943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
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Das Revolutionsjahr 1848 markiert den Aufbruch in die Moderne. Nicht zuletzt Berlin wurde zum Schauplatz einer fundamentaldemokratischen Bewegung bis dahin unbekannten Ausmaßes, in Dimensionen, wie sie - so muß man leider ergänzen - in den folgenden eineinhalb Jahrhunderten in den an traditionsbildenden demokratischen Ereignissen armen deutschen Staaten eine seltene Ausnahme geblieben sind.
Am 13. Mai 1939, also ein gutes Vierteljahr vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, ließ Robert Ley, Reichsorganisationsleiter der NSDAP und Chef der Massenorganisation Deutsche Arbeitsfront, unter dem Titel „Nachlese und Bilanz vom 1. Mai 1939", in der nationalsozialistischen Tageszeitung „Der Angriff' einen Leitartikel publizieren. ...
In den 1970er-Jahren endete des bundesdeutschen Wirtschaftswunder. Mit den konjunkturellen - und aus heutiger Sicht vergle1chswe1se harmlosen - Krisen von 1966/67 und 1973/74, mit der Aufkündigung des Bretton-Wood-Abkommens 1971, mit dem Ölpreisschocks von 1973/74 und 1979/80, mit der Billigkonkurrenz der fernöstlichen Tigerstaaten und mit den sich am Horizont bereits abzeichnenden fundamentalen Wandlungen von Wirtschaft und Gesellschaft durch Mikroelektronik und moderne Informationstechnologien, für die sich die Bezeichnung »dritte industrielle Revolution« eingebürgert hat, kündigte sich eine anhaltende industrielle Strukturkrise an, die sich derzeit zu einer Fundamentalkrise des globalen Kapitalismus auswächst. Die fordistische Suggestion eines fortwährend boomenden Kapitalismus ohne echte Krise und ebenso die Hoffnung auf eine dauerhafte Voll- oder gar Überbeschäftigung entpuppten sich als Illusion. Stattdessen wurde nun die »Krise des Fordismus« debattiert - und oft sehr Unterschiedliches darunter gefasst. Spätestens in den 1980er-Jahren machte die Formel vom »Ende des Fordismus« die Runde. »Krise« und »Ende« sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Gleichzeitig blieb die Bundesrepublik Deutschland zumindest die erste Hälfte der 1970er-Jahre aber auch von einer bis dahin ungekannten gesellschaftlichen Aufbruchstimmung und Reformeuphorie gekennzeichnet, die etwa Mitte der 1960er-Jahre eingesetzt hatte. Sie zeigte ebenfalls nachhaltige Wirkungen und wird nicht selten durch die von Zeithistorikern unlängst geprägte, deprimiert-ratlose Formel »Nach dem Boom« verdeckt beziehungsweise verniedlicht.
Am 5. Juni 1945 übernahmen die USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich mit einer Erklärung die „oberste Gewalt“ über das besetzte Deutschland. Wie es ausdrücklich hieß, erfolgte damit keine Annexion. Die Militärbefehlshaber als Repräsentanten der Vier Mächte sollten bis zur späteren Übertragung der Souveränität an die Deutschen ihre Macht getrennt in den jeweiligen Besatzungszonen und gemeinsam durch den Alliierten Kontrollrat ausüben. Als Hauptstadt erhielt Berlin den Sonderstatus eines gemeinschaftlichen Gebietes mit einheitlicher Verwaltung, das aber getrennt nach Sektoren besetzt wurde. Die Stadt lag inmitten der Sowjetzone; ihre Westsektoren waren daher nur über diese hinweg von den Westzonen aus zu erreichen. Die politischen und territorialen Vereinbarungen beruhten auf der Voraussetzung, dass es zu einer gemeinsamen Politik in Deutschland kommen werde. Davon konnte jedoch im besetzten Deutschland keine Rede sein. Es zeigte sich immer deutlicher, dass sich Ziele und Maßnahmen nicht miteinander vereinbaren ließen.
Wer sich von Berlin-Spandau aus Ende der vierziger Jahre auf den Weg nach Hamburg machte, sah sich, nach den ersten Kilometern seiner Reise, in eine seltsam anmutende Szenerie versetzt. Unmittelbar nach der Ortsdurchfahrt Nauen und kurz vor Ribbeck im Havelland passierte die alte, baumbestandene Femstraße 5 die idyllischen Dörfer Lietzow und Berge. Quer über die damals noch holprige und eher verschlafen wirkende Dorfstraße hingen hier, im Abstand von 500 Metern, rote Losungsbanner. Sie forderten den Reisenden zum Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung in Deutschland, zur Steigerang der Produktion sowie zum Kampf für den Frieden und gegen den US-Imperialismus auf. Vor solcher Art parteilichem Übereifer blieben in der Konsequenz auch nicht die Kirchgemeinden verschont.
Gerichte handeln reaktiv; das heißt, sie werden nicht aus eigener Initiative, sondern erst durch Anruf von außen in Bewegung gesetzt, der auch in sozialistischen Staaten (vom Strafrecht einmal abgesehen) in aller Regel nicht vom Staatsanwalt, sondern von Bürgern (und zivilrechtlich handelnden volkseigenen Betrieben) kam. Um sein Rechtssystem im Justizalltag durchzusetzen, war also auch der sozialistische Staat auf die Mithilfe seiner Bürger angewiesen. Durch Nicht-Anrufen konnten Bürger das Recht unterlaufen; durch die Art und Weise, wie sie Gerichte benutzten, konnten sie seine Wirksamkeit beeinflussen; durch ihre Erfahrungen vor Gericht wurden die Bürger ihrerseits in bestimmten Haltungen und Wertvorstellungen bestätigt. In diesem Beitrag will ich die gegenseitige Abhängigkeit von Bürger und Rechtssystem im sozialistischen Rechtsalltag untersuchen. In welchen Angelegenheiten wandten sich Lüritzer Bürger an ihr Gericht? Wie wurden sie vom Gericht behandelt und wie verhielten sie sich selbst? Wie beeinflußte die Alltagspraxis der ostdeutschen Justiz die Wirksamkeit des Rechts als Instrument gesellschaftlicher Veränderungen? Und welche Nachwirkungen können wir heute beobachten?