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Kein reflektierter Historiker wird die geschichtliche Wirklichkeit mit den Begriffen verwechseln, die sie beschreibbar machen. Denn Begriffe bleiben regelmäßig hinter dieser Wirklichkeit zurück und schießen ebenso regelmäßig über sie hinaus. Da wir uns aber nicht sprachlos in der Welt bewegen, gehören die Begriffe zugleich der Wirklichkeit an, die uns historisch interessiert. Sie sind Träger einer in diese Wirklichkeit verwobenen Bedeutungsdimension. Deshalb gibt es Begriffsgeschichte. Im Folgenden wird dafür plädiert, das 20. Jahrhundert zum Gegenstand einer systematischen begriffsgeschichtlichen Untersuchung zu machen, seine Ereignis- und Entwicklungsgeschichte also im Medium seiner Grundbegriffe und ihres semantischen Wandels zu reflektieren. Mit den hier vorgelegten Thesen möchte ich die theoretischen Umrisse einer solchen Geschichte der Grundbegriffe des 20. Jahrhunderts skizzieren und zugleich ihren Sinn und ihre Notwendigkeit begründen. Dabei gehe ich von drei wesentlichen Prämissen aus.
„Lach über alles und vergiss es.“ Dieses Motto stellte der Holländer Aart M. an den Beginn eines Fotoalbums, das seine bildlichen Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und den Einsatz als Zwangsarbeiter in Berlin festhält. Es zeigt die Widersprüchlichkeit privater Fotoalben: Werden die Bilder aufbewahrt, um zu erinnern oder zu vergessen? Hilft ein solches Album dem Besitzer dabei, über die Erfahrungen der Zwangsarbeit zu lachen? Und wie kann die Geschichtswissenschaft die oft so ‚fröhlich‘ wirkenden Fotoalben als historische Quellen interpretieren?
Die Propagandatruppen der deutschen Wehrmacht waren eine ihrem Wesen nach einzigartige militärische Organisation. Kein anderes am Zweiten Weltkrieg beteiligtes Land verfügte über eine militärische Organisation dieser Größenordnung, die einzig und allein der psychologischen Kriegsführung diente. Dies war der Grund für Deutschlands Überlegenheit hinsichtlich der Kriegsberichterstattung in den meisten Phasen des Zweiten Weltkrieges. Die Propagandaeinheiten der Wehrmacht, deren bekannteste die Propagandakompanien (PK) waren, wurden im Hinblick auf spezielle Aufgaben geschaffen, deren Erfüllung man als für den Erfolg künftiger militärischer Konflikte notwendig erachtete. Aufgrund seiner besonderen Struktur und der speziellen Betätigungsfelder wurde dieser Bereich in hohem Maße in das NS-System eingegliedert.
Infolgedessen kam den Propagandatruppen bezüglich der Akzeptanz der Wehrmacht bei der Bevölkerung wie auch bei der Indoktrinierung von Wehrmacht und Nation gleichermaßen im Geiste der Naziideologie eine Schlüsselrolle zu.
1983, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, äußerte sich die britische Sozialanthropologin Mary Douglas in ironischer Zuspitzung zur Risikowahrnehmung der amerikanischen Bevölkerung: „What are Americans afraid of? – Nothing much really, except the food they eat, the water they drink, the air they breathe [...].“ (Douglas 1983: 10) In einer Zeit, die vom Wettrüsten, einer schlechten Wirtschaftslage und horrenden Staatsdefiziten geprägt war, drehten sich die Alltagssorgen Amerikas nicht um die großen politischen und wirtschaftlichen Krisen der Zeit, sondern um banale Ernährungs- und Trinkgewohnheiten. Zweierlei ist bemerkenswert am Kommentar von Douglas. Er verweist einerseits auf die Alltäglichkeit moderner Risikovorstellungen und der damit verbundenen Präventionspraktiken. In der Tat haben gesundheitspolitische Popularisierungen und pathologisierende Formen der Zivilisationskritik in vielen westlichen Ländern dazu geführt, dass im 19. und 20. Jahrhundert überlieferte Formen des Essens und Trinkens problematisiert, aufgebrochen und zum Gegenstand eines gesundheitsorientierten Präventionsdiskurses gemacht wurden.
Social Engineering
(2010)
Social engineering soll als transnationaler, Disziplinen übergreifender Versuch verstanden werden, gegen die vermeintlich zersetzenden Kräfte der industriellen Moderne mit künstlichen Mitteln eine verlorene natürliche Ordnung der Gesellschaft wieder zu erschaffen, indem man eine alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringende, vernünftige soziale Ordnung entwarf.
Soundscape Stammheim
(2010)
Die Rote Armee Fraktion (RAF) markiert nicht nur in visueller, sondern auch in akustischer Hinsicht ein herausragendes Phänomen der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. So war eine der ersten Stellungnahmen, die nach der Befreiung Andreas Baaders im Mai 1970 veröffentlicht wurde, eine Tonbandaufzeichnung Ulrike Meinhofs. Die Journalistin Michèle Ray hatte sie nach Abschluss ihres Interviews dem „Spiegel“ überlassen. Damit konnten die Aussagen Meinhofs zum Aufbau der Roten Armee nicht nur als Text, sondern auch als Ton der Nachwelt erhalten bleiben.
Soundscape Stammheim
(2010)
Die Rote Armee Fraktion (RAF) markiert nicht nur in visueller, sondern auch in akustischer Hinsicht ein herausragendes Phänomen der westdeutschen Nachkriegsgeschichte. So war eine der ersten Stellungnahmen, die nach der Befreiung Andreas Baaders im Mai 1970 veröffentlicht wurde, eine Tonbandaufzeichnung Ulrike Meinhofs. Die Journalistin Michèle Ray hatte sie nach Abschluss ihres Interviews dem „Spiegel“ überlassen. Damit konnten die Aussagen Meinhofs zum Aufbau der Roten Armee nicht nur als Text, sondern auch als Ton der Nachwelt erhalten bleiben.
Strategien der Sicherung: Welten der Sicherheit und Kulturen des Risikos. Theoretische Perspektiven
(2010)
Auch wenn Sicherheit und Risiko auf den ersten Blick gegensätzliche Dispositionen bezeichnen, haben sie doch einen gemeinsamen Ursprung: die Begrenzung oder Vermeidung von Gefahr und die Abwehr von Bedrohung, bei der sie konkurrierende, mitunter aber auch komplementäre Wege gehen. Das Unverfügbare, das nicht Vorhersehbare, das mit Übermächtigung Drohende wird bearbeitet – im einen Fall unter dem Imperativ der Herstellung von Sicherheit bzw. der Entwicklung von Strategien, die gegen den Einbruch von Gefahren und das Auftauchen von Bedrohungen absichern, diese ›draußen‹ halten und so Räume schaffen, die sich von ihrer Umgebung durch ein deutlich höheres Sicherheitsniveau unterscheiden; im anderen Fall durch die Entwicklung von Arrangements, die Gefahr und Bedrohung berechen- und kalkulierbar machen.
Die erste Assoziation, die viele heute mit dem Thema Angst in der Politik verbinden, ist der gegenwärtige internationale oder islamistische Terrorismus. Eine eindeutige Definition dessen, was eigentlich der Begriff Terrorismus beinhaltet, fällt zwar nach wie vor schwer. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Verbreitung von Angst zu einem der am häufigsten genannten definitorischen Merkmale von Terrorismus gehört. Terroristen versuchen gezielt unterder Bevölkerung Angst zu verbreiten, damit diese wieder um Druck auf die Regierungen ausübt. Peter Waldmann hat daher darauf verwiesen, dass Terrorismus »primär eine Kommunikationsstrategie« darstelle, die durch die Instrumentalisierung von Angstgefühlen danach trachte, gegnerisches Verhalten zu konditionieren.
Version 1.0: Theorie ist ein genuines Element des Forschungssettings wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit. Der Begriff wird heute in verschiedenen, sich teils widersprechenden Definitionen verwendet. Mit dem jeweiligen Theorieverständnis verbunden sind Grundentscheidungen über Form und Anwendungspraxis wissenschaftlicher Methoden.