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Audiovisuelle (AV) Quellen überfluten unseren Alltag, viel unmittelbarer - um nicht zu sagen aufdringlicher - als dies traditionelle Quellen tun: Bestimmte historische Fotos sind allgegenwärtig, bestimmte Filmpassagen kennt man schon auswendig und das ohnehin erst später nachgesprochene Figlsche Diktum von 1945 „Ich kann Euch zu Weihnachten nichts geben, kein Glas zum Einschneiden [...]", kann man schon nicht mehr hören: Verclippung der audiovisuellen Überlieferung im öffentlichen Geschichtsdiskurs nützt gerade diese Quellen in gewisser Weise ab. Doch damit muss - und kann man - leben, denn audiovisuelle Quellen haben - unter Umständen - einen langen Atem ...
Wie stellen sich aktuelle Tendenzen in der Zeitgeschichtsschreibung dar – im Vergleich mit dem auffällig gewachsenen Interesse literarischer Autoren für zeitgeschichtliche Themen? Welche Konvergenzen sind zu verzeichnen, und welche textsortenbedingten Differenzen bleiben? Sind die zeitgeschichtlichen Erzählmuster in diesem Umfeld vorwiegend konstant, oder gibt es strukturelle Veränderungen? Worauf lassen sich diese eventuell zurückführen?
Jenseits der Liberalisierungsthese. Individualität in Westberlin zwischen Kriegsende und Mauerbau
(2010)
Die Konzepte der Individualität und Individualisierung nehmen in der deutschen Zeitgeschichtsforschung eine wichtige, doch wenig reflektierte Stellung ein. Eine Reihe von Autoren sieht die Hinwendung zum Individuum als zentralen Aspekt der Abwendung vom nationalsozialistischen Autoritäts- und Kollektivitätsdenken, sei es in der letzten Kriegsphase, als die Deutschen „Autonomie, Eigeninteresse und Überlebenswillen“ entdeckten, oder erst in den 1950er-Jahren, als sich das Verständnis von Vaterschaft demokratisierte, Gymnasiasten und Studenten für Jazz schwärmten und sich Wünsche auf den Konsum von Waren statt auf die Eroberung anderer Länder richteten.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Keine Epoche und kein Gegenstand der Zeitgeschichte ist vor transnationalen Fragestellungen sicher, gleich ob wir im Falle Deutschlands über die die alte Bundesrepublik, die DDR, Weimar, den Nationalsozialismus oder das Kaiserreich forschen. Auch für Europa stellt sich die Frage, ob dieses sich „transnational schreiben” lässt.
Kein reflektierter Historiker wird die geschichtliche Wirklichkeit mit den Begriffen verwechseln, die sie beschreibbar machen. Denn Begriffe bleiben regelmäßig hinter dieser Wirklichkeit zurück und schießen ebenso regelmäßig über sie hinaus. Da wir uns aber nicht sprachlos in der Welt bewegen, gehören die Begriffe zugleich der Wirklichkeit an, die uns historisch interessiert. Sie sind Träger einer in diese Wirklichkeit verwobenen Bedeutungsdimension. Deshalb gibt es Begriffsgeschichte. Im Folgenden wird dafür plädiert, das 20. Jahrhundert zum Gegenstand einer systematischen begriffsgeschichtlichen Untersuchung zu machen, seine Ereignis- und Entwicklungsgeschichte also im Medium seiner Grundbegriffe und ihres semantischen Wandels zu reflektieren. Mit den hier vorgelegten Thesen möchte ich die theoretischen Umrisse einer solchen Geschichte der Grundbegriffe des 20. Jahrhunderts skizzieren und zugleich ihren Sinn und ihre Notwendigkeit begründen. Dabei gehe ich von drei wesentlichen Prämissen aus.
Seit den 1980er Jahren beschäftigen Prognosen zum anthropogenen Klimawandel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit gleichermaßen. Von der übertriebenen Gelassenheit der Klimaskeptiker bis zur Hysterie der Alarmisten basieren die Expertisen dabei auf den Prognosen computerbasierter Modelle zur Berechnung zukünftiger Szenarien. Die Heterogenität der Expertisen spiegelt sich in den kontroversen Diskussionen zum Klimawandel wider und kumuliert meist in der Rede von der Unsicherheit der Prognosen.
Als „Historikerstreit" wird eine sowohl öffentlich als auch fachwissenschaftlich geführte Debatte bezeichnet, die sich im Sommer 1986 in Folge eines Artikels des Sozialphilosophen Jürgen Habermas in der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit" entfachte. In seinem Artikel griff Habermas führende Neuzeithistoriker der Bundesrepublik an, denen er apologetische Tendenzen im Umgang mit dem Holocaust vorwarf.
Verfassungsgeschichte
(2010)
Verfassungsgeschichte begreift sich als Teildisziplin der Rechtsgeschichte. Spätestens seit der Wende zum 20. Jahrhundert steht sie im Schnittpunkt von Geschichts- und Rechtswissenschaft und wird von beiden Disziplinen betrieben. Ihr Gegenstand sind zentrale Normen der Legitimation, Organisation und Ausübung hoheitlicher Gewalt (= Verfassungen im materiellen Sinne), insbesondere die diesbezüglichen ranghöchsten Regelungen in den Rechtsordnungen (= Verfassungen im formellen Sinne).
Version 1.0: Theorie ist ein genuines Element des Forschungssettings wissenschaftlicher Erkenntnisarbeit. Der Begriff wird heute in verschiedenen, sich teils widersprechenden Definitionen verwendet. Mit dem jeweiligen Theorieverständnis verbunden sind Grundentscheidungen über Form und Anwendungspraxis wissenschaftlicher Methoden.
Die Revolution ist nicht mehr aufzuhalten: Zehntausend Berliner Bürger strömen am 18. März 1848 friedlich vor dem Stadtschloss zusammen - in hoffnungsfroher Erwartung der Reformen, die der preußische König Friedrich Wilhelm IV. an diesem Tag verkünden würde. Unter anderem soll die Pressezensur aufgehoben werden. Doch vor dem Stadtschloss sieht sich die Menge unerwartet einem gewaltigen Aufgebot an Soldaten gegenüber. Dann lösen sich - ein Versehen - zwei Schüsse. Panik bricht aus, die Menge stiebt auseinander. Nur wenig später errichten erzürnte Arbeiter und Bürger die ersten Barrikaden. Binnen Stunden entlädt sich eine über Jahrzehnte aufgestaute Spannung: Immer wieder waren in Preußen Freiheit und Mitbestimmung in Aussicht gestellt worden, immer wieder harren sich
die reaktionären Kräfte durchgesetzt.
Die Strukturen wie die Ressourcenkonstellationen in der Wissenschaftslandschaft 1930 bis 1945 sind wesentlich durch vier Aspekte charakterisiert: (1.) durch den Primat der Kriegsrelevanz, (2.) durch eine institutionelle, vorgeblich polykratische Zersplitterung, der reichsdeutschen Wissenschaftslandschaft - die ihrerseits den Hintergrund für das von der älteren Historiographie aufgestellte Diktum der vermeintlichen Ineffizienz der Forschung während des "Dritten Reiches" abgab - , (3.) durch eine doppelte Ressourcenverschiebung innerhalb des Gesamtkomplexes der Wissenschaften und (4.) durch die Expansion der reichsdeutschen Wissenschaften auf dem Rücken der Wehrmacht ab 1938.
Das in seinen quantitativen wie qualitativen Dimensionen bereits von den Zeitgenossen oft unterschätzte Wirtschaftsimperium der "Deutschen Arbeitsfront" (DAF) ist als Untersuchungsgegenstand an den Schnittstellen von Wirtschafts-, Politik- und Sozialgeschichte angesiedelt. Der folgende Beitrag knüpft dabei an die nicht zuletzt von Hans Mommsen aufgeworfene Frage an, in welchem Verhältnis Nationalsozialismus und Modernität bzw. Modernisierung standen. Die gewerkschaftsnahen Genossenschaften und Unternehmen bildeten traditionell bis 1933 zentrale Klammern für den Zusammenhalt der sozialistischen Milieus. Von der DAF im Frühjahr 1933 geraubt und dann zu einem gigantischen Konzern ausgebaut, führt deren Indienstnahme auf ein weiteres Grundproblem der NS-Forschung, das Ausbleiben eines Massenwiderstands gegen die NS-Diktatur, hin, das neben Tim Mason, Detlev Peukert und anderen ebenfalls Hans Mommsen wiederholt diskutiert hat: Warum hat sich gegen die NS-Diktatur kein Massenwiderstand formiert?
Das Revolutionsjahr 1848 markiert den Aufbruch in die Moderne. Nicht zuletzt Berlin wurde zum Schauplatz einer fundamentaldemokratischen Bewegung bis dahin unbekannten Ausmaßes, in Dimensionen, wie sie - so muß man leider ergänzen - in den folgenden eineinhalb Jahrhunderten in den an traditionsbildenden demokratischen Ereignissen armen deutschen Staaten eine seltene Ausnahme geblieben sind.
»Staat« und »Wissenschaft«, die beiden Zentralkategorien des Titels dieses Aufsatzes, scheinen auf den ersten Blick eindeutig. Sie sind es jedoch keineswegs. Bevor auf die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) und ihre Geschichte während des »Dritten Reiches« eingegangen werden kann, soll deshalb zunächst in groben Zügen geklärt werden, was die Begriffe »Staat« und »Wissenschaft« während der NS-Zeit bedeuteten.
Die sozialistischen Vordenker Marx, Engels und Lenin begründeten die „sozialen Ursachen“ der Kriminalität mit dem herrschenden kapitalistischen Gesellschaftssystem, dessen „ökonomische Basis die Wurzel allen Übels“ sei. Das Verbrechen sei keine dem Menschen angeborene Eigenschaft, sondern „historisch entstanden und wird mit dem Sozialismus/Kommunismus allmählich überwunden“. Entsprechend teilte auch die DDR-Führung die Sicht, dass „mit der Liquidierung der Ausbeuterordnung in der DDR die wesentlichen Wurzeln der Kriminalität verschwunden [sind]. Das ermöglicht [es] erstmalig in der deutschen Geschichte, die Vorbeugung der Verbrechen zur Aufgabe der gesamten Gesellschaft zu machen.“
Unfreundliche Häme schüttete sich noch Ende des letzten Jahres in der Öffentlichkeit über einem vormals so vielgerühmten Berufsstand aus. Die Ökonomen wurden sehr unverblümt dafür kritisiert, dass sie vor der Wirtschaftskrise ahnungslos und in der Wirtschaftskrise orientierungslos gewesen seien. Lisa Nienhaus, Wirtschaftsredakteurin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ), bezeichnete sie als kollektive „Blindgänger“. Als „Starökonomen“ wurden plötzlich Wissenschaftler gelobt, die dem Fach zuvor als Außenseiter und Schwarzseher galten, wie der vor der Finanzkrise noch als „Dr. Doom“ verspottete Nouriel Roubini, der sich nun in Medien und Fachorganen zu Wort melden durfte, dabei aber nicht mehr als Vertreter der Zunft galt, sondern als in der Vergangenheit gegen die Wirtschaftswissenschaften angehender Einzelkämpfer. Gleichzeitig erhoben sich wortgewaltige Verfechter der Mainstream-Ökonomie wie der Münchener Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn: Er habe – ließ er die „FAZ“ und durch sie die Öffentlichkeit wissen – seit längerem auf die Probleme des Finanzmarktes hingewiesen und Veränderungen gefordert, und letztlich sei es das Problem der Journalisten, dass sie lieber über börsliche Höhenflüge als über mahnende wissenschaftliche Expertise berichtet hätten. Die Krise sei also gerade dadurch entstanden, dass die Welt nicht auf die Ökonomen gehört habe.
Kein Aspekt der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine derart rasante Forschungskarriere absolviert wie das Thema „NS-Zwangsarbeit“. Ein kaum mehr überschaubarer Katalog von Veröffentlichungen legt seit den 1980er Jahren die unzähligen Einzelschichten des Themas frei, so dass unser Wissen über dieses in der Geschichte singuläre Großprojekt zur ungehemmten Abschöpfung von fremder Arbeitskraft für die eigene Kriegswirtschaft exponentiell gewachsen ist.
Wie verändern sich die Objekte der Geschichtsschreibung, also die Gegenwart und die jüngere Vergangenheit, durch die Medien? Wie verändert sich die Geschichtsschreibung selbst durch die Medien? Was bedeutet die in Forschung und Öffentlichkeit verbreitete Rede von der ‚Mediengesellschaft‘ aus historischer Perspektive eigentlich genau? Der Aufsatz unterscheidet zunächst einige Prozesse der ‚Medialisierung‘, geht damit verbundenen Strukturverschiebungen nach und betrachtet insbesondere Veränderungen von Öffentlichkeiten. Dabei wird dafür plädiert, die Ambivalenz der Entwicklungen anzuerkennen und nicht vorschnell Paradigmenwechsel zu behaupten. Zudem werden einige Leitlinien formuliert, was eine Medialisierung der Zeitgeschichtsschreibung bedeuten könnte. Hier gilt es, neue Wege zu beschreiten und neue Ziele zu setzen, die der Ära der Audiovisualität gerecht werden.