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This paper conceptualizes the history of the future in the twentieth century. The present future is always multi-faceted: produced by diverse actors, it concerns different aspects of the world, and is articulated in many ways. We suggest a divergence from the Koselleckian notion of a unified horizon of expectation. Rather than concentrating on the contents of visions of the future, we focus on the processes by which the future is generated. Distinguishing between futures of expectation, creation, risk, and conservation, we offer both a systematic account and a heuristic to analyze the pluralization of the future in the twentieth century.
Zeitgeschichte neurodivers? Standpunktepistemologie und (geschichts-)wissenschaftliche Kommunikation
(2022)
In der akademischen wie der breiteren Öffentlichkeit ist der Begriff der Diversität gegenwärtig nahezu universal anschlussfähig. Der Gründungsdirektor des Göttinger Max-Planck-Instituts zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften Steven Vertovec stimmt gar Loretta Lees zu, die schon 2003 bemerkte, mit Diversität verhalte es sich wie mit Mutterschaft oder Apfelkuchen: Man könne nur mit größeren Schwierigkeiten dagegen sein. In den letzten dreißig Jahren ist Diversität zunächst in den USA und dann auch in Westeuropa sowohl als sozialwissenschaftliche Analysekategorie wie auch als gesellschaftliche Selbstbeschreibung und zur Aushandlung von Teilhabeansprüchen immer bedeutsamer geworden. Diversität ist das normative Leitbild staatlicher und internationaler Antidiskriminierungsprogramme, die, wie etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006 in der Bundesrepublik, »Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität […] verhindern oder […] beseitigen« sollen (§ 1). Das öffentliche Bekenntnis zu Diversität ist inzwischen eine Selbstverständlichkeit in Unternehmen und Organisationen, die oft Strategien des Diversitätsmanagements entwickeln. Der Ursprung dieser gesellschaftlichen Diversitätsbejahung liegt in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 1960er-Jahre, der zweiten Frauenbewegung, aber auch der Gay-, Lesbian- und Transgender-Bewegung sowie der Behindertenrechtsbewegung, die vor allem seit den 1970er-Jahren in den USA und in Westeuropa für die Anerkennung ihrer marginalisierten und diskriminierten Subjektpositionen stritten.
In seiner Geschichte der jüngsten Vergangenheit Amerikas, die 2011 unter dem Titel »Age of Fracture« erschien, begreift der Historiker Daniel T. Rodgers die wirtschaftlichen Veränderungen, die sich seit den 1970er-Jahren vollzogen, in ideengeschichtlicher Perspektive als »Wiederentdeckung des Marktes«. Paradoxerweise sei die Idee und Rhetorik des Marktes, als eines abstrakten und dekontextualisierten Prinzips, das auf eine Vielzahl menschlicher Lebensbereiche angewendet werden könne, gerade zu dem Zeitpunkt populär geworden, als allenthalben Marktversagen zu beobachten gewesen sei.[1] Die entscheidende Veränderung der letzten Jahrzehnte, die sich im Bereich der akademischen Wirtschaftswissenschaften vollzogen habe, fasst Rodgers als »an effort to turn away from macroeconomics’ aggregate categories and try to rethink economics altogether from microeconomic principles outward«.[2] Mit der Erklärung makroökonomischer Phänomene auf der Basis mikroökonomischen Verhaltens sei zugleich versucht worden, immer weitere Gesellschaftsbereiche über die Prinzipien individueller Nutzenmaximierung zu erklären.
Zeit ist eine der grundlegendsten Kategorien der Geschichtswissenschaft. Rüdiger Graf widmet sich dem Begriff und Phänomen der Zeit zunächst anhand von neueren Theorien über die Zeit in unterschiedlichen Wissensfeldern. Ausgehend von sprachanalytischen Überlegungen hält er fest, dass die Geschichtswissenschaft sich stärker als bisher mit dem Zusammenhang von vergangenen Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukunftsvorstellungen beschäftigen sollte. Die zentrale Aufgabe einer Zeitgeschichte als einer Geschichte unserer Zeit besteht für ihn darin, zentrale Deutungen der Zeit nicht einfach zu reproduzieren, sondern sie vielmehr zu historisieren und zugleich als Faktoren in und für den Wandel der Zeit miteinzubeziehen.
While Crises are omnipresent in history and historiography, the meaning of the concept of „Crisis“ is becoming more elusive than ever. The new article by Rüdiger Graf and Konrad H. Jarausch scrutinizes how historians use the concept with respect to contemporary history, the twentieth century, and modernity in general. After briefly sketching the conceptual history of "crisis," the article addresses the questions of how the concept structures historiographical narratives, what types of crises historians distinguish, and, considering its vagueness, suggestive power, and political instrumentalization, if we should retain the concept or refrain from using it.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)Zeit ist die grundlegendste Kategorie der Geschichtswissenschaft. Historikerinnen und Historiker untersuchen, so könnte man in erster Annäherung formulieren, Wandel in der Zeit; ohne Zeit bzw. eine bestimmte Konzeption von Zeit gäbe es keine Vorstellung von Geschichte und damit auch keine wissenschaftlichen Versuche, sie zu erfassen. Auch wer behauptet, nicht Wandel, sondern Zustände zu untersuchen, interessiert sich für diese als Bedingungen für Wandlungsprozesse.
After a brief conceptual history of "energy," Rüdiger Graf shows how energy history emerged as a transdisciplinary scholarly project and outlines its main themes, questions, and narratives. He introduces the various energy histories and analyzes how they address energy production, the economic and political dimensions of energy, and the social and cultural history of energy consumption. He concludes by asking whether energy history is a subfield of historiography or whether it can rightly be considered an indispensable historiographical category that must be considered in any historiographical study.
Die Frage, wie menschliches Verhalten beeinflusst werden kann, ist in der jüngsten Zeitgeschichte virulenter geworden. Auf der Basis verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse versprechen Expert:innen, Menschen durch subtile Interventionen glücklicher, gesünder und wohlhabender zu machen. Zugleich haben die Digitalisierung und Datafizierung unserer Welt Ängste vor einer umfassenden Verhaltensmanipulation und -kontrolle verschärft. Das Buch zeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, Menschen nicht als handelnde Subjekte, sondern als sich verhaltende Organismen zu begreifen. Es untersucht, wie seit der Behavioral Revolution in der Mitte des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Wissensfeldern, von den Wirtschafts- über die Psychowissenschaften bis zur Kriminologie, ein spezifisches Verhaltenswissen entwickelt wurde. Davon ausgehend analysiert es dessen Bedeutung für den Wandel politischer Steuerungstechniken vor allem in Bezug auf das Umwelt-, Gesundheits- und Finanzverhalten seit den 1970er Jahren.