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Am Anfang des 20. Jahrhunderts stand Mathematikern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren eine Reihe von mathematischen Methoden (numerischen und graphischen Verfahren) sowie technischen Hilfsmitteln (Instrumente, Apparate, Maschinen, Tafelwerke) zur Verfügung, um exakte Lösungen bzw. Näherungslösungen für mathematische Probleme »ausrechnen« zu können, die im Zusammenhang mit ihrer wissenschaftlichen oder praktischen Arbeit auftraten. Ein genauerer Blick zeigt, dass um 1900 ein ganzer »Apparate- und Methoden-Zoo« zur Verfügung stand, dessen Klassifizierung – um im Bild zu bleiben – einen sehr kundigen »Apparate- und Methoden-Zoologen« erforderte, um die »Morphologie« und »Anatomie« der Apparate und deren »Physiologie« (in Bezug auf die informationsverarbeitenden Funktionen) zu überblicken. So gab es z. B. weit verbreitete Apparate und Methoden wie Rechenschieber und Planimeter, mechanische Rechenmaschinen, Multiplikations- und Logarithmentafeln oder das Runge-Kutta-Verfahren zur numerischen Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen, aber auch nur in Einzelexemplaren existierende Geräte, wie die im 19. Jahrhundert verschiedentlich entwickelten Gleichungswaagen.
Wer sich mit der Geschichte der Wissenschaftspopularisierung auseinandersetzt, kommt an der Zäsur 1800 nicht vorbei. Zwar existieren bereits seit der Antike Formen populärwissenschaftlicher Literatur, die im Zuge der wissenschaftlichen Revolution im 16. und 17. Jahrhundert eine Ausdifferenzierung erfahren, doch beginnt der eigentliche Aufstieg im frühen 19. Jahrhundert, als die Wissenschaftspopularisierung ihre Präsentationsformen einem breiten Publikum anpasst (vgl. Schwarz 1999, 89f.). In dieser Zeit wird es nicht nur üblich, von populärer Sprache und populären Vorträgen zu sprechen. 1805 erscheint auch die erste deutschsprachige Theorie der Popularität (Greiling 1805). Der Text stellt eine Art didaktischer Unterweisung in Hinsicht auf Anordnung, Sprache und Verständlichkeit vorgetragener Sachverhalte dar. Während Popularität hier auf das Predigen und die Volksaufklärung bezogen bleibt, rückt sie bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts unaufhaltsam in die Nähe der (Natur-)Wissenschaft. Der Ausdruck „populär“3 etabliert sich als geläufige Bezeichnung für „gemeinfassliche“
naturkundliche Buch- und Zeitschriftenliteratur. In Wörterbüchern und Lexika, Vereinsnamen und Publikationstiteln setzt sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schließlich die Wortverbindung „populärwissenschaftlich“ durch.4 Sie eignet sich sowohl für die literarische Selbstbezeichnung als auch zur Markierung bestimmter Schriften, thematischer Genres und Darstellungsformen, welche dem Anspruch folgen, naturkundliche und technische Wissensbestände an ein breites Publikum zu vermitteln.
In diesem Aufsatz soll es indessen weniger um den relativen, in der Gerontologie ausgehandelten Stellenwert von der Länge des Lebens einerseits und seiner Qualität und Sinnhaftigkeit andererseits gehen. Was uns beschäftigen soll, ist stattdessen die besondere Form der Zukunft oder, wenn man so will, der besondere Zukunftsbegriff, der sich in Baltes' Text sowie in wissenschaftlichen Studien wie der »Berliner Altersstudie« zu Wort meldet. Dem Aufsatz liegt die Vermutung zugrunde, dass »Alter« und »Altersforschung« zu den wichtigsten »gesellschaftliche Zukunftsformen« des 20. Jahrhunderts gehören, deren Generierungs-, Wirkungs- und Entwertungsmechanismen unbedingt identifiziert und analysiert werden müssen.
Der vorliegende Beitrag beschreibt die bedeutendste migrantische Ansiedlung im Kerngebiet der europäischen Integration: den New Jungle am Rande von Calais. In den nur knapp anderthalb Jahren, in denen diese Siedlung bestand und in denen sie eine ungeheure Dynamik entfaltete, besuchte ich sie fünfmal für jeweils einige Tage, um mir einen Eindruck von ihrem Entstehungskontext, nämlich dem Zusammentreffen einer globalen Migrationsroute mit einer nationalen Grenze, zu verschaffen. Es war also immer auch eine Recherche in einem Grenzraum, doch sollte sich zeigen, dass es in diesem Raum mehrere Grenzen gibt: nicht nur die Staatsgrenze Frankreichs zu Großbritannien, sondern auch eine zweite Grenze ganz eigener Art, die den Raum des New Jungle vom Raum staatlicher Normalität trennte. Weder die eine noch die andere Grenze verliefen dabei linear, vielmehr konstituierten beide abgestufte und verschachtelte Zonen mit eigenartigen Formen der Überlagerung, Okkupation, Exklusion und Autonomie.
Als Karl Heinz Bohrer im Herbst 1975, ein Jahr nachdem er durch einen Coup seinen Posten als Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an Marcel Reich-Ranicki verloren hatte, als FAZ-Korrespondent nach London kam, stellte er fest: "London swingt längst nicht mehr". In den fünfziger Jahren hatte der jugendliche Bohrer einige Zeit in der britischen Metropole verbracht und dabei deren kosmopolitische Kultur schätzen gelernt. Trotz Kriegsschäden und anhaltender Austeritätspolitik hatten die Briten damals optimistisch in die Zukunft geblickt. Nun hingegen fand Bohrer überall Symptome einer "Saisonkrankheit", die "etwas prätentiös Nostalgie genannt" wurde. In der Popkultur, die Anzeichen einer nostalgischen Melancholie zeigte, im sich deindustrialisierenden Manchester, das der Nostalgie als Mittel zum Überleben bedurfte, auf dem Flohmarkt in der Portobello Road, in den Medien, der Kunst und der Mode. Die von ihm beobachtete Nostalgie führte Bohrer auf den Untergang des Empires und auf einen ausgeprägten "Sinn für Geschichte" zurück. Hier sah Bohrer einen deutlichen Unterschied zu Westdeutschland, denn er war überzeugt, "daß die bundesrepublikanische Bevölkerung – ihre Intellektuellen eingeschlossen – über das Jahr 1945 hinaus nicht zurückdenken können."
Die Entwicklung der digitalen Telefonie (1960–1985). Die Kosten soziotechnischer Flexibilisierungen
(2017)
Westliche Wachstumgsgesellschaften haben im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Die Veränderungen waren so grundlegend, dass es fast ununmgänglich wurde, dafür eine eigenständige kollektive Umbruchsymbolik zu entwickeln: Ein paar wenige Jahreszahlen und Ereignisse – 1968, 1973/74, 1989/90 – wurden so arrangiert, dass sie das Wichtigste benennbar machten. Der Erinnerungshaushalt konnte damit insofern besser verwaltet werden, als die historische Erzählung ganz selbstverständlich auf bekannte und allen verfügbare Meilensteine zurückgreifen vermochte. Dieselben Meilensteine stabilisieren auch heute noch den Umgang mit unserer Vergangenheit – bis zu dem Masse, in welchem sie gerade den gesellschaftlichen Wandel nicht mehr erklären können, weil die großen Ereignisse fälschlicherweise zu Gründen der gesellschaftlichen Entwicklung gerechnet werden, obwohl sie als Ereignisse vielmehr Effekte des zu erklärenden Wandels gewesen sind.
Die Etablierung des Computers zählt zu den wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen der jüngeren globalen Zeitgeschichte. Bereits seit den 1950er Jahren setzten auch in Deutschland große Unternehmen, Behörden und ebenso das Militär Computer ein, bevor in den 1980er Jahren die flächendeckende Ausbreitung der Personal Computer (PCs) begann. Die Zeitgenossen diskutierten von Beginn an die Folgen der Computerisierung und bewerteten sie als einen tiefgreifenden Umbruch, etwa als Beginn der »Informationsgesellschaft« oder »dritte industrielle Revolution«. Rasch galt die Verbreitung von Computern als ein ambivalent gedeuteter Wandel: Sie galten als Motor eines ökonomischen und gesellschaftlichen Aufbruchs und als Ursache für eine krisenverstärkende Rationalisierung und Überwachung. Jenseits der Diskurse wurde in vielen gesellschaftlichen Bereichen rasch spürbar, dass der Computereinsatz soziale Realitäten veränderte.
Im Jahr 1983 gewährte die Heilig-Kreuz-Gemeinde im Berliner Bezirk Kreuzberg mehreren palästinensischen Geflüchteten Kirchenasyl, um deren Abschiebung zu verhindern. Diesem Beispiel folgten bald weitere Westberliner Gemeinden beider Konfessionen, und bis 1988 schlossen sich insgesamt 35 Kirchen in der Initiative »Asyl in der Kirche« zusammen. Auf diesem Weg versuchten sie, vor allem »De-Facto-Flüchtlinge« vor der Abschiebung in den Libanon zu bewahren. Dies waren die ersten Fälle von Kirchenasyl in der Bundesrepublik bzw. Westberlin. Sie lieferten den Auftakt für die Entstehung der selbsternannten ökumenischen »Kirchenasylbewegung«. Dieser Zusammenschluss aus sowohl evangelischen als auch katholischen Gemeinden stellt einen signifikanten Akteur in der Migrationspolitik seit den 1980er Jahren dar und orientierte sich an internationalen Vorbildern aus den USA, den Niederlanden und der Schweiz.
Ein Paradox prägt die Praxis kommerzieller Buchverlage: Alle wissen um die Unmöglichkeit, Bestseller zu planen und alle sind beständig mit dem Planen von Bestsellern beschäftigt. John B. Thompson, der in seiner Doppelrolle als Buchwissenschaftler und Verleger von Polity Press einen privilegierten Zugang zu den verschwiegenen Zirkeln der Verlagswelt hat, beschreibt den Umgang mit dem Paradox in »Merchants of Culture«, seiner 2010 erschienenen Untersuchung über den Buchhandel in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. Thompson charakterisiert das Verlagswesen als eine »black swan industry«, in welcher der glückliche Zufall eine entscheidende Rolle spiele, »da bei vielen, wenn nicht allen Bücher niemand wirklich weiß, wie erfolgreich sie sein werden«. Den Verlegern bleibe bei so viel Unsicherheit nur die Entwicklung einer Strategie, um dem Zufall auf die Sprünge zu helfen.
Flüchtlingslager dienen weltweit der kurzfristigen Unterbringung von geflüchteten Menschen und der Bereitstellung von Schutz und Unterstützung insbesondere nach weitreichenden Fluchtbewegungen in Aufnahmeländer. Dem erhofften Übergangscharakter von Lagern, ihrer Kurzfristigkeit mit provisorischen Infrastrukturen stehen jedoch reale Entwicklungen gegenüber. Aufnahmesituationen dauern zunehmend lang an, sodass Lager über viele Jahre bis hin zu Jahrzehnten genutzt werden und sich zu restriktiven Lebensräumen der Menschen entwickeln.
Der Tonfall war alarmistisch. »Der Staat«, so proklamierte der sozialdemokratische Politiker Erhard Eppler, »der von seinen Bürgerinnen und Bürgern erwartet, daß sie sich ihre Sicherheit am Markt kaufen, wohl wissend, daß nur wenige dies können« verdiene »seinen Namen nicht« mehr. Es schien Eppler die »verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Staates« zu sein, das »Grundbedürfnis aller Menschen, nicht dauernd in Angst zu leben« zu erfüllen; man müsse daher zwingend darauf bestehen, »daß die Polizei in [einem] Arbeiterwohnviertel genauso patroulliert [sic] wie im vornehmeren, daß ein Einbrecher hier genauso viel riskiert wie dort, daß es keine Viertel« gebe, »wo die Polizei sich allenfalls bei Tage, und dann nur in Rudeln, blicken läßt und andere, wo sie zugunsten privater Dienste abgedankt« habe. Im Jahr 2002 veröffentlichte der Parteilinke seine Streitschrift »Vom Gewaltmonopol zum Gewaltmarkt?«, in der er gegen eine zunehmende Erosion staatlicher Kernkompetenzen anschrieb, die gegenwärtig vor allem aus ökonomischen Motiven grundsätzlich zur Disposition gestellt würden. Insbesondere »Privatisierung und Kommerzialisierung« bzw. eine rasch voranschreitende »Ökonomisierung« erschienen Eppler als existenzielle Bedrohungen des modernen Staates und seines fundamentalen Daseinszweckes, der Sicherheitsgewährung für seine Bürger durch das staatliche Gewaltmonopol. Durch die »Kommerzialisierung der inneren Sicherheit« werde diese zu einer »Ware am Markt« oder gar einem »Luxusgut«.