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Am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main untersucht der Aufsatz vor allem die Zeit zwischen den frühen 1950er- und frühen 1980er-Jahren, also die von der Geschichtswissenschaft noch kaum betrachtete Phase jüdischen Lebens zwischen der Auswanderung der meisten „Displaced Persons“ und dem vermeintlichen „Coming Out“ der Juden in der Bundesrepublik. Der Fokus liegt auf den Konstitutionsbedingungen und Transformationen der kleinen, keineswegs homogenen jüdischen „Gemeinschaft“. Betrachtet werden insbesondere die individuellen Suchbewegungen, die die Angehörigen der zweiten Generation von Juden in der Bundesrepublik seit den 1960er-Jahren unternahmen – nicht nur, um ihren Platz zu finden in der Gesellschaft der ehemaligen Täter und Mitläufer, sondern auch im Verhältnis zur älteren Generation der Überlebenden. Dabei wird deutlich, dass die Geschichte jüdischen Lebens in der Bundesrepublik nicht allein als Religionsgeschichte zu betrachten ist, sondern ebenso als Migrations-, Sozial- und Mentalitätsgeschichte.
In konfessionsvergleichender Perspektive behandelt der Beitrag das Verhältnis der christlichen Großkirchen zu den sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik. Genauer untersucht werden die Interaktionen mit den frühen Protestbewegungen, der Studentenbewegung, der „Dritte-Welt“-Bewegung sowie der Friedensbewegung. Die Abgrenzungs- und Transferprozesse zwischen Kirchen und Bewegungssektor werden als Reaktionen des kirchlich verfassten Christentums auf die Wandlungsprozesse der bundesdeutschen Gesellschaft verstanden. Es wird gezeigt, dass die beiden Kirchen aus strukturellen, kirchenpolitischen und theologischen Gründen bei ähnlichen Herausforderungen verschieden agierten. Als Bindeglieder zu den sozialen Bewegungen werden die Bewegungsgruppen innerhalb und am Rande der Kirchen ausgemacht, die oft transkonfessionell handelten. Sie beförderten innerhalb der Bewegungen eine Moralisierung der Politik und in ihren Kirchen eine Politisierung der Religion.
Zentrales Thema des Beitrags ist die Geschichte der „Moscheen in umfunktionierten Räumen“. Diese etwas irreführend oft als „Hinterhofmoscheen“ bezeichneten Räume sind seit den 1980er-Jahren verstärkt durch Neubauten abgelöst worden, mit denen eine größere öffentliche Sichtbarkeit des Islams und dadurch nicht selten auch ein höheres Konfliktpotenzial verbunden ist. Der Blick auf sonstige soziokulturelle Räume des Islams bildet einen weiteren Schwerpunkt des Aufsatzes – ausgehend von der Beobachtung, dass sich „der Islam“ nicht sinnvoll allein mit „der Moschee“ assoziieren lässt. Die verschiedenen Strömungen des Islams haben sich auch in Vereinen, Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen ausgedrückt, bei denen religiöse und andere Funktionen unterschiedlich eng verbunden waren und sind. Es ist ein Anachronismus, dass die nichtmuslimische Gesellschaft vielfach erst durch Moschee-Neubauten die Existenz des Islams in der Bundesrepublik zur Kenntnis nimmt. Genauere zeitgeschichtliche und religionswissenschaftliche Forschung könnte das Bewusstsein für die gesellschaftliche, auch innerislamische Pluralität schärfen.
„Gott ist tot – macht nichts“, titelte kürzlich die „ZEIT“ und präsentierte ihren Lesern unter dieser Überschrift „Hausbesuche bei vier Atheisten“. Vergegenwärtigt man sich die Aufmerksamkeitsregeln von Printmedien, die ja vor allem auf das Außergewöhnliche als das Berichtenswerte setzen, dann sind auch diese Skizzen ein Beleg für die neue Konjunktur, die die Religion in all ihren Facetten findet. Hat die bewusste Abwendung von einem transzendental begründeten Glauben, gar an eine personal gedachte Gottheit (schon wieder) Neuigkeitswert? Dass Glauben nicht Wissen sei, sich die Entstehung der Welt auch ohne göttliche Fügung erklären lasse, moralisches Verhalten sich nicht ausschließlich aus religiösen Überzeugungen ableite – taufrisch sind die in den Gesprächen thematisierten Überlegungen nicht.
Zwischen Historisierung und Globalisierung: Titel, Themen und Trends der neueren Empire-Forschung
(2011)
The following article examines recent publications on empires and imperial history in world history, covering general overviews, comparative studies and monographs on individual cases. As a preliminary result of a general expansion of empire-studies – diachronically, with regard to different historical spaces and thematically – the authors identify a danger of inflating the concept and thereby weakening its analytical strength. Furthermore, a growing gulf between macro-perspectives and panoramas on the one hand and mikro-analyses on the other makes it difficult to achieve a suitable framework for precise research on empires. The article therefore argues in favour of a meso level, as the comparative view on the complex relation between empires and nation-states in the nineteenth and twentieth century can illustrate.
Sozialhistoriker haben sich traditionell schwer damit getan, die spezifische Form und Relevanz der Religion in der modernen Gesellschaft zu verstehen. Das lag nicht nur, wie oft unterstellt wird, an der unhinterfragten Gültigkeit eines weit verstandenen Säkularisierungskonzepts, das Religion als etwas Vormodernes per se aus der historischen Analyse der Zeit nach 1800 ausschloss. Es lag auch und zumal an der komplizierten disziplinären Lage der Religionsgeschichte, die lange zwischen einer konfessionell gebundenen und methodisch konventionellen Kirchengeschichte, einigen mit weitem Blick historisch arbeitenden Theologen sowie den Vertretern der ›säkularen‹ Sozialgeschichte eingezwängt war.
Nach einer langen und noch immer anhaltenden Hochphase der Visual Studies haben sich die Geistes- und Kulturwissenschaften in den vergangenen Jahren verstärkt auch der Kulturbedeutung der Klänge und des Hörens zugewandt. Dies ging zunächst auf die Entwicklung in einzelnen Disziplinen zurück. Innerhalb der Medienwissenschaft waren hier besonders die Film Studies und Radio Studies federführend.
„At the age of seventy, no one is allowed to feel old.“ - Discourses and images of old age in the welfare policy of Nazi Germany. Social policies of Nazi Germany aimed directly at cutting expenses for pensions and other social security benefits for old people. In order to reduce social costs, the age of retirement was supposed to be increased through various policies. In the field of scientific research, scientist of gerontology, industrial science and medicine delineated projects that promised to conserve work ability into a much older age. The declared goal was to make people work much longer than established retirement ages suggested. Especially during the war, new social policies increased the pressure put on older workers to postpone retirement or even to resume employment.
Ein historischer Rückblick bis zurück an die Schwelle zum 18. Jahrhundert mag für medizinische Praktiker müssig erscheinen. Angesichts beschleunigter wissenschaftlicher Innovation und eines präzedenzlosen Informationsüberflusses aus rezenter Forschung, mit dem Ärzte täglich konfrontiert werden, scheint die Geschichte der Medizin oder spezifisch die der Gesundheitsvorsorge des 19. Jahrhunderts längst nichts mehr mit der Gegenwart zu tun zu haben, geschweige denn uns irgendwelche Einsichten vermitteln zu können. In den folgenden Zeilen soll demgegenüber die These vertreten werden, dass die heute fortschrittlichste Form der individuellen Gesundheitsvorsorge in einigen Aspekten wieder an Konzepte des 19. Jahrhunderts anknüpft. Die rekonstruierbare historische Erfahrung - die einen kursorischen Durchgang durch einige der wichtigen Etappen und Aspekte dieser Geschichte erfordert - könnte helfen, die heutige Situation besser zu verstehen und zu zeigen, dass das, was Ärzte einerseits und Laien andrerseits im Feld der Prävention heute tun, was sie richtig und wichtig finden, vielleicht aber auch, was als besonders neu und einzigartig erscheint, nicht neu ist, sondern auf einer spezifischen Traditionslinie liegt.
Als sich im Herbst 1989 Oppositionelle in Gruppen zusammenschlossen, um eine Reform der verkrusteten Herrschaftsstrukturen der DDR im Sinne einer zivilgesellschaftlichen Perspektive zu erzwingen, ging es vor allem um die Zukunft. Heute, gut 20 Jahre danach, geht es um die Vergangenheit – ein gravierender Paradigmenwechsel in der öffentlichen Debatte, der die Frage nach dem Sinn und der Bedeutung einer »Historisierung« politischer Kommunikation provoziert.
Die Vorstellung, das Konzentrationslager sei eine das Dritte Reich definierende Institution gewesen, ist zu einem Gemeinplatz über die 1930er Jahre geworden. Dies gilt ebenso für die Annahme, dass die deutschen Lager brutalere Instrumente waren, um Geist und Körper ihrer menschlichen Fracht zu brechen, als jede andere Form der Internierung. 1940 veröffentlichte der ungarische Autor und Journalist Arthur Koestler einen Bericht über seine Erfahrungen als Kommunist und Jude in Le Vernet, einem französischen Konzentrationslager für feindliche Ausländer. Zu seinem Glück wurde Koestler aus dem nahe der spanischen Grenze gelegenen Lager entlassen, bevor die Deutschen eintrafen.
“The Power of Images”, and in particular their emotional effect, is a common topos in historiography and other disciplines. Nevertheless it is not clear what the topos stands for. By exploring emotional responses to pictures, this article proposes a preliminary methodology for future case studies. Where do historians find their material when searching for emotional effects? In what ways do historians
actively produce the images they then analyse? This article debates these questions using photographs dating from the First World War to the War in Iraq in 2003.
Das Erdklima hat auch früher Phasen der Erwärmung und Abkühlung erlebt, ich gehe jedoch davon aus, dass die gegenwärtige globale Erwärmung im Wesentlichen anthropogen, also von Menschen gemacht ist. Die Idee einer anthropogenen globalen Erwärmung ist nicht neu, es gibt sie schon mindestens seit der Zeit der Aufklärung. Heute wird diese Hypothese jedoch auf breiter Front von der Klimaforschung gestützt.
In Nürnberg formulierten die Alliierten 1945 erstmals das völkerrechtliche Prinzip, dass allgemeine Menschenrechte über nationalem Recht stehen. Damit wurde es möglich, staatlich sanktionierte Verbrechen zu ahnden – in diesem Fall die deutschen Verbrechen der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs. Seit den 1990er-Jahren haben diverse vergleichbare Prozesse stattgefunden, etwa zu den Ereignissen in Jugoslawien, Ruanda und Kambodscha. Dass das Führungspersonal eines Landes für Kriegsverbrechen und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ strafrechtlich belangt werden kann, war im 20. Jahrhundert stark umkämpft und ist bis heute nicht vollständig durchgesetzt. Der Aufsatz stellt die drei wichtigsten Etappen im Überblick dar: die Leipziger Prozesse nach dem Ersten Weltkrieg, die Prozesse von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Debatte um die Entstehung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Strittig war und ist vor allem, inwieweit auch Großmächte wie die USA bereit sind, universellen Menschenrechten und einer supranationalen Autorität gegenüber herkömmlichen nationalen Souveränitätsrechten einen Vorrang einzuräumen.
Die Jahrzehnte »nach dem Boom«, also nach der ökonomischen Krise von 1973, erscheinen in historischen Darstellungen häufig wie eine Phase der Stagnation. Für viele Bereiche gilt dies freilich nicht. In der westdeutschen Werbewirtschaft etwa stiegen bereits in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre allein in der Tagespresse die Umsätze um 50 % auf gut fünf Milliarden DM (...)
Am Beispiel von Gustav Krukenberg (1888–1980), der zunächst in den 1920er-Jahren Sekretär des deutsch-französischen „Mayrisch-Komitees“ war, dann 1933 für kurze Zeit den Reichsrundfunk leitete und am Ende des Zweiten Weltkriegs zum „Inspekteur“ der französischen SS-Division „Charlemagne“ wurde, um schließlich in den 1960er-Jahren als führendes Mitglied des „Verbands der Heimkehrer“ für eine deutsch-französische Versöhnung im europäischen Rahmen einzutreten, werden drei verschiedene Typen von Verständigungs- und Europapolitik skizziert, die sich eher einer konservativ-autoritären als einer liberal-demokratischen Europa-Konzeption verdanken. Bei seiner regen Vortragstätigkeit vor allem während der 1960er-Jahre stützte sich Krukenberg auf ein christlich-abendländisches Geschichtsbild, das die Jahre 1933–1945 völlig ausblendete. Die Berufung auf „Europa“ konnte also in sehr unterschiedlichen politischen Konstellationen als verbindendes Stichwort dienen und ermöglichte ein erstaunliches Bewusstsein der Kontinuität.
Am Beispiel des Elsass verfolgt der Aufsatz das Spannungsverhältnis von Europa-Konzepten und regionaler Selbstverortung im 20. Jahrhundert. Der zeitliche Schwerpunkt liegt auf den 1920er- und 1930er-Jahren als der entscheidenden strukturbildenden Periode regionaler Europa-Konzepte. Die damaligen Frontstellungen und Wahlverwandtschaften der Bezüge auf „Europa“, „Volkstum“ und die „deutsch-französische Verständigung“ blieben bis in die 1970er-Jahre prägend. Für die Zwischenkriegszeit ist die Unterscheidung zwischen „liberalen“ und „antiliberalen“ Konzepten zu problematisieren, da die regionalen Europa-Konzepte in den Zusammenhängen von Minderheitendiskussion und elsässischer Autonomiebewegung grundsätzlich ambivalent waren. Erst nach den Locarno-Verträgen (1925/26) zeichneten sich die antiliberalen Orientierungen eines „integralföderalistischen“ Europa-Konzepts deutlich ab. Der Aufsatz betont die Notwendigkeit, liberale und antiliberale Europa-Semantiken in gemeinsamen, längerfristigen Entwicklungsgeschichten zu untersuchen, um so auch die NS-Zeit stärker zu kontextualisieren.
Der polnische Antiliberalismus der 1920er- und 1930er-Jahre versteckte sich in den Formen des polnischen „Patriotismus“, des klassischen „Unabhängigkeitskämpfers“, in dem Wunsch, staatliche Souveränität durch Teilföderationen mit den Nachbarländern abzusichern. Politische Eliten im Polen der Zwischenkriegszeit haben keine Alternative dazu gesehen, mit Europa anders zu sprechen als aus der Position eines „starken“ Partners. Und diese Position glaubten sie nicht durch demokratische Reformen erreichen zu können, nicht durch einen liberalen Umgang mit den Minderheiten, nicht durch bilaterale oder transnationale Zusammenarbeit, sondern durch die Wiederbelebung der Idee der multinationalen Jagiellonischen Union. Sie war ihnen als „Vorstufe“ einer europäischen Integration genug. Näher erläutert werden zwei konkurrierende Varianten der antiliberalen Grundtendenz: Roman Dmowskis nationalistischer, pro-westlicher Entwurf einer mitteleuropäischen Föderation sowie Jozef Piłsudskis autoritärer Entwurf eines slawischen Großraums zwischen Deutschland und Russland.
In der gegenwärtigen Krise europäischer Integration richtet sich der kritische Blick der Historiker auch auf problematische Ursprünge „Europas“ im 20. Jahrhundert, und hier besonders auf die NS-Zeit. Die zeitweilige deutsche Hegemonie über den Kontinent während des Zweiten Weltkriegs, die mit millionenfachen Massenmorden verbunden war, wurde in Teilen der Literatur als Ausdruck antieuropäischer Ideologie und Praxis bezeichnet, die Anwendung des Integrationsbegriffs auf die nationalsozialistische Herrschaftsausübung dagegen scharf kritisiert, ja sogar als „Pseudowissenschaft“ abgetan. Im Kontext des vorliegenden Themenhefts und im Licht neuerer Forschungen soll hier noch einmal gefragt werden, ob und wie sich die Zeit des Nationalsozialismus und besonders des Zweiten Weltkriegs als Teil europäischer Integrationsgeschichte interpretieren lässt.