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Als „Historikerstreit" wird eine sowohl öffentlich als auch fachwissenschaftlich geführte Debatte bezeichnet, die sich im Sommer 1986 in Folge eines Artikels des Sozialphilosophen Jürgen Habermas in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit" entfachte. In seinem Artikel griff Habermas führende Neuzeithistoriker der Bundesrepublik an, denen er apologetische Tendenzen im Umgang mit dem Holocaust vorwarf.
Mit dem Übergang zum 21. Jahrhundert stellt sich die Frage nach den spezifischen Konturen des vergangenen 20. Jahrhunderts. Je nach Perspektive lassen sich unterschiedliche Aspekte herausarbeiten, die das letzte Jahrhundert über die Epochengrenzen hinweg entscheidend geprägt haben. Wenn Zeithistoriker versuchten, das – „kurze“ oder „lange“ – 20. Jahrhundert auf einen Begriff zu bringen, nannten sie es beispielsweise das „Zeitalter der Extreme“, „A Century of Genocide“, das „Jahrhundert des Industrialismus“ oder auch das „Zeitalter der (Hoch-)Moderne“, welches sich durch umfassendes technokratisches Ordnungs- und Planungsdenken ausgezeichnet habe. Unumstritten dürfte sein, dass der Fordismus und die damit verbundenen betrieblichen Rationalisierungsbewegungen ebenso zu den markanten Signaturen des vergangenen Jahrhunderts gehören wie die mit dem Fordismus verknüpfte Vision, gesellschaftliche Interessenkonflikte sozialtechnisch regulieren zu können. Darüber hinaus sollten die Volkswirtschaften, die Gesellschaften, die Städte und die Menschen analog zu den maschinengesteuerten Prozessen in den Fabriken rationalisiert werden, um eine größtmögliche Effizienz zu erzielen. Viele dieser technischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Bestrebungen verbanden sich bereits für die Zeitgenossen mit dem Namen des US-amerikanischen „Automobilkönigs“ Henry Ford.
Cultural Turns
(2010)
In den neueren Kultur- und Sozialwissenschaften ist noch immer die Rede vom „Cultural Turn”, der in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Hinwendung der einzelnen Disziplinen auf die Analyse kultureller Bedeutungen und symbolischer Ordnungen ausgelöst hat. Diese Meistererzählung von dem einen herausgehobenen Cultural Turn, der noch dazu im Bann eines übermächtigen linguistic turn verharrt, ist jedoch fragwürdig. Denn wendet man sich der Vielzahl und Verschiedenheit der cultural turns zu, dann entfaltet sich eine andere Geschichte der neueren Kulturwissenschaften, die ausdrücklich auf Pluralisierung zielt.
Für Alexander Kluge gibt es keine abgeschlossenen Werke: „Bücher halten nicht still. Sie sind auch nie ‚beendet‘“. So ist es auch im Fall der „Schlachtbeschreibung“ nicht bei der Erstausgabe von 1964 geblieben. Kluge versteht seine Bücher als „work in progress“, als „Baustellen“ und als Produkte einer Sammlertätigkeit, die nicht beendet werden kann. Ein Buch wie die „Schlachtbeschreibung“ ist in diesem Sinne lediglich ein kleiner Teil eines stetig wachsenden und sich immer wieder aufs Neue verändernden multimedialen Netzwerks, das nicht nur literarische Texte umfasst, sondern auch philosophische Arbeiten, Kinofilme und Fernsehmagazine. Bis heute sind nicht weniger als sieben zum Teil sehr stark voneinander abweichende – gekürzte, erweiterte, neu arrangierte und um Abbildungen ergänzte – Ausgaben des Stalingrad-Buchs erschienen. Die vorerst letzte (gedruckte) Überarbeitung stammt aus dem Jahr 2000, als Kluge sein erzählerisches Gesamtwerk, ergänzt durch neu entstandene Texte, unter dem Titel „Chronik der Gefühle“ in einer umfangreichen zweibändigen Ausgabe versammelte. Darin findet sich die „Schlachtbeschreibung“ – als ein Kapitel unter vielen – in einen neuen Zusammenhang gestellt.
Authentizität (Version 1.0)
(2010)
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich der Authentizitätsbegriff zu einem allseits verwandten Schlagwort gewandelt. Über Authentizität wird heutzutage in vielen kulturwissenschaftlichen Disziplinen gesprochen: in der Psychologie, der Pädagogik, der Soziologie, der Ethnologie, den Politikwissenschaften, der Philosophie und selbstverständlich in den Kunstwissenschaften und der Ästhetik. Der schillernde Authentizitätsbegriff hat auch den Bereich der Geschichtsschreibung und der Zeitgeschichte erfasst, und doch ist Authentizität keinesfalls ein zeithistorischer Grundbegriff.
Das gesellschaftstheoretische und sozialphilosophische Werk des Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas hat, nicht nur gemessen an seiner interdisziplinären und internationalen Rezeption, die Geistesgeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts intensiv geprägt. Einer breiteren Öffentlichkeit ist Habermas durch seine tagespolitischen Interventionen bekannt geworden, in denen er als klassischer „public intellectual“ zu relevanten politischen, gesellschaftlichen und ethischen Fragen dezidiert Stellung bezieht. Ihren vornehmlichen Ort findet diese Zusammenführung von Theorie und Lebenswelt bis heute aber weniger im Rahmen von Symposien, Konferenzen oder der akademischen Lehre, sondern vorzugsweise in der Gestalt politischer Publizistik, den „Kleinen Politischen Schriften“.
Arbeitergeschichte
(2010)
Das Wort „Antisemitismus" dient einerseits als Oberbegriff für jede Art von Judenfeindschaft. Andererseits charakterisiert es im engeren Sinne, als Wortbildung des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts, eine neue, pseudowissenschaftlich und nicht religiös, sondern mit „Rassen"-Eigenschaften und -Merkmalen argumentierende Form des antijüdischen Vorbehalts. Von diesem modernen Antisemitismus ist der religiös motivierte, ältere Antijudaismus zu unterscheiden.
Antisemit und Autokönig. Henry Fords Autobiographie und ihre deutsche Rezeption in den 1920er-Jahren
(2010)
Henry Ford gilt als ein Symbol der Moderne – er gab einer kapitalistischen Wirtschaftsform, dem Fordismus, den Namen. Fords Prominenz ist nicht zuletzt auf zwei Bücher zurückzuführen, die nach dem Ersten Weltkrieg unter seinem Namen erschienen und breit rezipiert wurden: „Der internationale Jude“ sowie „Mein Leben und Werk“. Beide Bücher verdanken sich Fords politischem Ehrgeiz und wurden als Vorschläge zur Gesellschaftsreform diskutiert. Ein Kernelement des Ford’schen Programms war massiver Antisemitismus: Erst eine auf der Betriebsgemeinschaft aufgebaute Gesellschaft ohne Händler, Bankiers und Intellektuelle – die mit Juden gleichgesetzt wurden – könne gerecht sein. Die Rezeption dieser Gesellschaftsvision in deutschsprachigen Zeitschriften der 1920er-Jahre legt die breite Akzeptanz von Antisemitismus und autoritären Strukturen offen. Während Ford seinen Antisemitismus nie verbarg, wird er auch in der seit 1945 geführten Diskussion über Fordismus nur als „Autokönig“ gesehen.
Das Jahr 1989 ist oft als „annus mirabilis" bezeichnet worden. Es handelt sich um eine der wenigen Zäsuren der Zeitgeschichte, die in den meisten europäischen Ländern eindeutig positiv besetzt ist. Mit dem Fall der Berliner Mauer existiert obendrein ein symbolischer und medial vermarktbarer Erinnerungsort, der das Bild von 1989 prägt.
Über Ereignisse, Folgen und Deutungen einer für Deutschland, Europa und die Welt bedeutsamen Zäsur reflektiert Christoph Kleßmann in seinem Beitrag über „1945“. Der Autor rekonstruiert zeitgenössische Interpretationen dieses Jahres als Niederlage, Befreiung oder Stunde Null und setzt sie ins Verhältnis zu historiografischen Deutungsmustern. Sein Beitrag für die Docupedia-Kategorie „Periodisierung“ vergleicht zudem „1945“ und „1989“ mit Blick auf das Spannungsverhältnis von gesellschaftsgeschichtlichen Brüchen und Kontinuitäten, das beide Chiffren aufrufen. Kleßmann diskutiert dabei auch, wie sich der Blick auf das Kriegsende durch den Fall der Mauer verändert hat.
Das Revolutionsjahr 1848 markiert den Aufbruch in die Moderne. Nicht zuletzt Berlin wurde zum Schauplatz einer fundamentaldemokratischen Bewegung bis dahin unbekannten Ausmaßes, in Dimensionen, wie sie - so muß man leider ergänzen - in den folgenden eineinhalb Jahrhunderten in den an traditionsbildenden demokratischen Ereignissen armen deutschen Staaten eine seltene Ausnahme geblieben sind.