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"Ruhrpott-Rambo" Die Schimanski-Tatorte und der Wandel von Gewalt in westdeutschen Fernsehkrimis
(2018)
»Viele Jugendliche könnten durch solche Sendungen zur Ansicht gelangen, daß Gewalt gegen Mitmenschen etwas Normales ist und zur Nachahmung empfohlen wird«, schrieb eine Zuschauerin anlässlich der Ausstrahlung des ARD-Tatorts »Zweierlei Blut« mit Kommissar Schimanski (Götz George) am 22. Juli 1984. Die »Bild«-Zeitung behauptete, Millionen Zuschauer seien »empört«, und der »Spiegel« zitierte Bremens Polizeipräsident Ernst Diekmann mit den Worten: »Geschmacklos, ekelerregend, undenkbar«. Tatsächlich spielte Gewalt in diesem Film auch jenseits des im Fernseh-Krimi obligatorischen Mordes eine zentrale Rolle. Im Mittelpunkt steht eine Gruppe gewaltaffiner Fußballfans, in deren Reihen der Mörder vermutet wird. Im Rahmen seiner verdeckten Ermittlungen wird der Kommissar von den Jugendlichen enttarnt, zusammengeschlagen und nackt auf dem Rasen des Fußballstadions drapiert. Die Misshandlung selbst wird jedoch nur angedeutet: Man sieht lediglich einige Fußtritte gegen den bereits am Boden liegenden Schimanski. Die Gewalt ist vor allem durch eine eindrucksvolle Gesichtsverletzung präsent, die der Polizist – wie auch in zahlreichen anderen Folgen der Serie – für den Rest der Handlung mit sich herumträgt.
Die Geschichte der Revolution von 1848 ist auch eine Geschichte des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, in Berliner Perspektive: zwischen Hauptstadt und Provinz. Zwar haben neuere Untersuchungen gezeigt, daß die Agrarbevölkerung keineswegs so konservativ war, wie die traditionelle Revolutionshistoriographie häufig annahm. Namentlich in Schlesien, im Rheinland, in der Pfalz, in den hessischen und den südwestdeutschen Mittelstaaten schlug die demokratische Bewegung auch auf dem Land kräftige Wurzeln. Aus der Sicht der Berliner Zeitgenossen und hier namentlich der demokratischen Bewegung war die „Provinz“ jedoch tiefschwarz. Dieser Eindruck halle durchaus seine Berechtigung. Denn die „rote“ Hauptstadt war gleichsam von einem Ring kleinerer „schwarzer“ Städte umgeben.
In diesen Sätzen ist anschaulich und wie im Brennglas die zentrale Bedeutung der Wissenschaften für die Kriegführung zusammengefaßt. Darüber hinaus macht das Zitat deutlich, daß der Erste Weltkrieg eine Epochenschwelle markiert - für die Geschichte der Kriege, für die Geschichte der Wissenschaften und für die Geschichte des Verhältnisses beider zueinander. Dies heißt selbstredend nicht, daß die Wissenschaften für die älteren Kriege und in den älteren Kriegen keine Rolle gespielt haben. Sie blieben bis weit ins 19. Jahrhundert jedoch von eher untergeordneter Bedeutung. Das änderte sich mit Beginn der Hochindustrialisierung. Die Entwicklungen seit 1945, sowohl innerhalb der Wissenschaften als auch im Verhältnis von Wissenschaften und Militär zueinander, wiederum unterscheiden sich - allen personellen und auch organisatorisch-strukturellen Kontinuitäten zum Trotz - auf Grund eines völlig veränderten politisch-ökonomischen Kontextes von den Jahrzehnten zuvor so stark, daß es den Rahmen eines Aufsatzes sprengen würde, ihnen gleichfalls nachzugehen. Der Schwerpunkt des folgenden Beitrages liegt deshalb auf dem Zeitraum zwischen 1880 und 1950.
Die in diesem Aufsatz betrachteten sozialistischen Großbetriebe waren ein Ergebnis der sozialistischen Transformation, die sich in den Ländern Ostmitteleuropas seit spätestens 1947 bei starker Orientierung am sowjetischen Modell vollzog und aus der bis Ende der sechziger Jahre eine weitgehend vollständig ausgebildete Planwirtschaft resultierte. Sozialistische Großbetriebe entstanden in ganz Ostmitteleuropa unabhängig vom Industrialisierungsgrad des jeweiligen Landes. Eine Forschungsarbeit über die sozialistische Transformation am Beispiel der Eisen- und Stahlindustrie in Polen, der Tschechoslowakei und der DDR im Rahmen meiner Dissertation und frühere Forschungen zur deutsch-polnischen Grenzregion haben ergeben, dass die Umsetzung des sowjetischen Modells der Industrialisierung sich vor allem in Bezug auf die Arbeitskräfte am schwierigsten gestaltete. Der Institutionentransfer und die zentrale Planung bis auf die Betriebsebene, das Monopol der Partei und die Verstaatlichung konnten originalgetreu aus der Sowjetunion übernommen werden. Die Mobilisierung der Bevölkerung zu „neuen Menschen“ in Form von Arbeiterbrigaden, dem sozialistischen Wettbewerb und den Massenorganisationen mit dem Ziel der Überwindung des kapitalistischen Systems im Menschen und der Transformation vom letizimi Wir-Denken bereitete den Entscheidungsträgern dagegen die meisten Probleme. Ein Grund dafür war die große Diskrepanz zwischen der von den kommunistischen Parteien propagierten Gleichheit aller Arbeiter und der tatsächlichen ungleichen Behandlung in den Betrieben, die zu Konflikten und schließlich zum Widerstand der Arbeitskräfte führte. Die Arbeiter erkannten diese Diskrepanz sehr schnell, lehnten das Gleichheitsprinzip ab und forderten individuelle Gerechtigkeit. Besonders mit Blick auf die ausländischen Arbeitskräfte, die in den ausgewählten Betrieben in unterschiedlicher Quantität eingesetzt wurden, wird die ungleiche Behandlung sichtbar.
"Phantasie der Bürokratie“. Raul Hilbergs Pionierstudie zur Vernichtung der europäischen Juden
(2011)
Es sei, so erinnerte sich Raul Hilberg Anfang der 1990er-Jahre in einer kurzen Skizze und Vorarbeit zu seinen Memoiren, am Tag nach Pearl Harbor gewesen, dem 8. Dezember des Jahres 1941, als der 15-Jährige von einem Lehrer seiner Mittelschule in Brooklyn erstmals als „Historiker” angesprochen worden sei. Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als er sein Studium beendet hatte, wählte er aber Politikwissenschaft statt Geschichte zum Fach seines Hauptinteresses, denn er wollte über die Vernichtung der Juden schreiben – und „der Holocaust war für mich Gegenwart”. (...)
Wiederveröffentlichung von: Nicolas Berg, „Phantasie der Bürokratie“. Raul Hilbergs Pionierstudie zur Vernichtung der europäischen Juden, in: Jürgen Danyel/Jan-Holger Kirsch/Martin Sabrow (Hrsg.), 50 Klassiker der Zeitgeschichte, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 71-75
Die Europäische Union hat einen neuen Eisernen Vorhang. So brachten manche Zeitungen die Zustände in der spanischen Exklave Melilla an der nordafrikanischen Küste sinngemäß auf den Punkt. Fotos wurden abgedruckt, die einen hohen Zaun, oben mit Stacheldraht umwickelt zeigten, in dem sich Kleidungsstücke verfangen hatten. Menschen waren an diesem Zaun zu Tode gekommen - durch Schüsse der spanischen Polizei, also durch Schüsse der Staatsgewalt. Die Übertragung des Bildes oder der Metapher vom Eisernen Vorhang auf die südwestliche Außengrenze der EU an Nordafrikas Küste drängte sich vermutlich nicht nur den Medien auf.
Sowjetische Soldaten und Zivilpersonen bildeten mit einer Gesamtzahl von über einer halben Million Menschen die größte Gruppe von Ausländem in der DDR. Durch ihre flächendeckende Präsenz gehörten sie beinahe 50 Jahre lang für einen sehr großen Teil der ostdeutschen Bevölkerung zum Alltag. Nach Schätzungen von Kurt Arlt hielten sich zwischen 1945 und 1994 insgesamt etwa 10 Millionen Bürger der Sowjetunion bzw. ihrer Nachfolgestaaten als Soldaten, Zivilbeschäftigte der Streitkräfte oder deren Familienangehörige auf deutschem Boden auf.3 Verglichen mit den quantitativ deutlich kleineren Gruppen der Vertragsarbeiter und politischen Emigranten stellten sie daher in der DDR gleichsam „die Fremden“ schlechthin dar.
Im Jahr 1983 erschien mit „Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas“ ein Sammelwerk, das erstmals in einem für ein breites Publikum konzipierten Band einige der wichtigsten Zeugnisse der während der nationalsozialistischen Zeit begangenen Morde zusammentrug. Angesichts der stark angestiegenenBemühungen zahlreicher Alt- und Neonazis, eben jene Verbrechen pauschal zu leugnen oder pseudowissenschaftlich zu widerlegen, war das erklärte Ziel der zahlreichen Herausgeber – darunter die Konzentrationslager-Überlebenden Eugen Kogon und Hermann Langbein sowie der Leiter der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen, Adalbert Rückerl –, „die historische Wahrheit gerade des Massenmordes durch Giftgas so konkret und unwiderlegbar, wie es nur möglich ist, nachzuweisen“. (...)
Der seltsam anmutende Ausdruck im Titel des Beitrags ist eine Wortschöpfung des Autors. Er setzt sich zusammen aus dem Wort „Etakratie“, das den neueren sozialwissenschaftlichen Diskussionen über den Charakter der für die Sowjetunion (und Russland überhaupt) spezifischen Form der Vergesellschaftung entstammt, und dem Anfangsbuchstaben „N“, der vom Autor dieses Beitrags hinzugefugt wurde. Dadurch entsteht ein zusätzlicher semantischer Cluster „net“, der mit seiner englischen Bedeutung auf eine in den zeitgenössischen Sozialwissenschaften viel diskutierte, wenn auch häufig recht nebulös aufgefasste Organisationsform sozialer Beziehungen verweist: das Netzwerk. Es ist ein zentrales Anliegen dieses Beitrags, die genaue Bedeutung dieses Wortspiels für die Leserinnen und Leser nachvollziehbar zu machen.
Der Beitrag untersucht, inwiefern dem Comic aufgrund seiner medienspezifischen Merkmale das Potenzial für eine authentische Darstellung der Vergangenheit zugeschrieben bzw. abgesprochen wurde. Im Mittelpunkt der Analyse stehen in Deutschland zwischen 1965 und 2015 veröffentlichte Geschichtscomics über den Ersten Weltkrieg. Vor dem Hintergrund einer in der Geschichtsdidaktik entwickelten Typologie von (historischer) Authentizität im Comic werden die dort angewandten Authentisierungs- und Beglaubigungsstrategien untersucht. Besondere Bedeutung kommt dabei der seit den 1970er Jahren anzutreffenden Auffassung zu, der Erwachsenen- bzw. Autor*innencomic sei ein besonders geeignetes Ausdrucksmittel des authentischen Selbst und verfüge gerade über die deutliche Ausstellung der subjektiven Sicht der Verfasser*in auf die Vergangenheit über besondere Authentizität.