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Wer im Berliner Humboldt Forum nach der »Zukunft der Benin-Bronzen« sucht, stößt auf eine Galerie sprechender Köpfe. Der gleichnamige Saal im Ostflügel des Gebäudes präsentiert als sein zentrales Ausstellungsobjekt eine Reihe von zehn hochkant gestellten, in Augenhöhe angebrachten Monitoren, auf denen neben Hermann Parzinger als Repräsentant der Institution auch ein Vertreter des Königshauses von Benin sowie Kurator:innen und Wissenschaftler:innen aus Deutschland und Nigeria in wohlabgewogenen Statements ihre Sicht auf die Zukunft der umstrittenen Sammlungsobjekte schildern. Immer, wenn eine Person das Wort ergreift, wenden sich die anderen ihr aufmerksam zu.
After World War II, many historians in the German-speaking world thought of the relationship between anthropology and history as being largely synonymous with that of ›everyday life‹ (Alltag) and ›structure‹. As Jürgen Kocka (b. 1941) wrote in a retrospective statement to the Zurich historian Rudolf Braun (1930–2012), one of the few prominent figures of ›ethnographic‹ social history especially in the 1970s and 1980s: ›For while we, a younger generation of social historians, have turned to the large structures and processes that conditioned, encompassed and shaped people’s lives, Braun has always supported us, but he insisted – in an untimely but fruitful way – on not missing the people’s »inside«: the experiences and habits, the hopes and disappointments, the everyday life and mentalities of common people in the age of industrialization.‹
Crowdfunding trat um 2010 als neue Praxis in Erscheinung. Unsere Fallstudie zum Schweizer Crowdfunding-Anbieter wemakeit verwendet die Plattform als Seismograph, um mediale, politisch-ökonomische, semantische, rechtliche, kulturelle und in einem weiteren Sinne gesellschaftliche Verschiebungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts zeithistorisch und empirisch-kulturwissenschaftlich zu diskutieren. Methodisch verbindet der Beitrag Quellenarbeit und halbnarrative Interviews unter anderem mit den Gründer:innen von wemakeit. Crowdfunding als soziokulturelle Praxis, die auf einer technischen Infrastruktur basiert, wird im Hinblick auf die mitkonstituierende Wissensproduktion kontextualisiert sowie an konkrete Akteur:innen, ihre Biographien und den lokalen Entstehungszusammenhang geknüpft. Zugleich aber sind es, so die These, gegenstandsbestimmende Grenzziehungen (semantisch, juristisch, politisch), welche die Spezifik von Crowdfunding-Plattformen prägen. Abschließend werden die Ergebnisse vor dem Hintergrund historischer Entwicklungen einer zunehmenden Vermarktlichung von Kultur eingeordnet.
Der Nachlass des deutschen Kunstethnologen und Sammlers Hans Himmelheber (1908–2003) kam aus dem Privatbesitz seiner Familie an das Museum Rietberg Zürich. Ein Forschungsprojekt in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Universität Zürich begleitete die Archivwerdung von Himmelhebers Dokumenten, Filmen, Fotos und Objekten vor allem aus der heutigen Côte d’Ivoire und der Demokratischen Republik Kongo. Die darin reflektierte Wissensproduktion zur Kunst Afrikas wurde multiperspektivisch und translokal untersucht, etwa mit Restudies. Weil Himmelhebers Theorien am Beginn eines Paradigmenwechsels hinsichtlich der materiellen Kultur Afrikas standen, weg von einer als anonym wahrgenommenen »tribalen« Handwerkskunst hin zur individuellen Künstlerpersönlichkeit, spielten auch zeitgenössische und heutige künstlerische Positionen eine wichtige Rolle im Projekt. Das Archiv wurde zum Feld, das es in unterschiedlicher Weise zu erkunden galt. Unsere Reisen in dieses »Feld« sind nun wiederum Bestandteile des von den Nachkommen übergebenen und durch die Bearbeitung (auch digital) neu geschaffenen Archivs Himmelheber.
Es war eine Sensation: Der »King of Rock ’n’ Roll« sang auf Deutsch! Gegen Mitte des Kinofilms »Café Europa« (1960; amerikanischer Originaltitel: »G.I. Blues«) stimmte Elvis Presley (1935–1977) plötzlich das bekannte Volkslied »Muß i denn…« an. Er trat in der Rolle des in Westdeutschland stationierten US-Soldaten Tulsa McLean auf – im Duett mit einer Kasperle-Figur und begleitet lediglich von einem Akkordeonspieler. Besonders die deutschen Fans waren verzückt: In den Kinosälen der Bundesrepublik wurde eifrig mitgeklatscht und mitgesungen; auch die – ursprünglich für den deutschen Markt gar nicht als Single-Auskopplung vorgesehene – Schallplatte verkaufte sich innerhalb weniger Wochen über 400.000 Mal und erreichte mit Platz 2 die bis dato beste Chart-Position des Sängers in Westdeutschland. Doch nicht alle freuten sich über den Marketing-Stunt: Die West-Berliner Radiosender SFB und RIAS verbannten den Song aus ihren Programmen, ebenso wie der Bayerische Rundfunk. Während die Berliner Sender die Aufnahme lediglich als »bewußte Verschnulzung deutscher Volkslieder« kritisierten, sah der »Tanzmusik-Chef« des Bayerischen Rundfunks in dem »bescheiden verhotteten, also rhythmisch aufgemöbelten Volkslied« (so der »Spiegel«) gar eine Motivation, deutsches Liedgut künftig wieder »ernsthaft« zu pflegen: »Wir lassen uns das nicht vom Ausland oktroyieren.«
1964: Der Mann – Anzug, akkurate Scheitelfrisur, Hornbrille, um die 30 Jahre – raucht. Die vorangegangenen zweieinhalb Minuten haben ihn sichtlich aufgewühlt. Gerade hatte er über einen Republikanischen Präsidentschaftskandidaten gesprochen, der ihn durch unglaubwürdiges Auftreten, offenkundige Nähe zu politisch extremen Elementen und außenpolitische Verantwortungslosigkeit zutiefst beunruhige und erschrecke. Konsterniert hält er fest: In dieser Situation werde, ja müsse er den Gegenkandidaten der Demokraten unterstützen – nicht um die Partei, sondern um das Land zu schützen.
Dieser Aufsatz historisiert die identitätspolitischen Konflikte in den USA. Ausgehend von den 1970er-Jahren untersuchen wir die Bedeutung von behaupteten oder tatsächlichen Unterdrückungserfahrungen für reaktionär-hegemoniale und emanzipatorische Identitätspolitiken. Dabei widmen wir uns dem Sex als zentraler identitätsstiftender Kategorie und als Feld politischer Auseinandersetzungen. Diese Konflikte verfolgen wir anhand zweier Beispiele und ihrer Interaktion. Als Vertreterinnen der neuen christlichen Rechten propagierten Beverly LaHaye und die ›Concerned Women for America‹ (CWA) eine religiös-konservative Vorstellung von Sex. Sie bedienten sich dabei einer Unterdrückungserzählung, um ihre gesellschaftlich privilegierte Position durch hegemonial-reaktionäre Identitätspolitik zu festigen. Die Aktivist:innen der ›AIDS Coalition to Unleash Power‹ (ACT UP) kämpften im Kontext der Aids-Krise der 1980er-Jahre gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Teilhabe queerer Menschen. Ihr identitätspolitischer Aktivismus sollte Unterdrückungserfahrungen überwinden sowie die Anerkennung als gleichwertige Menschen erwirken.
This article examines the appropriation of the slogan ›Black is beautiful‹, which had its origins in the US Civil Rights movement, by the West German Christian Democrats in the 1970s – and thus by a party led by white men. The analysis brings into conversation histories that have mostly been treated separately: the political history of the Federal Republic and the Christian Democrats; the history of political chromatics and political communication; and the history of racism and anti-racism in Germany after 1945. While the focus is on a specific election campaign that ran from 1972 to 1976, the aim is to address larger issues: the first decade of the Christian Democrats in opposition at the federal level and their struggle to appear ›modern‹ in a period of rapid change; and constructions of race in a society that had banned the word ›Rasse‹ from its political vocabulary. One conclusion is that the ›Black is beautiful‹ campaign was in many ways a typical product of the Federal Republic in the 1970s. The ways in which the Christian Democrats dealt – or did not deal – with ›race‹ in this instance reflects a general reluctance among West Germans to acknowledge the more subtle forms that racism has taken since 1945, other than state-sanctioned discrimination.
Populäre Wissenschaft. Das »Fischer Lexikon A-Z« im Taschenbuchmarkt der frühen Bundesrepublik
(2024)
Der Beitrag untersucht die Popularisierung von wissenschaftlichem Wissen durch die noch junge Publikationsform Taschenbuch in der frühen Bundesrepublik. Am Beispiel des 40-bändigen »Fischer Lexikons A-Z«, das der S. Fischer Verlag ab 1957 auf den Markt brachte, wird gezeigt, wie es einem zuvor auf literarische Werke konzentrierten Publikumsverlag gelang, in bis dahin nicht gekannten Auflagenhöhen und durch ubiquitäre Vertriebswege einem breiten Publikum wissenschaftliche Erkenntnisse nahezubringen. Im Unterschied zu den populärwissenschaftlichen Büchern oder Broschüren des 19. Jahrhunderts kam das »Fischer Lexikon« ohne übermäßig starke Komplexitätsreduktion aus und wurde dennoch ein großer verlegerischer Erfolg – besonders dank der Bildungsexpansion der 1960er- und 1970er-Jahre. Allein bis 1969 betrug die Gesamtzahl der gedruckten Bände der Lexikon-Reihe etwa 5,4 Millionen Exemplare. Die verlegerischen Strategien werden ebenso erläutert wie die Reflexion der im Wissenschaftsbetrieb anfangs ungewohnten Publikationsform Taschenbuch durch die Autoren und Herausgeber.
Sprachkritik und Autobiographie. Über Victor Klemperers »LTI. Notizbuch eines Philologen« (1947)
(2024)
Victor Klemperers Schrift »LTI. Notizbuch eines Philologen« wurde bereits in der Erstauflage zu 10.000 Exemplaren gedruckt, aber sie wurde nicht gleich zu dem Erfolg, den sich ihr Autor erhofft hatte. An Silvester 1947, nachdem ihm der Verlag das Geschenk eines eigens für ihn gebundenen Exemplars des ansonsten kartonierten Werks zugeschickt hatte, notierte er bedrückt in sein Tagebuch: »In diesem schönen Band […] tritt die Jämmerlichkeit des Papiers u. des Druckes noch krasser hervor. Im übrigen ist es ganz still von der LTI. Wo sind die 10.000 Exemplare? In keiner Buchhandlung, in keiner Redaktion. Keine Zeitung hat davon Notiz genommen.« Heute ist diese früh geäußerte Enttäuschung zu einer Fußnote geworden, denn das Buch gehört längst zu den Klassikern der Sprachkritik, liegt in sechsstelliger Auflagenhöhe und in vielen Übersetzungen vor. Das Nachdenken über die linguistische Korruption der modernen öffentlich-politischen Rede wurde durch wenige Werke so sehr angeregt wie durch dieses. LTI wurde dabei einerseits als »bedeutendes zeithistorisches Dokument« für die Ära des »Dritten Reiches« betrachtet, andererseits als »Wissensspeicher« für die Analyse der Funktionsweise einer Diktatur im Allgemeinen interpretiert. Beide Lesarten finden im Buch ihre Belege. Der ironische Latinismus »LTI« (für »Lingua Tertii Imperii«, »Sprache des Dritten Reiches«) war Kommentar und Deckkürzel zugleich; er persiflierte die nazistische Sucht nach Abkürzungen; und er war auch die »Geheimformel« (S. 20) in Klemperers Tagebuch der Jahre 1933–1945, mit der er seine Sprachbeobachtungen markierte. Ob nun mit dem Akzent auf die Zeugenschaft des Autors oder mit dem Blick auf die analytischen Angebote des Buches: Es ist in keiner dieser Perspektiven eine vergessene Schrift, sondern ein kanonisch gewordenes Werk, das im doppelten Wortsinne Geschichte geschrieben hat.