Part of a Book
Im Zentrum dieses Aufsatzes steht die europäische Dimension der Revolution. Sie läßt sich auf knappem Raum freilich nicht gleichmäßig ausleuchten. Ich werde mich auf die städtische Revolution konzentrieren - den für den gesamten Revolutionsprozeß eminent wichtigen Agrarbereich also ausklammern - und hier wiederum vor allem die Entwicklungen und Ereignisse in den drei europäischen Revolutionsmetropolen Paris, Wien und Berlin in den Blick nehmen. Der preußischen Metropole gilt darüber hinaus besondere Aufmerksamkeit, weil sie sich im Revolutionsjahr zur informellen Hauptstadt des 1848/49 staatlich ja nur vorübergehend geeinten Deutschlands mauserte. Die folgenden Ausführungen gliedern sich in acht Abschnitte. Sie beginnen jeweils mit einer These, die dann in mehr oder weniger groben Strichen ausgemalt wird.
Der Strafvollzug gehörte zu den härtesten Formen der Repression politischer Gefangener in der DDR, in dem Willkür und Schikane den Haftalltag prägten. Gleichwohl unterlag er im Verlauf der DDR-Geschichte Veränderungen, die im Kontext der Entwicklung der Gesamtgesellschaft zu sehen sind und von den wechselnden innen- und außenpolitischen Bedingungen abhängig waren. Einen wesentlichen Einschnitt in der Strafvollzugspolitik bildete das unter Honecker verabschiedete Strafvollzugsgesetz von 1977 (StVG), das sich an den Normen der UNO zur Behandlung von Gefangenen orientierte und Rechtssicherheit für die Häftlinge bringen sollte. Durch die internationale Einbindung der DDR, ihr Ringen um die Anerkennung als gleichberechtigter deutscher Staat, nicht zuletzt, um die Wirtschaft mit Hilfe des Westens zu stabilisieren, war sie im Gegenzug gezwungen, sich internationalen Standards anzupassen. Die Öffnung der DDR nach Westen bewirkte zudem eine größere Durchlässigkeit von Informationen, weshalb man sich gegenüber internationalen Auflagen nicht abschotten konnte. Dem Vorwurf über menschenunwürdige Zustände in den Strafvoll- zugsanstalten wollte sie durch die Fixierung von rechtlichen Normen entgegenwirken.
Bis vor wenigen Jahrzehnten waren Kirchen noch der bevorzugte Ort kirchlicher Gemeindeversammlungen und der christliche Gottesdienst hatte in den Sakralbauten seine eigentliche Heimat. Insofern fiel »Kirche« im Sinne des Kirchengebäudes und »Kirche« im Sinne der christlichen Gemeinde noch in größerem Maße in eins als heute. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich diese Identität von religiösem Ort und religiösem Ereignis zunehmend gelockert: Gottesdienste, religiöse Veranstaltungen fanden vermehrt auch außerhalb des Kirchenraums statt. Mitunter mieden sie geradezu den traditionellen Kirchenraum, um sich auf offenen Plätzen, in Messehallen oder Fußballstadien ein großes Publikum zu erschließen oder über die Medien in die breite Öffentlichkeit hinein zu wirken (...)
Die öffentliche Diskussion um die nationalsozialistische Vernichtungspolitik hat sich durch die Debatte um das Buch von Daniel Goldhagen verändert. Wie immer in solchen Fällen ist diese Debatte nicht frei von schrillen Tönen und absurden Überzeichnungen. Aber bei aller Kritik an dem Buch von Goldhagen ist es doch gewiß eine positive Entwicklung, wenn die Diskussion um Nationalsozialismus und »Holocaust« nun endlich wieder auf das eigentliche Geschehen, den Massenmord selbst konzentriert wird, auf die Motive der Täter, das Leiden der Opfer. Demgegenüber sind Fragen wie: ob der Judenmord als Phänomen der Moderne zu verstehen sei oder nicht, ob er eine Art putativer Notwehr gegen den vermuteten Mordwunsch der Bolschewiki am europäischen Bürgertum gewesen sei und anderes, das in den vergangenen Jahren die öffentliche Debatte bestimmt hat, in den Hintergrund getreten.
Vernetzung um jeden Preis. Zum politischen Alltagshandeln der Generalverwaltung im "Dritten Reich"
(2007)
Wie stand die Generalverwaltung der KWG zum NS-Regime? Welches Verhältnis entwickelte umgekehrt das NS-Regime, genauer: entwickelten die wissenschaftspolitisch einflußreichen Institutionen der Diktatur zur KWG? Diese Fragen lassen sich nur beantworten, wenn man die Netzwerke der zentralen Akteure der Wissenschaftsgesellschaft und ihrer Generalverwaltung als politischem Kern der KWG genauer unter die Lupe nimmt.
Vernetzte Bankenwelt. Computerisierung in der Kreditwirtschaft der Bundesrepublik und der DDR
(2018)
Die Rekrutierung von Führungspersonal erfolgte in der DDR - aufgrund des zentralistischen Staatssystems, der leitenden Rolle der Partei etc. - bekanntermaßen für alle Ebenen und Bereiche von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zentralgesteuert. Die Auswahl, Instruktion und Kontrolle des Führungspersonals stand dabei immer vor einem systemimmanenten Widerspruch zwischen Konformität und Professionalität. Trotz dieser Steuerung gelang es jedoch nicht, Frauen in größerer Zahl in Führungspositionen aller Ebenen einzusetzen, obwohl die SED zwischen 1949 und 1989 in gebetsmühlenartigem Stil immer wieder die Förderung von Frauen für Führungspositionen einklagte und zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Förderinstrumente erließ. Die Kritik an der mangelnden Umsetzung mag anhand des vielbeachteten Kommuniques des ZK der SED „Die Frau - der Frieden und der Sozialismus“ stellvertretend für die zahlreichen gesetzlichen Maßnahmen und Anordnungen der SED in der Zeit vor Veröffentlichung des Kommuniques und bis zum Ende der DDR verdeutlicht werden: „Alle Leitungen der Partei in den Betrieben der Industrie und der Landwirtschaft, im Staatsapparat, in den kulturellen Institutionen, Gewerkschaften und anderen Massenorganisationen werden verpflichtet, die Beschlüsse der Partei und der Regierung zur Förderung und Entwicklung der Frauen zielstrebiger zu verwirklichen und ihre Durchführung ständig zu kontrollieren“. Warum auch diese „Instruktion“ ihr Ziel nicht erreichen konnte, legt eine bemerkenswerte Aussage von Inge Lange, der „ranghöchsten“ Frau in der DDR - sie war Vorsitzende der Abteilung Frauen beim ZK der SED - aus dem Jahre 1979 nahe. Demnach sei es, so Inge Lange, ganz klar, daß „in der in fernerer Zukunft zu schaffenden kommunistischen Gesellschaft alle Mitglieder der Gesellschaft, Frauen wie Männer, sozial gleichgestellt sein werden“ und nun, 1979, mit der Schaffung dieser Voraussetzungen begonnen werden müsse. Auch zu Beginn ihres letzten Jahrzehnts war die DDR somit weit entfernt von der realen Gleichberechtigung und Gleichstellung der Frauen, obwohl in den offiziellen Verlautbarungen der Partei- und Staatsfuhrung beides bereits seit langem als verwirklicht galt.
Geschichtsdokumentationen im Fernsehen stehen vor der Herausforderung, dem Publikum aktuelles, relevantes Wissen zu präsentieren und es gleichzeitig emotional anzusprechen. Dazu nutzen sie ein umfangreiches Repertoire an erzählerischen und gestalterischen Strategien, die auf zwei unterschiedliche Sphären des Authentischen verweisen: zum einen Legitimierungsstrategien, die auf eine Objektauthentizität abzielen und das Versprechen einlösen sollen, vergangenes Geschehen nach aktuellem Wissensstand darzustellen; zum anderen Emotionalisierungsstrategien, durch die Subjektauthentizität evoziert werden soll, die dem Publikum eine emotionale Teilhabe an dem Gezeigten ermöglicht. Beide Formen von Authentifizierungsstrategien finden sich in Fernsehdokumentationen zur Urgeschichte besonders deutlich, wie in dem vorliegenden Beitrag herausgearbeitet wird. Dabei zeigt sich auch, dass die Gestaltung der Fernsehbeiträge über das eigentliche Ziel hinausgeht und in einer stark durch gegenwärtige Fragen und Herausforderungen geprägten »Paläo-Poesie« mündet.
Der demokratische Zentralismus als das prägende Herrschaftsprinzip staatssozialistischer Gesellschaften, das nicht nur in der politischen Sphäre, sondern auch in der Staats- und Wirtschaftsordnung volle Gültigkeit beanspruchte, lässt die Frage nach möglicherweise daneben existierenden kooperativen „Netzwerken“ auf den ersten Blick als nachgeordnet erscheinen. Das Herrschaftsprinzip des demokratischen Zentralismus, das sei kurz in Erinnerung gerufen, stellte die wichtigste Grundlage für die zentralistische Leitung und den einheitlich-hierarchischen Aufbau des gesamten politischen, staatlichen und wirtschaftlichen Institutionengefiiges in den staatssozialistischen Gesellschaften dar. Legitimiert wurde es bekanntlich mit dem ideologischen Postulat, die sozialistische Gesellschaft bedürfe der einheitlichen und planmäßigen Führung durch die Partei der Arbeiterklasse, die deshalb keine konkurrierenden Macht- und Selbstbestimmungsansprüche neben sich dulden könne. Von der Partei wurde das Prinzip des demokratischen Zentralismus folglich nicht nur im eigenen Organisationsaufbau berücksichtigt, sondern - leicht abgewandelt - auch auf den ihrer Leitung subordinierten Staat sowie die ihm einverleibte Wirtschaft übertragen.
Führende Kenner der Vereinten Nationen haben Inis Claudes klassische Unterscheidung zwischen den »ersten UN« Mitgliedsstaaten) und den »zweiten« (Sekretariate) unlängst um die »dritten UN« ergänzt. Sie bestehen aus Nichtregierungsorganisationen (NGOs), beratenden Komitees sowie aus einzelnen Experten, Politikern und Aktivisten. Für viele Internationalisten der Nachkriegsjahre jedoch hingen die Aussichten einer demokratischen Weltordnung in letzter Instanz nicht von Regierungen, Sekretariaten oder auch den kosmopolitischen Eliten der dritten UN ab. Entscheidend für sie war vielmehr eine fiktive Gemeinschaft, die man als »vierte UN« bezeichnen könnte – eine Gemeinschaft einfacher Bürger, deren Loyalität auf die Vereinten Nationen gerichtet war. Das galt vor allem für die Anhänger der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization/Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur). Im vorliegenden Beitrag untersuche ich diese fiktive Weltgemeinschaft, die jenen Internationalisten so lebhaft vor Augen stand, und analysiere die Strategien, mit der die neue vorgestellte Gemeinschaft verwirklicht werden sollte. Diese utopische Vision zerschellte schließlich an den harten Realitäten des Kalten Krieges. Jenseits der internationalen Politik leuchte ich zudem den Streit um ein UNESCO-Programm im Schulbezirk Los Angeles aus, um die komplexe Beziehung zwischen internationaler und lokaler Ebene zu verdeutlichen.
Bei der Entwicklung konventioneller und atomarer Waffen nahmen die verantwortlichen Politiker und Militärs der Vereinigten Staaten, Chinas, Frankreichs, Großbritanniens und der Sowjetunion keine Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen. Bereits vor dem Kalten Krieg richteten sie militärische Testgelände ein, für die ganze Bevölkerungsgruppen umgesiedelt werden mussten. Indianer, Nomaden und andere Menschen, die in den Augen der Behörden unwichtig waren oder sogar der Landesverteidigung im Wege standen, wurden ihrer Dörfer, Begräbnis- und Kulturstätten, ja letztlich ihrer Lebensweise beraubt.
Am 5. Juni 1945 übernahmen die USA, die UdSSR, Großbritannien und Frankreich mit einer Erklärung die „oberste Gewalt“ über das besetzte Deutschland. Wie es ausdrücklich hieß, erfolgte damit keine Annexion. Die Militärbefehlshaber als Repräsentanten der Vier Mächte sollten bis zur späteren Übertragung der Souveränität an die Deutschen ihre Macht getrennt in den jeweiligen Besatzungszonen und gemeinsam durch den Alliierten Kontrollrat ausüben. Als Hauptstadt erhielt Berlin den Sonderstatus eines gemeinschaftlichen Gebietes mit einheitlicher Verwaltung, das aber getrennt nach Sektoren besetzt wurde. Die Stadt lag inmitten der Sowjetzone; ihre Westsektoren waren daher nur über diese hinweg von den Westzonen aus zu erreichen. Die politischen und territorialen Vereinbarungen beruhten auf der Voraussetzung, dass es zu einer gemeinsamen Politik in Deutschland kommen werde. Davon konnte jedoch im besetzten Deutschland keine Rede sein. Es zeigte sich immer deutlicher, dass sich Ziele und Maßnahmen nicht miteinander vereinbaren ließen.
Towards Another Concept of the State: Historiography of the 1970s in the USA and Western Europe
(2011)
After years of neglect, the 1970s have recently entered the array of academic interest. In the USA and in Western Europe a growing number of historians are finally pulling the decade out of the shadows of the 1960s and the 1980s. As can be expected in such an early phase of academic exploration, there is still littel that ties all publications about the Seventies together.
Thinking About Empire
(1997)
Common sense tells us that empires rise and fall. We know that the Roman, Habsburg, Ottoman, and Romanov realms were called empires, and we know — from history or, more precisely, from historians — that they had temporally identifiable beginnings and ends. Not surprisingly, we conclude that the history of entities called empires must hold the explanatory key to the rise and fall of empires.
Der in der neueren historischen Forschung gern benutzte Terminus "Modernisierung" mag insofern von Nutzen sein, als sich mit seiner Hilfe recht gut der Frage nachgehen läßt, inwieweit Kontinuitäten vom "Dritten Reich" zur Bundesrepublik bestanden und in welcher Hinsicht während der Zeit der NS-Herrschaft Entwicklungen angebahnt wurden, die erst nach 1945 zum Durchbruch kamen. Falsch wäre es allerdings, den Blick ausschließlich auf die Zeit ab 1933 zu verengen: Alle entscheidenden Elemente dessen, was für die Zeit des "Dritten Reiches" als "Modernisierung" der Industriearbeit bezeichnet werden kann, hatte sich bereits in der Weimarer Republik, seit Beginn der "goldenen zwanziger Jahre" (ab 1924/25) herausgebildet.
Die erste Assoziation, die viele heute mit dem Thema Angst in der Politik verbinden, ist der gegenwärtige internationale oder islamistische Terrorismus. Eine eindeutige Definition dessen, was eigentlich der Begriff Terrorismus beinhaltet, fällt zwar nach wie vor schwer. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Verbreitung von Angst zu einem der am häufigsten genannten definitorischen Merkmale von Terrorismus gehört. Terroristen versuchen gezielt unterder Bevölkerung Angst zu verbreiten, damit diese wieder um Druck auf die Regierungen ausübt. Peter Waldmann hat daher darauf verwiesen, dass Terrorismus »primär eine Kommunikationsstrategie« darstelle, die durch die Instrumentalisierung von Angstgefühlen danach trachte, gegnerisches Verhalten zu konditionieren.
The Holocaust and Genocide
(2004)
How does the Holocaust relate to genocide as a concept and an event? This question has caused considerable controversy because scholarly discourse and identity politics cannot be separated neatly. While the term 'genocide' was coined during the Second World War and enshrined in International law in 1948, the Holocaust as a specifically Jewish tragedy did not become an object of consciousness until almost two decades later. Ever since, those highlighting a distinctive experience for European Jewry have sought to separate it from that of other victims of the Nazis as well as other cases of ethnic and racial extermination.
At the beginning of the twenty-first century the problem of European frontiers ceased to exist. This is because they are no longer determined by a sense of European identity, but rather by a consensus reached in Brussels. The European borderlands disappeared generations ago and were substituted by peripheries of the capitalist world-economy. It may be said that both concepts are of only academic interest. However, I am not convinced.
The first thesis the paper argues is that a certain collective identity emerged at the shop floor („we“, the workers as opposed to „them“, party leaders, intelligentsia, peasants, the self-employed) that was built - and declared - increasingly in opposition to the official ideology and the communist party.5 Important factors in this process were the growing economic difficulties, the party’s apparent inability to solve them and the increasing materialism people experienced in the everyday life - including party member- and leadership. From the mid-70s onwards, the workers could perceive the worsening economic situation of the country by the decrease of the real wages and the need to do overwork or take extra jobs (first in the agriculture and then in the so-called vgmk-s) to keep the former standards of living. The continuously increasing prices made the impact of the „global market“ real regardless of the stance of the Central Committee. The sharpening criticism of the system is formulated, however, not from the viewpoint of the individual but that of the worker, which suggests the existence of a collective identity. One may call it a paradox of the Communist ideology that the system, after all, was successful to develop working-class collective identities but these were built in opposition to the Communist regime and not for it. The paper will attempt to show how these „oppositionist“ identities were formulated and in what ways they are indicative of the alienation of the workers from the workers’ state.
Die Holocaust-Forschung hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten internationalisiert, zugleich aber auch immer stärker ausdifferenziert und spezialisiert. Dabei entstanden regelrechte Sub-Disziplinen, etwa die »Täterforschung«, und viele Forschungsergebnisse sind – auch bedingt durch mangelnde Sprachkenntnisse – selbst für Spezialisten kaum noch zu überschauen. Mit diesem Band legen wir nun eine Einführung in die verschiedenen Forschungsansätze vor und diskutieren zugleich die Frage, in welche größeren historischen Zusammenhänge der Holocaust eingeordnet werden kann bzw. muss. Dabei geht es um Kernfragen künftiger Forschung ebenso wie um grundsätzliche Probleme, die durch die Internationalisierung und Ausdifferenzierung der Forschung entstanden sind.