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Anders als die Monographie und der Aufsatz, die Edition und die Enzyklopädie sowie (vor allem seit den 1970er-Jahren) der Sammelband hat das Interview zumindest in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft keine eigene Tradition als historiographische Form. Zwar sind Historiker in der Presse, im Radio und im Fernsehen auch in früheren Jahrzehnten schon als »Experten« befragt worden, doch wäre es den älteren Ordinarien wohl ganz abwegig erschienen, sich im Gespräch mit jüngeren Kolleginnen und Kollegen über Fachliches und Persönliches zu äußern und diese Gespräche dann zu publizieren. Erst seit Ende der 1990er-Jahre hat das Interview von und mit Historikerinnen und Historikern eine gewisse Popularität gewonnen. Damit ist hier weniger die Darstellung von (Geschichts-)Wissenschaft in der Öffentlichkeit gemeint, sondern das mit fachwissenschaftlichem Interesse geführte Interview.
»If you can’t beat ’em, join ’em«. Computerschach und der Wandel der Mensch-Maschinen-Verhältnisse
(2018)
Die traditionelle Revolutionshistoriographie hat für den deutschen Raum bisher in aller Regel lediglich die beiden Großmächte Preußen und Österreich sowie die deutschen Mittelstaaten, Bayern, Württemberg und vor allem das revolutionsbewegte Baden, seltener die hessischen Staaten, Sachsen oder das Königreich Hannover in den Blick genommen, nur ausnahmsweise die deutschen Klein- und Zwergstaaten. Diese Schieflage ist durch die im Jubiläumsjahr 1988 publizierten Forschungsergebnisse zwar ein wenig austariert worden. Aber auch wenn kleinere Fürstentümer jüngst ihre Revolutionshistoriker gefunden haben, so sind die vielschichtigen Beziehungen, das Spannungsverhältnis zwischen benachbarten Groß- und Mittelmächten einerseits sowie Klein- und Zwergstaaten andererseits für die Jahre 1848/49 bisher kaum untersucht worden.
Die Gesellschaftspolitik der KPD/SED richtete sich sofort nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes in direkter Abhängigkeit von den Zielen sowjetischer Deutschland- und Besatzungspolitik auf eine Entmachtung der alten Eliten in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Neben umfassenden Demontage-, Beschlagnahme- und Enteignungsmaßnahmen in der gewerblichen Wirtschaft, mit denen allen größeren Industrieunternehmern die Basis ihres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Einflusses entzogen wurde, gehörte eine radikale landwirtschaftliche Bodenreform zu den wohl wichtigsten Ansatzpunkten zur Beschleunigung der durch den Krieg selbst bereits eingeleiteten Umwälzung des gesellschaftlichen Gefüges.
Mehr als io Jahre lang haben durchschnittlich etwa einhundert namibische Kinder und ihre Betreuerinnen in dem kleinen mecklenburgischen Dorf Bellin gelebt. Geredet und geschrieben wurde über sie paradoxerweise erst im Zusammenhang mit ihrer Rückkehr nach Namibia im August 1990. Wer zufällig nach Bellin kam oder doch davon gehört hatte, stand vor einem alten Gutshaus, das bis Ende 1989 für ungebetene Besucher verschlossen blieb. In der DDR wußte so gut wie niemand etwas von der Existenz eines SWAPO-Kinderheimes. Abschottung einerseits, andererseits die in der DDR einmalige Situation, daß in einem Ort etwa 25 Prozent Ausländer lebten, die meisten von ihnen Kinder.
Der Aufsatz präsentiert die multimediale Geschichte des Romans, Hörspiels und Fernsehfilms »Am grünen Strand der Spree«, die zwischen 1955 und 1960 in Westdeutschland publiziert wurden. Darin schildern der Autor Hans Scholz bzw. die Regisseure Gert Westphal und Fritz Umgelter unter anderem die Massenerschießung von Juden in der sowjetischen Stadt Orscha im Herbst 1941. Der Romanautor beteuerte, die Beschreibung basiere auf seinen eigenen Kriegserinnerungen, und nahm für sich die Position eines Augenzeugen in Anspruch. Zugleich passte er das Bild des Verbrechens an die mutmaßlichen Erwartungen seiner Leser*innen an. Ähnlich agierten die Regisseure des Hörspiels und Fernsehfilms. Jede Version entfernte sich von den Ereignissen, die während des Ostfeldzugs tatsächlich stattfanden, und ähnelte zunehmend den Erzeugnissen der bundesdeutschen Erinnerungskultur, die Leid und Heldentum deutscher Soldaten in den Vordergrund stellte. Nichtsdestotrotz hielten die Rezipient*innen – darunter zahlreiche Kriegsveteranen – die Szene aus Orscha für besonders »authentisch«. Anhand von Aussagen in zeitgenössischen Besprechungen, Briefen und Interviews wird die Vorstellung von angeblich »authentischen Kriegsbildern« in der Bundesrepublik diskutiert.
Obgleich der Berliner Handwerkerverein erst 1850 verboten - und 1859 erneut ins Leben gerufen - wurde, beschränken sich die folgenden Ausführungen im wesentlichen auf die Zeit bis Anfang 1848: Mit der Berliner Märzrevolution brach eine neue Zeit an, während der der große Handwerkerverein an Bedeutung verlor. Die über den März 1848 hinausreichenden Wirkungen des Handwerkervereins, seine Bedeutung als Keimzelle der späteren Arbeiterbewegung, werden nur gestreift. In anderer Beziehung wird uns die in dem eingangs zitierten Satz von Born aufgeworfene Frage allerdings näher interessieren: Lange vor der Märzrevolution hatten Vertreter der Obrigkeit den gleichen Verdacht geäußert, bei dem Handwerkerverein handele es sich um einen “Heerd der Hegung und Verbreitung politisch gefährlicher Bestrebungen". Die Frage, warum der Verein von den Behörden dennoch nicht kurzerhand verboten wurde, bedarf der Klärung. In diesem Zusammenhang müssen ferner die Querverbindungen zu liberal- bürgerlichen Vereinen, die in der ersten Hälfte der vierziger Jahre ins Leben gerufen wurden, und zum Bund der Kommunisten wenigstens in groben Zügen nachgezeichnet werden. Schließlich ein terminologisches Problem: Eigentlich müßte man nicht von einem, sondern von vier Berliner Handwerkervereinen in der Zeit des Vormärz sprechen; denn neben dem 'großen' existierten in der preußischen Hauptstadt noch drei kleinere. Allein die Zahl der Mitglieder des ‘großen’ Handwerkervereins (nach seinem Gründer und langjährigen Vorsitzenden auch: Hedemannscher Handwerkerverein genannt) übertraf die der drei kleineren um das vier- bis achtfache. Um ihn geht es in erster Linie: Wenn im folgenden im Singular von 'Handwerkerverein’ die Rede ist, ist stets der große, Hedemannsche gemeint.
Als „Elite der Eliten“ sind die Hochschullehrer einmal bezeichnet worden - natürlich von einem Hochschullehrer - und wie so oft, wenn Professoren über den eigenen Beruf nachdenken, mischen sich auch in dieser prätentiösen Formulierung Selbstverständnis und Selbstbeschreibung. Die Geschichte der modernen Hochschullehrerschaft ist immer auch eine Geschichte ihrer Selbstinszenierung gewesen, in Deutschland wahrscheinlich mehr als anderswo, angefangen vom Humboldtschen Gründungsmythos bis zu immer neuen Reflexionen über die „Idee der Universität“. Normatives und Deskriptives sind da oft schwer zu trennen. Der Elitestatus der Hochschullehrer war und ist gewissermaßen doppelt begründet: Auf der einen Seite strukturell und funktional. Als Universitätslehrer vermittelten sie dem Nachwuchs der akademischen Berufe das fachliche Leistungswissen, als hervorragende Vertreter des Bildungsbürgertums hatten sie an der Definition und Weitergabe eines fachübergreifenden, die bürgerlichen Schichten integrierenden „Bildungswissens“ Anteil und als Angehörige der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft galten sie als Prototyp des innovativen Forschers. Sie repräsentierten den Typus einer meritokratischen Leistungselite - wenn auch ihr Charakter als sozial exklusive Herkunftselite und vom Amtsprestige getragene Positionselite noch lange Zeit die offene Leistungskonkurrenz verzerrten. Auf der anderen Seite gründete sich der Elitestatus der Professoren immer auch auf ihren Anspmch auf Kompetenzkompetenz, auf Definitionsautonomie über den eigenen Status. Diese Identitätskonstruktionen knüpften an ihre funktionale Stellung an, gingen aber über sie hinaus. Sie meldeten Ansprüche an, leisteten Sinnzuschreibungen, grenzten Zuständigkeitsräume ab. Ob man die Einheit der Wissenschaften oder disziplinäre Spezialisiemng betonte, welche Autonomieforderungen man an Staat und Gesellschaft richtete und welche eigenen Sinnstiftungsansprüche man umgekehrt gegenüber der Gesellschaft erhob, ob man Forschung, Lehre oder allgemeine Bildung ins Zentrum des Berufsverständnisses rückte, ob man sich als Bewohner des Elfenbeinturmes, als Bürger oder als homo politicus verstand - all dies war Gegenstand eines andauernden Selbstverständigungsdiskurses.