21. Jahrhundert
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Von der Lügenpresse zur Lügenwissenschaft? Zur Relevanz der Zeitgeschichte als Wissenschaft heute
(2018)
Der hier publizierte Festvortrag über die gegenwärtige Relevanz und Zukunft der Zeitgeschichte wurde im Rahmen der Festveranstaltung anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam (ZZF) am Donnerstag 12. Oktober 2017 von Andreas Wirsching gehalten. Das ZZF Potsdam nahm das Jubiläum zum Anlass, um den geschichtswissenschaftlichen Umbruch der 1990er Jahre genauer zu beleuchten. In einem öffentlichen Kolloquium wurden die turbulenten Anfangsjahre des ZZF und die damaligen Transformationen in der Geschichtswissenschaft diskutiert. In der Abendveranstaltung standen schließlich die gegenwärtigen Herausforderungen der Zeitgeschichtsforschung und ihre Zukunft im Mittelpunkt.
Am 6. Dezember wird Timothy Snyder der Hannah-Arendt-Preis im Bremer Rathaus verliehen. Sein Buch „Bloodlands. Europe between Hitler and Stalin“, das 2010 in den USA und 2011 in deutscher Übersetzung erschien, hat die Geschichtsschreibung nachhaltig verändert.
Erstmals hat ein Historiker explizit die Massenmorde des nationalsozialistischen und stalinistischen Regimes in Beziehung gesetzt und jene ostmitteleuropäische Region von Zentralpolen, der Ukraine und den baltischen Staaten bis Weißrussland in den Mittelpunkt gestellt, in der von 1917 bis 1947/48 etwa 14 Millionen Menschen starben, keine Soldaten, sondern wehrlose Zivilisten, Männer, Frauen, Kinder – die „Bloodlands“.
By using a 60s workplace as its setting, Matthew Weiner’s Mad Men (2007-2015) does not merely provide insight into historical gender and sex relations in the workplace of the 60s. It also reflects current sex and gender relations in the workplace of 21st century America (e.g. the #MeToo Movement). As Sara Rogers, leaning on Horace Newcomb and Paul Hirsch, argues, tv shows’ strength lies in their raising questions, rather than answering them. This is precisely what Mad Men, with its representation of 1960s sex and gender dynamics does. In the following blogpost I will show that Weiner’s hit show is very aware of – among others – Helen Gurley Brown’s influence on the American workplace of the 60s and that it uses its nostalgic effect for reflecting contemporary sex and gender relations in the workplace.
Ol’ga Šparaga hat die belarusischen Untersuchungsgefängnisse von innen gesehen. Sie erzählt vom Schmutz und von der Kälte, von den Verhören – und von der Angst der Wärter. Um einem drohenden Strafverfahren wegen angeblicher Organisation von Massenunruhen zu entgehen, ist sie nach Litauen geflohen, wo sie Bildungsbeauftragte des Koordinationsrats der belarussischen Gesellschaft wurde. Trotz der massiven Repressionswelle, mit der das Regime die Gesellschaft überzieht, bleibt sie optimistisch: An dem Versuch, die Zeit anzuhalten, ist bisher noch jeder gescheitert.
Jenseits der Binaritäten von zwei Geschlechtern, zwei Gendern und zwei möglichen Strukturen des Begehrens versteht dieser Beitrag Queerness als ein Netz, in dem alle Aspekte des Begehrens und der Sexualität, einschließlich der Hegemonie der Heteronormativität, miteinander in Beziehung stehen und fließend ineinander verwoben sind. Ich verwende ‚Queer‘ hier als ein analytisches Konzept, um auf nicht-heteronormative Strukturen des Begehrens und der Sexualität zu verweisen, ohne mich auf die Kategorien der Vergangenheit festzulegen. Mit anderen Worten: Ich versuche, der Fluidität, die queere Theorien betonen, treu zu bleiben. Queer wird hier nicht nur gedacht als ein Oberbegriff für alle Formen gleichgeschlechtlichen Begehrens und geschlechtlicher Nonkonformität. Vielmehr verwende ich queer um Identitätszwängen zu entrinnen, und so in den Archiven auch Stimmen zu finden, die sich nicht unter den je zeitgenössischen Begriffen subsumieren lassen.
Nostalgische Alltagserinnerungen an die DDR standen seit den frühen1990er Jahren unter dem Verdacht der Verharmlosung der SED-Diktatur. Obwohl diese sehr einseitige Sichtweise durch die Forschung mittlerweile weitgehend entkräftet ist und ein differenzierteres Bild von Erinnerung Einzug gehalten hat, fällt noch immer eine gewisse Exotisierung ostdeutscher Erinnerungspraktiken auf. Weitet man den Blick jedoch auf nostalgische Erinnerungen in westlichen Ländern, werden trotz einiger Unterschiede Parallelen sichtbar, die auf gesellschaftliche Wandlungsprozesse in Ost und West verweisen und Erklärungsmuster für ostdeutsche Alltagserinnerungen in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Der 88-jährige Dokumentarfilmer Frederick Wiseman hat seinen neuesten Film „Ex Libris“ einer Einrichtung gewidmet, die nur unwesentlich älter ist als er selbst: der im Jahr 1911 gegründeten Public Library in New York. Wie in seinen 41 Filmen zuvor verzichtet er auch dieses Mal auf Kommentare aus dem Off und geht stattdessen mit seiner Kamera hinein in die Lesesäle, die Diskussionen und die Arbeitsprozesse. Seine Beobachtungen sind so erwartbar wie überraschend und zeigen vor allem eins: die Bibliothek ist ein wichtiger Lernort für die Demokratie.
Der Kunsthistoriker Peter Geimer zeichnet in seinem jüngsten Buch mit dem griffigen Titel „Die Farben der Vergangenheit“ die Entwicklungen und Veränderungen der „visuellen Repräsentation von Geschichte“ seit dem 19. Jahrhundert nach. Eröffnet wird die Darstellung mit kenntnisreich und flüssig geschriebenen Kapiteln zur Historienmalerei, die zeigen, wie sich die Malerei im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Idee, Wirklichkeit abzubilden, veränderte. Fortan galt es, detailliert und so genau wie möglich, Ereignisse wiederzugeben, die sich im besten Falle durch Zeitzeugen bzw. Augenzeugen oder originale Objekte belegen ließen. Anja Tack rezensiert im Visual-History-Beitrag das neu erschienene Werk.
Die Umbrüche nach 1989 eröffneten für die niederschlesische Stadt Breslau neue Wege, mit seinem „fremden Erbe“ umzugehen. Nach über 40 Jahren politisch erzwungenen kollektiven Vergessens war das Tabu der multiethnischen und insbesondere deutschen Vergangenheit der Stadt gebrochen. Diese Stadt ist nämlich Teil des Gebietes, welches von einer massiven Zwangsmigration betroffen war. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als entsprechend den Bestimmungen der Potsdamer Konferenz 1945 die Grenzen europäischer Nationalstaaten neu gezogen wurden, folgte die „Umsiedlung“ von zwölf Millionen Menschen. Weite Teile multiethnischer Grenzgebiete, die für Zentral- und Osteuropa vor dem Zweiten Weltkrieg typisch waren, sollten von da an unter dem kommunistischen Diktat, zu monoethnischen Staaten werden. Die kulturelle Vielfalt in diesem von Hannah Arendt als „belt of mixed populations“ bezeichneten Territorium war 1989 nahezu vollständig homogenisiert worden.
Der chilenische Architekt Miguel Lawner (geboren 1928) ist ein engagierter und leidenschaftlicher Vertreter der vom „Bauhaus“ inspirierten Ideen der Sozialen Architektur. Seit den 1950er Jahren setzt er sich für das Recht auf Wohnraum und würdiges Wohnen ein und beteiligt sich an sozialen Bewegungen.
Der Band, mit dem Titel „Evelyn Richter“, um den es in diesem Text gehen soll, ist kein Katalog, selbst wenn er im Impressum so bezeichnet wird. Vielmehr ist er ein Glücksfall für alle Bücherliebhaber:innen. Für Visual Historians wird dieser exzellente Band ein Standardwerk zur Fotografie-Geschichte der DDR werden. Und für all jene, die sich für das Leben der großen Fotografin Evelyn Richter in der DDR interessieren, ist es ein Pageturner und eben keines der oft üblichen Coffee Table Books mit der Bezeichnung Katalog, die sich hochglänzend und schwer eher zum Pressen von Pflanzen eignen, als dass sie einen Mehrwert jenseits der Finissage der jeweiligen Ausstellung hätten.
Herausgegeben wurde das Buch „Evelyn Richter“ von der Historikerin und Kuratorin Linda Conze und der Kunstwissenschaftlerin Jeannette Stoschek, im Auftrag des Evelyn Richter & Ursula Arnold Archivs der Ostdeutschen Sparkassenstiftung und dem Museum der bildenden Künste Leipzig. Es erschien im Verlag Spector Books (Leipzig).
Eine Mutter mit Kind. Den Blick gesenkt, hat sie ihre Aufmerksamkeit in diesem Moment ganz auf den kleinen Sohn gerichtet. Fest hält sie ihn im Arm, so als befürchte sie, dass ihr jemand ihr Ein und Alles nehmen könnte. Um sie herum verschwimmt die Welt in Dunkelheit. Es ist eine Szene voller Trauer und Hoffnung zugleich, ein würdevoller Augenblick, der in seiner Intimität fast spirituell anmutet – und das überlebensgroß. Festgehalten hat ihn der haitianisch-spanische Street-Art-Künstler Axel Void (bürgerlich: Alejandro Hugo Dorda Mevs) auf 9 mal 9 Metern Fläche einer Gebäudefassade direkt am River Irwell, der Stadtgrenze zwischen Manchester und Salford in Englands Nordwesten. Sein Werk, sagt der Künstler, sei den einfachen Leuten gewidmet, „those with nothing who gave their everything”. Gemeint seien all jene, denen (staatliches) Unrecht widerfuhr: Mutter und Kind stünden als Symbol für die Zehntausenden, „who came to St Peter’s Field that day”. Worauf sich Void dabei konkret bezieht, wird anhand eines Wortes klar, das er quer über sein Bild geschrieben hat: Peterloo.
Im Jahr 2020 soll nach aktuellem Zeitplan das Humboldt Forum eröffnen – sollten bis dahin alle technischen Probleme gelöst sein. Damit würde nach über sechs Jahren Bauzeit das rekonstruierte Berliner Schloss der Öffentlichkeit übergeben. Mit der (teilweise) wiederhergestellten Hohenzollernresidenz kehrte dann nicht nur eines der markantesten Bauwerke in die historische Stadtmitte zurück. Im 30. Jahr der deutschen Einheit erhielte Berlin endlich jenes lang ersehnte Symbol, das die „neue“ Bundesrepublik und ihre Hauptstadt für alle Welt sichtbar an preußische Traditionen rückbinden soll: die der Aufklärung, der Toleranz und des Humanismus. Mit diesem Brückenschlag zum „anderen“ – besseren – Preußen hätte die Suche nach einer vom 20. Jahrhundert möglichst unbelasteten, Identität stiftenden Meistererzählung im Zeitalter „post-murum“ ihr (vorläufiges) Ende gefunden.
Sprache formt die Wirklichkeit, in der wir leben. Diese Annahme bedeutet im Umkehrschluss, dass wir durch eine bewusste Nutzung von Sprache diese Wirklichkeit mitgestalten können. Dies ist ein grundlegender Gedanken vieler sozialer Bewegungen, so auch von trans* Bewegungen weltweit. Gerade für Personengruppen, die sehr lange abwertenden, stigmatisierenden und verletzenden Fremdbezeichnungen ausgesetzt waren oder es noch immer sind, spielt die selbstbestimmte Bezeichnung von Identitäten eine große Rolle. Gleichzeitig sind Selbstbezeichnungen komplex, vielfältig und ständig im Wandel, sodass der Versuch einer Beschreibung und Einordnung von Begrifflichkeiten immer eine lokal und zeitlich begrenzte Momentaufnahme bleiben muss. Dies gilt auch für den folgenden Versuch eines kurzen Überblicks über Begriffe, die seit dem letzten Jahrhundert für trans* Personen im deutschsprachigen Raum wichtig waren oder sind.
Radio San Remo
(2018)
Bilder aus Afghanistan und dem dort seit Jahren herrschenden Krieg sind nahezu allgegenwärtig im öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs. Doch unterscheiden sich diese Bilder stark von den privaten Fotografien meines Vaters, der seit über 30 Jahren Bundeswehrsoldat ist und im Rahmen des NATO-Einsatzes International Security Assistance Force (ISAF) bisher fünf Mal an verschiedenen Standorten in Afghanistan für jeweils mehrere Monate eingesetzt war. Durch ihn konnte ich Kontakt zu seinen Kolleg*innen herstellen, und schließlich wurden mir 7159 private Fotografien von drei Bundeswehrsoldat*innen für mein Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt.
Die Dezember-Ausgabe der Zeitschrift Osteuropa (herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde) widmet sich unter dem Titel „Macht statt Gewalt oder: Gewalt statt Macht, Belarus: Schritte zur Freiheit: oder Repression, Schikane, Terror“ auf über 400 Seiten der politischen Situation in Belarus und der Geschichte des Landes. Wir baten den Chefredakteur der Zeitschrift, Manfred Sapper, um Zusammenarbeit für unseren Themenschwerpunkt zu Belarus und bekamen umgehend die freundliche Genehmigung das Editorial des Themenheftes (10-11/2020) als Reprint zu veröffentlichen.
Eine Woche, bevor der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2019 an den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado verliehen wurde, lud das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion ein, um Salgados fotografische Praxis zu diskutieren. Das Podium besetzten die Organisator*innen und Moderator*innen Matthias Gründig, Folkwang Universität Essen, und Dr. Anja Schürmann, KWI Essen, sowie als eingeladene Diskutierende Prof. Elisabeth Neudörfl, Folkwang Universität Essen, Prof. Dr. Elke Grittmann, Hochschule Magdeburg-Stendal, und ich, Dr. Evelyn Runge, CAIS Center for Advanced Internet Studies Bochum.
Am 31. Mai 2022 wurde in Hamburg eine Open-Air-Ausstellung unter dem Titel „Wir hatten ein normales Leben. Ukraine 2006-2022“ eröffnet – zu sehen bis zum 3. Juli 2022. Es ist ein gemeinsames Projekt der Fotograf:innen-Agenturen Focus (Hamburg) und MAPS (Brüssel). Die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg ermöglichte die Ausstellung durch ihre Förderung. Das Mahnmal St. Nikolai, Hamburgs zentraler Erinnerungsort für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft, stellte den Raum zur Verfügung und unterstützte das Team bei der Ausstellung und beim Rahmenprogramm, das auch in Kooperation mit dem ZEIT-Verlag entstanden ist. Bei der Ausstellung wirkte David Rojkowski als freier Co-Kurator mit.
Ukrainische „Nachtwache“
(2022)
Die erstmalige persönliche Teilnahme des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an der diesjährigen UN-Vollversammlung 2023 in New York und an einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats haben die Abwesenheit des von ihm angesprochenen Gegenübers, des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sichtbar gemacht – eine Leerstelle, die aufgrund der Forderung des russischen UN-Botschafters, dem ukrainischen Präsidenten das vorgesehene Eröffnungsstatement der Sicherheitsratssitzung im letzten Moment zu entziehen, noch deutlicher wurde. Nach der Annexion der Krim hatte sich Putin 2015 noch mit einer Rede an die 70. UN-Generalversammlung gewandt, in der er unter anderem auch den Krieg der Separatisten im Donbas gegen die Ukraine zu rechtfertigen suchte. Den Wettbewerb um die globale Medienöffentlichkeit, deren Aufmerksamkeit Wladimir Putin mit dem Besuch des wieder ernannten chinesischen Außenministers Wang Yi im Kreml am selben Tag zu gewinnen versuchte, hat der ukrainische Präsident aktuell wohl für sich entscheiden können.
Das neu entflammte öffentliche und zeithistorische Interesse an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation Ostdeutschlands nach dem Zusammenbruch der DDR kommt bisher meist ohne Seitenblicke auf die parallelen Entwicklungen in Ostmittel- und Osteuropa aus. Vielmehr wird die Frage, wie die DDR nach 1989/90 zu „Ostdeutschland“ wurde, immer noch im Wesentlichen innerhalb eines deutsch-deutschen Bezugsrahmens diskutiert. Seine neuerliche Brisanz gewinnt dieser unverkennbar aus der Gegenwart, in der viele westdeutsch Sozialisierte „den Osten“ aufs Neue zur hoffnungslosen Problemzone der ansonsten gefestigten bundesdeutschen Demokratie stilisieren. Dagegen greifen nicht wenige Ostdeutsche zur Selbstviktimisierung als identitätspolitischer Strategie und glauben, in der Treuhand jene Übeltäterin ausgemacht zu haben, die für alle Verletzungen der ostdeutschen Seele verantwortlich zu machen sei.
Eine Betrachtung von Berufungen unter der Kategorie Geschlecht eignet sich in besonderem Masse dazu, gleichsam wie in einem Vergrösserungsspiegel, die soziale Bedingtheit von Berufungen aufzuzeigen. Diese werden bis heute von den an Berufungsverfahren Beteiligten wenig oder gar nicht reflektiert, besteht doch die unhinterfragte illusio[1] des akademischen Feldes darin, nach dem vermeintlich harten Kriterium der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit ›die besten Köpfe‹ zu berufen. Bislang gibt es für das 19. und 20. Jahrhundert, d.h. die Phase der sogenannten modernen Universität, keine historische, quellenbasierte Untersuchung zur inhaltlichen Ausgestaltung und zum Wandel von Berufungskriterien. Bisher ist auch das Verhältnis von Berufung und Geschlecht in historischer Längsschnittperspektive nicht systematisch untersucht worden.
Der folgende Beitrag erschien erstmals im Jahr 2012 in der Publikation „Professorinnen und Professoren gewinnen. Zur Geschichte des Berufungswesens an den Universitäten Mitteleuropas“, die von Christian Hesse und Rainer Christoph Schwinges herausgegeben wurde. Mit freundlicher Erlaubnis der Autorin Sylvia Paletschek veröffentlicht zeitgeschichte|online die Einleitung des Aufsatzes. Eine vollständige Version findet sich auf dem freien Dokumentenserver FreiDoks plus, ein Angebot der Universitätsbibliothek der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und im Material zu diesem Beitrag.
Im Mai 2020 haben die Allianz der Gleichstellungsbeauftragten der außeruniversitären Forschungsorganisationen (AGbaF) und die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen (bukof) eine Umfrage unter den Frauen- und Gleichstellungsakteur*innen in außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Hochschulen durchgeführt. Anlässe hierfür waren die alarmierenden Befunde über die Verstärkung der strukturellen Benachteiligung von Wissenschaftlerinnen und weiterer Statusgruppen in den jeweiligen Organisationen seit Beginn der Corona-Pandemie sowie das Sammeln von Daten zur Impulssetzung im Rahmen eines gemeinsam geplanten Online-Meetings. Ziel der im Mai 2020 lancierten Umfrage war es, durch standardisierte Nachfragen und damit quantifizierbaren Rückmeldungen eine solide Datenbasis aus den jeweiligen Organisationen zur Gleichstellungssituation und eine Grundlage für gleich- stellungsorientierten Handlungsbedarf zu erhalten.
381 Frauen- und Gleichstellungsakteur*innen erhielten einen kurzen Fragebogen zu ihrer Einschätzung der Lage hinsichtlich der Verstärkung struktureller Nachteile für Frauen in wissenschaftlichen Kontexten in Zeiten von Corona und den sich daraus ergebenden Herausforderungen für die Gleichstellungsarbeit. Der Rücklauf lag mit 210 ausgefüllten Bögen bei 55%. Es beteiligten sich 18 Universitäten, 13 Fachhochschulen / (Fach-)Hochschulen für Angewandte Wissenschaften, 6 Künstlerische Hochschulen und 173 Forschungsinstitute (Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer Gesellschaft, Leibniz Gemeinschaft, Helmholtz Gemeinschaft).
Lutz Niethammer ist einer der bedeutendsten Zeithistoriker Deutschlands. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2005 war er Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Im Jahr 1971 wurde er zum Thema Praxis der Entnazifizierung in der US-amerikanischen Besatzungszone promoviert, hatte anschließend Professuren an der Universität Essen und der FernUniversität Hagen inne. Bekannt ist Niethammer als Doyen der Oral History in der Bundesrepublik. Kontroversen löste seine Studie über „die roten Kapos“ aus.
Sein erstes Buch ist allerdings in Vergessenheit geraten, zu Unrecht. In der Studie Angepaßter Faschismus (1969) befasste sich der damals noch unbekannte Lutz Niethammer mit der erst 1964 gegründeten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Seine Erkenntnisse über das Wesen des „organisierten Nationalismus“ scheinen heute wieder aktuell. Yves Müller und Dominik Rigoll sprachen mit Lutz Niethammer über das vor 50 Jahren erschienene Buch und über gegenwärtige Gefahren für die Demokratie.
Jonas Nesselhauf stellt die Ausstellung „9/11: Vom Ereignis zum Gedächtnis“ vor, die noch an diesem Wochenende in den Räumen des Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass der Saarländischen Universitäts- und Landesbibliothek zu sehen ist. Der Beitrag reflektiert anlässlich des 20. Jahrestages des 11. September 2001 über die Möglichkeiten einer Ausstellung gerade angesichts der enormen Visualität der Anschläge und ihres Charakters als globales Medienereignis, das bis heute das kulturelle Gedächtnis unserer Zeit zutiefst prägt. Herzstück der Ausstellung sind die Augenzeugen-Fotografien von Richard Karger, der die Skyline Manhattans am 11. September 2001 in beeindruckenden Bildern festhielt.
Wir werden das Königliche Schloss – manche sagen Humboldt-Forum – wohl nicht mehr los. Nun steht es da, das Kreuz obendrauf und die selfie-süchtigen Menschenmassen zu Füßen. Die Historikerin Hedwig Richter schlägt vor, wir sollten uns damit arrangieren. In der deutschesten aller Kompetenzen, der „Empörungskompetenz“, haben wir verlernt, uns an der einfachen Schönheit des Baus zu erfreuen. Richter prognostiziert: Vielleicht wird das Ding ja zum „Volksbau schlechthin?“
Nein, weder Schloss noch Nachbau waren dem Volk – wie auch immer es definiert sein mag – gewidmet. Das Original war eine Herrscherresidenz, sein Replikat ist architektonischer Ausdruck einer Nationalromantik, die die Berliner Republik heimsucht.
“I am going out” was the last message sent by Raman Bandarenka to a Telegram chat uniting people from his neighbourhood in Minsk. In the evening of November12th, he went down to his courtyard, known by protesters as the Square of Changes. The Square of Changes appeared in Minsk in the beginning of September 2020 to support initiatives of a local community in times of political contestation. Raman went down to protect a fence decoration made from white-red-white ribbons that became a target for a group of unknown men in masks and sportive clothing. To watch over protest symbols installed in their Square of Changes became a routine action for the locals. Their neighbour, Stsiapan Latypau, was detained in September in somewhat similar circumstances: he was asking men in masks to introduce themselves and to explain their reason for destroying a graffiti, a symbol of the Square of Changes. This time, Raman was beaten up in the same courtyard, then put in a blue van, and taken to the police station. The next day he died in a hospital from the received traumas. All elements of this story – anonymous men in civic clothing who seem to have the carte blanche to brutal violence, blue vans without a registration number, write-red-white ribbons, alternative names to cities’ places, and local chats – are the symbols of the ongoing Belarusian protests.
Emmanuel Macron ist nicht nur der erste französische Präsident, der nach der Kolonialzeit seines Landes geboren wurde, sondern auch der erste, der unumwunden von einer Kolonialschuld spricht und bereits 2017 – unter zum Teil heftiger Kritik – sein Vorhaben andeutete, Rückführungen von Kulturobjekten in ihre Herkunftsländer im Globalen Süden anzuregen. Nach seiner Wahl beauftragte er die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy und den senegalesischen Intellektuellen Felwine Sarr damit, einen Bericht zu verfassen, der darlegen sollte, wie ein solches Verfahren gelingen kann.
Im Gegensatz zu Deutschland ist auf politischer Ebene in Frankreich also recht viel in Bewegung. Allerdings ist die Resonanz aus der Bevölkerung – wiederum anders als im deutschsprachigen Raum – zurückhaltender, wie Bénédicte Savoy im Gespräch mit Gabriele Metzler berichtet. Das Videointerview war Teil der Vorlesung Der lange Nachhall des Kolonialreichs. Deutsche Geschichte im europäischen und globalen Kontext seit 1919, die Metzler im ersten pandemiebedingt digitalen Universitätssemester, dem Sommersemester 2020, an der Humboldt-Universität zu Berlin hielt. Mit freundlicher Genehmigung der Gesprächspartnerinnen durfte es an dieser Stelle veröffentlicht werden.
Ende der 1970er Jahre tauchte »Preußen« in beiden deutschen Staaten wieder auf. Die »Preußenrenaissance« wurde bislang vor allem als geschichtspolitisches und intellektuellengeschichtliches Phänomen betrachtet. Preußen wurde aber auch, das zeigt der Blick auf die formative Phase der Preußenkonjunktur um 1980, in breiten Bevölkerungsschichten populär. Der nach 1989/90 betriebene Versuch indes, Preußen zur Traditionsstiftung für das vereinigte Deutschland zu nutzen, scheiterte auf lange Sicht. Heute ist Preußen, jenseits der Hohenzollerndebatte, nurmehr punktuell im Rhythmus der Jahrestage präsent.
Nach kurzer Recherche wird deutlich, dass die Konflikte zwischen Aserbaidschan und Armenien bereits nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 ausbrachen. Kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion indes eskalierte der Konflikt (1988), als beide Länder noch Teilrepubliken der SU waren. Damals forderte die mehrheitlich armenische Bevölkerung Karabachs den Anschluss des völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörenden Gebietes. Darauf reagierte Aserbaidschan mit Pogromen in Sumgait und Baku, gefolgt von der Vertreibung der Armenier*innen aus Aserbaidschan. Karabach-Armenien gewann diesen Krieg. Die in Bergkarabach lebenden Aserbaidschaner*innen flohen oder wurden vertrieben. Im Jahr 2020 eroberte Aserbaidschan die Gebiete zurück und besetzte Teile Bergkarabachs. Der Krieg sollte 44 Tage andauern und wurde am 9. November 2020 durch einen gemeinsamen Vertrag beider Länder beendet. Die Waffenruhe wird durch Russland überwacht. Der im September 2022 wieder aufgeflammte Krieg/Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien taucht in den Institutionen, die sich mit der jährlichen Registrierung der Konflikte und Kriege beschäftigen (AKUF, BpB), derzeit nicht auf. Überhaupt sind die Kenntnisse über die Geschichte und Gegenwart dieser Region selbst unter Historiker*innen sehr gering.
Die Stasi führt ein intensives Nachleben, zumindest auf der Leinwand. Im Kino erfreut sich der ostdeutsche Geheimdienst schon seit vielen Jahren einer anhaltend großen Beliebtheit, vor allem in Filmen über die DDR-Vergangenheit, in denen Stasi-Figuren meist den repressiven Charakter der SED-Diktatur symbolisieren. Doch die Zeiten, in denen Stasioffiziere als simple Bösewichte mit grauen Anzügen und schlechtsitzenden Frisuren in Erscheinung traten, scheinen vorbei zu sein. Die Ambivalenz der Figuren hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, auch positiv besetze Heldenfiguren sind keine Seltenheit mehr. Das Spektrum der Filme reicht dabei von authentischen Annäherungen an widersprüchliche IM-Biografien („Gundermann“, 2018, Regie: Andreas Dresen) über radikal stilisierte Dramen („Nahschuss“, 2021, Regie: Franziska Stünkel) bis hin zu grotesk überzeichneten Satiren („Stasikomödie“, 2022, Regie: Leander Haußmann).
Während die DDR-Geschichte bislang meist im Genre der Komödie oder des Familiendramas erzählt wurde, zeigt sich in neuen filmischen Inszenierungen eine Offenheit für andere Formen. Dabei rückt wieder die Staatssicherheit in den Mittelpunkt. Mit „Kleo“ zeigt Netflix aktuell eine Serie über eine Profikillerin im Dienst des MfS, die mit Anspielungen auf die Popkultur der 1980er und 1990er Jahre gespickt ist. „Kleo“ knüpft dabei an die erfolgreichen Erzählmuster der Serie „Deutschland 83/86/89“ (2015-2020) an, die eine Agenten-Story mit einem ironischen Blick auf das MfS verknüpfte. Doch während die Geschichte von „Deutschland 83/86/89“ noch vor einem realen historischen Hintergrund angesiedelt war, geht „Kleo“ ein ganzes Stück weiter: Die Serienmacher nutzen die DDR-Vergangenheit nur noch als Aufhänger für eine blutig inszenierte und trashig überspitzte Rachegeschichte im Stil amerikanischer B-Movies. Das wirft die Frage auf, was einen an sich eher biederen Geheimdienst wie das MfS anschlussfähig für das Genre-Kino und die zeitgenössische Popkultur macht.
Selten ist das Thema eines Sammelbandes so aktuell wie das des vorliegenden: „Corona und die journalistische Bildkommunikation“, herausgegeben von dem Kommunikationswissenschaftler und Journalisten Felix Koltermann. Dass es sich dabei nur um eine Momentaufnahme handeln kann, ist kaum nötig zu erwähnen. Ein absehbares Ende der Pandemie war zum Redaktionsschluss des Bandes im Mai 2021 ebenso wenig in Sicht wie zur Veröffentlichung dieser Rezension. Folgerichtig beabsichtigen die Autor:innen nicht, die langfristigen Folgen der Pandemie auf den Bildjournalismus zu prognostizieren; vielmehr soll hier eine Art Zwischenfazit nach rund einem Jahr Pandemie gezogen werden. Die einzelnen Beiträge betrachten, wie die Coronakrise die Arbeit von Bildredakteur:innen, Foto- und Datenjournalist:innen bis zu diesem Zeitpunkt eingeschränkt und verändert sowie neue Diskurse geschaffen hat.
Seit mehr als 20 Jahren publiziert der avant-verlag mit Sitz am Weichselplatz in Berlin-Neukölln für Liebhaber:innen – von Grafik und Kunst, von Literatur und Wort, von Comics und Graphic Novels. Mit Neugier und viel Herz werden aktuelle Bücher internationaler Größen und einzigartige Neuheiten sorgfältig ausgewählt, um zu zeigen, „was der Comic heute ist: ein sich stetig entwickelndes Medium mit literarischer Qualität“. Im Gespräch mit Public Historian und Visual History-Redakteurin Josephine Kuban gibt der Verlagsgründer Johann Ulrich Einblicke in das unverwechselbare Profil des avant-verlags, aber auch den deutschen Comic- und Graphic Novel-Markt sowie die Welt der Geschichtscomics.
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