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Planprojekt Meistererzählung. Die Entstehungsgeschichte des "Lehrbuchs der deutschen Geschichte"
(2000)
Kein anderes historiographisches Unternehmen in der DDR hat im Kampf um die Deutungshoheit über die Vergangenheit eine so umfassende Rolle gespielt wie das Hochschullehrbuch der deutschen Geschichte. Es unterfing sich, die ganze historische Zeit von den Jäger- und Sammlerhorden im Altpaläolithikum bis zur deutschen Doppelstaatlichkeit in der Gegenwart darzustellen, und es spiegelte in den fünfunddreißig Jahren, die zwischen dem ersten Entwurf 1952 und den letzten Neuauflagen 1986 lagen, die ganze Wegstrecke von der Konstitution bis zur Erosion des sozialistischen Geschichtsbildes. „Es geht darum, den werktätigen Massen - den wahren Schöpfern der Geschichte - die Vergangenheit zu beleuchten, damit sie ihren heutigen Kampf mit den revolutionären Traditionen verbinden“ - mit diesen Worten umriß der wissenschaftliche Sekretär des Lehrbuch-Projekts 1955 die Aufgabe in einem für das „Neue Deutschland“ bestimmten Beitrag.
Über "Internationale Geschichte" ist in der deutschen Geschichtswissenschaft nur selten systematisch nachgedacht worden. Methodische Reflexionen und theoretische Anstrengungen galten seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts vorwiegend der Sozialgeschichte, seit den achtziger Jahren auch der noch politikferneren historischen Anthropologie. Neuerdings wird auch das Verhältnis zwischen Sozialgeschichte und Kulturgeschichte intensiv diskutiert; Mentalitätsgeschichte ist zu einem beliebten Programmpunkt geworden. Wer hingegen über internationale Beziehungen geschrieben hat, über Außenpolitik, die Geschichte des internationalen Systems oder die wechselseitige Beeinflussung von Staaten und Gesellschaften, kurz: über Krieg und Frieden, über Herrschaft und Abhängigkeit zwischen den Völkern und Nationen, hat in der Regel wenig Anstrengungen auf die explizite Darlegung seiner theoretischen Annahmen und seiner Verfahrensweisen verwendet.
Am Ende des Jahrhunderts der totalen Kriege ist die kriegerische Gewalt den meisten Menschen in Deutschland, aber auch sonst in den westlichen Industriegesellschaften sehr fremd geworden und doch auch wieder sehr nah gekommen. Kriege als bewußt herbeigeführtes oder schicksalhaft hingenommenes Mittel der Politik sind umstrittener denn je, und dasselbe gilt für den Soldaten als Akteur und Symbol der kriegerischen Gewalt. Dessen Legitimationsverlust ist an den Diskussionen um die Wehrpflicht, das „Mörder“ - Zitat von Tucholsky oder die Rolle des Deserteurs in der Geschichte, zumal der des Zweiten Weltkriegs, abzulesen. Damit ist ein weitreichender mentaler Wandel gegenüber der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts angesprochen, der in Deutschland nur stärker ausgeprägt war als in anderen Industrienationen. Gleichzeitig aber ist, wie oft gesagt wird, der Krieg nach Europa zurückgekehrt. Das Ende der Ost-West-Konfrontation läutete keinen globalen Frieden ein, es machte vielmehr den Krieg wieder möglich, auch in Europa, vor der Haustür jener Nationen, die sich im Geiste von ihm verabschiedet hatten. Eine Welt oder auch nur ein Europa ohne Krieg – diese Vision hat sich am Ende des 20. Jahrhunderts als Illusion erwiesen.
Stellt man die Frage, was eigentlich »Militärgeschichte« genau bedeutet, so bemerkt man rasch, daß diese sich im Laufe der letzten Jahrhunderte auf charakteristische Weise gewandelt hat, in enger Anlehnung an den jeweiligen gesellschaftlichen Platz des Militärischen überhaupt. Grundsätzlich gilt ein solcher Befund wohl für alle historiographischen Teildisziplinen. Aber im Fall der Militärgeschichte erscheinen die jeweiligen Anhängigkeiten noch stärker markiert. Das Militärische trifft den Kern des Selbstverständnisses jeder Gesellschaft, und so dient Militärgeschichte direkter und wirkt sich auch direkter aus als viele andere historische Disziplinen.
Der Spanische Bürgerkrieg war zugleich ein deutscher Bürgerkrieg, denn auf beiden Seiten kämpften Deutsche: Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland hatten sich freiwillig zu den anarchistischen Milizen oder zu den Internationalen Brigaden gemeldet, die die Spanische Republik gegen den Militärputsch des selbsternannten spanischen "Führers" Francisco Franeo zu verteidigen halfen. Die Hitler-Regierung hatte auf Bitten Francos nicht nur Flugzeuge, Panzer und Munition nach Spanien geschickt, sondern dazu über 20.000 Soldaten: die Legion Condor. Diese Hilfstruppe war, weil Deutschland das internationale Nichteinmischungs-Abkommen mit unterzeichnet hatte, 1936 heimlich und in Zivil auf Touristendampfern nach Spanien gebracht worden, 1939 wurde sie dann bei der siegreichen Rückkehr offen und mit militärischem Schaugepränge in Harnburg und Berlin empfangen. Auf beiden Seiten hatten in diesem Krieg auch deutsche Journalisten und Fotografen gearbeitet.
In seiner „Bestandsaufnahme der historischen Friedensforschung" machte Wolfram Wette 1991 den Beginn des Atomzeitalters zum Ausgangspunkt seiner Uberlegungen. Wette konnte angesichts dieser historischen Zäsur feststellen, daß der Krieg seine Funktion als „legitimes und einigermaßen rationnal kalkulierbares Mittel der Politik" verloren habe. Zehn Jahre zuvor plädierte Andreas Herberg-Rothe für eine Militärgeschichte als Friedensforschung und tat dies „angesichts der drohenden Gefahr des Ausbruchs eines alles vernichtenden 3. Weltkrieges". Ein Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat sich die Situation grundlegend geändert. Die Diskontmmtat der Geschichte, die die Zeitgenossen des Ost-West-Konflikts von der Epoche vor 1945 schied, ist spätestens mit den Kriegen im vormaligen Jugoslawien wieder aufgehoben. Die Negation des Krieges als politisches Leitmotiv der zu Ende gegangenen Nachkriegszeit hat ihren universellen Geltungsanspruch verl?ren. In der Diskussionen über Gewalt und Krieg nach dem Ende der bipolaren Zeitalters kommt vielmehr eine allgemeine Verunsicherung daruber zum Ausdruck, wo die Grenze zwischen unmoralischer Gewaltanwendung und ihrer ethischen Legitimierbarkeit verläuft. Der Soldat des dritten Jahrtausends definiert sich selbst in Deutschland nicht mehr ausschließlich als der bewaffnete Verteidiger des eigenen Landes. Wahrend die einen dies als die Rückkehr zur Normalität begrüßen, befürchten andere den Ruckfall in Großmachtpolitik und Militarisierung.
Expansion und Imperium
(2002)
Bevor im Jahre 1983 die Veröffentlichung des ersten Bandes von Wolfgang Reinhards "Geschichte der europäischen Expansion" den Expansionsstudien in der deutschen Geschichtswissenschaft erstmals einen epochenübergreifenden Rahmen gab, zerfiel das Gebiet in mehrere, nur schwach untereinander verbundene Teilströmungen, die sich vor allem durch ihre leitenden Fragestellungen unterschieden.
Imperialgeschichte
(2002)
Die Geschichtswissenschaft war in den vergangenen Jahrzehnten grundlegenden Veränderungen unterworfen. Während sich die althergebrachte. im 19. Jahrhundert wurzelnde Historie vor allem auf die politische Geschichte konzentrierte und nach der Wirkungsmächtigkeit von Ideen fragte, stellten die neuen Paradigmen der Nachkriegszeit soziale Strukturen als geschichtliche Bestimmungsfaktoren in den Mittelpunkt. Mehr und mehr aber brach sich die Erkenntnis Bahn, daß die historische Realität weder mit ereignis- und ideengeschichtlichen noch mit sozialwis-senschaftlichen Methoden und Fragestellungen allein hinreichend erfaßt werden kann.
Geschichtserzählungen haben derzeit eine Konjunktur, die einzigartig ist in der Geschichte der deutschen literarischen Kultur. Der Zusammenbruch der DDR und die deutsche Vereinigung gaben ihr zusätzlichen Auftrieb, doch handelt es sich offenkundig nicht um einen kurzfristigen Wachstumsschub, sondern um eine „Trendperiode“, die in West- und Ostdeutschland, in der alten Bundesrepublik und in der DDR nach einzelnen Vorläufern in den sechziger Jahren anlief und seit nunmehr vierzig Jahren mit einer wachsenden Zahl von Titeln und Auflagen anhält.
Gesundheit ist ein zentraler Begriff heutiger Gesellschaften. Er verbindet individuelles Wohlergehen und Eigenverantwortung mit kollektiven, sozialstaatlich gesicherten Ordnungsvorstellungen zum Erhalt von Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Der Erhalt von Gesundheit und die Verhinderung von Krankheit ist nicht nur eine private, sondern auch eine öffentliche Aufgabe. Gesundheit und Prävention sind nicht nur wandelbare, sondern auch „gesellschaftlich gebundene“ Begriffe. Damit ist nicht nur die Abhängigkeit präventiver Vorstellungen und Ziele von wissenschaftlichen Kenntnissen und ihrer Vermittlung gemeint, sondern - da Prävention nur gemeinsam zu realisieren ist - von dem gesellschaftlichen und institutionellen Ort, der ihr zugewiesen wird.
Eine Betrachtung der Prävention im 20. Jahrhundert spiegelt zwangsläufig die Reformbewegungen, Einschnitte und Rückschritte, aber auch die zentralen Themen und Argumentationslinien wider, die auch die wechselvolle Geschichte der politischen Systeme und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungen des vergangenen Jahrhunderts prägen. Häufig wurde der Prävention nur eine marginale Rolle für die Gesunderhaltung der Bevölkerung zugeschrieben - oft verbunden mit einer geringen Konzepthaftigkeit für die Prävention in der (Gesundheits-)Politik.
Eine historische Betrachtung des Umgangs mit der nationalsozialistischen Vergangenheit kann zu der Frage nach den Ursachen und Voraussetzungen der zeitgenössischen Fremdenfeindlichkeit und des Rechtsextremismus in Ostdeutschland zweifellos nur einen mittelbaren Beitrag leisten. Das Phänomen ist offensichtlich komplex und hängt nicht zuletzt mit aktuellen Problemen des Transformationsprozesses zusammen. Dagegen scheint mir die tatsächliche gesellschaftliche Bedeutung historischer Aufklärung über die Verbrechen und Ursachen des Nationalsozialismus für die Gegenwart in einer Art deformation professionelle von Historikern leicht überschätzt zu werden - bei aller Wichtigkeit, die sie als Aufgabe unbestritten haben muß. Andersherum
formuliert: Die aktuelle Fremdenfeindlichkeit und der Rechtsradikalismus müssen mit der Kenntnis oder Unkenntnis von Geschichte und dem gesellschaftlichen Umgang damit keineswegs immer viel zu tun haben.
Der Einmarsch der Roten Armee in die östlichen Gebiete des Deutschen Reiches im Frühjahr 1945 stellte eine einschneidende Erfahrung dar, die sich deutlich von den gleichzeitigen Erlebnissen des Kriegsendes im Westen unterschied. Die Möglichkeiten, von diesen Erfahrungen mit den „fremden Russen“ zu erzählen, waren jedoch in den vierzig Jahren SED-Herrschaft stark beschränkt. Darum verschwanden die Erinnerungen „zunehmend aus der Öffentlichkeit, um sich im Privaten einzunisten. Hier, im privaten Kreis, existierten sie bis zum Ende der DDR.“ In der kontrollierten Öffentlichkeit der DDR verhinderten die herrschenden Kommunisten einen offenen Umgang mit der Erinnerung an den Einmarsch jener „fremden“ Soldaten, die ein neues Gesellschaftssystem mitgebracht hatten. In den Jahren der Besatzungsherrschaft hatte die Sowjetische Militäradministration (SMAD) entscheidenden Anteil an der Durchsetzung des staatssozialistischen Herrschaftssystems. Während der folgenden 40 Jahre bildeten dann die sowjetischen Soldaten nicht nur die Rückversicherung für die SED-Herrschaft, sondern auch die größte Gruppe von „Fremden“ in der DDR. Als Militärs lebten sie stark abgeschirmt von der Zivilbevölkerung in ihren Standorten.
Da seit Sommer 1949 behauptet wurde, das Verhältnis zwischen der deutschen Zivilbevölkerung und den sowjetischen Truppen beruhe auf „freundschaftlicher Grundlage“, gab es auch nach dem Ende der Besatzungszeit kaum Möglichkeiten, Konflikte zwischen beiden Seiten zu thematisieren. Vielmehr setzte die SED - im Einvernehmen mit ihren sowjetischen Partnern - der Rede übereinander und dem Umgang miteinander enge Grenzen'. Die öffentliche Rede über die Sowjets wurde durch die Freundschaftsideologie eingegrenzt, in ihren Standorten lebten die sowjetischen Soldaten abgegrenzt und schließlich stieß die herrschende SED bei ihrem Versuch, die Bevölkerung im Sinne der Freundschaft zur Sowjetunion umzuerziehen, beständig an die Grenzen ihres Einflusses.4 Wie die Freundschaft zur Sowjetunion erfunden wurde, welchen Stellenwert sie hatte, wie Teile der Bevölkerung auf den Versuch der SED reagierten, ein neues Bild von den Sowjets als verpflichtend durchzusetzen, und welche Konflikte trotz des Anspruchs einer allseitigen Harmonisierung der Beziehungen zwischen Deutschen und Russen weiterexistierten, soll im folgenden umrissen werden.
Der grassierenden Fremdenfeindlichkeit auf dem Territorium der ehemaligen DDR liegt ein vielfältiges Ursachengeflecht zu Grunde. Ausgehend von den historischen Ursachen, die Behrends, Kuck und Poutrus anführen, soll hier näher auf ihre These von der „geschlossenen Gemeinschaft“ eingegangen werden. Die Autoren konstatieren
ein Legitimationsdefizit der SED, das zu „einer beharrlichen Distanz vieler Menschen zum sozialistischen Staat“ geführt habe. Damit folgen sie jener Richtung in der Diktaturenforschung, welche die DDR-Gesellschaft nicht in den Dichotomien von Anpassung und Widerstand zu erklären versucht, sondern vielmehr die Bevölkerung in ein komplexes Beziehungsverhältnis zu den politischen Institutionen setzt. Ein solcher methodischer Zugriff erkennt zum einen die Ungleichgewichtigkeit der Machtverteilung an und vermeidet zum anderen die a priori moralischen Implikationen jener Geschichtsschreibung, die dem Opfer-Täter-Denken verhaftet ist und dadurch oft dem Erklärungsschema der „Verführung der Massen“ folgt.
Bevölkerungstransfers sowie Flucht- und Vertreibungswellen, deren Komplexität und Nachhaltigkeit eine neue Qualität erreichten, kennzeichneten den Zweiten Weltkrieg und die Zeit danach. Die nationalsozialistische Ideologie vom „Lebensraum im Osten“ zwang Hunderttausende von Menschen, ihre angestammten Siedlungsgebiete zu verlassen und sich an andere, von den neuen Machthabern zugewiesene Wohnorte zu begeben. Dies geschah oft unter schrecklichen Umständen. Nicht-Deutsche mußten ihren Platz räumen für diejenigen, die - unter sowjetischer Herrschaft lebend - „Heim ins Reich“ geholt wurden. Mit dem Vormarsch der Roten Armee und der sich damit abzeichnenden Niederlage des Deutschen Reiches setzten sich die Flüchtlingstrecks der deutschen Bewohner der Ostgebiete Richtung Westen in Bewegung. Die anschließend auf der Potsdamer Konferenz von den Alliierten beschlossene Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus ihren östlichen Siedlungsgebieten sollte „innerhalb der neuen Grenzen Frieden stiften und die Minderheitenprobleme ein für allemal bereinigen“. Doch gelang es aus unterschiedlichen Gründen nicht, diese Beschlüsse vollständig umzusetzen und alle Deutschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten auszusiedeln. Auch in den Jahrzehnten nach dem Abschluß der offiziellen Vertreibungen verließen Hunderttausende von Deutschen die Staaten des ehemaligen Ostblocks, um in die Bundesrepublik Deutschland überzusiedeln.
Sind der Rechtsextremismus und die Fremdenfeindlichkeit in den neuen Bundesländern auf historische Ursachen zurückzuführen, die in der autoritär verfaßten DDR-Gesellschaft und deren defizitärer Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu suchen sind? Diese Frage liegt nicht erst seit dem Sommer 2000 in der Luft, als sich die Medien mit einer wahren Sintflut an Berichten und Deutungsversuchen des Themas annahmen. Sie bescheinigten der längst verblichenen DDR erneut eine weit über ihr Ende hinausreichende gesellschaftliche Wirkungsmacht. Der folgende Beitrag beschreibt mögliche Problemfelder und Fragestellungen für einen historiographischen Forschungsansatz, der die DDR-spezifischen Wurzeln des ostdeutschen Rechtsextremismus in den Blick nimmt. Als Voraussetzung dafür werden zunächst die verschiedenen Phasen der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion über die Ursachen der rechten Gewalt in der späten DDR bzw. in den neuen Bundesländern einer kritischen Bilanz unterzogen und die mit ihnen verbundenen politischen Instrumentalisierungen des Themas aufgezeigt. Plädiert wird für einen methodischen Zugriff, der den ostdeutschen Rechtsextremismus als Ergebnis eines Transformationsprozesses begreift, in dem die spezifischen aus der Vergangenheitspolitik und Erinnerungskultur der DDR resultierenden Konditionierungen revitalisiert werden. Letztere werden anhand der Krisensymptome des DDR-Antifaschismus in den achtziger Jahren diskutiert. In den Mittelpunkt des Interesses rückt dabei insbesondere die Frage nach dem mentalen Transfers zwischen den verschiedenen Generationen der DDR-Bevölkerung vor und nach 1989.
Gemeinschaften sind immer durch ein Verhältnis von Einschließung und Ausschließung konstruiert. Die von den SED-Ideologen imaginierte sozialistische Menschengemeinschaft war darin keine Ausnahme. Auch sie definierte Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden, wobei das Fremde nicht in erster Linie ethnisch, sondern sozial, d. h. als einer fremden Klasse zugehörig repräsentiert wurde. Dieser binären Logik wurde dann aber zusehends durch die soziale „Liquidierung“ der nicht werktätigen Klassen in der DDR der konkret-historische Inhalt entzogen. Wie der SED-Staat und die ihm zuarbeitende Rechtswissenschaft auf dieses Problem reagierten und welche „Lösungen“ sie dafür entwickelten, versuche ich im folgenden anhand des juristischen Diskurses über das „asoziale Verhalten“ aufzuzeigen.
Gemessen an der in den siebziger und achtziger Jahren wachsenden Zahl von Vertragsarbeitern und den sowjetischen Besatzungstruppen, die den größten Teil der ständig in der DDR anwesenden Ausländer ausmachten, waren die „Polit. Emigranten“ die kleinste Gruppe von in der DDR lebenden Fremden. Dieser in der DDR-Amtssprache auch als „PE’s“ bezeichnete Personenkreis war von anderen Migrantengruppen durch seinen besonderen Aufenthaltsstatus im SED-Staat, durch das von der offiziellen Propaganda vorgestellte politische Ansehen und seine unmittelbare Aufnahme in das Alltagsleben in der DDR deutlich abzugrenzen. Idealtypisch
sollten die „Polit. Emigranten“ in der SED-Diktatur das Bild des „guten Ausländers“, des Freiheitskämpfers bzw. Antifaschisten verkörpern, also jenes Bild des „guten Inländers“, das die SED-Führung vor allem für sich selbst in Anspruch nahm und mit dem sie ihre diktatorische Herrschaft in der DDR begründete. Diese positive und
gleichzeitig instrumentelle Darstellung der wenigen Flüchtlinge des Kalten Krieges, die Asyl in der DDR suchten und erhielten, war aber weder geeignet, den Argwohn der Bevölkerung gegenüber der herrschenden Staatspartei abzubauen, noch trug sie dazu bei, ein vorurteilsfreies Zusammenleben von Fremden und Einheimischen zu fördern. Schließlich beobachtete der zentralisierte Geheimdienstapparat der DDR, das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), die „Polit. Emigranten“ genauso mißtrauisch wie die deutsche Bevölkerung. Der Anfangsverdacht der SED galt der ausländischen Herkunft der Einen und der Sehnsucht der Anderen nach dem unerreichbaren Ausland. Anhand der für diesen Beitrag hauptsächlich benutzten Quellen aus dem Archiv der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR läßt sich klar ablesen, daß unter den Bedingungen der SED-Diktatur Toleranz gegenüber dem „Anderen“ oder „Fremden“ keine geforderte Tugend war und so nur bedingt erlernt bzw. gelebt werden konnte.
Mehr als io Jahre lang haben durchschnittlich etwa einhundert namibische Kinder und ihre Betreuerinnen in dem kleinen mecklenburgischen Dorf Bellin gelebt. Geredet und geschrieben wurde über sie paradoxerweise erst im Zusammenhang mit ihrer Rückkehr nach Namibia im August 1990. Wer zufällig nach Bellin kam oder doch davon gehört hatte, stand vor einem alten Gutshaus, das bis Ende 1989 für ungebetene Besucher verschlossen blieb. In der DDR wußte so gut wie niemand etwas von der Existenz eines SWAPO-Kinderheimes. Abschottung einerseits, andererseits die in der DDR einmalige Situation, daß in einem Ort etwa 25 Prozent Ausländer lebten, die meisten von ihnen Kinder.
Sucht man nach Kontinuitätslinien, die sich von der vergleichsweise höheren Fremdenfeindlichkeit im heutigen Osten Deutschlands in die DDR zurückverfolgen lassen, so ist der Umgang mit Fremden vor 1989 eine naheliegende Forschungsfrage. Damit werden Vertragsarbeitnehmer und ihre Wahrnehmung durch die deutsche Bevölkerung zu einem unverzichtbaren Untersuchungsfeld. Da insgesamt nur ein Prozent Ausländerinnen und Ausländer in der DDR lebten und die Reisemöglichkeiten der DDR-Bürger nach dem Mauerbau massiv beschränkt waren, fehlten im DDR-Alltag Kontaktmöglichkeiten mit Menschen fremder Länder weitgehend. Hinsichtlich der Vertragsarbeitskräfte, in den letzten Jahren der DDR die zweitgrößte Gruppe von Ausländern, galt das nicht, waren sie doch oftmals in die deutschen Arbeitsbrigaden integriert. Dort teilten Deutsche und Ausländer den Arbeitsplatz, die Normvorgaben, die Schichtpausen und - vielleicht nicht immer - auch die Aktivitäten im Brigadeleben. Diese bevorzugte Gelegenheit für eine persönliche Begegnung von Deutschen und Ausländern wiegt für die Forschung um so mehr, als die kasernierte Unterbringung, von der im Beitrag von Dennis Kuck in diesem Band die Rede ist, die Vertragsarbeitnehmer ansonsten von der Bevölkerung isolierte und damit den privaten und unkontrollierten Kontakt zwischen Deutschen und Ausländern außerhalb der Betriebe
enorm erschwerte.
Überlegungen zur Vergleichbarkeit von Deutscher Arbeitsfront und Freiem Deutschen Gewerkschaftsbund
(2003)
Ein Vergleich von Diktaturen, nicht zuletzt von »Drittem Reich« und DDR, ist ein schwieriges Unterfangen, ebenso der Vergleich einzelner Institutionen, Organisationen oder anderer, gesonderter Aspekte beider deutscher Diktaturen. Das gilt auch, wenn Organisationen wie die beiden Pseudo- Gewerkschaften Deutsche Arbeitsfront (DAF) und Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB) untersucht werden, die - oberflächlich betrachtet - eine ganze Reihe frappierender Ähnlichkeiten aufwiesen und bereits deshalb einen Vergleich nahelegen.
Über die Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg. Tendenzen, ursächliche Hintergründe, Perspektiven
(2003)
Meine unvollständigen und groben Striche zu einem hochkomplexen, strukturgeschichtlichen Vorgang können lediglich andeuten, daß sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Indizien für die These sprechen, daß es sich bei den vielen Kriegen in der Dritten und nun auch vormals Zweiten Welt um einen konfliktiv nachholenden Prozeß kapitalistischer Vergesellschaftung und bürgerlicher Staatskonsolidierung handelt, der eines Tages in eine Zivilisierung wie in den kapitalistischen Metropolen münden müßte. Einen deterministischen Automatismus gibt es dabei allerdings nicht; jeder Schritt in diese Richtung wird aus sozialen Kämpfen hervorgehen müssen. Wohl aber darf man hoffen, daß der Prozeß insgesamt schneller und weniger kriegerisch als in Europa vonstatten gehen wird.
Von Migration sprechen wir in der modernen Welt, wenn es um das Überschreiten der Grenzen von Nationalstaaten geht. Innerstaatliche Wanderungen werden als Mobilität betrachtet und als notwendig und unproblematisch eingeschätzt. Diese Kategorisierung enthält sicherlich ein Element von Willkür, kann es doch bei innerstaatlichen Wanderungen um riesige Entfernungen und große kulturelle Unterschiede gehen, zumal in Ländern wie China oder den USA, und kann man andererseits bei grenzüberschreitenden Wanderungen unter Umständen im selben Kulturraum bleiben, etwa an der amerikanisch-kanadischen, der bayerisch-österreichischen oder der niederländisch-belgischen Grenze. Gleichwohl wird diese Definition überall zugrundegelegt, meist allerdings stillschweigend. Sie wird auch dann vorausgesetzt, wenn intentional Kritik am Nationalstaat geübt wird.
‘Soziale Sicherheit’ ist wie sein englisches (‘Social Security’) und sein französisches (‘Sécurité sociale’) Synonym zu einem Leitbegriff der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung geworden. Während es die deutsche Sprache gestattet zwischen normativem Leitbild (‘Soziale Sicherheit’) und seinen institutionellen Umsetzungen (‘Soziale Sicherung’) semantisch zu unterscheiden, decken ‘Social Security’ und ‘Sécurité sociale’ grundsätzlich beide Bedeutungen. Allerdings hat sich in neuerer Zeit das institutionelle Verständnis ganz in den Vordergrund geschoben. Erst unter dem Eindruck eines Diskurses, welcher 'Globalisierung' als Gefahr für die europäische Wohlfahrtstaatlichkeit thematisiert, tritt auch die normative Komponente des Begriffs wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein.
Nach dem 11. September 2001 schienen viele zuvor intensiv debattierte Themen schlagartig an Brisanz verloren zu haben - so auch die Welle der fremdenfeindlichen Gewalt, die Deutschland im Sommer 2000 erschütterte und die den Anstoß zur wissenschaftlichen Tagung „Fremde und Fremd-Sein in der DDR“ am Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) im Dezember desselben Jahres gab. Aus einiger Distanz zeigt sich jedoch, daß beide Phänomene - trotz ihrer unterschiedlichen Tragweite - auf ein grundlegendes Problem moderner Gesellschaften verweisen, das im vorliegenden Band am Beispiel der DDR expliziert wird: die Frage nach der Fähigkeit und dem Willen zur Integration der „Fremden“ bzw. des „Anderen“ in eine moderne Gesellschaft.
Die Geschichte der Aussiedlung sudetendeutscher Antifaschisten und ihrer Integration in die Nachkriegsgesellschaft der SBZ/DDR gehört in den Gesamtzusammenhang der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Ostdeutschland und Osteuropa sowie ihrer Integration in die Gesellschaft der beiden deutschen Teilstaaten. Unter den insgesamt etwa vier Millionen geflohenen, vertriebenen und ausgesiedelten Deutschen, die in der sowjetischen Besatzungszone verblieben, bildeten die über 800 000 Deutschen aus der Tschechoslowakei die zweitgrößte Gruppe. Etwa 50 000 von ihnen, mehrheitlich ehemalige Mitglieder der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) und der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakei (DSAP), kamen als sogenannte Antifa-Umsiedler in die SBZ.
Die sowjetischen „Besatzer“. Konstruktionen des Fremden in der lebensgeschichtlichen Erinnerung
(2003)
In den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Weichen der gesellschaftspolitischen Entwicklung in Ost- und Westdeutschland gestellt. Der Übergang vom nationalsozialistischen zum geteilten Deutschland war für die Bevölkerung stark geprägt durch die bis dahin unbekannte Erfahrung der Fremdherrschaft im eigenen Land. Die Besatzungsmächte steckten in ihrem jeweiligen Gebiet nicht nur den institutionellen Rahmen ab, sondern traten auch personell, als Zivilisten wie als Soldaten, in Erscheinung.
Meinen Ausführungen liegen zwei Thesen zugrunde. Erstens: Die im »Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit« (AOG) vom 20. Januar 1934 fixierte nationalsozialistische Arbeitsverfassung war nicht endgültig, sondern ein zeitlich begrenzter Herrschaftskompromiss, der seit 1936 vor allem von der Deutschen Arbeitsfront (DAF) infrage gestellt wurde. Zweitens: Angesichts einer grundsätzlichen Offenheit der NS-Arbeitsideologie sowie quasi verbandsimperialistischer Ambitionen der DAF entwickelten sich vor dem Hintergrund einer strukturellen Krise der nationalsozialistischen Tarifpolitik kontroverse Visionen einer künftigen Gestaltung der NS-Arbeitsverfassung. Und zwar seitens der Arbeitsfront auf der einen Seite, sowie seitens traditionell-staatìicher und quasi industrienaher Institutionen wie dem Reichsarbeitsministerium, dem Reichswirtschaftsminister, der Reichswirtschaftskammer, der Reichsgruppe Industrie und führenden Industriellen auf der anderen Seite. An Kontur gewannen diese Konzepte für eine Neugestaltung der NS- Arbeitsverfassung zwischen Herbst 1936, als die mit dem »Vierjahresplan« eingeleitete forcierte Aufrüstung auch eine Neuorientierung der Sozialpolitik und der Grundlagen des Arbeitsrechtes notwendig zu machen schien, und Mitte 1940, als auch hohe Funktionsträger des NS-Regimes glaubten, der »Endsieg« stünde unmittelbar bevor. Die Vision der DAF ziehe auf eine völlige Militarisierung der Arbeit. Die industrienahe Vision lief im Grundsatz auf eine Entstaatlichung der Tarifpolitik hinaus - mit freilich schwachen, von der Betriebsleitung abhängigen Arbeitnehmerausschüssen, die nur mit großem Wohlwollen als betriebsrats- und gewerkschaftschaftsähnliche Vertretungen hätten bezeichnet werden können.
Obgleich der Berliner Handwerkerverein erst 1850 verboten - und 1859 erneut ins Leben gerufen - wurde, beschränken sich die folgenden Ausführungen im wesentlichen auf die Zeit bis Anfang 1848: Mit der Berliner Märzrevolution brach eine neue Zeit an, während der der große Handwerkerverein an Bedeutung verlor. Die über den März 1848 hinausreichenden Wirkungen des Handwerkervereins, seine Bedeutung als Keimzelle der späteren Arbeiterbewegung, werden nur gestreift. In anderer Beziehung wird uns die in dem eingangs zitierten Satz von Born aufgeworfene Frage allerdings näher interessieren: Lange vor der Märzrevolution hatten Vertreter der Obrigkeit den gleichen Verdacht geäußert, bei dem Handwerkerverein handele es sich um einen “Heerd der Hegung und Verbreitung politisch gefährlicher Bestrebungen". Die Frage, warum der Verein von den Behörden dennoch nicht kurzerhand verboten wurde, bedarf der Klärung. In diesem Zusammenhang müssen ferner die Querverbindungen zu liberal- bürgerlichen Vereinen, die in der ersten Hälfte der vierziger Jahre ins Leben gerufen wurden, und zum Bund der Kommunisten wenigstens in groben Zügen nachgezeichnet werden. Schließlich ein terminologisches Problem: Eigentlich müßte man nicht von einem, sondern von vier Berliner Handwerkervereinen in der Zeit des Vormärz sprechen; denn neben dem 'großen' existierten in der preußischen Hauptstadt noch drei kleinere. Allein die Zahl der Mitglieder des ‘großen’ Handwerkervereins (nach seinem Gründer und langjährigen Vorsitzenden auch: Hedemannscher Handwerkerverein genannt) übertraf die der drei kleineren um das vier- bis achtfache. Um ihn geht es in erster Linie: Wenn im folgenden im Singular von 'Handwerkerverein’ die Rede ist, ist stets der große, Hedemannsche gemeint.
Die Erforschung der Geschichte verfügt selbst über eine höchst interessante Geschichte und entfaltet ihre eigene Dynamik und Agenda. Eine Möglichkeit, jüngste Trends zu charakterisieren, wäre die Feststellung, daß die Internationalisierung der Geschichtsforschung die traditionelle Betonung der "Nation" als Analyseeinheit in bedeutender Weise verändert hat. Nationale Geschichte wurde bereichert, erweitert und in einigen Fällen sogar durch internationale und globale Geschichte in Frage gestellt. In diesem Beitrag möchte ich zunächst auf die Internationalisierung und Globalisierung der Geschichtswissenschaft in den letzten Jahrzehnten eingehen und dann den wachsenden Einfluß diskutieren, den Internationale Geschichte auf nationale Geschichte hatte. Schließlich möchte ich einige Beobachtungen zur Etablierung von Globaler Geschichte als einer Subdisziplin in Abgrenzung von Internationaler Geschichte anfügen.
Es ist nun über ein halbes Jahrhundert her. Im Januar 1953 eröffnete Hans Rothfels die erste Nummer der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte mit der epochemachenden Grundsatzbetrachtung "Zeitgeschichte als Aufgabe". Damit setzte eine neue Entwicklung in der langen Tradition der Zeitgeschichtsschreibung ein. Aufsatz und Zeitschrift markieren den Beginn der modernen Zeitgeschichte in Deutschland, die sich nun als historiographische Subdisziplin innerhalb und außerhalb der Universität auch institutionell etablierte.
Im Unterschied zu den fünfziger und vor allem den sechziger Jahren scheint das Jahrzehnt der siebziger Jahre auf den ersten Blick kein ausgeprägtes Profil zu haben. Markus Caspers beispielsweise beschrieb die Dekade zwar als "die letzte stilistisch eigenständige Epoche dieses Jahrhunderts", charakterisierte sie dann aber nur mit vagen Adjektiven wie "wild und frisch, porentief rein, sexy, ex und hopp".
Von Hobbes können wir uns nicht trennen. Mit ihm (nicht mit Machiavelli) beginnt die moderne politische Philosophie, und von seinem Grundgedanken, daß zum Schutze aller die Gewalt monopolisiert werden müsse, mögen wir uns nicht trennen. Und tlas obwohl wir, auf das vergangene Jahrhundert zurückblickend, ebendieses Gewaltmonopol als den Akteur von Massenmorden ohne Präzedenz erlebt haben. Hier ist nach wie vor die Hauptaufgabe aller Theorie, die sich mit überindividueller Gewalt befaßt: Wie ist das Mittel, ohne das wir nach wie vor nicht meinen, Gewalt erfolgreich eingrenzen zu können, das staatliche Gewaltmonopol, zu einer Quelle zwar nicht grenzenloser, aber beispiellos grenzerweiterter Destruktivität geworden? (Und dann: Warum halten wir dennoch am Programm der Monopolisierung fest?)
Der Vielgestaltigkeit des Phänomens und Problems Migration entspricht die Vielseitigkeit der Forschungsbemühungen um die Beschreibung, Interpretation und Erklärung seiner Ursachen und Erscheinungsformen, seiner Entwicklungsbedingungen, Begleitumstände und Folgeerscheinungen: Migrationsforschung wird von den verschiedensten Disziplinen betrieben. Das Spektrum reicht, um alphabetisch nur einige Beispiele zu nennen, von Anthropologie, Demographie, Geographie und Geschichte über Ökonomie und Politologie, Psychologie und Rechtswissenschaften bis hin zu Soziologie und Volkskunde. Daneben stehen, mit jeweils mehr oder minder weitreichenden interdisziplinären Ansätzen, die verschiedensten Teil- bzw. Subdisziplinen und Forschungsrichtungen, die sich mit besonderen Aspekten des Phänomens und Problems Migration beschäftigen.
Innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft hatte es Politikgeschichte - ein überaus schillernder, selten genau bestimmter Begriff - seit Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre schwer. Politikhistoriker genannt zu werden, am besten noch mit dem Etikett „neorankeanisch“ versehen, war eine Brandmarke, gleichbedeutend mit den Attributen konservativ, traditionell, positivistisch oder ereignisgeschichtlich, entscheidungs- und handlungsfixiert, um nur einige zu nennen. Gesellschaftshistoriker waren demgegenüber - zumindest sahen sie selbst das so - progressiv, emanzipatorisch, aufklärerisch, theoriebewusst, Struktur- und prozessorientiert. Man mag dieses Schwarz-Weiß-Bild für Schnee von gestern halten, für oberflächlich politisch oder ganz einfach für unseriös. Doch es hat für rund zwei Jahrzehnte seine Wirkung entfaltet, die vor allem darin bestand, dass das Denken in schlichten Lagerkategorien die interne Dialogfähigkeit der deutschen Geschichtswissenschaft zerstörte und zur Herausbildung und weitgehend unverbundenen Koexistenz zweier historiographischer Kulturen führte.
Die rechtlichen Regelungen der Arbeitsbeziehungen während der zwölf Jahre, die das Dritte Reich überdauerte, systematisch auszuleuchten, würde den Rahmen eines Aufsatzes bei weitem sprengen, allein weil der relativ kurze
Zeitraum der NS-Herrschaft von einer ungemeinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Dynamik war, die immer auch die rechtlichen Regelungen, in unserem Fall: Formen, Inhalte und Wirkungen der Arbeitsverfassung, erfassen musste. Die folgenden Bemerkungen konzentrieren sich
auf einige zentrale Aspekte des NS-Arbeitsrechts.
Ich werde im folgenden zunächst das Phänomen beschreiben, d.h. der Frage nachgehen: Wie scharf überlappten sich während der Revolutionszeit von 1848/49 die unterschiedlichen politischen Haltungen mit den generationellen Differenzierungslinien? Dabei wird ein Blick auf die zentralen Revolutionsorte (Barrikade, Parlamente, Vereinswesen), auf die wichtigsten Sozialschichten (Bürgertum nebst Kleinbürgertum sowie die heterogenen Unterschichten) und auf die wichtigsten ‘Minderheiten’ (Frauen und Juden) geworfen. Im zweiten Teil wird ein Feld in Augenschein genommen, das nicht nur in der heutigen, spät- oder vielleicht schon ‘postbürgerlichen’ Gesellschaft einen hohen Stellenwert besitzt, sondern diesen in revolutionserschütterten Zeiten immer schon gehabt hat: die Mode, also die Kleidung und die Haartracht im Wandel der Zeitläufte. Dies schließt sowohl das typische Outfit des jungen Revolutionsenthusiasten als auch die gediegene biedermeierlich geprägte Kleidung des kreuzbrav konservativen oder doch mindestens nationalliberalen älteren Bürgers ein. Im letzten, dritten Teil wird ein Drei-Generationen-Modell vorgestellt und das Verhältnis der generationellen Konflikte zu anderen relevanten Differenzierungslinien (Sozialschicht/Klassen, Geschlecht, Konfession usw.) diskutiert.
Die Geschichte der ausländischen Studierenden in der DDR ist, verglichen mit derjenigen der Vertragsarbeiter der siebziger und achtziger Jahre, der sowjetischen Truppen oder der politischen Emigranten, von der Nach-Wende-Forschung weitgehend ignoriert worden. Das Gegenteil trifft auf die Zeit vor 1989 zu, als die beiden deutschen Staaten auf dem Gebiet des Ausländerstudiums miteinander konkurrierten. Man kann davon ausgehen, dass in der Zeit von 1951 bis 1989 zwischen 64.000 und 78.400 ausländische Studierende aus über 125 verschiedenen Staaten an akademischen Bildungseinrichtungen der DDR einen Abschluss erwarben und damit bis zu drei Prozent aller Hochschulabsolventen in diesem Zeitraum stellten. Seit den sechziger Jahren machten ausländische Studierende im Schnitt bis zu etwa sieben Prozent aller in der DDR lebenden Ausländer aus - wenn man die Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD) nicht mitzählt. Die Abbildung 1 gibt einen Überblick über die wachsende Zahl ausländischer Studierender in der Zeit von 1951 bis 1989. Selbstverständlich war deren Präsenz an den Hochschulen deutlicher spürbar als in anderen gesellschaftlichen Bereichen: so gab es 1989 zum Beispiel 1.200 ausländische Studierende aus 80 verschiedenen Ländern an der Humboldt-Universität zu Berlin, was zehn Prozent aller dort immatrikulierten Studenten entsprach.
Sowjetische Soldaten und Zivilpersonen bildeten mit einer Gesamtzahl von über einer halben Million Menschen die größte Gruppe von Ausländem in der DDR. Durch ihre flächendeckende Präsenz gehörten sie beinahe 50 Jahre lang für einen sehr großen Teil der ostdeutschen Bevölkerung zum Alltag. Nach Schätzungen von Kurt Arlt hielten sich zwischen 1945 und 1994 insgesamt etwa 10 Millionen Bürger der Sowjetunion bzw. ihrer Nachfolgestaaten als Soldaten, Zivilbeschäftigte der Streitkräfte oder deren Familienangehörige auf deutschem Boden auf.3 Verglichen mit den quantitativ deutlich kleineren Gruppen der Vertragsarbeiter und politischen Emigranten stellten sie daher in der DDR gleichsam „die Fremden“ schlechthin dar.
Der in der DDR seit 1945 propagierte Bereich der „kulturellen Massenarbeit“ mit seinem Erziehungs-, Demokratisierungs- und „Hebungs“-Anspruch bildet immer noch ein weitgehend unbearbeitetes Feld in der neueren sozialhistorischen Forschungslandschaft. Die Existenz betrieblicher Kulturarbeit wird als Phänomen zwar erwähnt, bildet jedoch ein Forschungsdesiderat, das lediglich ein Aufsatz der französischen Historikerin Sandrine Kott aus dem Jahr 1999 thematisiert. Auch der Kulturwissenschaftler Horst Groschopp befaßte sich in den neunziger Jahren eingehend mit dem Phänomen der Breitenkultur in der DDR. Das beinhaltet die aus der Geschichte der Arbeiterbewegung übernommenen Kulturvorstellungen, die Idee der Kulturhäuser und die Professionalisierung der „Kulturarbeiter“. Die von der Einheitsgewerkschaft organisierte Kulturarbeit findet in Groschopps Aufsätzen jedoch kaum Eingang. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß selbst in den neueren Monographien zur Geschichte des FDGB Kulturarbeit keine Beachtung findet, obwohl in dessen Organisationsstruktur gewerkschaftliche Kulturarbeit (von der Ebene des Bundesvorstandes bis in die Betriebe) seit 1946 institutionell verankert war.
Die Arbeiter im Staatssozialismus als Gegenstand der zeithistorischen Forschung sind in Bulgarien nach 1989 noch nicht entdeckt worden. Aus zwei Perspektiven tasten sich bulgarische Wissenschaftler jedoch langsam an das Thema heran - somit lassen sich aus deren Publikationen in den letzten Jahren schon einige interessante Fragen und Hypothesen ableiten. In politologischen Untersuchungen zur bulgarischen Transformation nach 1989 erscheinen die Arbeiter als eine eher konforme Bevölkerungsschicht, die definitiv nicht zu den Akteuren der Wende gehörte. Unter den vielen Ursachen und Voraussetzungen für den Systemwechsel vor 15 Jahren spielte die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft eine sehr geringe Rolle. Offene Proteste der Arbeitnehmer oder gar Arbeitsniederlegungen blieben bis in die späten achtziger Jahre eine Ausnahme.
Die Regularien der Austragung von Arbeitskämpfen, die in der tschechoslowakischen Republik zwischen 1918 und 1938 institutionalisiert und kodifiziert wurden, sind bereits vor der kommunistischen Machtübernahme (Februar 1948) so weit ausgehöhlt worden, daß die Errichtung des Machtmonopols der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) unter diesem Gesichtspunkt nicht als qualitative Zäsur betrachtet werden kann. Ausschlaggebend für die Erosion der rechtlichen, organisatorischen und politisch-sozialen Grundlagen von Arbeitskämpfen war das machtpolitische Konfliktszenarium der formal demokratisch verfaßten Nachkriegsrepublik (1945-1948), d. h. die oft dargestellten Auseinandersetzungen zwischen der KPTsch und den anderen Parteien der Nationalen Front, in deren Verlauf die legitime Verfolgung von Gruppeninteressen und das freie Ausschwingen sozialer Konflikte in beiden politischen Lagern rigoros parteipolitischem Kalkül untergeordnet wurden. Unser Thema ist dafür ein besonders anschauliches Beispiel. Die Parteien rechts von Kommunisten und Sozialdemokraten forderten einen restriktiven Umgang mit Arbeitskämpfen, um dem sozialen Radikalismus und der politischen Mobilisierung der Industriearbeiterschaft, die in der Masse zur Klientel der KPTsch gehörte, das Wasser abgraben zu können. Auf der Gegenseite akzeptierte und unterstützte das linke Machtkartell, das die kommunistische Partei und die im Mai 1945 als Einheitsgewerkschaft gegründete Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung (ROH) bildeten, industrielle Konflikte nur insoweit, als diese mit seinen klassenpolitischen Zielsetzungen und dem - wenn auch zunächst vage formulierten - volksdemokratischen Konzept vereinbar erschienen. Das verdeutlichen in erster Linie die von den beiden Organisationen teils selbst organisierten, teils nachträglich in Regie genommenen politischen Streiks für die Verstaatlichung von Industriebetrieben oder gegen die Restitution industrieller Konfiskatę in privates Eigentum.
Das Verhältnis von Arbeitern und Staat beschäftigte die Protagonisten der in unterschiedlichen historischen Kontexten entstandenen Arbeiterbewegungen von deren Anfängen an. Der Plural des Begriffs, wie ihn Klaus Tenfelde in seinem Einführungsvortrag „Arbeiter, Arbeiterbewegungen und Staat im Europa des ,kurzen' 20. Jahrhunderts“ verwendet, signalisiert nicht allein Unterschiede der Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen, sondern auch Differenz im Politischen, in der Programmatik ebenso wie in der täglichen Praxis. In besonderem Maße spiegelten sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Arbeiterbewegungen, wie überhaupt der Arbeiterschaft in der Perzeption des Staates. Doch auch „der Staat“ präsentierte sich Arbeitern gegenüber in sehr verschiedener Weise. Insofern ließ sich die Beziehung zwischen beiden nie über einen Kamm scheren. Gleichwohl weist sie im internatio-nalen Vergleich ebenso wie im Hinblick auf die Arbeiterbewegungen strukturelle Übereinstimmungen auf.
Als der Generalsekretär L. I. Breshnew 1977 das sechzigjährige Jubiläum der Revolution feierte, hielt er mit dem Schlagwort vom „entwickelten Sozialismus“ einen Zustand fest, der das Vermächtnis der Revolution als einen Besitzstand beschwor. Dieses Schlagwort war 1971 auf dem XXIV. Parteitag der KPdSU in Umlauf gesetzt worden und sollte ein gleichgewichtiges Wachstum mit einer stärkeren Berücksichtigung der Konsumwünsche der Bevölkerung signalisieren. Die alternde Sowjetführung verstand „entwickelten Sozialismus“ als das realisierte, aber zunehmend pragmatisch umgesetzte Erbe Lenins (und Stalins). Der Name des letzteren wurde seit 1967 nur noch im Zusammenhang mit dem Triumph im Großen Vaterländischen Krieg genannt, obwohl die Nachkriegsstruktur der Sowjetunion auf den Fundamenten ruhte, die Stalins Regime gelegt hatte. Was Breshnew unter seiner Definition von Sozialismus subsumierte, gab sich als das Resultat einer Spirale von Kämpfen und Siegen aus. Nun konnte sich im entwickelten Sozialismus eine „sozialistische Lebensweise“ entfalten. Diese wurde auf dem XXV. Parteitag (1976) als eine „Atmosphäre genuinen Kollektivismus und Kameradschaft“ beschrieben, „als Solidarität und Freundschaft aller Nationen und Völker des Landes“, und schließlich als „moralische Gesundheit, die uns stark und standhaft macht“. In diesem Sozialkitsch manifestierte sich die Selbstzufriedenheit eines juste milieu, der Breshnew-Generation, die unter Stalins Terror sozialisiert, einen beispiellosen Aufstieg aus subalternen Schichten erlebt hatte und den eigenen Erfolg - zu Recht oder zu Unrecht - mit den Siegen im Großen Vaterländischen Krieg und dem Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht verknüpfte.
Längst hat eine die Kultur, Alltags- und Lebenswelt einbeziehende Öffnung der Sozialgeschichte im allgemeinen, der Sozialgeschichte der Arbeiterschaft im besonderen, der der Arbeiterschaft im Staatssozialismus im speziellen stattgefunden. Trotzdem tut man nach wie vor gut daran, soziale Mikrokosmen und Milieus, Identitäten und Mentalitäten in der politischen Ökonomie zu erden. Sind deren „große“ Institutionen auch keine ehernen Gehäuse, so erweisen sie sich doch als träge, oft nur in der longue durée und mit großem Aufwand verschiebbare Koordinaten des Handelns. Sie sind von beträchtlicher, Menschen und Lebenswelten prägender Wirkmacht: reale, im doppelten Sinn harte Fakten.
Die von mir untersuchte Migrantengruppe der so genannten „polit. Emigranten“ - im Text auch als Flüchtlinge bzw. einfach als Emigranten bezeichnet - eignet sich nach meiner Überzeugung trotz ihrer vergleichsweise geringen Personenzahl besonders zur exemplarischen Bearbeitung des Themas „Migration und interkulturelle Begegnungen in der DDR- Gesellschaft“, da die Anwesenheit dieses Personenkreises in der DDR, wie die von allen Ausländem, stets an die politische Sanktionierung des SED-Staates gebunden war. Im Unterschied zu den ausländischen Vertragsarbeitem und sowjetischen Besatzungstruppen (GSSD) aber war ihr Aufenthalt in der DDR nicht an eine dauerhafte quasi kasernierte Unterbringung gebunden. Die Emigranten teilten so unmittelbar den Alltag in der DDR mit deren Bevölkerung. Für die „polit. Emigranten“ galt aber zugleich auch, dass sie - als „gute Fremde“ - zumindest als Verbündete, wenn nicht sogar als Vertreter der kommunistischen Staatspartei angesehen wurden, und zwar von der SED selbst wie auch von der DDR-Bevölkerung. In den Augen derjenigen, die heute ein affirmatives Erinnern an den „ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staat“ verteidigen, avancierten die „polit. Emigranten“ und besonders die chilenischen Flüchtlinge daher zum wichtigsten Beleg für den hohen Stellenwert von Solidarität in der kommunistischen Bewegung und die daraus abgeleitete internationalistische Ausrichtung der Ausländerpolitik in der DDR.
Die Problematik, die mit dem Alltagsleben in den Betrieben und mit der Sozialgeschichte der Arbeitermilieus verbunden ist, stellt keine Spezialität der polnischen Historiographie dar. Aber ähnlich wie anderswo wurden die Forschungen zu den Anpassungsstrategien oder auch zu ambivalenten und konformistischen Haltungen gegenüber dem Regime, die für die Erforschung des Alltags so wichtig sind, durch Arbeiten dominiert, die dem Widerstand und der politischen Opposition gegen die Macht gewidmet waren. Doch treten die Publikationen aus dem Grenzbereich von Wirtschafts- und Sozialgeschichte langsam heraus aus dem Schatten der Vielzahl von Büchern über das Martyrium der Soldaten des bewaffneten und politischen Untergrunds der vierziger Jahre, über die Repressalien gegen die katholische Kirche, über die politischen Gefangenen oder die spektakulären gesellschaftlichen Aufstände. Wenig vorangekommen sind die Forschungen, die zeitlich über die Epoche des Stalinismus hinausreichen. Teilweise wird das durch die zeitgenössische soziologische Literatur kompensiert, die eine ziemlich glaubwürdige Informationsquelle zur Realität in der Volksrepublik Polen (VRP) darstellt. Aus allen erwähnten Gründen sind die Sozialhistoriker, die sich in Polen mit dieser Epoche beschäftigen, auf ihren Gebieten Pioniere oder schreiten auf kaum gebahnten Wegen.
Die in diesem Aufsatz betrachteten sozialistischen Großbetriebe waren ein Ergebnis der sozialistischen Transformation, die sich in den Ländern Ostmitteleuropas seit spätestens 1947 bei starker Orientierung am sowjetischen Modell vollzog und aus der bis Ende der sechziger Jahre eine weitgehend vollständig ausgebildete Planwirtschaft resultierte. Sozialistische Großbetriebe entstanden in ganz Ostmitteleuropa unabhängig vom Industrialisierungsgrad des jeweiligen Landes. Eine Forschungsarbeit über die sozialistische Transformation am Beispiel der Eisen- und Stahlindustrie in Polen, der Tschechoslowakei und der DDR im Rahmen meiner Dissertation und frühere Forschungen zur deutsch-polnischen Grenzregion haben ergeben, dass die Umsetzung des sowjetischen Modells der Industrialisierung sich vor allem in Bezug auf die Arbeitskräfte am schwierigsten gestaltete. Der Institutionentransfer und die zentrale Planung bis auf die Betriebsebene, das Monopol der Partei und die Verstaatlichung konnten originalgetreu aus der Sowjetunion übernommen werden. Die Mobilisierung der Bevölkerung zu „neuen Menschen“ in Form von Arbeiterbrigaden, dem sozialistischen Wettbewerb und den Massenorganisationen mit dem Ziel der Überwindung des kapitalistischen Systems im Menschen und der Transformation vom letizimi Wir-Denken bereitete den Entscheidungsträgern dagegen die meisten Probleme. Ein Grund dafür war die große Diskrepanz zwischen der von den kommunistischen Parteien propagierten Gleichheit aller Arbeiter und der tatsächlichen ungleichen Behandlung in den Betrieben, die zu Konflikten und schließlich zum Widerstand der Arbeitskräfte führte. Die Arbeiter erkannten diese Diskrepanz sehr schnell, lehnten das Gleichheitsprinzip ab und forderten individuelle Gerechtigkeit. Besonders mit Blick auf die ausländischen Arbeitskräfte, die in den ausgewählten Betrieben in unterschiedlicher Quantität eingesetzt wurden, wird die ungleiche Behandlung sichtbar.