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Wie die historische Forschung zur deutschen und belgischen Kolonialgeschichte nachgewiesen hat, wurde die „Ethnifizierung“ (oder „Ethnogenese“), die im Zuge der Kolonialisierung zur polarisierenden Trennung von „Hutu“, „Tutsi“ und „Twa“ führte, schrittweise in die ruandischen Mentalitäten eingespeist, wo sie zur Grundlage der Identifizierung der prospektiven Opfer gemacht wurde. Da Genozide nicht möglich sind, wenn nicht zuvor die Frage nach der Identifizierung der zu Vernichtenden „geklärt“ ist hat die europäische Kolonialgeschichte als Vorgeschichte des Tutsizids zu gelten. Koloniale Akteure aus Deutschland spielten bei diesem Prozess eine Rolle. In der deutschen Kolonialfotografie lässt sich beobachten, dass das koloniale Bestreben, „Ordnung“ in die Begegnung mit der ruandischen Kultur und Gesellschaft zu bringen, ab Ende des 19. Jahrhunderts Eingang in die koloniale Fotografie fand.
Manche Bilder sind versehen mit Legenden, in denen sich die Ethnifizierung erkennen lässt. Die Anthropologen gingen davon aus, dass sich wissenschaftliche Beweise für die Existenz von drei klar voneinander abgegrenzten „Ethnien“ erbringen ließen. In Wirklichkeit herrschten Spekulationen und grundlegende Missverständnisse bezüglich der demografischen Struktur des fremden Landes vor. Zweifellosigkeiten wurden behauptet, und das in einem Land, mit dem zuvor nicht die geringsten Kontakte bestanden hatten. Es kam zu einer Vielzahl von Missverständnissen und Fehlinterpretationen, die dem kolonialen Überlegenheitsgefühl der deutschen Fotografen geschuldet waren.
Im Vergleich zu älteren Untersuchungen zur Pressefotografie im Nationalsozialismus herrscht aktuell aufgrund der fortgeschrittenen Digitalisierung eine vollkommen neue Ausgangslage vor. Gerade Österreicht sticht im internationalen Vergleich positiv hervor.
Umso mehr springt die Diskrepanz zwischen zunehmender digitaler Verfügbarkeit von publizierter Fotografie und dem Fehlen systematischer Studien zur NS-Pressebildkultur in Österreichs Illustrierten ins Auge. In unserem Forschungsprojekt „Visuelle Öffentlichkeit im Nationalsozialismus“, das von 2023-2027 am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien durchgeführt wird, wollen wir die digitale Verfügbarkeit historischer Zeitungsbestände gezielt methodisch nutzen. In Zusammenarbeit mit dem Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften soll ein umfangreicher Bilderpool aus der österreichischen NS-Bildpresse als Untersuchungskorpus und Ausgangsbasis für quantitative und qualitative Analysen generiert werden. Während quantitative Erhebungen Aufschluss über die Bildakteur:innen der NS-Bildpresse und die visuelle Zusammensetzung der Illustrierten erlauben, soll in qualitativen Fallstudien mittels Bildanalysen und Bildvergleichen die Frage nach der propagandistischen Indienstnahme des Mediums Fotografie im Nationalsozialismus beantwortet werden.
„Geschichte ist oft bilderlos.“ – Damit stellt sich die Frage, wie man in der Präsentation und Vermittlung von Geschichte mit bildlichen Überlieferungslücken umgeht? Es stellt sich aber auch die Frage nach dem Umgang mit überlieferten Bildern, die aus rassistischen, diskriminierenden oder ethischen Gründen nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen gezeigt werden sollten. Wie visualisiert man also Ereignisse, die nicht oder nur bedingt bildlich darstellbar sind? Diesen und weiteren Fragen ging ein dezidiert interdisziplinär ausgerichteter Workshop am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung unter dem Titel „Was man nicht sieht! Perspektivwechsel durch Comics“, geleitet von Christine Bartlitz (Potsdam) und Irmgard Zündorf (Potsdam) nach.