1980er
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Während die soziale Struktur und die Funktion der ostdeutschen Führungsgruppen bis hinein in ihre sektoralen Gliederungen inzwischen mit einer Reihe von Fallstudien zumindest im Ansatz beschrieben und analysiert wurden, liegen für den Bereich der Motivation, der Selbst- und Fremdwahmehmung sowie der mentalen Disposition der Eliten im „Arbeiterund Bauemstaat“ kaum gesicherte Befunde vor. Dies gilt, obwohl dieses Problem und Themenfeld inzwischen als ein Desiderat der zeitgeschichtlichen DDR-Forschung erkannt, diskutiert und methodisch problematisiert wurde.
Von einer „Gesellschaft“ der DDR zu reden, ist auch zehn Jahre nach ihrem Ende noch immer alles andere als selbstverständlich. Als „Staat“ war und ist sie allemal leichter auszumachen: ein Ensemble von Institutionen, Ordnungen und Verfahren in Deutschland, dessen äußerer Bestand von einer Weltmacht garantiert wurde und das sich nicht zuletzt durch seine Entgegensetzung zur Bundesrepublik zu legitimieren suchte. Von einem totalitären Gestaltungswillen durchdrungen, der sich auf alle sozialen Beziehungen und Lebensbereiche auf seinem Territorium erstreckte, repräsentierte der „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ im Selbstbild wie in der Fremdwahmehmung die historische Alternative zum bürgerlich-liberalen Rechtsstaat in Westdeutschland. Diese Eindeutigkeit seiner Konturen begleitete ihn bis in den Untergang, der vertraglich definiert und exekutiert werden konnte. Infolge der Privatisierung staatlichen Vermögens kann, wer will, auch den „Marktwert“ dieses Staates im nachhinein bestimmen.
Gerichte handeln reaktiv; das heißt, sie werden nicht aus eigener Initiative, sondern erst durch Anruf von außen in Bewegung gesetzt, der auch in sozialistischen Staaten (vom Strafrecht einmal abgesehen) in aller Regel nicht vom Staatsanwalt, sondern von Bürgern (und zivilrechtlich handelnden volkseigenen Betrieben) kam. Um sein Rechtssystem im Justizalltag durchzusetzen, war also auch der sozialistische Staat auf die Mithilfe seiner Bürger angewiesen. Durch Nicht-Anrufen konnten Bürger das Recht unterlaufen; durch die Art und Weise, wie sie Gerichte benutzten, konnten sie seine Wirksamkeit beeinflussen; durch ihre Erfahrungen vor Gericht wurden die Bürger ihrerseits in bestimmten Haltungen und Wertvorstellungen bestätigt. In diesem Beitrag will ich die gegenseitige Abhängigkeit von Bürger und Rechtssystem im sozialistischen Rechtsalltag untersuchen. In welchen Angelegenheiten wandten sich Lüritzer Bürger an ihr Gericht? Wie wurden sie vom Gericht behandelt und wie verhielten sie sich selbst? Wie beeinflußte die Alltagspraxis der ostdeutschen Justiz die Wirksamkeit des Rechts als Instrument gesellschaftlicher Veränderungen? Und welche Nachwirkungen können wir heute beobachten?
Keine Institution des Staates DDR hat seit dessen Zusammenbruch solche Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Bei der Aufarbeitung dieses „erschreckendsten und zugleich groteskesten Teils des SED-Herrschaftssystems“ herrschte und herrscht ein erheblicher Nachholbedarf - und aufgrund der nach Art und Maß einmaligen Aktenöffnung besteht auch eine gute Chance, zu grundlegenden Wissensfortschritten über diesen Eckpfeiler des Staatssozialismus zu gelangen. Ihrer Genese nach steht diese Aufarbeitung in einem dezidiert politischen Kontext, der den Diskurs über das in der Zeitgeschichte ohnehin übliche Maß hinaus prägt. Die folgende Skizze befaßt sich mit den in diesem Zusammenhang eher vernachlässigten hauptamtlichen Mitarbeitern, die die Funktion der Staatssicherheit als wichtigstem repressiven Instrument der Parteidiktatur praktisch ausführten und die Herrschaftsinteressen gegenüber inoffiziellen Zuträgern und „Publikum“ vermittelten und durchsetzten. Im folgenden soll untersucht werden, welchen Platz das Personal der Staatssicherheit innerhalb der soziopolitischen Gesellschaftsstruktur der DDR einnahm, inwiefern sich diese Position funktional und intentional als „elitär“ definieren läßt und welche besonderen Ausprägungen das Selbstverständnis der MfS-Mitarbeiter im Kontext des „kollektiven Bewußtseins“ im Staats- und Parteiapparat der DDR aufwies. Zudem sollen genetische Ursprünge und soziobiographische Grundlagen dieses Selbstbildes Umrissen und schließlich Erosionsprozesse in der Endphase der DDR in den Blick genommen werden.
Die Nationale Volksarmee (NVA) war das bedeutendste bewaffnete Organ der DDR. Sie entstand im Kalten Krieg der fünfziger Jahre aus getarnten militärischen Vorläufern heraus als eine vorgeblich wahrhafte „Arbeiter-und-Bauem-Armee“. In Wirklichkeit bildeten das ostdeutsche Militär und die mit ihm verbundenen anderen bewaffneten Kräfte von Anfang an obrigkeitsstaatliche Machtinstrumente im Dienste der SED-Politik, der sie sich völlig unterordneten.