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"Befreiung" und/oder "Niederlage"? Zur Konfliktgeschichte des deutschen Gedenkens an Nationalsozialismus und Zweiten Weltkrieg

  • Wie Ernst Jandls Gedicht »markierung einer wende« grafisch und sprachlich zum Ausdruck bringt, war das europäische Ende des Zweiten Weltkrieges ein fundamentaler Einschnitt. Mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht – am 7. Mai in Reims, am 8./9. Mai in Berlin-Karlshorst – fand ein Krieg seinen symbolischen Schlussakt, der von ungeheurer Gewalt und Zerstörung geprägt gewesen war. Weit über 50 Millionen Menschen waren im Verlauf des deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieges umgekommen, darunter etwa 30 Millionen Zivilisten. Die zeitgenössischen Erfahrungen vom Mai 1945 waren sehr unterschiedlich; sie hingen wesentlich davon ab, welche Position die einzelnen Akteure bis zum Kriegsende innegehabt hatten. Die körperlichen, seelischen und politischen Reaktionen auf die neue Lage umfassten ein breites Spektrum: Entkräftung und Tod noch nach dem Ende der Kampfhandlungen, Angst vor Rache und Bestrafung, Erleichterung über den Sturz des NS-Regimes, Apathie und Orientierungslosigkeit, Bemühungen um eine neue Identität, Hoffnung auf einen Neubeginn, Interesse an Schuld- und Gewissensfragen, Furcht vor Internierung oder Vertreibung und vieles mehr. Eine nicht genau ermittelbare Zahl vormaliger NS-Funktionsträger entzog sich einer möglichen Verurteilung durch Selbstmord, und generell war es für alliierte Beobachter überraschend, dass plötzlich so gut wie keine bekennenden Nazis mehr auffindbar waren. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg fanden offen revanchistische Bestrebungen in Deutschland keinen Nährboden, da die militärische und zugleich die geistig-moralische Niederlage nun noch grundlegender war. Die überlebenden Verfolgten des NS-Regimes konnten sich darüber allerdings nur eingeschränkt freuen; wer mit dem Leben davongekommen war, hatte meist irreversible psychische oder physische Schäden erlitten.
Metadaten
Verfasserangaben:Jan-Holger KirschGND
DOI:https://doi.org/10.14765/zzf.dok.1.1084
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch):1945 - Der Krieg und seine Folgen. Kriegsende und Erinnerungspolitik in Deutschland
Verlag:Kettler
Verlagsort:Bönen
Herausgeber*in:Burkhard Asmuss, Kay Kufeke, Philipp Springer
Dokumentart:Beitrag zu einem Buch (Artikel oder Kapitel)
Sprache:Deutsch
Datum der Veröffentlichung (online):21.11.2017
Datum der Erstveröffentlichung:01.01.2005
Veröffentlichende Institution:Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) - Leibniz Centre for Contemporary History Potsdam (ZZF)
Datum der Freischaltung:22.11.2017
Erste Seite:60
Letzte Seite:71
DDC-Klassifikation:9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 940 Geschichte Europas
9 Geschichte und Geografie / 94 Geschichte Europas / 943 Geschichte Mitteleuropas; Deutschlands
ZZF-Regionalklassifikation:Europa / Westeuropa / Deutschland
ZZF-Themenklassifikation:Nationalsozialismus
Geschichtspolitik
Krieg
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Zäsuren
ZZF-Zeitklassifikation:1940er
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