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Wie kein zweiter Gedächtnisort prägte die Gedenkstätte Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar den antifaschistischen Kanon und die Erinnerungspolitik in der DDR. Ebenso nachhaltig beeinflußten die Kino- und Fernsehadaptionen des Romans "Nackt unter Wölfen" die Vorstellungen vom heroischen Kampf der Buchenwald-Häftlinge um ihre Selbstbefreiung. Weitere Kinofilme und Fernsehbeiträge popularisierten in der Folgezeit diese Lesart der Ereignisse.
Der Band zeichnet das Entstehen der filmischen Bilder nach und setzt Gedenkpolitik und Bildproduktion zueinander in Beziehung. Anhand alten und neuen Archivmaterials rekonstruiert der Autor den Entstehungs- und Gebrauchskontext der in der Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald gezeigten Einführungsfilme. Dabei weist er Ausblendungen unbearbeiteter Erinnerungen von ehemaligen Buchenwald-Häftlingen nach und dokumentiert vielschichtige, widersprüchliche Kontrollmechanismen des offiziellen Geschichtsbildes. (Quelle: Verlag. http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-09804-9.html)
Im Juli 1959 erklärte das Bundesverfassungsgericht den so genannten „väterlichen Stichentscheid" für verfassungswidrig. Mit dieser Entscheidung verwarf es zwei Paragraphen des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957, in denen sich ein patriarchalisches Verständnis elterlicher Autorität niedergeschlagen hatte. Diese Entscheidung des Gerichts lässt sich als ein Durchbruch einer emanzipatorischen Geschlechterpolitik interpretieren. Die Argumentation der Richter entsprach einem in der westdeutschen Öffentlichkeit verbreiteten Bedürfnis, väterliche Autorität nicht mehr als ein natürliches Entscheidungsrecht des Mannes und ein hierarchisches Verhältnis von Befehl und Gehorsam zu interpretieren. Die Suche nach neuen Formen der Vaterschaft war in der frühen Bundesrepublik ein zentrales Thema der allgemeineren Selbstverständigung über Autorität und Demokratie. In der Debatte um den „demokratischen Vater" experimentierten die Westdeutschen mit einem Lebensgefühl, das es ihnen erlaubte, die Bundesrepublik nicht nur als Schicksal, sondern als Chance zu begreifen.
Geschichtsdidaktik als „Wissenschaft vom historischen Lehren und Lernen“ oder als Wissenschaft, die sich die Erforschung des „Geschichtsbewusstseins in der Gesellschaft“ zum Ziel gesetzt hat: Schon diese beiden Definitionen zeigen, dass die Geschichtsdidaktik zwei zentrale, sich gegenseitig bedingende Gegenstandsfelder besitzt, die für eine Betrachtung des Verhältnisses zur Zeitgeschichte1 von zentraler Bedeutung sind: Klassisches Gebiet einer Fachdidaktik und damit auch der Geschichtsdidaktik sind die schulischen Lehr- und Lernprozesse im jeweiligen Fach, in diesem Fall also im Geschichtsunterricht bzw. in relevanten Nachbarfächern. Daneben hat sich die Geschichtsdidaktik seit den 1970er-Jahren aber noch ein zweites Standbein erarbeitet, nämlich die Erforschung der Erscheinungsformen und Funktionen des Geschichtsbewusstseins, heute meist „Geschichtskultur“ genannt - sowohl im Hinblick auf seine gegenwärtige Praxis als auch in historischer Perspektive.
Datenmüll und Infosmog. Über einige Hindernisse (kultur)wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns heute
(2004)
In diesem Beitrag geht es nicht um (zeit)historiograpische Inhalte oder Methodenprobleme im engeren Sinne. Das Augenmerk soll vielmehr bestimmten Bedingungen gelten, die das Umfeld der Forschung ausmachen. Das abgebildete Trüffelschwein und wir Wissenschaftler haben zumindest eines gemeinsam − die Fülle potentiell relevanter Informationen für unser jeweiliges Fachgebiet übersteigt die Aufnahmefähigkeit bei weitem. Der Literaturwissenschaftler Harald Weinrich hat das Problem folgendermaßen skizziert: „Wer heute, etwa als junger Wissenschaftler, in das Unternehmen Forschung eintritt und dabei auch das Handwerk der Informationsbeschaffung gelernt hat, sieht sich alsbald, und zwar in ausnahmslos jedem Fach und bei fast jedem Thema, einem so überwältigenden Informationsangebot gegenüber, daß er Jahre braucht, um diesen Informationsberg zu erklimmen. Oben angekommen, wo sein eigenes Suchen und Forschen beginnen könnte, muß er feststellen, daß inzwischen, während er den ‘Stand der Forschung’ erarbeitet hat, längst wieder andere Berge von Materialien, die zur Kenntnis genommen werden wollen, nachgeschoben worden sind. Denn Hunderttausende von Wissenschaftlern produzieren eben Millionen von Büchern, Zeitschriftenaufsätzen und anderen Datenangeboten, die unabsehbar weit über die Kapazität eines einzelnen Menschen hinausreichen.“
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(2004)
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(2004)
„Erinnerung ohne Phantasie gibt es nicht“, hat György Konrád einmal gesagt. Dieser apodiktische Satz wäre durchaus zu widerlegen, denn bisweilen sind auch
phantasielose Erinnerungspraktiken zu beobachten. Zu Recht macht Konrád aber darauf aufmerksam, daß Erinnerung nicht bloß vergangenheitsbezogen sein muß. Wenn sich das Erinnern mit der Phantasie verbindet, gewinnt es eine Zukunftsdimension und weist über rein antiquarische Rückblicke hinaus.
Ein stärkerer Dialog, ja eine Zusammenarbeit zwischen der europäischen und der außereuropäischen Zeitgeschichte ist dringend notwendig. Hierfür ist die Geschichte der einzelnen Weltregionen im 20. Jahrhunderts zu verwoben und geprägt von globalen Krisen, weltweiten kulturellen Strömungen und sozioökonomischen Strukturen. Allerdings sehe ich die Notwendigkeit einer solchen Kooperation weniger darin begründet, dass - wie es der Einleitungstext in Anknüpfung an Fernand Braudel formuliert - Europa beständig über seine Grenzen hinausgegriffen“ habe. Dies klingt, als ob sich Europa vor allem deswegen mit dem Rest der Welt beschäftigen müsse, da es diesen nachhaltig geprägt habe. Die Sichtweise, dass Europa vornehmlich als Kolonialmacht und modernisierende Schockwelle mit anderen Erdteilen in Berührung kam, sollte neu überdacht werden.
Weltgeschichte ist zu einer neuen Herausforderung für Historiker geworden. Neue Handbücher zur Weltgeschichte werden veröffentlicht. Artikel über die Zukunftschancen und die Schwierigkeiten beim Schreiben einer Weltgeschichte werden zahlreicher. Konferenzen über Weltgeschichte werden häufiger organisiert. Verleger eröffnen in ihren Katalogen Rubriken zur Weltgeschichte. Seminare über Weltgeschichte sind voll. In manchen Ländern soll Weltgeschichte sogar in die Schulbücher aufgenommen werden.
Die deutsche Filmgeschichte und Leni Riefenstahl (1902-2003), das war immer eine besondere Beziehung. Zum 100. Geburtstag der Regisseurin und dann in den Nachrufen konnte man die Spuren, Nachwirkungen und mitunter auch Fortschreibungen einer über Jahrzehnte geführten Auseinandersetzung feststellen, aber auch das seltsame Phänomen beobachten, dass die politischen Einwände gegen ihre Filme - von „Sieg des Glaubens“ bis „Tiefland“ - deutlich geringer geworden waren. Tatsächlich ist die Rezeption Riefenstahls in der deutschen Öffentlichkeit ein aufschlussreiches Phänomen, denn in ihr sind Konjunkturen und Wendungen zu beobachten, die ebenso viel über allgemeinere Entwicklungen im Verhältnis zur deutschen Geschichte verraten wie über den speziellen „Fall“ Riefenstahl. Dass sich eine Website die Aufgabe stellt, „mit einem Überblick über die Rezeptionsgeschichte von Leni Riefenstahl eine Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit einer der umstrittensten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts zu geben“, ist daher eine vom Ansatz her verdienstvolle Entscheidung. Allerdings hat es mit dieser Website dann auch eine besondere Bewandtnis - sie ist ein Beleg dafür, dass das Internet nicht selten Relikte und Datenfriedhöfe enthält.
`Contemporary history' is inherently relevant to, indeed an integral part of, political and social processes in the present. Yet, despite a high level of politicisation of historical debates, the issue of `objectivity' or `value neutrality' cannot be addressed solely in terms of the views of the individual historian, or the wider functions fulfilled by a particular historical interpretation. Attention needs to be shifted to the conceptualisation and `emplotment' of a historical narrative within a given theoretical paradigm. Professional history entails not (merely) the imposition of creative stories, as post-modernists would have it, nor (only) the digging up of ever more `facts' about the past, as on the empiricist view. Rather, it is a puzzle-solving discipline requiring appropriate conceptual tools for the investigation of specific, theoretically constructed, questions. This article reviews recent developments in German contemporary history in the light of this framework.
„Was machen Sie eigentlich noch außer Afrika?“, fragte mich vor einigen Jahren ein jeder Ironie unverdächtiger Professor für Neuere, also vor allem deutsche Geschichte. Denn noch immer gilt in der „Zunft“ deutscher Historiker zwar als breit ausgewiesen, wer seine Forschungsschwerpunkte etwa im Kaiserreich und in der DDR-Geschichte hat - die Beschäftigung mit fast 50 Ländern südlich der Sahara (oder analog etwa mit Lateinamerika) über mehrere Jahrhunderte hinweg wird in der Regel als exotisches Laster angesehen, dem allenfalls ergänzend zu frönen sei. Nun ist Provinzialismusschelte auf die Dauer für alle Beteiligten ermüdend; der Nachweis etwa, dass hierzulande ausgerechnet methodisch als besonders progressiv daherkommende Fachorgane sich als regional besonders introspektiv, nämlich germanozentrisch erwiesen haben, ist ohnehin längst - und sine ira et studio - geführt worden.
Rethinking the boundaries of Europe is an earnest exercise that calls for critical reconsideration of our existing spatio-temporal constructions. First of all, it should be established that this kind of an exercise does not only necessitate a re-mapping of the cartographical space within which “Europe” is placed, but more so a re-thinking of the intellectual space within which history is situated.
Die Website dokumentiert ein überaus ambitioniertes und in dieser Form konkurrenzloses Projekt gleichen Namens, das von sechs Museen bzw. Forschungseinrichtungen aus ebenso vielen Ländern betrieben wird. Es verzeichnet Erinnerungsorte in Europa, die die Geschichte des Ersten und Zweiten Weltkrieges sowie des Spanischen Bürgerkrieges zum Gegenstand haben bzw. von diesen historischen Ereignissen selbst nachhaltig beeinflusst und geprägt wurden. Das Projekt wurde laut Auskunft eines deutschen Mitarbeiters in nur einem Jahr auf die Beine gestellt - diese Information findet sich jedoch nicht in dem überaus knappen Einführungstext. Daraus ergibt sich bereits ein zentraler Kritikpunkt: Wenn der Besucher der Website etwas mehr Informationen zum Projekt und zur Zielgruppe erhielte, ließen sich etliche Fragen und Unzufriedenheiten vermeiden. Eine Website sollte ohne zusätzliche Informationen verständlich und nutzbar sein.
„Auf einer Weltkarte ist Europa kaum zu sehen“ - so lautet der erste Satz eines Essays zur europäischen Geschichte, den der französische Historiker Fernand Braudel in den 1980er-Jahren verfasste und der erst kurz nach seinem Tod veröffentlicht wurde. Braudel beschränkt sich nicht darauf, jene geographische Ausgangsposition des Kontinents weiter zu erläutern, die in den vergangenen Jahrhunderten den Schauplatz vielfältiger europäischer Geschichte bildete. Vielmehr zeigt er, wie sehr Europa beständig „über seine räumlichen Grenzen hinausgegriffen“ habe. Braudels Europa ist auch im ausgehenden 20. Jahrhundert noch fast überall, obwohl der Kontinent mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und im Zuge der Dekolonisation vermeintlich in seine alten Grenzen zurückverwiesen worden war.
Zu den in der Geschichtswissenschaft geläufigen Aussagen gehört, dass Hitler ein charismatischer Politiker gewesen sei - allerdings verbirgt sich dahinter, trotz des stets selbstverständlichen Bezugs auf Max Weber, häufig nicht mehr als eine Umschreibung des dämonischen Verführers, dem die Massen willenlos, als bloße Opfer, erlegen seien. Hans-Ulrich Wehler hingegen nimmt Webers Forderung ernst, Charisma nicht als göttliche Gnadengabe, sondern als soziale Beziehung zu untersuchen. Damit rücken weniger die Propaganda und Inszenierung des Charismatikers als vielmehr die Erwartungen und Hoffnungen derjenigen, die an Hitler geglaubt und das NS-Regime unterstützt haben, in den Mittelpunkt - anders als Wehlers Kritiker Ludolf Herbst annimmt, der Charisma unverdrossen für eine Propagandatechnik hält. Was bislang eher Ausgangsüberlegung denn durchgehaltene Reflexionsebene blieb, wird nun bei Wehler zum roten Faden der Darstellung.