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Vorbei sind die Zeiten, als man sich mit Bemerkungen, daß die meisten Kontroversen über Gewalt aus einem »poor use of words« (Chesnais) resultierten, automatisch auf der »sicheren« Seite wähnen konnte, wenn man nur genügend differenzierte. Vorbei sind auch die Zeiten, in denen Gewalt als ein nichtssagendes Modewort bezeichnet werden konnte, weil »jeder über Gewalt redet, und keiner wirklich darüber nachdenkt« (Hobsbawm). Das Thema Gewalt ist in aller Munde, auch wenn damit je nach politischem, ideologischem oder sozialem Standpunkt höchst unterschiedliche Sachverhalte assoziiert werden. Entsprechend begegnet uns Gewalt in einer Vielzahl von begrifflichen Differenzierungen (direkte und indirekte Gewalt; personale, strukturelle, kulturelle und symbolische Gewalt; psychische Gewalt; progressive und reaktionäre Gewalt; instrumentelle und expressive Gewalt, staatliche Gewalt; legale und illegale Gewalt; legitime und illegitime Gewalt; verdeckte und offene Gewalt – die Liste ließe sich leicht fortführen), in vielen Arten und Formen [...], im privaten Alltag und in der offiziellen Politik, in Strukturen und Sprache eingelagert. Gewalt ist allgegenwärtig, vergeht doch kein Tag, an dem nicht Medien und Presse über die neuesten Gewalttaten und Greuel berichten.
Am Ende des Jahrhunderts der totalen Kriege ist die kriegerische Gewalt den meisten Menschen in Deutschland, aber auch sonst in den westlichen Industriegesellschaften sehr fremd geworden und doch auch wieder sehr nah gekommen. Kriege als bewußt herbeigeführtes oder schicksalhaft hingenommenes Mittel der Politik sind umstrittener denn je, und dasselbe gilt für den Soldaten als Akteur und Symbol der kriegerischen Gewalt. Dessen Legitimationsverlust ist an den Diskussionen um die Wehrpflicht, das „Mörder“ - Zitat von Tucholsky oder die Rolle des Deserteurs in der Geschichte, zumal der des Zweiten Weltkriegs, abzulesen. Damit ist ein weitreichender mentaler Wandel gegenüber der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts angesprochen, der in Deutschland nur stärker ausgeprägt war als in anderen Industrienationen. Gleichzeitig aber ist, wie oft gesagt wird, der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Das Ende der Ost-West-Konfrontation läutete keinen globalen Frieden ein, es machte vielmehr den Krieg wieder möglich, auch in Europa, vor der Haustür jener Nationen, die sich im Geiste von ihm verabschiedet hatten. Eine Welt oder auch nur ein Europa ohne Krieg – diese Vision hat sich am Ende des 20. Jahrhunderts als Illusion erwiesen.
Stellt man die Frage, was eigentlich »Militärgeschichte« genau bedeutet, so bemerkt man rasch, daß diese sich im Laufe der letzten Jahrhunderte auf charakteristische Weise gewandelt hat, in enger Anlehnung an den jeweiligen gesellschaftlichen Platz des Militärischen überhaupt. Grundsätzlich gilt ein solcher Befund wohl für alle historiographischen Teildisziplinen. Aber im Fall der Militärgeschichte erscheinen die jeweiligen Anhängigkeiten noch stärker markiert. Das Militärische trifft den Kern des Selbstverständnisses jeder Gesellschaft, und so dient Militärgeschichte direkter und wirkt sich auch direkter aus als viele andere historische Disziplinen.
Der Spanische Bürgerkrieg war zugleich ein deutscher Bürgerkrieg, denn auf beiden Seiten kämpften Deutsche: Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland hatten sich freiwillig zu den anarchistischen Milizen oder zu den Internationalen Brigaden gemeldet, die die Spanische Republik gegen den Militärputsch des selbsternannten spanischen "Führers" Francisco Franeo zu verteidigen halfen. Die Hitler-Regierung hatte auf Bitten Francos nicht nur Flugzeuge, Panzer und Munition nach Spanien geschickt, sondern dazu über 20.000 Soldaten: die Legion Condor. Diese Hilfstruppe war, weil Deutschland das internationale Nichteinmischungs-Abkommen mit unterzeichnet hatte, 1936 heimlich und in Zivil auf Touristendampfern nach Spanien gebracht worden, 1939 wurde sie dann bei der siegreichen Rückkehr offen und mit militärischem Schaugepränge in Harnburg und Berlin empfangen. Auf beiden Seiten hatten in diesem Krieg auch deutsche Journalisten und Fotografen gearbeitet.
Nach zwölf Jahren Naziherrschaft war Deutschland, von außen betrachtet, ein in hohem Maße befremdendes Land. Beobachter aus den Reihen der Alliierten maßen das nazistischer Barbarei anheimgefallene, hochindustrialisierte Land fast zwangsläufig mit ethnologischem Blick - so auch der zum Zeitpunkt der Befreiung 28-jährige US-amerikanischen Nachrichtenoffizier Daniel Learner, der Anfang April 1945 eine Informationsreise durch die von den Ame1ikanern bereits besetzten Teile des Ruhrgebiets unternahm. Seine Eindrücke faßte er in einem Bericht zusammen.
Angemessen dargestellt? Die Ausstellung "Holocaust" des Deutschen Historischen Museums in Berlin
(2002)
»Dass die Welt aus den Fugen ist, zeigt allerorten sich daran, dass man es falsch macht, wie man es auch macht«, bemerkte Theodor W. Adorno 1953. Derartige Zweifel scheinen Hans Ottomeyer, dem Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums (DHM), eher fremd zu sein. Im Vorwort des Ausstellungskatalogs dankt er seinem Projektteam, »dass ein schwieriges Kapitel der Geschichte angemessen dargestellt wurde«. Doch müsste es in einer Retrospektive des (deutschen) Holocaust-Gedenkens nicht gerade darum gehen, die Kriterien für »Angemessenheit« konsequent zu historisieren? Seit 1945 haben sich die Darstellungskonventionen ja mehrfach gewandelt, und auch die heutigen Antworten auf das Repräsentationsproblem erweisen sich bei näherem Hinsehen als zeitgebunden und perspektivisch. Darauf wird zurückzukommen sein.
Das Jubiläum ist lange vorbei. Gleichwohl ist der Berg an Überblicksdarstellungen, Aufsatzbänden, lokal- und regionalhistorischen Studien zum 'tollen Jahr' 1848 nach wie vor nur schwer zu übersehen. Überdies ist die 'Revolutionswelle' keineswegs vollständig verebbt. Die Arbeiten, die im folgenden vorgestellt werden, sind eine kleine, gleichwohl exemplarische Auswahl unter den etwa 600 Neuerscheinungen, die seit 1997/98 anläßlich des 150. Jubiläums der Revolution von 1848/49 publiziert wurden. ...
In seiner „Bestandsaufnahme der historischen Friedensforschung" machte Wolfram Wette 1991 den Beginn des Atomzeitalters zum Ausgangspunkt seiner Uberlegungen. Wette konnte angesichts dieser historischen Zäsur feststellen, daß der Krieg seine Funktion als „legitimes und einigermaßen rationnal kalkulierbares Mittel der Politik" verloren habe. Zehn Jahre zuvor plädierte Andreas Herberg-Rothe für eine Militärgeschichte als Friedensforschung und tat dies „angesichts der drohenden Gefahr des Ausbruchs eines alles vernichtenden 3. Weltkrieges". Ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Situation grundlegend geändert. Die Diskontmmtat der Geschichte, die die Zeitgenossen des Ost-West-Konflikts von der Epoche vor 1945 schied, ist spätestens mit den Kriegen im vormaligen Jugoslawien wieder aufgehoben. Die Negation des Krieges als politisches Leitmotiv der zu Ende gegangenen Nachkriegszeit hat ihren universellen Geltungsanspruch verl?ren. In der Diskussionen über Gewalt und Krieg nach dem Ende der bipolaren Zeitalters kommt vielmehr eine allgemeine Verunsicherung daruber zum Ausdruck, wo die Grenze zwischen unmoralischer Gewaltanwendung und ihrer ethischen Legitimierbarkeit verläuft. Der Soldat des dritten Jahrtausends definiert sich selbst in Deutschland nicht mehr ausschließlich als der bewaffnete Verteidiger des eigenen Landes. Wahrend die einen dies als die Rückkehr zur Normalität begrüßen, befürchten andere den Ruckfall in Großmachtpolitik und Militarisierung.
Expansion und Imperium
(2002)
Bevor im Jahre 1983 die Veröffentlichung des ersten Bandes von Wolfgang Reinhards "Geschichte der europäischen Expansion" den Expansionsstudien in der deutschen Geschichtswissenschaft erstmals einen epochenübergreifenden Rahmen gab, zerfiel das Gebiet in mehrere, nur schwach untereinander verbundene Teilströmungen, die sich vor allem durch ihre leitenden Fragestellungen unterschieden.