Biographie
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Private Alben sind für Außenstehende schwer zugänglich. Die Familie, die ihre Alben dem Museum übergab, maß ihnen gesellschaftliche Bedeutung zu. Als Fundstücke ohne Kontext stehen sie für sich allein und erscheinen zunächst hermetisch.[3] Doch bei sorgfältiger Betrachtung und Analyse lässt sich in vier Arbeitsschritten das lebensgeschichtliche Narrativ eines sowjetischen Kraftwerksingenieurs rekonstruieren. In einem ersten Schritt geben das Abgebildete und die (knappen) Beschriftungen Auskunft über örtliche und zeitliche Bezüge, materielle Kultur, Alter, Generationenzugehörigkeit und soziale Beziehungen der Menschen. In einem zweiten Schritt können die aufgerufenen Kontexte recherchiert werden – hier als Hintergrund die Ingenieure als »Klasse«, die sowjetische innere Expansion seit 1945 und die örtlichen Verhältnisse. In einem dritten Schritt werden die Fotografien und die Alben als Artefakte betrachtet. Auf die Fragen nach Entstehungszeit und Urheberschaft folgen in einem vierten Schritt Fragen nach Bedeutungen bestimmter Anordnungen und Gebrauchsspuren der Alben. So entfalten sich aus den Bildern und ihrer Komposition visuelle Narrative.
Die deutsche Filmgeschichte und Leni Riefenstahl (1902-2003), das war immer eine besondere Beziehung. Zum 100. Geburtstag der Regisseurin und dann in den Nachrufen konnte man die Spuren, Nachwirkungen und mitunter auch Fortschreibungen einer über Jahrzehnte geführten Auseinandersetzung feststellen, aber auch das seltsame Phänomen beobachten, dass die politischen Einwände gegen ihre Filme - von „Sieg des Glaubens“ bis „Tiefland“ - deutlich geringer geworden waren. Tatsächlich ist die Rezeption Riefenstahls in der deutschen Öffentlichkeit ein aufschlussreiches Phänomen, denn in ihr sind Konjunkturen und Wendungen zu beobachten, die ebenso viel über allgemeinere Entwicklungen im Verhältnis zur deutschen Geschichte verraten wie über den speziellen „Fall“ Riefenstahl. Dass sich eine Website die Aufgabe stellt, „mit einem Überblick über die Rezeptionsgeschichte von Leni Riefenstahl eine Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit einer der umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts zu geben“, ist daher eine vom Ansatz her verdienstvolle Entscheidung. Allerdings hat es mit dieser Website dann auch eine besondere Bewandtnis - sie ist ein Beleg dafür, dass das Internet nicht selten Relikte und Datenfriedhöfe enthält.
Joachim Radkau, von 1980 bis 2009 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld, zählt zu den Begründern der Umweltgeschichte in Deutschland und ist heute weit über die Landesgrenzen hinaus einer ihrer wichtigsten Vertreter. Bevor er sich im Laufe der 1970er-Jahre mehr und mehr der Umwelt- und Technikgeschichte zuwandte, schrieb er eine von Fritz Fischer betreute Dissertation über deutschsprachige Emigranten in den USA zur Regierungszeit Roosevelts. Seine Habilitationsschrift „Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft“ (1981, Publikation 1983) ist bis heute ein Standardwerk der deutschen Nukleargeschichte. Radkau arbeitete zu einer Vielzahl von Themen der Neueren Geschichte und Zeitgeschichte, unter anderem zum „Zeitalter der Nervosität“, zur Geschichte der Forstwirtschaft und des Naturschutzes. Im Jahr 2000 erschien seine viel beachtete „Weltgeschichte der Umwelt“, die bereits in mehrere Sprachen übersetzt wurde. 2005 folgte eine Biographie Max Webers. Die jüngste Monographie, „Die Ära der Ökologie“, wird gerade zur Übersetzung ins Englische vorbereitet. Im Interview, das Melanie Arndt am 2. November 2011 in der Humboldt-Universität zu Berlin führte, spricht Joachim Radkau über seinen persönlichen Weg zur Umweltgeschichte sowie über Stand und Perspektiven der umwelthistorischen Forschung.
Im Sommer 2016 jährt sich der Marsch von 20.000 südafrikanischen Frauen nach Pretoria zum 60. Mal. Am 9. August 1956 besetzten sie das Amphitheater der Union Buildings, des Amtssitzes der Regierung, aus Protest gegen die Ausweitung der diskriminierenden Passgesetze auf nicht-weiße Frauen. Diese Demonstration, organisiert von der Federation of South African Women, war ein Triumph der Opposition. Nur vier Jahre nach dem Marsch der Frauen änderte sich die Lage drastisch – mit dem Massaker von Sharpeville und seinen Folgen. Nach dem Verbot von African National Congress (ANC) und Pan Africanist Congress (PAC) sowie der Verurteilung der Führung von Umkhonto we Sizwe, des militärischen Arms von ANC und Südafrikanischer Kommunistischer Partei (SACP), folgte eine Dekade polizeilich erzwungenen Schweigens. In den 1970er-Jahren nahmen die Proteste gegen die Apartheid weltweit zu, und mit dem Aufstand von Soweto 1976 wurde die »Verwundbarkeit« des Apartheid-Systems sichtbar. Das Interesse der Weltöffentlichkeit sollte nicht nur durch Informationen von »außen« befriedigt werden, sondern verlangte nach möglichst glaubwürdigem Material von »innen«, aus Südafrika selbst. Dieses lieferten in der Bundesrepublik besonders die Anti-Apartheid-Bewegung und die Informationsstelle Südliches Afrika (issa).
Viele amerikanische Präsidenten haben ihre Amtszeit unter ein prägnantes Motto gesetzt. John F. Kennedys Leitmotiv, die „New Frontier“, hat sich tief in das amerikanische Gedächtnis eingegraben. Es wurde zum Schlüsselbegriff für die Ziele seiner nur rund 1.000 Tage währenden Präsidentschaft; für jene Zeit, die in den Augen vieler Zeitgenossen das Ende der langen Nachkriegsjahre verkörperte. Mit jugendlichem Elan und Charisma sowie einem informell-charmanten, medienwirksamen Politikstil stand „JFK“ für ein neues Amerika. Bei der „New Frontier“ ging es somit weniger um neue Grenzen als um das grenzenlos Neue im Rahmen einer imperialen Präsidentschaft.
Am 17. November 1922 erschien in der Wiener Tageszeitung „Neue Freie Presse“ ein „Vorschlag“, den man schon zwei Tage davor in der „Vossischen Zeitung“ hatte lesen können. Der Artikel stammte von Richard Coudenhove-Kalergi und bot eine pointierte Zusammenfassung seines wenig später erscheinenden Bandes „Pan-Europa“. Das Ziel des Autors: Europa solle sich zu einer politischen Einheit zusammenschließen.
Das Tagebuch des bulgarischen Kommunisten und Komintern-Vorsitzenden Georgi Dimitrov (1882-1949) gehört zu den erst in jüngerer Zeit zugänglich gewordenen Quellen, die Stalin jenseits historisch tradierter Klischees und der zumeist spekulativen Persönlichkeitsskizzen der älteren westlichen Literatur als einen Menschen mit konkret benennbaren Charakterzügen zeigen und darüber hinaus ein anschauliches Bild der Umgangs- und Kommunikationsformen in seinem Umfeld vermitteln. Bis 1991 im Archiv der Kommunistischen Partei Bulgariens aufbewahrt und unter Verschluss gehalten, zählt Dimitrovs Tagebuch, das die Jahre 1933 bis 1949 umspannt, zu den vielen archivalischen und sonstigen Quellen, die nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Ost- und Südosteuropa von der Geschichtswissenschaft erschlossen und zum Teil durch Editionen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden. Das internationale Interesse an Dimitrovs Aufzeichnungen war so groß, dass die bulgarische Ausgabe (1997) wahlweise ganz oder in Auszügen ins Deutsche, Französische, Englische und Italienische übersetzt wurde.
My Road to Berlin, or Mein Weg nach Berlin, presents a Willy Brandt that confounds a present-day reader’s expectations. While the 1960 autobiography of the then-mayor of West Berlin links his career with the familiar story of democracy’s development in Germany, this work nevertheless retains an unexpected edge. In one surprising scene, the mayor denounces his East Berlin SED counterparts as a ›Communist foreign legion‹ whom ›the citizens of my city had decisively defeated‹ during the Second Berlin Crisis of 1958 (p. 17). In the book, Brandt comes off as a Cold Warrior of steely determination rather than a Brückenbauer bridging ideological divides. Far from being out of character, however, My Road to Berlin captures Brandt at a pivotal moment in his career, when he sought to offer himself to both West German voters and a global public as a viable alternative to Konrad Adenauer.
Der Axel-Springer-Verlag gilt als ein transatlantisch orientiertes Unternehmen, was seit 2001 sogar in den Unternehmensgrundsätzen verankert ist. Dies war jedoch nicht immer so. Der Beitrag beleuchtet anhand von Medienquellen sowie deutschen und amerikanischen Archivalien eine in der Forschung bisher kaum beachtete Skepsis des Verlegers und seiner Zeitungen gegenüber den USA. Springer schreckte in den 1950er- und 1960er-Jahren vor mitunter scharfer Amerikakritik nicht zurück; er wurde von der amerikanischen Administration intern als Gegner der USA eingestuft. Erst durch die Auseinandersetzung mit der „68er“-Bewegung und der Neuen Ostpolitik gewannen Verleger und Verlag ihr bis heute charakteristisches Profil. Von nun an wurde jede antiamerikanische Tendenz deutlich kritisiert und eine „Kontinuität unseres Kurses“ konstruiert (so Springer 1973). Diese Entwicklung steht paradigmatisch für die Geschichte des deutschen Konservatismus, der im Verhältnis zu den USA eine historische Kehrtwende zum Atlantizismus vollzog.
In den Meisternarrativen der deutschen Zeitgeschichte spielt die Jugend als Vorhut kultureller und politischer Entwicklungen eine bedeutende Rolle. Neuere Gesamtdarstellungen des 20. Jahrhunderts differenzieren jugendliche Subkulturen, Konsumgewohnheiten, Bildungswege und politische Lager ausführlich. Die historische Entwicklung wird in diesen Erzählungen vorangetrieben durch die rechtsnationalen und antisemitischen Studenten der Weimarer Zeit, die jungen Funktionäre und Soldaten des Nationalsozialismus, die sich dem Westen zuwendenden jungen »Fünfundvierziger«-Eliten der 1950er- und 1960er-Jahre sowie schließlich die revoltierenden Jugendlichen von »1968«. Oft sind solche Narrative mit einem Generationenmodell verknüpft, das in Anlehnung an Karl Mannheim die Jugend als formative Phase und treibende Kraft historischer Veränderung versteht und diese vorwiegend als männlich und intellektuell definiert. Historiker/innen definieren damit Jüngere als den geschichtlichen Akteur »Jugend« und investieren stark in die Binnendifferenzierung dieser Gruppe.