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Ausweisungen können weitere politische Funktionen einnehmen, die über die staatliche Steuerung von Migration hinausgehen. Wie wir in diesem Aufsatz anhand zweier Sondertypen von Ausweisungen zeigen, können solche Maßnahmen gerade in Phasen staatlicher Konsolidierung und bei der Überlappung von Souveränitätsansprüchen als politisches right-peopling auftreten. In diesem Kontext untersuchen wir die Rolle von Ausweisungen während der kritischen Phase der deutschen Nationalstaatsbildung nach dem Ersten Weltkrieg. Für die 1920er-Jahre analysieren wir einerseits Ausweisungen von Deutschen aus anderen Landesteilen durch deutsche Landesbehörden (etwa von Württembergern aus Baden), andererseits Ausweisungen von Deutschen aus dem besetzten Rheinland durch die alliierten Besatzungsbehörden. Mit Bezug auf aktuelle Debatten um Illegalisierung und deportability von Migrant*innen betrachten wir Beispiele aus regional- und rechtshistorischen Quellen der Weimarer Republik. So zeigen wir, wie Ausweisungen sozialpolitische und ethnisch-exklusive Ziele hatten, aber auch zu einer Stärkung staatlicher Institutionen und zu einer nationalistischen Identifikation mit dem Deutschen Reich nach dem verlorenen Krieg führten.
Expulsions not only assume key roles in states’ efforts to control, regulate, and channel migration movements; they also have a variety of additional political functions. In this article, we examine two particular expulsion practices and show that they are used in processes of political ›right-peopling‹, especially in times of state consolidation and competing claims of state sovereignty. In this context, we investigate the role of expulsions in the crucial phase of German nation-building following the First World War. Our analysis of expulsion practices in interwar Germany focuses on the expulsions of Germans from individual German states by regional authorities (e.g. Wuerttemberg Germans who were expelled from Baden) as well as on expulsions of Germans from the occupied Rhineland ordered by the Allied occupation authorities. We assess regional and legal sources from German archives through the lens of current debates on the illegalisation and ›deportability‹ of migrants. Drawing on case studies, we show that expulsions were used not only to realise socially and ethnically exclusionary policies but also to stabilise state institutions. We argue that the reaction to some of these practices led to a new nationalist identification with the German Reich of the Weimar Republic.
African American History
(2023)
America’s past and present cannot be understood without taking into account the history of African Americans. Christine Knauer traces the genesis of African American historiography and points out the close link between historiography, the fight for freedom and the civil rights movement in the nineteenth and especially the twentieth century. She describes the current trends and research approaches in African American historiography, ones increasingly being adopted in Europe and Germany in the context of American studies.
Bis in die 1990er Jahre wurde die Rolle von Maria Eisner als „Secretary and Treasurer“ immer wieder mit Sekretärin und Schatzmeisterin oder Büroleiterin im Gründerkreis der legendären Magnum-Männer übersetzt. Jubiläumsschriften, Dokumentationen und Kurzbiografien weisen Eisner bis heute immer wieder als italienische Fotografin aus, verschweigen dabei aber Teile ihres Werdegangs oder deuten ihren Einfluss auf die von ihr gegründeten Agenturen und der dort arbeitenden Fotografen nur vage an. Infolge ihres frühen Rückzugs aus dem Agenturgeschäft im Jahr 1951 sind ihre Verdienste um Assignments, Editionen und Bildrechte im frühen Bildermarkt sowie ihre Bedeutung als wichtige Mentorin bedeutender Fotograf:innen bis heute wenig beachtet.
Armut
(2023)
Allgemein betrachtet, beschreibt Armut einen Zustand am unteren Ende einer sozialen Hierarchie, der sich mit eingeschränkten Ressourcen sowie verminderten Mobilitäts- und Lebenschancen verbindet. In diesem Beitrag wird zunächst ein Überblick über gebräuchliche definitorische Annäherungen gegeben, ehe die bisherigen Schwerpunkte (zeit-)historischer Beschäftigung nachgezeichnet werden. Hiervon ausgehend, werden Perspektiven und Desiderate der gegenwärtigen geschichtswissenschaftlichen Armutsforschung erörtert, und zwar unter Berücksichtigung der methodisch-konzeptionellen wie heuristisch-quellenkritischen Herausforderungen und Chancen, die sich mit einer Zeitgeschichte der Armut verbinden.
Ernst Friedrich Schumachers vor 50 Jahren erschienenes Buch »Small is Beautiful« wurde in den 1970er-Jahren schnell zu einem Standardwerk der Technikkritik und der Debatten um alternative Wirtschaftsformen im globalen Zusammenhang. Vor allem im expandierenden Feld der Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Bürgerinitiativen wurde Schumacher zu einem wichtigen Stichwortgeber. Bis heute wird das Buch als Referenz für alternative Konzepte von Wirtschaft und Gesellschaft angeführt – vom »Green New Deal« über die »Donut-Ökonomie« bis zur »Postwachstumsgesellschaft«. Gerade im Kontext der ökologischen Krisen der Gegenwart und der kritischen Sicht auf Wachstumsziele als Selbstzweck ist Schumachers Plädoyer für eine »Rückkehr zum menschlichen Maß« hoch aktuell. Von den Traditionen des ökonomischen Denkens des 20. Jahrhunderts geprägt, scheint sein Buch in besonderem Maße geeignet, Anknüpfungspunkte für das Wirtschaften »in einer endlichen Welt« zu liefern. Aber es sind auch andere, stärker historisierende Lesarten möglich.
Das westdeutsche Abschieberegime entstand im Kontext der Problematisierung von People of Color, die seit 1950 in die Bundesrepublik einreisten, um dort ein Studium oder eine Ausbildung aufzunehmen. Die junge Republik lud Menschen aus sich dekolonisierenden Ländern zunächst ein, um sich von der Rassenideologie des National- sozialismus zu distanzieren und sich gegenüber dem Sozialismus zu profilieren. Dabei bestand jedoch weiterhin die im Kern völkische Prämisse, dass People of Color nicht langfristig bleiben sollten. Die Herstellung ihrer Rückführbarkeit manifestierte sich in der Rechts-, Verwaltungs- und Betreuungspraxis lokaler Behörden und Wohlfahrtsverbände, wodurch diese Prämisse in das Ausländergesetz von 1965 einging. Das Gesetz machte insbesondere »außereuropäische« Migrant*innen abschiebbar, denen es pauschal kriminelle Täuschungsabsichten und extremistische Politisierung unterstellte. Es verrechtlichte zudem eine pseudomoralische Rückkehrpflicht von People of Color unter Verweis auf ihren Entwicklungsauftrag in den Herkunftsländern und auf tradierte Geschlechterrollen. Diese Normen waren in der Bundesrepublik permanent abrufbar und wurden sukzessive auf andere Migrant*innen angewandt.
West Germany’s deportation regime emerged in the 1950s and 1960s, when people of color migrated there to graduate from West German universities and receive voca- tional training. Distancing itself from the Nazis’ racial ideology and styling itself a liberal alternative to socialism, the young Federal Republic initially invited people from decolonizing countries. However, the substantially völkisch idea persisted that people of color could never belong to the Federal Republic and should leave the country sooner rather than later. The ensuing construction of their returnability manifested itself in juridical, administrative and aid practices shaped by local authorities and welfare associations, and found its way into the Aliens Act of 1965. This law made ›non-Euro- pean‹ migrants, in particular, deportable by declaring them collectively fraudulent, politically radicalized, and therefore criminal. At the same time, the Aliens Act evoked a pseudo-moral duty of return to develop their countries of origin, and referred to traditional gender roles to deport female partners. These norms remained anchored throughout in West Germany’s history and were successively applied to other migrants.
Die ständige und schnelle Abrufbarkeit von Informationen ist einer der großen Vorteile des Internets. Doch im Zusammenhang mit Online-Veröffentlichungen entsteht dabei eine Divergenz zwischen dem technisch möglichen Zugang und der entsprechenden (Nach-)Nutzbarkeit von Inhalten einerseits sowie den rechtlichen Zugangsbeschränkungen zum Schutz von geistigem Eigentum andererseits. So begegnet Nutzer:innen beim Surfen schnell der Satzfetzen „Alle Rechte vorbehalten“, der darauf hinweist, dass das publizierte Werk, sei es ein Text, ein Bild, ein Video oder auch ein Musikstück, eben nicht frei nachnutzbar ist. Die Nutzungsrechte liegen bei den Urheber:innen.
Extravagante Danksagungen in literarischen und wissenschaftlichen Büchern werden regelmäßig in den Massenmedien und auf Social Media zur Unterhaltung verbreitet und debattiert. Auch am Beispiel von in Danksagungen nicht erwähnten Mitarbeiter:innen und Ghostwritern werden verschiedene Auslegungen guter wissenschaftlicher Praxis und redlichen Schreibens diskutiert. Für Danksagungen interessieren sich jedoch nicht nur die Massenmedien, sondern erst recht die Wissenschaftler:innen selbst. Zwar sind akademische Danksagungen von der geistes- und geschichtswissenschaftlichen Forschung bisher kaum systematisch untersucht worden. Gleichwohl stellen sie einen von Fachkolleg:innen aufmerksam rezipierten Paratext dar, der ebenfalls der Unterhaltung dienen kann, durch den sie sich aber auch ein Bild vom jeweiligen Autor bzw. von der Autorin verschaffen. Anhand von Danksagungen wird überprüft, in welchen fachlichen Schulen sich die Autor:innen verorten, für welche Unterstützung sie sich bei wem bedanken, welche privaten Ansichten und Angelegenheiten sie preisgeben und inwiefern sie fachliche Konventionen einhalten. Umgekehrt ist dieser prüfende Blick der Kolleg:innen den Verfasser:innen von Danksagungen bekannt. Über die Geste hinaus bieten Danksagungen den Autor:innen daher die Möglichkeit, sich den Kolleg:innen als Wissenschaftler:in und (Privat-)Person zu präsentieren.