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Im Jahr 2006 eröffnet, bietet das DDR-Geschichtsmuseum im Dokumentationszentrum in der brandenburgischen Kleinstadt Perleberg eine Fülle an Anschauungsmaterial aus und über das Leben in der DDR. Das Pfarrerehepaar Gisela und Hans-Peter Freimark begann bereits in den 1980er-Jahren damit, Objekte zu sammeln, die das politische System aber auch den Alltag der DDR dokumentieren sollen. Insbesondere das oppositionelle Engagement der Freimarks, die sich als Pfarrer und Gemeindehelferin in der DDR entschieden für Frieden und Abrüstung einsetzten und sich somit der SED widersetzten, ist mit zahlreichen Fotos und Gegenständen in der Ausstellung dargestellt.
Vier Studierende der Public History der Freien Universität Berlin und ein zweiköpfiges Filmteam der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe digitalisierten und bewahrten in einem Dokumentations- und Interviewprojekt das Wissen über die Ausstellung des DDR-Geschichtsmuseums in Perleberg.
Insbesondere die Biografie des Pfarrerehepaars Hans-Peter und Gisela Freimark, die die Ausstellung initiierten und bis heute leiten, stand im Mittelpunkt dieses Projektes. Die Projektgruppe wurde von Irmgard Zündorf vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung unterstützt. Gefördert wurde das Projekt durch die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur. Im Verlauf der Monate März und April 2020 fanden die Interview- und Dreharbeiten in Perleberg statt. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer digitalisierten Führung durch das Museum. Teil II des Projektes befindet sich derzeit in der Realisierung.
Wie verarbeiten Menschen die neuen Anforderungen der Arbeitswelt? Wie gehen sie mit ständiger Verfügbarkeit, wechselnden Arbeitsorten oder plötzlichen Entlassungen um? Der Soziologe Richard Sennett (geb. 1943) war 1998 dem »Zauberwort des globalen Kapitalismus« (Klappentext) auf der Spur: der »Flexibilität«. Sein Hauptinteresse galt dem Wandel der Arbeit in den USA und den Konsequenzen für die arbeitenden Menschen. Das Repertoire der Politökonomie-Analyse marxistischer Provenienz machte er sich dabei bewusst nicht zu eigen. »Der Fehler des alten Marxismus« sei es gewesen, dass in ihm »keine Menschen vorkamen, sondern lediglich Kategorien«. Die Vertreter:innen dieses Marxismus hätten sich nicht darauf eingelassen, die »Verwirrungen gelebter Erfahrungen zu betrachten«. Solche Erfahrungsbrüche stehen im Mittelpunkt von Sennetts zeitdiagnostischem Essay »The Corrosion of Character«. Der Berlin-Verlag gab der deutschen Ausgabe den griffigen Titel »Der flexible Mensch«. Das Buch wurde international zum »Longseller«, und Sennett erhielt in Deutschland diverse hochdotierte Preise. Laudator:innen und Kommentator:innen aus verschiedenen politischen Richtungen waren sich einig: Sennett habe eine wichtige und eingängige Gegenwartsdiagnose vorgelegt.
Wolfsburg wurde, mehr noch als andere Städte, von Zuwanderung geprägt. Insbesondere „Gastarbeiter“ aus Italien und ihre nachgezogenen Familien machten seit den 1960er Jahren einen großen Anteil der Bevölkerung und insbesondere der Belegschaft des Volkswagenwerks aus. Sie prägten die Stadt auch als Gründer:innen zivilgesellschaftlicher Initiativen, als Unternehmer:innen oder Angestellte der Kommune. In den letzten Jahren fand diese Facette Wolfsburgs zunehmend auch Niederschlag in der stadtgeschichtlichen Forschung sowie der lokalen Erinnerungspolitik.
In diesem Kontext wurde der 60. Jahrestag der Ankunft italienischer Arbeiter in Wolfsburg im Jahr 2022 mit der Ausstellung „Percorsi di vita. Lebenswege nach Wolfsburg“ gewürdigt, die von der Stadt Wolfsburg und der dortigen italienischen Konsularagentur gefördert wurde. Hierzu erschien eine gleichnamige, reich bebilderte Begleitpublikation. Kern des Bandes sind zwölf kurze Graphic Novels, die von den Künstler:innen Hannah Brinkmann, Magdalena Kaszuba, Birgit Weyhe, Lukas Jüliger, Joachim „Ali“ Altschaffel und Jeff Chi gestaltet wurden.
In der Arbeitswelt der DDR bestanden markante soziale Ungleichheiten, die sich mit der Vereinigung verschärften.
Die Gesellschaft der DDR war stark über die Arbeit im Betrieb organisiert, die wesentlich zur »Vergesellschaftung« beitrug. Da Betriebe das soziale und materielle Leben organisierten, prägten sie auch soziale Ungleichheit, obwohl sich die DDR als egalitäre Gesellschaft verstand. Jessica Lindner-Elsner untersucht am Beispiel des VEB Automobilwerk Eisenach, das den Wartburg baute, wie sich Arbeitsbedingungen und soziale Ungleichheit wandelten. Dies zeigt sie für die Kernbelegschaften und vulnerable Arbeiter:innen wie etwa Strafgefangene, Menschen mit Behinderungen und Ausländer. Sie waren gegenüber Mitarbeiter:innen in Normalarbeitsverhältnissen benachteiligt. Deutlich wird zudem die Ungleichbehandlungen von Frauen, die aufgrund fortbestehender Rollenverteilungen weniger flexibel auf Arbeitsanforderungen regieren konnten.
Die Autorin fragt, wie solche Benachteiligungen im planwirtschaftlichen System entstanden. Ebenso zeigt sie, wie sich die Muster sozialer Ungleichheit im Übergang zur Marktwirtschaft veränderten, als das Automobilwerk durch die Treuhandanstalt abgewickelt wurde und mit Opel in Eisenach ein neuer Hersteller übernahm.
Die »Wende« als Form der Kolonisierung? Zur Genese und Aktualität eines populären Deutungsschemas
(2023)
Bei der Lektüre des 2023 erschienenen Bestsellers »Der Osten: eine westdeutsche Erfindung« von Dirk Oschmann sowie beim Nachvollzug der bisweilen heftigen Diskussionen, die dieses Buch ausgelöst hat, bekommt man unweigerlich das Gefühl, einer Orientalismus-Debatte 2.0 beizuwohnen. Zur Erinnerung: Edward Saids 1978 publiziertes Buch »Orientalism«, in dem ausgehend von primär wissenschaftlicher Wissensproduktion die koloniale Zurichtung und Erfindung des Orients beschrieben und kritisiert wird, gilt gemeinhin als einer der Gründungstexte postkolonialer Kritik. Tatsächlich lesen sich die Ausführungen des Leipziger Literaturwissenschaftlers Oschmann stellenweise so, als ob Ostdeutschland und die Ostdeutschen einem westdeutschen Zugriff quasi hilflos ausgeliefert wären. Gerade diese Zuspitzung wurde von einigen Kommentator*innen kritisiert, ähnlich wie bei der Orientalismus-Debatte im Anschluss an Said. Überhaupt fällt auf, dass Oschmann, wenngleich er sich nicht systematisch mit postkolonialer Theorie auseinandersetzt, so etwas wie eine postkoloniale Rhetorik in Anschlag bringt. Zum Beispiel heißt es an einer Stelle, »dass die Art und Weise, was und wie über ›den Osten‹ öffentlich geredet, geschrieben und gesendet wird, in Form von konstant negativen Identitätszuschreibungen und Essentialisierungen, komplett vom ›Westen‹ beherrscht und durchherrscht ist«. Zudem fällt auf, dass zwar auch der Kolonisierungsbegriff nicht systematisch zum Einsatz kommt, gleichwohl aber der Kolonialismus als historische Referenz erwähnt wird: »Dem Osten […] ›Demokratiefeindlichkeit‹ vorzuwerfen, ist nicht nur zynisch, sondern folgt obendrein einem seit Jahrhunderten eingeführten Herrschafts- und Diskursmuster, mit dem der westliche Kolonialismus verschiedener Couleur seine Hegemonie zu begründen sucht.« Ostdeutschland also als westdeutsche Kolonie? Und postkoloniale Kritik als Analyse-Tool für postsozialistische Dynamiken?
Wahrnehmungen, Gebrauchsweisen und sozioökonomische Folgen der Computernutzung bis zum Aufkommen des PCs.
Die Verbreitung des Computers zählt zu den wichtigsten Veränderungen der jüngeren Zeitgeschichte. Bereits seit Mitte der 1950er Jahre setzten zunächst große Unternehmen und Behörden, dann auch das Militär und Sicherheitsdienste zunehmend Computer ein. Die Zeitgenossen diskutierten intensiv die Auswirkungen der Computernutzung und bewerteten sie als einen tiefgreifenden Umbruch. Dennoch hat sich die Zeitgeschichtsforschung bislang kaum mit dem Beginn des digitalen Zeitalters beschäftigt.
Die Autorinnen und Autoren dieses Bandes untersuchen die Verbindungen zwischen technischem und gesellschaftlichem Wandel als einen evolutionären Prozess, der selten gradlinig verlief. Klassische Themen der Zeitgeschichtsforschung, wie die Geschichte der Inneren Sicherheit, des Wohlfahrtsstaats und des Bankenwesens, der Arbeitswelt, der Verwaltung, aber auch von Protest- und Subkulturen werden auf diese Weise neu betrachtet. Dabei wird aufgezeigt, inwieweit Computer die Kontroll-, Betriebs- und Machtgefüge veränderten. Die Bundesrepublik steht im Vordergrund, jedoch mit vielfältigen Seitenblicken auf grenzübergreifende Verflechtungen.
Da das Recht und damit auch der Strafvollzug dem Aufbau des Sozialismus dienten, ist anzunehmen, dass diese sozialistische Moral auch in den Gefängnissen vermittelt werden sollte. Wie wurde also in den DDR-Haftanstalten mit gleichgeschlechtlicher Sexualität und nicht-normativen Verkörperungen von Geschlecht umgegangen? Dieser Frage geht der Beitrag am Beispiel des Ost-Berliner Frauengefängnisses nach.