung sowohl auf die Volkswirtschaft der DDR wie auch auf die gesamte sozialistische Gesellschaft. Die Darstellung erfolgte dabei stets aus produktionsbezogener Sicht, nur selten rückte die Konsumentenperspektive in den Fokus. Schlüsseltechnologien wurden definiert als Techniken, »die auf längere Sicht die Produktivkraftentwicklung in der gegenwärtigen Etappe der wissenschaftlich-technischen Revolution wesentlich bestimmen«. Den Zuschauern der Reihe wurden als solche präsentiert: die Mikroelektronik, die Informatik, CAD/CAM-Systeme, verschiedene Automatisierungstechniken, Formen neuer bzw. verbesserter Energieverwendung und -verwertung, der Einsatz von Biotechnik und die so bezeichnete »sozialistische Umweltgestaltung«. Worin aber bestand nun der »Wettlauf mit der Zeit«?
Sucht man nach Kontinuitätslinien, die sich von der vergleichsweise höheren Fremdenfeindlichkeit im heutigen Osten Deutschlands in die DDR zurückverfolgen lassen, so ist der Umgang mit Fremden vor 1989 eine naheliegende Forschungsfrage. Damit werden Vertragsarbeitnehmer und ihre Wahrnehmung durch die deutsche Bevölkerung zu einem unverzichtbaren Untersuchungsfeld. Da insgesamt nur ein Prozent Ausländerinnen und Ausländer in der DDR lebten und die Reisemöglichkeiten der DDR-Bürger nach dem Mauerbau massiv beschränkt waren, fehlten im DDR-Alltag Kontaktmöglichkeiten mit Menschen fremder Länder weitgehend. Hinsichtlich der Vertragsarbeitskräfte, in den letzten Jahren der DDR die zweitgrößte Gruppe von Ausländern, galt das nicht, waren sie doch oftmals in die deutschen Arbeitsbrigaden integriert. Dort teilten Deutsche und Ausländer den Arbeitsplatz, die Normvorgaben, die Schichtpausen und - vielleicht nicht immer - auch die Aktivitäten im Brigadeleben. Diese bevorzugte Gelegenheit für eine persönliche Begegnung von Deutschen und Ausländern wiegt für die Forschung um so mehr, als die kasernierte Unterbringung, von der im Beitrag von Dennis Kuck in diesem Band die Rede ist, die Vertragsarbeitnehmer ansonsten von der Bevölkerung isolierte und damit den privaten und unkontrollierten Kontakt zwischen Deutschen und Ausländern außerhalb der Betriebe
enorm erschwerte.
„Mit Angst, Hass und entgrenzter Gewalt – und nicht mit Sektflaschen begann die Deutsche Einheit für Linke, Deutsche mit Migrationshintergrund, Ausländerinnen und Ausländer in vielen ostdeutschen Städten“, kommentierte unlängst Christian Bangel den 3. Oktober 2020 in DIE ZEIT. „Das war nicht nur ein schlechter Start der Deutschen Einheit. Es war ein Fanal für die neuen Zeiten.“ Tatsächlich bekamen die rechten Gewalteskalationen im Übergang von der DDR zur vereinigten Bundesrepublik, die von körperlicher Bedrohung und Herabsetzung bis zu tödlichen Angriffen reichten – zuletzt immer mehr Aufmerksamkeit. In manchen Regionen hatte diese „Gewalt der Vereinigung“ vor allem für nicht-weiße Personen, Wohnungslose und Linke eine permanente Bedrohungslage geschaffen.
Unter #Baseballschlägerjahre forderte Bangel vorletztes Jahr dazu auf, die Erinnerungen an die Vereinigungsgewalt zu teilen. Innerhalb einer Woche sammelten sich mehrere hundert kurze Einzelberichte an; im November 2020 veröffentlichte der RBB in Kooperation mit ZEIT ONLINE daran anknüpfend zusätzlich sechs Kurzfilme, die Schlaglichter auf einzelne Orte werfen und Geschichten von Bedrohung, Terror und Angst erzählen. Es gibt aber auch einige autobiographische Romane. Jene, die zu dieser Zeit ihre Jugend in Ostdeutschland erlebten, erzählen davon, wie sie angegriffen, bedroht und zusammengeschlagen wurden: Clemens Meyer in „Als wir träumten“ (2007), Peter Richter in „89/90“ (2015), Manja Präkels in „Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ (2017).
Die autobiografischen Texte stehen im Mittelpunkt dieses Beitrages, da sie eine neue Perspektive auf die Erfahrung der Transformationsprozesse der Vereinigung eröffnen und sich mit einem anderen Phänomen der postsozialistischen Gesellschaft in Zusammenhang bringen lassen: der Abwanderung. Die enthemmte rechte Gewalt war für die in diesem Beitrag ausgewählten Berichtenden ein wichtiger Anlass, den Osten zu verlassen.
Gleich nach dem Erscheinen im August 1977 erntete das Buch von damaligen Stars der linksintellektuellen Szene wie Herbert Marcuse oder Ernest Mandel allerhöchstes Lob. Marcuse stellte fest, das Werk des bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung durch die Staatsorgane der DDR nur Insidern bekannten Autors Rudolf Bahro sei „der wichtigste Beitrag zur marxistischen Theorie und Praxis, der in den letzten Jahrzehnten erschienen ist“. Mandel, der führende Denker der trotzkistischen Vierten Internationale, bezeugte, Bahro sei ein „wirklicher Kommunist“ und „Revolutionär“. Keinen Gefallen an Bahros Werk fanden hingegen jene Theoriearbeiter, die dem „real existierenden Sozialismus“ nahe standen. So erklärte beispielsweise der Marburger Politologe Wolfgang Abendroth, Bahro verliere sich „in gelegentlich zutreffender, aber häufig verzerrter und übersteigerter Kritik der sozialistischen Länder“. Ihm hielt der Theologe Helmut Gollwitzer entgegen, Abendroth beschränke sich in seiner Auseinandersetzung mit Bahro auf eine Rechtfertigung des Sowjetsystems und übersehe die Herausforderung der „Alternative“ für die marxistische Theoriebildung: „Die kommunistische Zielsetzung wird hier endlich einmal wieder ernst genommen, wird aus dem Himmel der Ideale heruntergeholt in ‚konkrete Denkbarkeit‘; den schon erreichten Verhältnissen wird die Melodie ihrer Möglichkeiten vorgesungen, und diese wird zum Kriterium der Kritik - zu einem Kriterium, dem keiner sich entziehen kann, dem es um das Ziel des Sozialismus noch ernst ist.“
Dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs findet die Transformationszeit um 1989 wieder verstärkte Aufmerksamkeit in der zeithistorischen Forschung. Zugleich sind transnationale und globalgeschichtliche Forschungsperspektiven nach wie vor ein Schwerpunkt innovativer Forschungsarbeiten. Umso erstaunlicher ist, dass beide Aspekte noch kaum miteinander verbunden sind – ein echtes „1989 transnational“ ist in der deutschen Zeitgeschichtsforschung (und auch darüber hinaus) bisher nur selten zu finden.
Stattdessen bewegen sich Forschungsarbeiten zum Umbruch 1989 zumeist im lokalen, regionalen oder nationalen (manchmal im deutsch-deutschen) Rahmen. Wenn einmal grenzüberschreitend geforscht wird, dann handelt es sich nicht selten um Forschungsarbeiten zu spezifischen Grenzregionen. Solche Arbeiten sind dann allerdings nicht selten in den Kulturwissenschaften und nicht in der Zeitgeschichte verortet.
Mit dieser disziplinären Trägheit vergibt die Zeitgeschichtsforschung eine große Chance: Denn wo, wenn nicht im Protestgefüge von 1989, das aufgrund seiner grenzübergreifenden Dynamik von Timothy Garton Ash als annus mirabilis bezeichnet worden ist, wird deutlich, dass ein Denken in national isolierten Kategorien häufig an den zentralen Fragen der modernen Geschichtsschreibung vorbeiführt?
Dieser Aufsatz untersucht die Inszenierung des Authentischen und seine politische Funktion an ausgewählten Beispielen von Wochenschauen aus der Bundesrepublik und der DDR in den 1950er und 1960er Jahren. Für die damaligen Zuschauer*innen stand das Authentizitätsversprechen der bewegten Bilder in einem Spannungsverhältnis zur offensichtlichen Inszenierung des Politischen, nicht zuletzt nach den Erfahrungen in der NS-Diktatur. Die folgenden Überlegungen zeigen, dass Authentizität und Ideologie dennoch keine Gegensätze waren, sondern sich bedingten. Die Inszenierung der Ideologie durch den Einsatz von nicht-fiktivem Bildmaterial, dem die Zuschauer*innen Authentizität zuschreiben konnten, war geradezu die Voraussetzung dafür, dass die erhoffte propagandistische Wirkung erzielt werden konnte.
Einer der kühleren Sommertage im August. Durch eine kleine Passage erreiche ich Steibs Hof, wo früher mit Pelzen gehandelt wurde und heute das N’Ostalgie-Museum Leipzig seine Ausstellung zur »Alltagskultur der DDR« präsentiert. Am Eingangstresen, der zugleich als Bar des integrierten Cafés mit dem Namen »1:33« fungiert, begrüßt mich ein Mann: »Guten Tag. Wollen Sie Ihre Erinnerung auffrischen?« Noch bevor ich mein Ticket bezahlt habe, stellt er mir den »jungen Mann« vor, der all die hier präsentierten Objekte zusammengetragen habe. Das Porträt, auf das er weist, zeigt einen älteren Herrn in der Tür eines knallroten Wartburg 311. »In liebevoller Erinnerung« steht darüber, und unter der Fotografie: »Horst Häger. Geb. 24.11.1937, gest. 12.07.2011. Gründete 1999 das N’Ostalgie-Museum und hat über die Zeit bis 2011 alle ausgestellten Exponate zusammengetragen.« Wie ich erfahre, hat eine Enkelin Hägers das Museum 2016 aus Brandenburg an der Havel nach Leipzig überführt. Mit den Worten »Damit Sie wissen, wer Sie heute Abend ins Bett geleitet« überreicht mir der Mann an der Kasse meine Eintrittskarte, auf der das Sandmännchen abgebildet ist, und entlässt mich in die kleine Ausstellung. An diesem Vormittag bin ich die erste Besucherin, doch noch während ich die Objekte im Eingangsbereich betrachte, kommen weitere Gäste. Wie ich werden sie mit der Frage begrüßt, ob sie ihre Erinnerungen »auffrischen« wollen, was jeweils kurze Irritation auslöst. Fast rechtfertigend klingen die Antworten der beiden Paare: »Wir wollen gern das Museum besuchen« und »Wir würden uns gern umschauen«.
Wie klingt Sozialismus im urbanen Raum einer DDR-Bezirkshauptstadt? Diese Frage verknüpft Überlegungen zur Soundgeschichte einer Stadt mit den Aspekten Umwelt und öffentliche Hygiene. Lärm als Problemlage des städtischen Raumes auszumachen, erforderte Perspektivenwechsel, die nicht nur das DDR-Gesundheitswesen vor Herausforderungen stellte. Gesund zu werden, gesund zu bleiben, galten als Anforderungen öffentlich-administrativer Vorgaben an die private Lebensgestaltung. Die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu schaffen, das steckte sich die sozialistische Gesundheitsverwaltung als eines ihrer Ziele und Kernaufgaben.
Design aus der DDR ist heute scheinbar nur ein kunsthistorisches Randgebiet. Doch im Kontext der Dauerausstellung zum »Alltag in der DDR«, die die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nun seit November 2013 am früheren Ort der Sammlung Industrielle Gestaltung in der Berliner Kulturbrauerei zeigt, ist es in den letzten Jahren zu einem kontroversen öffentlichen Thema geworden. Der Konflikt bezieht sich unmittelbar auf diese Sammlung, eine der ältesten zum Design in Deutschland – und mit etwa 160.000 Objekten wohl die umfassendste und vielseitigste zur Produktgestaltung in der DDR, jedoch seit 2005 weder öffentlich sichtbar noch beworben. Aufgrund ihrer wechselhaften Geschichte nach der Wiedervereinigung wurden die Bestände bisher nur überblicksweise erschlossen. Obwohl Forscher sie auf Anfrage einsehen können, wäre eine systematische Katalogisierung, inhaltliche Bewertung und damit bessere Zugänglichkeit nötig.
Impfungen sind ein Traum der Moderne: Sie versprechen den Schutz ganzer Gesellschaften. In den beiden deutschen Staaten wurde dieser Schutz mit unterschiedlichen Methoden vorangetrieben – das Mobilisieren von Ängsten, Appelle an die Sorge um das Gemeinwohl oder die Durchsetzung von Impfpflichten sollten die Gesundheit des Einzelnen und den „Herdenschutz“ der Gesellschaft sichern. Der Aufsatz erkundet die deutsch-deutsche Geschichte des Impfens von den 1950er-Jahren bis 1989/90. Im Fokus stehen Aushandlungen von Risiko- und Sicherheitsvorstellungen, Versuche eines „Emotion Management“ sowie Debatten über das Verhältnis zwischen staatlicher Interventionsmacht und staatsbürgerlicher „Mündigkeit“. Anhand der Konflikte zwischen der Bundesrepublik und der DDR wird zudem gezeigt, dass der Wettlauf um die bessere Immunisierung ein Kampf um die bessere soziale Ordnung war. Andererseits wird belegt, dass es auf dem Gebiet der Impfpolitik gerade in den 1980er-Jahren eine wachsende Tendenz zur deutsch-deutschen und internationalen Kooperation gab.
Mein Ziel in diesem Essay ist es, die lokale Perspektive zu nutzen, um über die Begriffe »Ostalgie« und »Nostalgie« hinauszugehen. Der genauere Blick auf lokale Räume und Praktiken bietet die Möglichkeit, Erinnerungen, die gemeinhin als Nostalgie qualifiziert werden, als Teil einer schon länger bestehenden örtlichen Erinnerungskultur zu verstehen. Wie das Beispiel des sächsischen Dorfes Neukirch zeigt – vor und nach 1989/90 –, war eine ambivalente Auseinandersetzung mit der Geschichte des Ortes ein Mittel, um die Stärke der Gemeinschaft zu beschwören. Entgegen der in Wissenschaft und Öffentlichkeit präsenten Überzeugung erscheint Nostalgie hier nicht als eine Flucht in die Vergangenheit, sondern als ein aktives Auseinandersetzen mit der Geschichte und ihren Auswirkungen in der Gegenwart.