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Im März 2001 stellte das Unternehmen DITEC vor dem Münchner Amtsgericht Antrag auf Insolvenz. Dieses Ereignis fand weitgehend unterhalb der Wahrnehmungsschwelle einer breiteren Öffentlichkeit statt und hatte auch wenig Spektakuläres an sich. Die DITEC-Insolvenz würde sich kaum von Tausenden ähnlicher Fälle jedes Jahr unterscheiden, wenn sie nicht den Endpunkt eines langen Niedergangs eines einstmals bedeutenden deutschen Computerherstellers markieren würde. Die DITEC kann als Gründung aus einer Notsituation heraus beschrieben werden. Sie war als eine Mitarbeitergesellschaft von damals rund 1.500 Beschäftigten verschiedener deutscher Tochtergesellschaften des US-Computerkonzerns Digital Equipment Corporation (DEC) entstanden. DITEC stand als Abkürzung für „Deutsche Informationstechnologie“. Der Verweis auf Datentechnik made in Germany war zum Zeitpunkt der Gründung 1995 eher trotzig gemeint und zielte gegen den damaligen US-amerikanischen Eigentümer DEC, in dessen Konzernstrategie kein Platz mehr für eine eigenständige Entwicklung und Produktion in der Bundesrepublik war. Die deutschen DEC-Töchter standen 1994/95 kurz vor der Schließung. Ein großer Teil der Mitarbeiter wollte aber das Ende ihres Betriebes nicht hinnehmen und hatte sich deswegen zusammengeschlossen und das Geld aus dem Sozialplan in einen unternehmerischen Alleingang investiert. Dafür nutzten sie die rechtliche Hülle der Digital-Kienzle Informationstechnologie GmbH & Co. KG mit Sitz in Villingen-Schwenningen, einer der zur Schließung anstehenden DEC-Tochtergesellschaften.
Popgeschichte ist bisher vor allem eine Geschichte von Musik und Jugendkultur und sie beschreibt, wie bestimmte Musikstile zur Basis und zum Mittel für den Ausdruck eines je spezifischen Lebensgefühls wurden. Popästhetische Darstellungen wiederum fokussieren bestimmte Musikstile, deren Macher sowie die sich herausbildenden Hör- und Lebenskulturen der jeweiligen Anhängerschaften. Jedoch ist eine Geschichte des Pops mehr als eine Geschichte von Popmusik, Musikkonsum und der Herausbildung oftmals generationenspezifischer Identitäten und Lebensstile. Neben Hörern, Popstars und Popindustrie müssen am Schnittfeld von Pop-Machern und Pop-Hörern auch die Pop-Medien (Schallplatte, Tonband bzw. Kassette, MP3-Files und Streams) und die für das Hören notwendigen Geräte historisiert werden. Diese materiale Basis des Pop-Hörens – und damit auch Fragen ihrer Produktion, ihrer Aneignung und Nutzung – soll im Folgenden im Vordergrund stehen.
Migration und Mobilität, aber auch der Wunsch danach haben entscheidend zu den einschneidenden politischen, sozialen und kulturellen Transformationen des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts beigetragen. Die Forderung nach Reisefreiheit etwa stellte einen wichtigen Auslöser und Beschleuniger für den Umbruch in Osteuropa dar. Zugleich gehörten umfassende Migrationsbewegungen zu den in der Öffentlichkeit besonders stark wahrgenommenen Folgen des Umbruchs. Darüber hinaus sind die Wanderungsbewegungen zwischen Ost und West eine »Verf lechtungsthematik par excellence«, wenn auch die Verflechtung stark asymmetrisch blieb. Mein Beitrag verbindet deshalb die vielfältigen Mobilitätsformen, die Ost und West verbanden, aber auch trennten. Er thematisiert dabei zum einen die Wanderungsbewegungen zwischen Ost- und Westdeutschland und zum anderen die Migration aus anderen Ländern in die Bundesrepublik und die DDR bzw. ins wiedervereinigte Deutschland. Zudem kontextualisiert er beides mit anderen Formen der Mobilität, wie dem Reisen. Wenngleich die Ausländerzahlen in Ostdeutschland bis heute gering blieben, ist darüber hinaus vergleichend nach dem Umgang mit nicht-deutschen (Arbeits-)-MigrantInnen zu fragen und auf die nationalen Selbstverständigungsdebatten angesichts einer wachsenden Zahl Nicht-Deutscher einzugehen. Neben den sozioökonomischen Motiven und Effekten der Migrationsbewegungen sollen auch die kulturellen Auswirkungen, der Wandel der Gesellschaft sowie die Semantik in den Migrationsdebatten analysiert werden.
Nur auf den ersten Blick erscheint es überraschend, dass die amerikanische Militärzeitschrift Parameters im letzten Heft des Jahres 2010 einen fast 40 Jahre alten Vortrag der Historikerin und Publizistin Barbara W. Tuchman wieder abdruckte. Beim zweiten Hinsehen hingegen fällt es leicht, den Vorgang als Symptom einer Dauerproblematik in den politisch-militärischen Beziehungen der Vereinigten Staaten zu dechiffrieren. Aber erst im dritten Anlauf wird deutlich, wie tief greifend die gegenwärtigen Herausforderungen an die institutionelle Organisation und Einhegung militärischer Gewalt tatsächlich sind – Herausforderungen, die sich in unterschiedlichen Ausprägungen in vielen westlichen Demokratien beobachten lassen. Diese Beobachtung führt dann, viertens, zu Überlegungen, die Jan Philipp Reemtsma in seiner Studie über »Vertrauen und Gewalt« angestellt hat.
Die Erforschung der Geschichte verfügt selbst über eine höchst interessante Geschichte und entfaltet ihre eigene Dynamik und Agenda. Eine Möglichkeit, jüngste Trends zu charakterisieren, wäre die Feststellung, daß die Internationalisierung der Geschichtsforschung die traditionelle Betonung der "Nation" als Analyseeinheit in bedeutender Weise verändert hat. Nationale Geschichte wurde bereichert, erweitert und in einigen Fällen sogar durch internationale und globale Geschichte in Frage gestellt. In diesem Beitrag möchte ich zunächst auf die Internationalisierung und Globalisierung der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahrzehnten eingehen und dann den wachsenden Einfluß diskutieren, den Internationale Geschichte auf nationale Geschichte hatte. Schließlich möchte ich einige Beobachtungen zur Etablierung von Globaler Geschichte als einer Subdisziplin in Abgrenzung von Internationaler Geschichte anfügen.
Die folgenden Überlegungen haben den Charakter einer Gegenthese. Sie sind gegen eine Ansicht formuliert, die seit einiger Zeit eine diskursbestimmende Rolle in der Kulturöffentlichkeit spielt. Dabei handelt es sich um die Auffassung. daß das, was man mit Begriffen wie Kulturinszenierung, Bilderkult, Ausstellungsspektakel, Erlebnisort Museum oder wie auch immer zu fassen versucht, Erscheinungen einer event-hungrigen Gegenwart sind und daß die Massivität, in der sie in den letzten Jahren zu beobachten sind, eine Deformation des Museums, seine Umwandlung in einen Amüsierbetrieb, befürchten lasse.
In seiner 1947 erschienenen Darstellung der »Lingua Tertii Imperii«, der Sprache des Dritten Reiches, beschrieb Victor Klemperer die Motive für die Publikation seiner Aufzeichnungen. Nach dem Ende des Krieges, »wo die Gefahr vorüber war und ein neues Leben sich vor mir auftat, da fragte ich mich doch, womit ich es nun zuerst anfüllen sollte, und ob es nicht Eitelkeit und Zeitvergeudung sein würde, wenn ich mich in die angeschwollenen Tagebücher versenkte ... Bis mich ein Wort zum Entschluss brachte.
Auf das Klischee der "Gleichschaltung“ wies bereits 1984 Gabriele Toepser-Ziegert in der Einführung zu den von ihr bearbeiteten „NS-Presseanweisungen der Vorkriegszeit“ hin. In die Welt gesetzt wurde es 1947 durch Karl August Brammer, Journalist und Teilnehmer der Reichspressekonferenzen von 1919 bis 1944, der in seiner eidesstattlichen Erklärung zu den Nürnberger Prozessen zu Protokoll gab, dass es „nach dem 30. Januar 1933 [...] in Deutschland keine Pressefreiheit mehr“ gegeben habe und die von der Regierung ausgegebenen Anweisungen und Nachrichten befolgt werden mussten, ansonsten war mit Bestrafung oder Zeitungsverbot zu rechnen.
Dieser geschilderte Sachverhalt war eine starke Vergröberung, mit dem er nicht nur die Journalisten in den „Opferstatus“ hob, sondern zugleich auch der deutschen Bevölkerung das Argument an die Hand lieferte, es sei getäuscht worden und hätte somit von allem nichts gewusst. Folglich war alles in der Zeit von 1933 bis Kriegsende Propaganda. Die Fotografien der NS-Zeit wurden und werden – teilweise bis heute – als propagandistisch beurteilt, was eine beabsichtigte Täuschung und Manipulation der Bevölkerung impliziert.
Die Propagandatruppen der deutschen Wehrmacht waren eine ihrem Wesen nach einzigartige militärische Organisation. Kein anderes am Zweiten Weltkrieg beteiligtes Land verfügte über eine militärische Organisation dieser Größenordnung, die einzig und allein der psychologischen Kriegsführung diente. Dies war der Grund für Deutschlands Überlegenheit hinsichtlich der Kriegsberichterstattung in den meisten Phasen des Zweiten Weltkrieges. Die Propagandaeinheiten der Wehrmacht, deren bekannteste die Propagandakompanien (PK) waren, wurden im Hinblick auf spezielle Aufgaben geschaffen, deren Erfüllung man als für den Erfolg künftiger militärischer Konflikte notwendig erachtete. Aufgrund seiner besonderen Struktur und der speziellen Betätigungsfelder wurde dieser Bereich in hohem Maße in das NS-System eingegliedert.
Infolgedessen kam den Propagandatruppen bezüglich der Akzeptanz der Wehrmacht bei der Bevölkerung wie auch bei der Indoktrinierung von Wehrmacht und Nation gleichermaßen im Geiste der Naziideologie eine Schlüsselrolle zu.
Gesundheit ist ein zentraler Begriff heutiger Gesellschaften. Er verbindet individuelles Wohlergehen und Eigenverantwortung mit kollektiven, sozialstaatlich gesicherten Ordnungsvorstellungen zum Erhalt von Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Der Erhalt von Gesundheit und die Verhinderung von Krankheit ist nicht nur eine private, sondern auch eine öffentliche Aufgabe. Gesundheit und Prävention sind nicht nur wandelbare, sondern auch „gesellschaftlich gebundene“ Begriffe. Damit ist nicht nur die Abhängigkeit präventiver Vorstellungen und Ziele von wissenschaftlichen Kenntnissen und ihrer Vermittlung gemeint, sondern - da Prävention nur gemeinsam zu realisieren ist - von dem gesellschaftlichen und institutionellen Ort, der ihr zugewiesen wird.
Eine Betrachtung der Prävention im 20. Jahrhundert spiegelt zwangsläufig die Reformbewegungen, Einschnitte und Rückschritte, aber auch die zentralen Themen und Argumentationslinien wider, die auch die wechselvolle Geschichte der politischen Systeme und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen des vergangenen Jahrhunderts prägen. Häufig wurde der Prävention nur eine marginale Rolle für die Gesunderhaltung der Bevölkerung zugeschrieben - oft verbunden mit einer geringen Konzepthaftigkeit für die Prävention in der (Gesundheits-)Politik.
1983, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, äußerte sich die britische Sozialanthropologin Mary Douglas in ironischer Zuspitzung zur Risikowahrnehmung der amerikanischen Bevölkerung: „What are Americans afraid of? – Nothing much really, except the food they eat, the water they drink, the air they breathe [...].“ (Douglas 1983: 10) In einer Zeit, die vom Wettrüsten, einer schlechten Wirtschaftslage und horrenden Staatsdefiziten geprägt war, drehten sich die Alltagssorgen Amerikas nicht um die großen politischen und wirtschaftlichen Krisen der Zeit, sondern um banale Ernährungs- und Trinkgewohnheiten. Zweierlei ist bemerkenswert am Kommentar von Douglas. Er verweist einerseits auf die Alltäglichkeit moderner Risikovorstellungen und der damit verbundenen Präventionspraktiken. In der Tat haben gesundheitspolitische Popularisierungen und pathologisierende Formen der Zivilisationskritik in vielen westlichen Ländern dazu geführt, dass im 19. und 20. Jahrhundert überlieferte Formen des Essens und Trinkens problematisiert, aufgebrochen und zum Gegenstand eines gesundheitsorientierten Präventionsdiskurses gemacht wurden.
Der vorliegende Beitrag beschreibt die bedeutendste migrantische Ansiedlung im Kerngebiet der europäischen Integration: den New Jungle am Rande von Calais. In den nur knapp anderthalb Jahren, in denen diese Siedlung bestand und in denen sie eine ungeheure Dynamik entfaltete, besuchte ich sie fünfmal für jeweils einige Tage, um mir einen Eindruck von ihrem Entstehungskontext, nämlich dem Zusammentreffen einer globalen Migrationsroute mit einer nationalen Grenze, zu verschaffen. Es war also immer auch eine Recherche in einem Grenzraum, doch sollte sich zeigen, dass es in diesem Raum mehrere Grenzen gibt: nicht nur die Staatsgrenze Frankreichs zu Großbritannien, sondern auch eine zweite Grenze ganz eigener Art, die den Raum des New Jungle vom Raum staatlicher Normalität trennte. Weder die eine noch die andere Grenze verliefen dabei linear, vielmehr konstituierten beide abgestufte und verschachtelte Zonen mit eigenartigen Formen der Überlagerung, Okkupation, Exklusion und Autonomie.
Rechenzentrum
(2012)
»Wer kontrolliert, wer bewacht, wer überwacht mein Gedächtnis? Das liegt ja nicht in Gottes Hand, in einer Wolke, sondern tatsächlich in einem Rechenzentrum irgendwo« – man mag über das Bild von irgendwo herumliegenden Gedächtnissen schmunzeln, dass Claus Kleber im heute journal (5. März 2012) gebrauchte, um dem Zuschauer das Cloud Computing zu erklären. Wo ist »irgendwo«? Es sind Rechenzentren, ohne die heute digital und damit in unserem Alltag nichts mehr geht, egal ob beruflich oder privat. In sie fließen – von der Hardwarebeschaffung bis zur Stromrechnung – enorme Geldsummen. Und trotzdem scheinen Rechenzentren häufig noch durch das Netz wissenschaftlicher und ganz allgemein gesellschaftlicher Aufmerksamkeit zu rutschen. Vielleicht liegt das an der vorgestellten Boden- oder Ortlosigkeit des Digitalen, die sich in Begriffen wie »Cloud« oder »Virtualität« widerspiegelt. Oder möglicherweise greift hier auch eine Profanisierung des Rechenzentrums als Dienstleistungseinrichtung und eine damit einhergehende Unsichtbarmachung von Arbeit in der Traditionslinie des »stummen Dienens«, ein Übersehen dieses Ortes.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts stand Mathematikern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren eine Reihe von mathematischen Methoden (numerischen und graphischen Verfahren) sowie technischen Hilfsmitteln (Instrumente, Apparate, Maschinen, Tafelwerke) zur Verfügung, um exakte Lösungen bzw. Näherungslösungen für mathematische Probleme »ausrechnen« zu können, die im Zusammenhang mit ihrer wissenschaftlichen oder praktischen Arbeit auftraten. Ein genauerer Blick zeigt, dass um 1900 ein ganzer »Apparate- und Methoden-Zoo« zur Verfügung stand, dessen Klassifizierung – um im Bild zu bleiben – einen sehr kundigen »Apparate- und Methoden-Zoologen« erforderte, um die »Morphologie« und »Anatomie« der Apparate und deren »Physiologie« (in Bezug auf die informationsverarbeitenden Funktionen) zu überblicken. So gab es z. B. weit verbreitete Apparate und Methoden wie Rechenschieber und Planimeter, mechanische Rechenmaschinen, Multiplikations- und Logarithmentafeln oder das Runge-Kutta-Verfahren zur numerischen Lösung gewöhnlicher Differentialgleichungen, aber auch nur in Einzelexemplaren existierende Geräte, wie die im 19. Jahrhundert verschiedentlich entwickelten Gleichungswaagen.
Als Karl Heinz Bohrer im Herbst 1975, ein Jahr nachdem er durch einen Coup seinen Posten als Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an Marcel Reich-Ranicki verloren hatte, als FAZ-Korrespondent nach London kam, stellte er fest: "London swingt längst nicht mehr". In den fünfziger Jahren hatte der jugendliche Bohrer einige Zeit in der britischen Metropole verbracht und dabei deren kosmopolitische Kultur schätzen gelernt. Trotz Kriegsschäden und anhaltender Austeritätspolitik hatten die Briten damals optimistisch in die Zukunft geblickt. Nun hingegen fand Bohrer überall Symptome einer "Saisonkrankheit", die "etwas prätentiös Nostalgie genannt" wurde. In der Popkultur, die Anzeichen einer nostalgischen Melancholie zeigte, im sich deindustrialisierenden Manchester, das der Nostalgie als Mittel zum Überleben bedurfte, auf dem Flohmarkt in der Portobello Road, in den Medien, der Kunst und der Mode. Die von ihm beobachtete Nostalgie führte Bohrer auf den Untergang des Empires und auf einen ausgeprägten "Sinn für Geschichte" zurück. Hier sah Bohrer einen deutlichen Unterschied zu Westdeutschland, denn er war überzeugt, "daß die bundesrepublikanische Bevölkerung – ihre Intellektuellen eingeschlossen – über das Jahr 1945 hinaus nicht zurückdenken können."
Museen sind seit langem keine stillen Musentempel mehr. Das gilt auch für historische und volkskundliche Museen, die im Folgenden ausschließlich behandelt werden. Sie müssen ihr Bestehen durch ihre Erfolge rechtfertigen. Dabei wäre noch ein großes Stück Arbeit zu leisten, um komplexe und mehrdimensionale Erfolgskriterien zu entwickeln. Interessant wären z.B. Indikatoren wie Leserkontakte anhand der Pressemeldungen, Resonanz in fachwissenschaftlichen Publikationen oder die Urteile der Kritik – die aber leider im Museumsbereich ziemlich unterentwickelt ist und keinen Vergleich mit der Literaturkritik aushält. Einstweilen aber, und dazu tragen die Museen durch weitgehende Inaktivität in diesem Bereich bei, bleibt das einzig Messbare oft die Besucherzahl.
Jürgen Habermas stellte vor einiger Zeit fest, dass Bürger diejenigen »Krisen«, die durch den Abbau staatlicher Leistungen im Bereich der Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen entstehen, als »lebensweltlichen Stress« erlebten. Das Wort »Stress« hat sich nicht nur in der gesellschaftsdiagnostischen Fachliteratur einen legitimen Platz erobert, sondern auch im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs enorm verbreitet, und ebenso die Praktiken zu seiner Bewältigung. »Nicht mehr Staat und Gesellschaft, sondern der multioptional einsetzbare Einzelne bildet nun den Knotenpunkt aller Verhältnisse. Im Fall der Ich-AG ist jeder Einzelne sogar Arbeiter und Unternehmer in einer Person; er ist Selbstmanager und Direktvermarkter und damit allein zuständig für Scheitern und Gelingen seines Lebens.«
‘Soziale Sicherheit’ ist wie sein englisches (‘Social Security’) und sein französisches (‘Sécurité sociale’) Synonym zu einem Leitbegriff der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung geworden. Während es die deutsche Sprache gestattet zwischen normativem Leitbild (‘Soziale Sicherheit’) und seinen institutionellen Umsetzungen (‘Soziale Sicherung’) semantisch zu unterscheiden, decken ‘Social Security’ und ‘Sécurité sociale’ grundsätzlich beide Bedeutungen. Allerdings hat sich in neuerer Zeit das institutionelle Verständnis ganz in den Vordergrund geschoben. Erst unter dem Eindruck eines Diskurses, welcher 'Globalisierung' als Gefahr für die europäische Wohlfahrtstaatlichkeit thematisiert, tritt auch die normative Komponente des Begriffs wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein.