Staatssozialismus
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Die von der SED-Führung unter Einfluß der sowjetischen Hegemonialmacht seit 1952 betriebene „sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft der DDR“ läßt sich nicht auf die formale „Kollektivierung“ reduzieren, auch wenn deren Wirkungsmächtigkeit bis in die heutigen Transformationsprozesse hinein nachzuweisen ist. Tempo, Ausmaß und Folgen des Übergangs zur genossenschaftlichen Produktion finden weder in der historischen Entwicklung bis 1945 noch im (etwa zeitgleich einsetzenden) agrarstrukturellen Wandel in der Bundesrepublik eine Entsprechung. Das Genossenschaftsmodell war zwar bestimmendes Merkmal (Ausnahme: Polen) der jeweiligen Agrarstruktur in den Diktaturen sowjetischen Typs, aber die agrarprogrammatischen Vorstellungen griffen weiter. Sie umfaßten nicht nur Veränderungen der Organisation der Produktion, der Eigentums- und Besitzverhältnisse sowie der Sozialstruktur. Vor dem Hintergrund der Durchsetzung und Sicherung herrschaftspolitischer Interessen der SED und des anhaltenden Modemisierungsdrucks in der Landwirtschaft der DDR zielten sie auf die Konstruktion einer neuen ländlichen Gesellschaft, die bereits mit der Bodenreform 1945 eingeleitet worden war. Die gesamte Arbeits- und Lebensweise der dörflichen Bevölkerung sollte in der Perspektive auf „sozialistische Art umgestaltet“ werden.
Der nachfolgende Aufsatz, Zwischenergebnis eines größeren Forschungsprojektes, zeichnet zunächst die Grundlinien dieses Prozesses - hier als Stalinisierung bezeichnet - auf bildungspolitischem Gebiet nach. Da in den Jahren 1947 bis 1949 von der SED-Führung auch eine grundlegende konzeptionelle und strukturelle Akzentverschiebung im Erziehungssystem durchgesetzt wurde, wird dieser Phase im ersten Abschnitt besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei soll verdeutlicht werden, daß die SED-Führung den Schulen bei der Erziehung eines systemkonformen Nachwuchses und damit bei der Verwirklichung ihres Herrschaftsanspruches eine große Bedeutung beimaß. Mit dem parteipolitischen Wandel der SED begann in der SBZ zugleich die Instrumentalisierung der Bildungsinhalte und der Institution Schule unter dem Diktat der Partei. Insgesamt ging es in den beiden Jahren vor der Gründung der DDR in erster Linie um das Zurückdrängen von schulkonzeptionellen Alternativen und, mit deutlich antidemokratischer Zielrichtung, um das Durchsetzen des Führungsanspruchs der SED im Bildungsbereich.
Der demokratische Zentralismus als das prägende Herrschaftsprinzip staatssozialistischer Gesellschaften, das nicht nur in der politischen Sphäre, sondern auch in der Staats- und Wirtschaftsordnung volle Gültigkeit beanspruchte, lässt die Frage nach möglicherweise daneben existierenden kooperativen „Netzwerken“ auf den ersten Blick als nachgeordnet erscheinen. Das Herrschaftsprinzip des demokratischen Zentralismus, das sei kurz in Erinnerung gerufen, stellte die wichtigste Grundlage für die zentralistische Leitung und den einheitlich-hierarchischen Aufbau des gesamten politischen, staatlichen und wirtschaftlichen Institutionengefiiges in den staatssozialistischen Gesellschaften dar. Legitimiert wurde es bekanntlich mit dem ideologischen Postulat, die sozialistische Gesellschaft bedürfe der einheitlichen und planmäßigen Führung durch die Partei der Arbeiterklasse, die deshalb keine konkurrierenden Macht- und Selbstbestimmungsansprüche neben sich dulden könne. Von der Partei wurde das Prinzip des demokratischen Zentralismus folglich nicht nur im eigenen Organisationsaufbau berücksichtigt, sondern - leicht abgewandelt - auch auf den ihrer Leitung subordinierten Staat sowie die ihm einverleibte Wirtschaft übertragen.
Längst hat eine die Kultur, Alltags- und Lebenswelt einbeziehende Öffnung der Sozialgeschichte im allgemeinen, der Sozialgeschichte der Arbeiterschaft im besonderen, der der Arbeiterschaft im Staatssozialismus im speziellen stattgefunden. Trotzdem tut man nach wie vor gut daran, soziale Mikrokosmen und Milieus, Identitäten und Mentalitäten in der politischen Ökonomie zu erden. Sind deren „große“ Institutionen auch keine ehernen Gehäuse, so erweisen sie sich doch als träge, oft nur in der longue durée und mit großem Aufwand verschiebbare Koordinaten des Handelns. Sie sind von beträchtlicher, Menschen und Lebenswelten prägender Wirkmacht: reale, im doppelten Sinn harte Fakten.
Planprojekt Meistererzählung. Die Entstehungsgeschichte des "Lehrbuchs der deutschen Geschichte"
(2000)
Kein anderes historiographisches Unternehmen in der DDR hat im Kampf um die Deutungshoheit über die Vergangenheit eine so umfassende Rolle gespielt wie das Hochschullehrbuch der deutschen Geschichte. Es unterfing sich, die ganze historische Zeit von den Jäger- und Sammlerhorden im Altpaläolithikum bis zur deutschen Doppelstaatlichkeit in der Gegenwart darzustellen, und es spiegelte in den fünfunddreißig Jahren, die zwischen dem ersten Entwurf 1952 und den letzten Neuauflagen 1986 lagen, die ganze Wegstrecke von der Konstitution bis zur Erosion des sozialistischen Geschichtsbildes. „Es geht darum, den werktätigen Massen - den wahren Schöpfern der Geschichte - die Vergangenheit zu beleuchten, damit sie ihren heutigen Kampf mit den revolutionären Traditionen verbinden“ - mit diesen Worten umriß der wissenschaftliche Sekretär des Lehrbuch-Projekts 1955 die Aufgabe in einem für das „Neue Deutschland“ bestimmten Beitrag.
Am 19. Juli 2001 tagte im Rathaus des nordbayrischen Heroldsbach der Zweckverband zur Wasserversorgung der in der Heroldsbacher Gruppe zusammengefassten Orte. „Weitreichenster (sic) Beschluss“ sei die „Zustimmung zur Übernahme der Unterhaltskosten für die Feuerlöscheinrichtungen (Hydranten) der Kreisstraße und der Bundesstraße“ gewesen, vermerkte die Pressemitteilung. Aber zu Beginn der Sitzung habe der Verbandsrat aus Heroldsbach das Fehlen von Haushaltsunterlagen moniert und im „lebhaften Wortaustausch mit dem Vorsitzenden“ die „Seilschaft zwischen Landratsamt und Gemeinden nach DDR- Muster“ kritisiert. Man wird dieser Episode imschwer zweierlei entnehmen können: Erstens galt die Existenz von Seilschaften in der DDR als ein Faktum. Zweitens erfuhr dieses eine negative Konnotation. Nicht ganz klar ist, ob der pejorative Akzent auf „Seilschaft“ oder auf „DDR“ lag, vielleicht aber auch auf beiden. Wie dem auch sei, hier wurde auf ein Beziehungsgefüge aufmerksam gemacht, das man offenbar in verschiedenen politischen und sozialen Kontexten antreffen konnte. Wie sollte das Phänomen sonst in Heroldsbach auftauchen? Der Hinweis freilich, es handele sich um Seilschaften „nach DDR-Muster“, legte immerhin nahe, dass es auch Seilschaften anderen Musters geben dürfte. Es ist dabei nicht gleich an Strukturen zu denken, wie sie die sizilianische Mafia und ihre Nachahmer in den verschiedensten Ländern der Welt hervorgebracht haben. Aber Personenbündnisse, vielleicht sogar etwas vom Geheimnis umweht, mindestens aber als simple Kungelrunden stehen dann schon vor Augen. Die Annahme eines „DDR-Musters“ setzt jedoch voraus, dass in der DDR Seilschaften sui generis existierten. Es mag lohnend erscheinen, dieser Frage etwas genauer nachzugehen.
Gemessen an der in den siebziger und achtziger Jahren wachsenden Zahl von Vertragsarbeitern und den sowjetischen Besatzungstruppen, die den größten Teil der ständig in der DDR anwesenden Ausländer ausmachten, waren die „Polit. Emigranten“ die kleinste Gruppe von in der DDR lebenden Fremden. Dieser in der DDR-Amtssprache auch als „PE’s“ bezeichnete Personenkreis war von anderen Migrantengruppen durch seinen besonderen Aufenthaltsstatus im SED-Staat, durch das von der offiziellen Propaganda vorgestellte politische Ansehen und seine unmittelbare Aufnahme in das Alltagsleben in der DDR deutlich abzugrenzen. Idealtypisch
sollten die „Polit. Emigranten“ in der SED-Diktatur das Bild des „guten Ausländers“, des Freiheitskämpfers bzw. Antifaschisten verkörpern, also jenes Bild des „guten Inländers“, das die SED-Führung vor allem für sich selbst in Anspruch nahm und mit dem sie ihre diktatorische Herrschaft in der DDR begründete. Diese positive und
gleichzeitig instrumentelle Darstellung der wenigen Flüchtlinge des Kalten Krieges, die Asyl in der DDR suchten und erhielten, war aber weder geeignet, den Argwohn der Bevölkerung gegenüber der herrschenden Staatspartei abzubauen, noch trug sie dazu bei, ein vorurteilsfreies Zusammenleben von Fremden und Einheimischen zu fördern. Schließlich beobachtete der zentralisierte Geheimdienstapparat der DDR, das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die „Polit. Emigranten“ genauso mißtrauisch wie die deutsche Bevölkerung. Der Anfangsverdacht der SED galt der ausländischen Herkunft der Einen und der Sehnsucht der Anderen nach dem unerreichbaren Ausland. Anhand der für diesen Beitrag hauptsächlich benutzten Quellen aus dem Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR läßt sich klar ablesen, daß unter den Bedingungen der SED-Diktatur Toleranz gegenüber dem „Anderen“ oder „Fremden“ keine geforderte Tugend war und so nur bedingt erlernt bzw. gelebt werden konnte.
Der DDR-Staats- und Parteiführung als Herrschaftsequipe eines der ökonomisch reichsten Länder im sogenannten Ostblock war es lange Zeit gelungen, ihre abhängig Beschäftigten im Rahmen eines staatlich organisierten Sozialprogramms weitgehend zu pazifizieren. Im Ergebnis machte sich relative Ruhe in den Betrieben breit, selbst unter den in den frühen Jahren der DDR besonders renitenten Arbeitern der Bau-, Chemie- und Metallbranche. Konfliktarmut und Stagnation wurden in den siebziger und namentlich den achtziger Jahren zu hervorstechenden Merkmalen des DDR-Betriebsalltags. Der, wie es scheint, im großen und ganzen zufriedengestellte Arbeiter, hatte sich vorteilhaft dem ihm zugewiesenen Arbeits- und Lebensregime angepaßt, seine Nische und sein Auskommen gefunden.
Sowohl der Blick nach Westeuropa als auch nationale Selbstpositionierungen bestimmten Europavorstellungen im Ostblock. Besonders in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts dynamisierten sich hier Debatten um Europa, und verschiedene Narrationen von Europa standen dabei in einer Bedeutungskonkurrenz. Die politische Integration im westlichen Teil des Kontinents strahlte in die Kreise unabhängiger Intellektueller positiv aus, doch es wurden auch Debatten um eine regionale Identität Zentraleuropas geführt. Beide Stränge traten in der bekannten „Mitteleuropa-Debatte“ in einen Widerstreit. Auch wurde die Auseinandersetzung um „Polens Platz in Europa“ über die Jahre des Staatssozialismus hinweg fortgeführt, und in den Friedensbewegungen suchte man länderübergreifend nach einer europäischen Ordnung außerhalb der Systemkonfrontation. Sogar in den Parteieliten wurde darüber nachgedacht, wie sich die westlichen Staaten des Ostblocks angesichts des schwachen Zusammenhalts im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) wirtschaftlich neu orientieren könnten. So wurden den westeuropäischen Staaten Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, zu einer Verstärkung des Ost-West-Handels und gar zum politischen Dialog gemacht. Selbst in sich ideologisch stark vom Westen distanzierenden Staaten wie der DDR kam zur aus der Nachkriegszeit stammenden antikapitalistischen Rhetorik das intensive Reden über Ost-West-Kooperationen hinzu. Zwar wurde die Nachkriegspropaganda der Abgrenzung vom westlichen „Kleineuropa“ noch bis 1989 verfolgt, parallel wurde jedoch versucht, sich der Bundesrepublik und der Europäischen Gemeinschaft anzunähem, um wirtschaftliche Vorteile zu realisieren und damit die Herrschaft zu stabilisieren. Oppositionelle Vorstellungen von Europa befanden sich trotz der restriktiven Bedingungen der staatssozialistischen Diktaturen nicht allein in einem abgrenzenden Gegensatz, sondern auch in einem Austausch mit denen der offiziellen Propaganda.
Ausgehend von Theodor W. Adornos Auffassung, dass Kunst sprechen lasse, »was die Ideologie verbirgt«, werden im vorliegenden Beitrag in der DDR entstandene künstlerische Landschaftsdarstellungen als mediale Beglaubigungen eines gleichermaßen realen wie teleologisch verstandenen Sozialismus in den Blick genommen. In der DDR spielte Landschaft und ihre mediale wie ästhetische Repräsentation eines Zusammenhangs aus Natur, Kultur, Interpretation, Leben und Arbeit eine zentrale Rolle. Denn mit Landschaftsdarstellungen lässt sich der »authentische« Lebensstil einer Gesellschaft verräumlichen und ermöglicht so historische Aufschlüsse sowohl über Authentisierungsstrategien des Sozialismus als auch über die problematische Referentialität des Authentischen, einschließlich seiner Bedeutung in der politischen Kommunikation. Der Vergleich von DDR-Landschaftsdarstellungen unterschiedlicher Dekaden zeigt darüber hinaus verschiedene Strategien der Verzeitlichung des Raumes. Dies wird hier exemplarisch an zwei Filmen und einem Gemälde über Montanlandschaften untersucht: dem Spielfilm »Sonnensucher« (1958) von Konrad Wolf und der Serie »Columbus 64« (1966) von Ulrich Thein sowie dem Gemälde »Hinter den sieben Bergen« (1973) von Wolfgang Mattheuer.
Für den 17. Dezember 1958 hatte die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu einer Besprechung „im Großen Sitzungssaal des Zentralhauses der Einheit“ gebeten, auf der sich im Beisein des Staats- und Parteichefs die Elite der ostdeutschen Historikerschaft versammelte. Unter den Eingeladenen waren Institutsdirektoren, Universitätsprofessoren und Parteihistoriker, und sie waren zusammen- gekommen, um zusammen mit der politischen Führung des Landes über die Stellung der DDR-Geschichtswissenschaft gegenüber ihrer bundesdeutschen Schwesterdisziplin zu beraten. Um in die einzelnen Aspekte des Themas einzuführen, waren prominente Referenten gewonnen worden, und der Parteichef selbst trug zu der Frage vor, wie die Beziehungen zwischen Geschichtswissenschaft und Politik unter seinem Bonner Amtskollegen geregelt seien: „Die Historiker [...] arbeiten gegenwärtig für die Durchführung des psychologischen Krieges, und Adenauer hat sie ganz hübsch an die Strippe genommen. Welches ist die Aufgabe, die Adenauer ihnen gestellt hat? Adenauer hat diese ganzen Historiker zusammen genommen und ihnen klar gemacht, daß sie beweisen müssen die geschichtliche Notwendigkeit der europäischen Integration und die Rolle Westdeutschlands in der NATO. Und sie schreiben alle tapfer in dem Sinne, wie ihnen das angeordnet wurde, alle, angefangen bei Ritter bis hin zum letzten Schulmeister in den Dörfern. [...] Die ganze Geschichtsschreibung, wie sie dort im Westen betrieben wird, dient dieser Aufgabe. Es gibt dort eine einheitlich ideologisch-politische Leitung der gesamten Geschichtsforschung. [...] Die Geschichtsschreibung Westdeutschlands ist auf die Durchführung des psychologischen Krieges abgestellt und darauf, daß im Jahre 1961 die Rüstung der westdeutschen NATO-Truppen fertig ist, und bis zu dieser Zeit muß die entsprechende ideologische Verseuchung in Westdeutschland erreicht sein. Das ist dort exakt ausgearbeitet.“
Der vorliegende Band vereint methodisch-theoretische Überlegungen zur sozialhistorischen Netzwerkanalyse und empirische Einzelstudien zum Phänomen der Netzwerke im Realsozialismus. Er lädt dazu ein, die Substrukturen der realsozialistischen Gesellschaften zu analysieren. Netzwerke sind definitorisch nur schwer zu erfassen und lassen sich nicht immer scharf gegenüber Begriffen wie Patronage, Seilschaft, Arrangement etc. abgrenzen. Die Autoren der Beiträge experimentieren quasi mit dem Netzwerkbegriff auf der Grundlage ihrer jeweiligen empirischen Ergebnisse. Dabei kommt es zu Überschneidungen mit den Netzwerkbegriffen der Wirtschaftsgeschichte, der Organisationssoziologie und der Politikwissenschaften. Auf den ersten Blick scheinen sich einige der vorliegenden Untersuchungen wenig auf den Netzwerkbegriff zu beziehen. Auf den zweiten Blick jedoch, und das macht die Spezifik des Bandes aus, untersuchen sie Sonderformen von Netzwerken. Die Netzwerke in staatssozialistischen Systemen wurden, anders als etwa in westlichen Unternehmen, nicht aufgrund kalkulierter Effizienzkriterien installiert und aktiv betrieben, sondern dienten in der Regel dazu, eine Vielzahl von Defiziten zu kompensieren.
Der Entwicklung der Einkommen in den Ostblockländem lag ein Widerspruch zwischen den ideologischen und legitimatorischen Grundlagen des ihnen eigenen staatssozialistischen Systems auf der einen und den wirtschaftlichen Erfordernissen auf der anderen Seite zugrunde. Die in diesen Staaten herrschenden kommunistischen Parteien vertraten den Anspruch, die sozialistische Utopie von materieller Gleichheit und Gerechtigkeit verwirklichen zu können. Jedoch wurde diese Idee von den Führungen jener Parteien auch instrumentalisiert, um ihre Macht zu legitimieren. Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise der Zwischenkriegszeit faszinierte an dieser Vision besonders die Annahme, auf der Basis gesellschaftlichen Eigentums und gesamtwirtschaftlicher Planung Vollbeschäftigung garantieren zu können. Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit wurde für den Staatssozialismus zu einem wesentlichen Wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziel und damit zu einer weiteren legitimatorischen Grundlage. Auf dem sozialisierten Eigentum an den Produktionsmitteln beruhte auch die Vorstellung, daß die Arbeitskraft - im Unterschied zum Kapitalismus, für den das Marx herausgearbeitet hatte - ihren Warencharakter verlieren werde. Da alle Gesellschaftsmitglieder Eigentümer der Produktionsmittel seien, müßten sie ihre Arbeitskraft nicht mehr an die Besitzer der Produktionsmittel verkaufen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der damit letztlich zu verwirklichende Gleichheitsanspruch war jedoch nicht absolut, sondern stand latent im Widerspruch zu dem Erfordernis, auch in diesem als Alternative zur liberalen Wettbewerbswirtschaft gedachten System Wirtschaftswachstum inklusive Produktivitätssteigerung zu gewährleisten.
Die Frage, wie es vom „Einholen wollen“ der Ära Ulbricht zum - letztlich gescheiterten - „Aufholen müssen“ unter Honecker/Mittag kam, ist die Frage nach der Fähigkeit der DDR-Planwirtschaft, mit technischen Neuerungen umzugehen, Industrieinnovationen zu ermöglichen. Die offensichtlich unzureichende Innovationsfähigkeit der DDR-Planwirtschaft ist zweifellos eine der zentralen Ursachen dafür, daß die DDR im Wettbewerb mit der Bundesrepublik Deutschland unterlag. Der folgende Aufsatz, Zwischenergebnis eines größeren Projektes am FSP Zeithistorische Studien, versucht, sich dem komplexen Problem der Ursachen für die Innovationsschwäche der DDR am Beispiel der seit den 1960er Jahren in allen entwickelten Industrieländern auf der Tagesordnung stehenden Modernisierung des Werkzeugmaschinenbaus durch Innovationen auf dem Gebiet numerischer Steuerungen zu nähern. Dabei wird - mit Spur - davon ausgegangen, daß die damit ermöglichte flexible Automatisierung eines der zentralen Probleme der Bewältigung der wissenschaftlich-technischen Revolution in den 1960er bis 1980er Jahren war und die Ausstattung der Werkzeugmaschinen mit mikroelektronischen Steuerungen ein mehr als eine Branche betreffender innovativer Vorgang darstellte.
In den letzten Jahren ist eine Vielzahl neuer Veröffentlichungen zur Verfolgung von Sozialdemokraten in der SBZ/DDR vorgelegt worden, die dieses auch schon zuvor sehr aufmerksam verfolgte Kapitel der Repressionsgeschichte, basierend auf jetzt gut zugänglichen Dokumenten aus Archivbeständen der SED und auf russischen Quellen, anreichern. Jene Akten belegen auch die Härte und den Stellenwert der Verfolgung von oppositionellen Kommunisten innerhalb und außerhalb der SED. Der linke Widerstand gegen den Nachkriegskurs der KPD, gegen die Stalinisierung der SED, schließlich die Verfolgung von linken Kritikern und Oppositionellen innerhalb und außerhalb dieser Partei sowie der westdeutschen KPD und endlich die Säuberung beider Parteien war aus mehreren Gründen immer eine besondere Dunkelzone der Parteigeschichte. Daß dabei weder die Stalinisten noch das vielfältige sozialismusfeindliche politische Spektrum an der Würdigung linker Dissidenz interessiert waren und sind, bleibt durchaus nachvollziehbar. Doch unabhängig davon gibt es ebenso zeithistorische Interpretationsdefizite.
Die Gründung der DDR im Jahre 1949 und die Konsolidierung der von der SED im Einklang mit der sowjetischen Besatzungsmacht etablierten gesellschaftspolitischen Ordnung markieren einen folgenreichen Transformationsprozeß hinsichtlich des Umgangs mit der Widerstandstradition und der Erfahrung nationalsozialistischer Verfolgung. Mit der Herausbildung des „Antifaschismus“ als für die DDR identitätsbestimmendem und staatstragendem ideologischen Konstrukt kulminiert die bereits in den Vorjahren in der SBZ einsetzende Vereinnahmung einer ursprünglich breitgefächerten und weitestgehend spontanen Erinnerungskultur verschiedener Opfer- und Verfolgtengruppen durch die parteipolitischen Sonderinteressen der KPD/SED. Die nach 1945 in den verschiedensten politischen Lagern favorisierten Vision eines antifaschistischen-demokratischen Neubeginns wurde zu einer bloßen Formel für eine Neuordnung nach sowjetischem Muster ausgedünnt, mit der die noch vorhandenen Grundlagen der bürgerlichen Gesellschaft abgebaut und die Chance einer plural verfaßten Ordnung aufgekündigt wurde. Für das sehr differenzierte und hinsichtlich seiner Neuordnungsvorstellungen oft diffuse nichtkommunistische Spektrum der Verfolgten des NS-Regimes lief dies auf die Alternative hinaus, sich entweder unter die kommunistische Hegemonie unterzuordnen oder den Ausstieg aus dem politischen Projekt DDR zu vollziehen. Dabei ist allerdings die Zäsur des Jahres 1949 nicht absolut, vielmehr handelt es sich bei den genannten Entwicklungen um einen längerfristigen Übergang mit deutlichen Phasenverschiebungen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen. Waren die machtpolitischen Prämissen bereits 1947/48 in der SBZ weitgehend geklärt, hielt in anderen Bereichen wie etwa der Kultur, Kunst und Wissenschaft oder auf dem Feld der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus der Eindruck von offenen und wandelbaren Strukturen länger an - wie anders ließe sich die Attraktivität der frühen DDR für ein breites Spektrum emigrierter Intellektueller erklären.
Von einer „Gesellschaft“ der DDR zu reden, ist auch zehn Jahre nach ihrem Ende noch immer alles andere als selbstverständlich. Als „Staat“ war und ist sie allemal leichter auszumachen: ein Ensemble von Institutionen, Ordnungen und Verfahren in Deutschland, dessen äußerer Bestand von einer Weltmacht garantiert wurde und das sich nicht zuletzt durch seine Entgegensetzung zur Bundesrepublik zu legitimieren suchte. Von einem totalitären Gestaltungswillen durchdrungen, der sich auf alle sozialen Beziehungen und Lebensbereiche auf seinem Territorium erstreckte, repräsentierte der „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ im Selbstbild wie in der Fremdwahmehmung die historische Alternative zum bürgerlich-liberalen Rechtsstaat in Westdeutschland. Diese Eindeutigkeit seiner Konturen begleitete ihn bis in den Untergang, der vertraglich definiert und exekutiert werden konnte. Infolge der Privatisierung staatlichen Vermögens kann, wer will, auch den „Marktwert“ dieses Staates im nachhinein bestimmen.
„Es darf kein Gebiet der Landwirtschaft geben, das die Volkspolizei nicht kennt.“ Mit dieser Forderung begann ein Mitarbeiter der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei im September 1952 einen Artikel in der Zeitschrift Die Volkspolizei. Ähnliche Forderungen finden sich in zahlreichen anderen Artikeln der polizeilichen Fachpresse der fünfziger Jahre. Als ein Sicherheitsorgan der „Arbeiter-und-Bauem-Macht“ hatte auch die Deutsche Volkspolizei (DVP) ihren Beitrag zur „sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft“ zu leisten. Für dessen Untersuchung ist zunächst von folgenden Voraussetzungen auszugehen.
Gemeinschaften sind immer durch ein Verhältnis von Einschließung und Ausschließung konstruiert. Die von den SED-Ideologen imaginierte sozialistische Menschengemeinschaft war darin keine Ausnahme. Auch sie definierte Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden, wobei das Fremde nicht in erster Linie ethnisch, sondern sozial, d. h. als einer fremden Klasse zugehörig repräsentiert wurde. Dieser binären Logik wurde dann aber zusehends durch die soziale „Liquidierung“ der nicht werktätigen Klassen in der DDR der konkret-historische Inhalt entzogen. Wie der SED-Staat und die ihm zuarbeitende Rechtswissenschaft auf dieses Problem reagierten und welche „Lösungen“ sie dafür entwickelten, versuche ich im folgenden anhand des juristischen Diskurses über das „asoziale Verhalten“ aufzuzeigen.