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Kein reflektierter Historiker wird die geschichtliche Wirklichkeit mit den Begriffen verwechseln, die sie beschreibbar machen. Denn Begriffe bleiben regelmäßig hinter dieser Wirklichkeit zurück und schießen ebenso regelmäßig über sie hinaus. Da wir uns aber nicht sprachlos in der Welt bewegen, gehören die Begriffe zugleich der Wirklichkeit an, die uns historisch interessiert. Sie sind Träger einer in diese Wirklichkeit verwobenen Bedeutungsdimension. Deshalb gibt es Begriffsgeschichte. Im Folgenden wird dafür plädiert, das 20. Jahrhundert zum Gegenstand einer systematischen begriffsgeschichtlichen Untersuchung zu machen, seine Ereignis- und Entwicklungsgeschichte also im Medium seiner Grundbegriffe und ihres semantischen Wandels zu reflektieren. Mit den hier vorgelegten Thesen möchte ich die theoretischen Umrisse einer solchen Geschichte der Grundbegriffe des 20. Jahrhunderts skizzieren und zugleich ihren Sinn und ihre Notwendigkeit begründen. Dabei gehe ich von drei wesentlichen Prämissen aus.
Popgeschichte
(2010)
Pop bzw. das Populäre hat in den vergangenen Jahren auch im akademischen Diskurs stark an Gewicht gewonnen. Während sich Disziplinen wie die Kultur-, Musik- und insbesondere die Literaturwissenschaften schon seit Jahrzehnten verstärkt um Theoriebildung auf diesem Feld bemühen, ist es innerhalb der Geschichtsschreibung bislang eher schwach konturiert. Dennoch kommt kaum ein Überblickswerk zur Nachkriegszeit mehr ohne die Kategorie Pop aus.
„Lach über alles und vergiss es.“ Dieses Motto stellte der Holländer Aart M. an den Beginn eines Fotoalbums, das seine bildlichen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und den Einsatz als Zwangsarbeiter in Berlin festhält. Es zeigt die Widersprüchlichkeit privater Fotoalben: Werden die Bilder aufbewahrt, um zu erinnern oder zu vergessen? Hilft ein solches Album dem Besitzer dabei, über die Erfahrungen der Zwangsarbeit zu lachen? Und wie kann die Geschichtswissenschaft die oft so ‚fröhlich‘ wirkenden Fotoalben als historische Quellen interpretieren?
Seit 2002 sammelt das von Justinian Jampol gegründete Wende-Museum in Los Angeles Artefakte und Dokumente aus dem Kalten Krieg. Der Schwerpunkt der nichtkommerziellen Sammlung, die mittlerweile über 100.000 Gegenstände enthält, liegt auf Objekten aus den Staaten des Warschauer Pakts, vor allem aus der DDR und der Sowjetunion, aber auch aus den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik. Zahlreiche Gegenstände geben Aufschluss über verschiedene Zivilschutzmaßnahmen, darunter drei vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) der DDR zusammengestellte Erste-Hilfe-Taschen.
Betrachtet man die Moderne als Projekt der Kontingenzbewältigung, so ist „Sicherheit“ eines ihrer wichtigsten Kernelemente, zielte das Projekt der Moderne doch unter anderem darauf, durch soziale Sicherungssysteme Lebensrisiken zu reduzieren. Wissenschaftliche und technische Fortschritte spielten dabei eine wesentliche Rolle, da entsprechende Hoffnungen von einem weit verbreiteten Optimismus getragen wurden. Je stärker sich jedoch die Erfahrung verdichtete, dass dieser Fortschritt vielfältige Gefahren erst schuf, umso mehr erschien die Moderne als eine Epoche, die im Dienst des Fortschritts auch neue Risiken wie Reaktorunfälle, Börsencrashs oder Arbeitslosigkeit generiert.
Social Engineering
(2010)
Social engineering soll als transnationaler, Disziplinen übergreifender Versuch verstanden werden, gegen die vermeintlich zersetzenden Kräfte der industriellen Moderne mit künstlichen Mitteln eine verlorene natürliche Ordnung der Gesellschaft wieder zu erschaffen, indem man eine alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringende, vernünftige soziale Ordnung entwarf.
Version 1.0: Theorie ist ein genuines Element des Forschungssettings wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit. Der Begriff wird heute in verschiedenen, sich teils widersprechenden Definitionen verwendet. Mit dem jeweiligen Theorieverständnis verbunden sind Grundentscheidungen über Form und Anwendungspraxis wissenschaftlicher Methoden.
Von der zeithistorischen Forschung wurde die Tourismusgeschichte bislang eher stiefmütterlich behandelt, obwohl der Tourismus insbesondere ein wirtschaftlich höchst relevantes Phänomen ist. Unser Autor Rüdiger Hachtmann geht in seinem Beitrag dem vielschichtigen Phänomen „Tourismus” als Begriff und Forschungsgegenstand nach und behandelt die verschiedenen Formen und Phasen des modernen Tourismus. Außerdem diskutiert er die wichtigsten Vorschläge zu einer Theorie des Tourismus und benennt die methodischen Probleme, die seiner historischen Aufarbeitung im Wege stehen.
Es ist ein bisweilen befremdlicher erster Eindruck, den das Apartheid-Museum in Johannesburg für seine Gäste bereithält – während die Besucherin am Kassenhäuschen des Museums, auf halbem Weg zwischen der Johannesburger Innenstadt und dem Township Soweto gelegen, auf ihre Eintrittskarte wartet, trägt der Wind fröhliche Schreie herüber; Ausdruck der Achterbahnfahrten im nur einige Meter entfernt liegenden Vergnügungspark „Gold Reef City“. Einzig ein weitläufiger Parkplatz trennt den Themenpark, der mit einer disneyfizierten Repräsentation des Johannesburgs um 1900 aufwartet, und das zugehörige Kasino vom Museumskomplex. Für viele war dies zunächst ein Affront, etwa für die südafrikanische Autorin Nadine Gordimer, die „die Würde des südafrikanischen Freiheitskampfes“ durch den Rummel verletzt sah, gleichzeitig jedoch einräumte: „ Tatsache ist aber, dass wir ein eigenes Apartheid-Museum zwar diskutiert, aber nie zustande gebracht haben.“ Gordimers Bemerkung führt direkt in die Verwicklungen der südafrikanischen Kultur- und Erinnerungspolitik, für die das hier besprochene Großprojekt beispielhaft steht. Denn es war in der Tat das profane Anliegen, eine Kasinolizenz zu erlangen, das das gewaltige Museum möglich machte: Der „Community“ etwas „Greifbares“ zu geben war Bedingung für die Erteilung von „Gambling Licences“ ab 1994. In diesem Fall brachte der taktische Schritt eines der am besten besuchten Museen des Landes hervor.