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Verlagstext Böhlau: "Satirische Kritik, die sich auf die DDR richtete, widersprach dem Optimismus, den die SED in ihren Medien verbreiten ließ. Und dennoch war die Partei gezwungen, satirische Kurzfilme, Berufskabaretts und eine Satirezeitung, deren verkaufte Auflage eine halbe Million erreichte, zu etablieren. Worin
bestand dieses Paradox DDR-Satire? Wie kam es zum ersten satirischen Großprojekt in der DDR, der DEFA-Stacheltier-Produktion? Weshalb gab es in den siebziger Jahren eine zweite Gründerzeit für Kabaretts? Worin unterschied sich der frühe Eulenspiegel vom späten?
Die Untersuchungen zur frühen und späten Satire in der DDR richten sich auf satirische Kurzfilme, die DEFA-Stacheltiere, die Satirezeitschrift Eulenspiegel und Kabarettprogramme des Potsdamer Kabaretts am Obelisk, der Dresdner Herkuleskeule und des Leipziger Studentenkabaretts Rat der Spötter. In den Blick genommen werden Grenzbereiche: Die ersten satirischen Unternehmungen und späte Satiren im letzten Jahrzehnt der DDR, Phasen, in denen Funken sprühten, die in Höhepunkten und Niederlagen endeten."
Der Beruf nimmt im Leben eines Menschen einen sehr wichtigen Platz ein. Über den reinen Broterwerb hinaus, bestimmt er seine Rolle und Bedeutung in der Gesellschaft. Berufe strukturieren also die Gesellschaft und die Interaktion ihrer Mitglieder. In der DDR waren Arbeit und Beruf zentrale Elemente, die dem Einzelnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen sollten. In der Tat wurden soziale Dienstleistungen wie Kinderbetreuung über berufliche, speziell betriebliche Netzwerke verteilt. Die Arbeitsbeziehungen waren für den Einzelnen von zentraler Bedeutung, nicht so sehr hinsichtlich der materiellen Tätigkeit, sondern eher in Bezug auf den „Betrieb als sozialen Ort“, also dem Betrieb als „Verteilungsinstanz von Sozialleistungen“, der Anknüpfungspunkte für informelle soziale Beziehungen“ bot, „die ihr Anwendungsfeld hauptsächlich jenseits der Arbeit und zum Teil auch außerhalb des Betriebes fanden“. So las man in der Erklärung zum 1977 in Kraft getretenen Arbeitsgesetzbuch der DDR, dass die „Arbeit [...] die wichtigste Sphäre des gesellschaftlichen Lebens“ sei. Weiter wurde in dieser Erklärung die Rolle von Arbeit und Beruf nicht nur für die Gesellschaft benannt, sondern ebenso für „die Entwicklung jedes einzelnen ihrer Mitglieder“.
Wolfgang Knöbl zählt zu den Protagonisten der soziologischen Gewaltforschung in Deutschland. Im April 2015 übernahm er die Leitung des Hamburger Instituts für Sozialforschung von dessen Gründer Jan Philipp Reemtsma, der das HIS seit 1984 als international renommiertes Zentrum der Gewaltforschung, Gesellschaftsbeobachtung und Sozialtheorie etabliert hatte. Nach Stationen an der Freien Universität Berlin, in New York City, Toronto und Göttingen lehrt Wolfgang Knöbl neben seiner Hamburger Tätigkeit nun Politische Soziologie und Gewaltforschung an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Arbeiten verbinden historische Forschungsinteressen (Polizei und Herrschaft im Modernisierungsprozeß. Staatsbildung und innere Sicherheit in Preußen, England und Amerika 1700–1914, Frankfurt a.M. 1998) mit sozialtheoretischen Leitfragen (Spielräume der Modernisierung. Das Ende der Eindeutigkeit, Weilerswist 2001; zusammen mit Hans Joas: Kriegsverdrängung. Ein Problem in der Geschichte der Sozialtheorie, Frankfurt a.M. 2008). Das Gespräch führten Thomas Schaarschmidt, Winfried Süß, Peter Ulrich Weiß und Jan-Holger Kirsch am 21. Juni 2018 im Hamburger Institut für Sozialforschung.
Die klassische Begriffsgeschichte hat als Historische Semantik eine Renaissance erfahren. Kathrin Kollmeier widmet sich zunächst der lexikografischen Begriffsgeschichte, insbesondere den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ und ihren theoretischen und methodischen Voraussetzungen. Ansätze hingegen, die unter dem Oberbegriff Historische Semantik firmieren, beschränken sich nicht mehr allein auf die Analyse der Historizität von Begriffen, sondern untersuchen den Bedeutungsgehalt und -wandel von Worten, Begriffen, Sprachen und Diskursen sowie kultureller Codes wie Bilder, Rituale, Habitus und Performativa. Zudem verweist der Artikel darauf, dass eine Historische Semantik des 20. Jahrhunderts sich sowohl dem semantischen Wandel im Zuge von politischen, sozialen und kulturellen Brüchen und Diskontinuitäten als auch den relativ stabil bleibenden Bedeutungen „langer Dauer” im gesamten 20. Jahrhundert widmen sollte.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Die klassische Begriffsgeschichte hat als Historische Semantik eine Renaissance erfahren. Kathrin Kollmeier widmet sich zunächst der lexikografischen Begriffsgeschichte, insbesondere den „Geschichtlichen Grundbegriffen“ und ihren theoretischen und methodischen Voraussetzungen. Ansätze hingegen, die unter dem Oberbegriff Historische Semantik firmieren, beschränken sich nicht mehr allein auf die Analyse der Historizität von Begriffen, sondern untersuchen den Bedeutungsgehalt und -wandel von Worten, Begriffen, Sprachen und Diskursen sowie kultureller Codes wie Bilder, Rituale, Habitus und Performativa. Zudem verweist der Artikel darauf, dass eine Historische Semantik des 20. Jahrhunderts sich sowohl dem semantischen Wandel im Zuge von politischen, sozialen und kulturellen Brüchen und Diskontinuitäten als auch den relativ stabil bleibenden Bedeutungen „langer Dauer” im gesamten 20. Jahrhundert widmen sollte.
Mit Christian Geulens „Plädoyer für eine Geschichte der Grundbegriffe des 20. Jahrhunderts“ möchten wir eine Diskussion eröffnen zu den möglichen Konturen einer Historischen Semantik des vergangenen Jahrhunderts sowie zum Verhältnis von Zeitgeschichte und Begriffsgeschichte. Als Beitrag zur Historisierung und epochalen Charakterisierung der „Hochmoderne“ skizziert Geulen das Programm einer begriffsgeschichtlichen Grundlagenforschung, die zugleich als Vorstoß zur wissenschaftsgeschichtlichen Erschließung der eigenen Disziplin zu verstehen ist. Nach dem editorischen Abschluss der lexikalischen Großforschungsprojekte der „Geschichtlichen Grundbegriffe“ (1972–1992), des „Handbuchs politisch-sozialer Grundbegriffe in Frankreich 1680–1820“ (1985–2000), des „Historischen Wörterbuchs der Philosophie“ (1971–2007) und der „Ästhetischen Grundbegriffe“ (2000–2005) beginnt soeben erst eine Rückschau auf die begriffsgeschichtliche Fundierung der deutschsprachigen Geisteswissenschaften im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Ausverkauf des Ost-Erbes?. Spurensuche zur Privatisierung des VEB Deutsche Schallplatten nach 1989
(2020)
Die zur Umbruchszeit verschmähte Popmusik der DDR erlebte ab Mitte der 1990er Jahre eine bemerkenswerte Renaissance. Unter der Genrebezeichnung „Ostrock“ wurden sehr verschiedene Musiker*innen mit ostdeutschem Hintergrund erfolgreich vermarktet. Erlebte dieser Teil des DDR-Musikerbes damit ein bemerkenswertes Fortleben, bestimmte hingegen in Vertrieb und Produktion nicht Kontinuität, sondern Bruch und Veränderung die Zeit nach 1989. Im Schatten der allgemeinen Transformationsgeschichte Ostdeutschlands fand ein musikwirtschaftlicher Überlebenskampf statt. Diesen aus historischer Perspektive nachzuvollziehen, ist allerdings keinesfalls einfach, denn für die Zeit vor und nach 1990 herrscht eine asymmetrische Aktenlage bzw. viele Archivbestände aus dieser Periode sind immer noch unter Verschluss. Das macht es bislang auch so schwierig, die geschichtswissenschaftliche Forderung nach mehr thematisch eng gefassten Studien zur Transformationszeit einzulösen. Davon betroffen ist auch die Geschichte der DDR-Schallplattenlabel und des „Ostrocks“ nach 1990. Ihr Ringen um Weiterexistenz muss aus diversen Überlieferungsresten und Einzelberichten rekonstruiert werden – ein lohnendes Unterfangen, wie erste Einsichten und Ergebnisse zeigen.
Boulevard-Medien wie die SuperIllu sind noch immer ein blinder Fleck in der Zeitgeschichte der Medien. Zwar wird oft auf die hohen Auflagenzahlen von Publikationen wie der Tageszeitung Bild verwiesen, größere Aufmerksamkeit in der Analyse erhalten dann aber intellektuellere Medien wie die FAZ.Gerade eine erfolgreiche Zeitschrift wie die SuperIllu, die den lebensweltlichen Wandel in den Neuen Ländern seit 1990 begleitet und zu den einflussreichsten Medien für ostdeutsche (Pop‑)Kultur gehört, ist jedoch eine wahre Fundgrube für die Erforschung der Transformationsprozesse auf verschiedensten Ebenen, beispielsweise der regionalen Identität, der Sexualnormen oder der Aufarbeitung der Diktatur.
Historisierung (Version 2.0)
(2012)
Der Begriff „Historisierung” stellt sicherlich keine Neuheit in der Diskussion über Geschichtstheorie dar. In der Zeitgeschichte hat er sich insbesondere dank der Auseinandersetzung zwischen Martin Broszat und Saul Friedländer über das zulässige Ausmaß historischer Relativierung des Nationalsozialismus etabliert, und in der Tat würden die meisten Fachkolleginnen und -kollegen den Begriff wahrscheinlich mit diesem intellektuellen Ereignis assoziieren. Dennoch nahm der Begriff bisher keineswegs einen zentralen Platz in den fachhistorischen Debatten ein.
Historisierung (Version 1.0)
(2010)
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Der Begriff „Historisierung” stellt sicherlich keine Neuheit in der Diskussion über Geschichtstheorie dar. In der Zeitgeschichte hat er sich insbesondere dank der Auseinandersetzung zwischen Martin Broszat und Saul Friedländer über das zulässige Ausmaß historischer Relativierung des Nationalsozialismus etabliert, und in der Tat würden die meisten Fachkolleginnen und -kollegen den Begriff wahrscheinlich mit diesem intellektuellen Ereignis assoziieren. Dennoch nahm der Begriff bisher keineswegs einen zentralen Platz in den fachhistorischen Debatten ein.
„zurückGESCHAUT“ ist in diesem Zusammenhang deutschlandweit eine der ersten Dauerausstellungen zur deutschen Geschichte von Kolonialismus, Rassismus und Widerstand. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Ausstellungsmacher*innen diskriminierende und kolonialrassistische Fotografien im Hinblick auf bildethische Grundsätze in ihr Ausstellungskonzept integriert haben. Seit 2017 thematisiert die Ausstellung im Museum Treptow in Berlin die sogenannte Erste Deutsche Kolonialausstellung im Treptower Park als einen eigenständigen Teil der Berliner Gewerbeausstellung von 1896. Nachdem im Folgenden mit der Berliner Gewerbeausstellung von 1896 der historische Gegenstand, in einem Exkurs das Bezirksmuseum Treptow sowie die Inhalte und der Aufbau von „zurückGESCHAUT“ vorgestellt werden, soll der Fokus im Zusammenhang mit der aufgeworfenen Frage auf dem sogenannten Raum mit dem Opernglas liegen. In diesem wird unter anderem das von Bismarck Bell erworbene Opernglas ausgestellt.
Im experimentellen und künstlerisch-kreativen Umgang von den am Workshop teilnehmenden Historiker*innen mit diesem regionalen Thema sind schließlich sieben Comic-Plakate entstanden, die gezielt Einblicke in den Alltag des frühen 20. Jahrhunderts geben und Momente aus dem teils harten Leben in der Weltstadt Berlin visualisieren.
Seit mehr als 20 Jahren publiziert der avant-verlag mit Sitz am Weichselplatz in Berlin-Neukölln für Liebhaber:innen – von Grafik und Kunst, von Literatur und Wort, von Comics und Graphic Novels. Mit Neugier und viel Herz werden aktuelle Bücher internationaler Größen und einzigartige Neuheiten sorgfältig ausgewählt, um zu zeigen, „was der Comic heute ist: ein sich stetig entwickelndes Medium mit literarischer Qualität“. Im Gespräch mit Public Historian und Visual History-Redakteurin Josephine Kuban gibt der Verlagsgründer Johann Ulrich Einblicke in das unverwechselbare Profil des avant-verlags, aber auch den deutschen Comic- und Graphic Novel-Markt sowie die Welt der Geschichtscomics.
Dieser Text ist eine Verschriftlichung des Eingangsstatements von David Kuchenbuch bei der Diskussionsreihe "Geschichtliche Grundfragen". Die von Rüdiger Graf (ZZF), Matthias Pohlig (HUB) und Ulrike Schaper (FU Berlin) initiierte Veranstaltung fand im Winter- und Sommersemester 2021/22 im Online-Format statt. Zeitgeschichte|online veröffentlicht die Eingangsstatements der Veranstaltung in einem Dossier. Die Vorträge wurden bis auf wenige Ausnahmen von der Audioaufnahme transkribiert und überarbeitet, dabei wurde Wert darauf gelegt, die rein sprachliche Form der Statements beizubehalten.
Zugegeben handelt es sich bei dieser digitalen Fotoausstellung um ein nostalgisches Projekt. Kolleginnen und Kollegen, die sich mit der Geschichte des Russischen Reichs, der Sowjetunion und ihrer Nachfolgestaaten beschäftigen, haben auf unsere Bitte hin nach ihren persönlichen Fotografien aus der Zeit der Perestroika gesucht, uns eine Auswahl geschickt und zu einem Bild einen kleinen Text geschrieben. Wir freuen uns, dass mit Unterstützung von Christine Bartlitz (ZZF) die Schau ihren Platz auf der Plattform Visual History gefunden hat.
Hans Richters (1888-1976) künstlerisches Lebenswerk ist unglaublich vielfältig. Er war Expressionist, Dadaist, Konstruktivist, Filmpionier und vor allem Avantgardist, und er gilt damit als einer der bedeutendsten Protagonisten der Moderne. Vor allem beeindruckt seine die einzelnen Disziplinen übergreifende Arbeitsweise sowie die Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern. Darin sah Richter überhaupt das größte künstlerische Potenzial. Der Berliner Hans Richter war ein Multimedialist und „Networker“, bevor diese Begriffe überhaupt erfunden wurden.
Keine andere Periode der russischen Geschichte zog derartig grundlegende Veränderungen in Europa und der Welt nach sich wie die Zeit der Perestroika in den Jahren 1985-1991. Trotz der Bedeutung der Reformjahre unter Führung des letzten Generalsekretärs der KPdSU Michail Gorbatschows steht die historische Erforschung dieser Periode in vielen Bereichen noch am Anfang. Corinna Kuhr-Korolev fasst das bestehende Wissen zusammen und plädiert für unterschiedliche historische Zugriffe und Blickweisen, um die Vielschichtigkeit der dynamischen Prozesse in dieser Periode auf der Grundlage bisher noch kaum erschlossener Quellenbestände besser zu verstehen.
"Was will Putin?", wurde in den letzten Wochen gerätselt. Eher sollte gefragt werden, was will der Westen tun, um die Pläne des russischen Präsidenten zu verhindern. Dessen Pläne sind umfassend und unmissverständlich deutlich in den beiden im Dezember veröffentlichten Schreiben an die NATO und an die Regierung der USA formuliert worden. Die hektischen diplomatischen Bemühungen seit Dezember 2021 konnten kaum Ergebnisse bringen, weil die absolute Setzung des russischen Standpunktes keinen Raum für Verhandlungen bot. Insofern sieht im Nachhinein alles, was passiert ist, nach einem minutiös geplanten Szenario aus, das punktgenau mit der Rückkehr der russischen Olympioniken und der anschließenden Rede Putins an die Nation am 21. Februar 2022 seinen ersten Abschluss fand. Diese Rede hatte zwei Funktionen: innenpolitisch bediente sie das Bedürfnis nach nationaler Größe und einem starken, weisen Führer, außenpolitisch lieferte sie krude Argumente für die Verschleierung der Expansionsgelüste Putins und seiner brutalen und menschenverachtenden Machtpolitik.
Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg ist im Krieg in der Ukraine allgegenwärtig. Die alten Menschen, die oft nicht mehr fliehen wollen oder können, erinnern sich an ihre Kindheit im Krieg. Sie erinnern sich an die deutsche Besatzung, an die Zerstörung ihrer Städte, an den mühsamen Wiederaufbau und an die Hoffnungen, die sie in die neue Staatlichkeit setzten.
Eine tragische Wiederholung ist auch das Schicksal der Kulturgüter. Vieles wurde während des Zweiten Weltkriegs zerstört, verbrannt oder verschleppt. Noch immer vermissen ukrainische Museen und Bibliotheken große Teile ihrer Sammlungen. Gerade erst konnten Verlustkataloge abgeschlossen werden. Einige wenige Rückgaben von Kunstwerken, Büchern und Dokumenten gab es in den letzten Jahren, aber solche Fälle sind die Ausnahme. Nun droht erneut die Gefahr, dass einzigartiges Kulturerbe zerstört und damit ein Teil der ukrainischen Identität ausgelöscht wird.
Die von der SED-Führung unter Einfluß der sowjetischen Hegemonialmacht seit 1952 betriebene „sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft der DDR“ läßt sich nicht auf die formale „Kollektivierung“ reduzieren, auch wenn deren Wirkungsmächtigkeit bis in die heutigen Transformationsprozesse hinein nachzuweisen ist. Tempo, Ausmaß und Folgen des Übergangs zur genossenschaftlichen Produktion finden weder in der historischen Entwicklung bis 1945 noch im (etwa zeitgleich einsetzenden) agrarstrukturellen Wandel in der Bundesrepublik eine Entsprechung. Das Genossenschaftsmodell war zwar bestimmendes Merkmal (Ausnahme: Polen) der jeweiligen Agrarstruktur in den Diktaturen sowjetischen Typs, aber die agrarprogrammatischen Vorstellungen griffen weiter. Sie umfaßten nicht nur Veränderungen der Organisation der Produktion, der Eigentums- und Besitzverhältnisse sowie der Sozialstruktur. Vor dem Hintergrund der Durchsetzung und Sicherung herrschaftspolitischer Interessen der SED und des anhaltenden Modemisierungsdrucks in der Landwirtschaft der DDR zielten sie auf die Konstruktion einer neuen ländlichen Gesellschaft, die bereits mit der Bodenreform 1945 eingeleitet worden war. Die gesamte Arbeits- und Lebensweise der dörflichen Bevölkerung sollte in der Perspektive auf „sozialistische Art umgestaltet“ werden.
Quelle: http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-20416-7.html
Als einer der besten Kenner russischer Quellen zu Stalins Deutschlandpolitik geht Jochen Laufer in diesem Buch der Frage nach, worin und warum sich die dem Osten Deutschlands diktierte sowjetische Friedensordnung so fundamental von allen anderen Friedensregelungen nach dem Zweiten Weltkrieg unterschied. Er zeigt, dass mit der "Pax Sovietica" eine politische Ordnung an Realität gewann, die Stalin schon seit 1939 für den Osten Europas verfolgte. Seit dieser Zeit strebte er konstant nach der Durchsetzung und Anerkennung von Einflussgebieten, die außerhalb der Grenzen der UdSSR lagen. Anhand zahlreicher Fallstudien analysiert der Autor das Wechselspiel zwischen der Machtentfaltung der Roten Armee, dem Gestaltungswillen Stalins und der militärischen Schwäche seiner westlichen Koalitionspartner. Dabei bildeten die "Aufgliederung" Deutschlands bzw. dessen gemeinsame Besetzung durch die UdSSR, die USA und Großbritannien "Garanten" der Pax Sovietica.
24. Februar 2022: "Die Wirklichkeit ist angekommen …" Von der Arbeit an der Lücke. Ein Vorwort
(2024)
"Die Wirklichkeit ist angekommen", sagte Karl Schlögel am 27. Februar 2022 in der sonntäglichen Gesprächsrunde bei Anne Will. Die Zeit sei vorbei, dass man uns Märchen erzählt. Gemeint war damit der unglaubliche »Russland- und Putin-Kitsch«, den Politiker:innen wie Sahra Wagenknecht, Gerhard Schröder oder Gregor Gysi bis heute verbreiten. Noch fünf Tage vor dem Beginn der Großinvasion am 24. Februar 2022 erklärte Schlögel, dieser exzellente und stets auf Verständigung bedachte Osteuropa-Historiker, auf den Angriffskrieg nicht gefasst gewesen zu sein.
Neben der mittlerweile weit verbreiteten Praxis des Reenactments spielen im katholisch geprägten Polen religiöse, aber auch säkulare Symboliken auf Friedhöfen oder im Stadtbild eine wichtige Rolle in der nicht-staatlichen kollektiven und individuellen Erinnerung. Auch Murals und besonders Graffiti sind bereits seit den 1980er Jahren moderne Ausdrucksmittel vor allem jugendlicher Akteure, die ihre Emotionen und Einstellungen durch das Bemalen oder Besprühen öffentlicher Flächen externalisieren. Im Falle der Erinnerung an den Warschauer Widerstand und Aufstand zielt die künstlerische Intervention auf konkret geschichtspolitischem Terrain auf Fragen der Interpretation des Vergangenen und dessen Wert(ung) für die Gegenwart.
Vergangenes Hören und Sehen. Zeitgeschichte und ihre Herausforderung durch die audiovisuellen Medien
(2004)
Anknüpfend an Hans Rothfels` klassische Definition der Zeitgeschichte als ,Epoche der Mitlebenden und ihre wissenschaftliche Behandlung" wird das Verhältnis der auf analogen Aufzeichnungsverfahren basierenden audiovisuellen Medien zur heutigen Zeitgeschichtsforschung diskutiert. Die Durchsetzung des sozialen Gebrauchs dieser Medien ist Teil des Übergangs zur Konsumgesellschaft im 20. Jahrhundert. Zu fragen ist: Wie verändert sich die Kategorie der ,Mitlebenden", wenn sie als Menschen zu denken sind, deren Realitätsbezüge und Erinnerungen in hohem Ausmaß durch den alltäglichen Gebrauch von audiovisuellen Medien bestimmt sind? Die Ausbreitung dieser Medien beendete die Hegemonie der schriftlichen Kommunikation, die auch der akademischen Disziplin ,Zeitgeschichte' zu Grunde lag. Um ihre gesellschaftliche Kompetenz zu bewahren, muss Zeitgeschichte die audiovisuellen Medien daher umfassend in ihre Praxis integrieren - von der Forschung über die öffentliche Kommunikation bis hin zur Lehre.
„Es darf kein Gebiet der Landwirtschaft geben, das die Volkspolizei nicht kennt.“ Mit dieser Forderung begann ein Mitarbeiter der Hauptverwaltung Deutsche Volkspolizei im September 1952 einen Artikel in der Zeitschrift Die Volkspolizei. Ähnliche Forderungen finden sich in zahlreichen anderen Artikeln der polizeilichen Fachpresse der fünfziger Jahre. Als ein Sicherheitsorgan der „Arbeiter-und-Bauem-Macht“ hatte auch die Deutsche Volkspolizei (DVP) ihren Beitrag zur „sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft“ zu leisten. Für dessen Untersuchung ist zunächst von folgenden Voraussetzungen auszugehen.
Gemeinschaften sind immer durch ein Verhältnis von Einschließung und Ausschließung konstruiert. Die von den SED-Ideologen imaginierte sozialistische Menschengemeinschaft war darin keine Ausnahme. Auch sie definierte Grenzen zwischen dem Eigenen und dem Fremden, wobei das Fremde nicht in erster Linie ethnisch, sondern sozial, d. h. als einer fremden Klasse zugehörig repräsentiert wurde. Dieser binären Logik wurde dann aber zusehends durch die soziale „Liquidierung“ der nicht werktätigen Klassen in der DDR der konkret-historische Inhalt entzogen. Wie der SED-Staat und die ihm zuarbeitende Rechtswissenschaft auf dieses Problem reagierten und welche „Lösungen“ sie dafür entwickelten, versuche ich im folgenden anhand des juristischen Diskurses über das „asoziale Verhalten“ aufzuzeigen.
Von einer „Gesellschaft“ der DDR zu reden, ist auch zehn Jahre nach ihrem Ende noch immer alles andere als selbstverständlich. Als „Staat“ war und ist sie allemal leichter auszumachen: ein Ensemble von Institutionen, Ordnungen und Verfahren in Deutschland, dessen äußerer Bestand von einer Weltmacht garantiert wurde und das sich nicht zuletzt durch seine Entgegensetzung zur Bundesrepublik zu legitimieren suchte. Von einem totalitären Gestaltungswillen durchdrungen, der sich auf alle sozialen Beziehungen und Lebensbereiche auf seinem Territorium erstreckte, repräsentierte der „Arbeiter-und-Bauern-Staat“ im Selbstbild wie in der Fremdwahmehmung die historische Alternative zum bürgerlich-liberalen Rechtsstaat in Westdeutschland. Diese Eindeutigkeit seiner Konturen begleitete ihn bis in den Untergang, der vertraglich definiert und exekutiert werden konnte. Infolge der Privatisierung staatlichen Vermögens kann, wer will, auch den „Marktwert“ dieses Staates im nachhinein bestimmen.
Wo immer es um individuelle Verhaltensweisen und Handlungen in ihrer Bedeutung für Macht und Herrschaft, für Unterwerfung und Aufbegehren, für Mitmachen, Widerstehen oder Aussteigen gehen soll, bietet sich „Eigen-Sinn” als historiographisches Konzept an. „Eigen-Sinn” kann in Widerstand gegen Vereinnahmungen und Aktivierungsversuche „von oben” in den alltäglichen Beziehungen wie auch in der großen Politik münden. „Eigen-Sinn” ist jedoch auch, wie Thomas Lindenberger in seinem Beitrag aufzeigt, in der gezielten Nutzung und damit Reproduktion herrschaftskonformer Handlungsweisen zu beobachten.
Eigen-Sinn. This word – commonly rendered in English as "stubbornness" – has since become a key concept in German and even international scholarship for a specific approach referred to collectively as Alltagsgeschichte, the history of everyday life. Eigen-Sinn nowadays is a useful historiographic concept for understanding individual behaviors and actions that impact on the sphere of power and domination: submission and revolt, resistance and dropping-out. How this came about will be explained in this article by Thomas Lindenberger.
Verlagstext, s. http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-02003-3.html:
"Wie in jeder modernen Gesellschaft gab es in der DDR eine "öffentliche", uniformierte Polizei, die im Alltag für "Ordnung und Sicherheit" sorgen sollte. In den Forschungen zur Geschichte der zweiten deutschen Diktatur stand ihre Bedeutung bislang im Schatten der allgegenwärtigen Geheimpolizei, der Stasi. Die vorliegende Studie stellt die erste auf unveröffentlichte Quellen gestützte wissenschaftliche Monografie zur Geschichte der Deutschen Volkspolizei dar. Direkt den Weisungen der SED-Sicherheitspolitiker unterstellt, war dieses "Organ" der "Arbeiter-und-Bauern-Macht" ein wichtiges Bindeglied zwischen dem SED-Staat und seinen Bürgern. Fast ausschließlich aus Arbeiterkreisen rekrutiert, sollte die "VP" nicht nur politisch zuverlässig, sondern auch eine Polizei "aus dem Volk und für das Volk" sein. Oberstes Motto ihrer Arbeitsweise war die "enge Verbindung zur Bevölkerung". Ihre Symbolfigur, der "Abschnittsbevollmächtigte", kurz "ABV", verkörperte gerade auf dem Land als gutmütig-gestrenger "Dorfsheriff" die harmoniesüchtige Utopie einer "sozialistischen Polizei". Deren repressiv-autoritäre Kehrseite wird anhand der Überwachung und Drangsalierung jugendlicher "Rowdys" und "Beatfans" dargestellt."
Der Artikel beleuchtet die Geschichte des afro-amerikanischen Missionars William Henry Sheppard. Seine Aufdeckungsarbeit im Kontext der "Kongo-Gräuel" setzte entscheidende Impulse bei der Bekanntmachung eines der größten Skandale der Kolonialgeschichte. Besonders das Medium der Fotografie avancierte zur wichtigen Waffe im Kampf gegen die an den Einwohnern des Kongos verübten Gräueltaten.
Warum widmete Walter Ulbricht zehn Jahre lang seine knapp bemessene Freizeit parteigeschichtlichen Fragen? Hatte das Politbüro nichts Besseres zu tun, als über die Redaktion der Briefe Thälmanns zu beraten? Was stand dahinter, wenn Otto Grotewohls fünfbändige Geburtstagsausgabe an einer einzigen Fußnote scheiterte, und weshalb schmolz die Pieck-Ausgabe von fünfzehn Bänden auf sechs zusammen? Welche Geheimnisse verbargen sich hinter dem Streit um den richtigen "Charakter der Novemberrevolution", was durfte man wann über Stalins "Personenkult" schreiben, und warum lautete die einzig richtige Reihenfolge "Karl und Rosa"? Im ideologischen Kernbereich der SED konnte jedes falsche Komma ein politischer Fehler sein und ein gestrichener Name einen Kurswechsel andeuten. "Der rote Faden" führt den Leser in ein untergegangenes Diskurs-Labyrinth, in dem parteigeschichtliche Texte sehr, sehr ernst genommen wurden. Im Mittelpunkt steht dabei die achtbändige "Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung" von 1966, eine mit einzigartigem Aufwand fabrizierte und verbreitete "Heilige Schrift" der SED. (Verlagstext, siehe: http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-04603-3.html)
Unter dem Titel „Landsleute“ hat der Fotojournalist Rudi Meisel Bilder aus Reportagen zusammengestellt, die zwischen 1977 und 1987 in der DDR, im Ruhrgebiet und in West-Berlin entstanden sind. Sie sind als Ausstellung – 2015 in der Fotogalerie C/O Berlin gezeigt – nun im Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung zu sehen: Anlass für Fragen an den Fotografen zwischen Zeitgenossenschaft und Geschichte.
Materielle Kultur
(2020)
Der Mensch lebt, gesellschafts- und zeitgebunden, mit physisch präsenten Objekten innerhalb einer ihn umgebenden materiellen Kultur, die Handeln und Wahrnehmungen, Möglichkeiten und Zwänge, Erinnerung und Zukunftsoptionen beinhaltet. Im folgenden Beitrag werden zunächst grundlegende Definitionen problematisiert, um dann auf die Quellenbestände und die Methodologie der Dinganalyse einzugehen. Nach einem Überblick über die interdisziplinäre Forschung und der Herausarbeitung zentraler Forschungsfelder wird am Beispiel der DDR der Vorschlag gemacht, die Erforschung der materiellen Kultur innerhalb der Zeitgeschichte anhand von drei Problemhorizonten zu stärken.
„La vie avant tout“ („Zuerst das Leben“) ist die Ausstellung im Versailler Museum Espace Richaud betitelt, die im Sommer/Herbst 2021 die Fotografien zeigt, die Willy Ronis 1967 in der DDR aufgenommen hat. Sie ist als Einladung zu verstehen, die Bilder eines der wichtigsten Repräsentanten der französischen Fotografie kennenzulernen. Ronis bereiste die DDR für einige Wochen und erarbeitete aus seinen Fotografien eine in Frankreich vielfach (nicht aber in Ost- oder Westdeutschland) gezeigte Ausstellung. Doch seitdem sind nur wenige dieser Bilder in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen. Die aktuelle Versailler Exposition und der Katalog sind eine Rekonstruktion dieser Ausstellung nach mehr als fünfzig Jahren. Die Fotografien zeigen nicht nur den fotografischen Ansatz von Willy Ronis und seine Bildsprache, sondern sie erweisen sich bei näherer Betrachtung auch als zeithistorische Quelle und als widerspenstiges Dokument kultureller Aneignung auch jenseits des Kalten Kriegs.
West-Berlin gerät in den »Erinnerungsmodus« (Aleida Assmann). Vor dem Hintergrund einer bislang fragmentarischen Re-Lektüre der Halbstadt auf Grundlage von Erinnerungsberichten der »Szene«, Publikationen zeitgenössischer Fotografien und nicht zuletzt der Tagespresse haben sowohl Berliner/innen als auch Auswärtige manche vergessenen oder verlorenen Orte wiederentdeckt.[1] Auffallend ist der Versuch, ein besonderes Lebensgefühl in West-Berlin mit seinen aus der Teilung resultierenden Spezifika sowie personalen Netzwerken und deren Orten zu beschreiben.[2] Was also macht West-Berlin erkennbar? Was war das Charakteristische der »real existierenden« Stadt, der dortigen Lebensweise(n), ihrer Nutzung? Im Erinnerungsmodus wird vorausgesetzt, dass West-Berlin etwas Besonderes gewesen sei. Damit ist ein ganzes Bündel von Faktoren gemeint, angefangen von der politischen Lage über emotionale Einstellungen, der Bedeutung der Teilstadt im individuellen Lebenslauf bis hin zum konkreten Erscheinungsbild. Unzweifelhaft gehört die Materialität der Stadt zu den Rahmenbedingungen, die eine spezielle Lebensweise hervorgerufen und begleitet haben.
Materielle Kultur
(2011)
Die Materielle Kultur findet ein zunehmendes Interesse in der Öffentlichkeit, wie der Ausstellungsboom der vergangenen Jahrzehnte zeigt. Demgegenüber steht die wissenschaftliche Erforschung der Dinge und ihrer Historizität noch am Anfang. Andreas Ludwig zeigt, dass die Produkte der industriellen Massenproduktion und die vielfältigen Dokumente ihres individuellen Gebrauchs eine breite Quellengrundlage für eine sozial und kulturell fundierte Alltags- und Gesellschaftsgeschichte des 19. bis 21. Jahrhunderts bieten.
Nach kurzer Recherche wird deutlich, dass die Konflikte zwischen Aserbaidschan und Armenien bereits nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 ausbrachen. Kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion indes eskalierte der Konflikt (1988), als beide Länder noch Teilrepubliken der SU waren. Damals forderte die mehrheitlich armenische Bevölkerung Karabachs den Anschluss des völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörenden Gebietes. Darauf reagierte Aserbaidschan mit Pogromen in Sumgait und Baku, gefolgt von der Vertreibung der Armenier*innen aus Aserbaidschan. Karabach-Armenien gewann diesen Krieg. Die in Bergkarabach lebenden Aserbaidschaner*innen flohen oder wurden vertrieben. Im Jahr 2020 eroberte Aserbaidschan die Gebiete zurück und besetzte Teile Bergkarabachs. Der Krieg sollte 44 Tage andauern und wurde am 9. November 2020 durch einen gemeinsamen Vertrag beider Länder beendet. Die Waffenruhe wird durch Russland überwacht. Der im September 2022 wieder aufgeflammte Krieg/Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien taucht in den Institutionen, die sich mit der jährlichen Registrierung der Konflikte und Kriege beschäftigen (AKUF, BpB), derzeit nicht auf. Überhaupt sind die Kenntnisse über die Geschichte und Gegenwart dieser Region selbst unter Historiker*innen sehr gering.
Im Jahr 2010 entzündete sich am Abschlussbericht einer vom Auswärtigen Amt eingesetzten Historikerkommission zur Geschichte des Ministeriums vor und nach 1945 eine außergewöhnlich heftige fachliche und öffentliche Debatte. Indem die Vorgeschichte der Einsetzung der Kommission, die grundlegende Struktur sowie Ablauf und Themen der Debatte skizziert werden, wird zunächst ein Überblick der Auseinandersetzung ermöglicht. Es entsteht das Bild einer von unterschiedlichen Faktoren bestimmten vielschichtigen Debatte, in der sich wissenschaftliche und (geschichts)politische Argumente in unterschiedlichen Anteilen mischten.
Die zentralen deutschen Behörden und der Nationalsozialismus – Stand und Perspektiven der Forschung
(2016)
Die Studie bietet eine zusammenfassende Bestandsaufnahme der von Bundesministerien und oberen Bundesbehörden unterstützten Forschungsprojekte zur Geschichte der eigenen Institutionen, die neben der NS-Zeit auch den Umgang mit dieser Vergangenheit in der Nachkriegszeit thematisieren. Darüber hinaus macht sie Vorschläge, bei welchen bislang noch nicht berücksichtigten Einrichtungen eine Untersuchung besonders lohnenswert sein könnte, und skizziert mögliche Perspektiven der weiteren Behördenaufarbeitung.
Seit den 1980er-Jahren erleben wir in der Bundesrepublik und auch in anderen Ländern einen Museumsboom, der noch lange nicht abgeschlossen zu sein scheint. Er zeichnet sich nicht allein durch immer neue Museumsgründungen und hohe Besuchszahlen aus, sondern auch durch eine umfassende mediale Begleitung und öffentliche Diskussion von Museums- und Ausstellungseröffnungen. Gleichzeitig wandeln sich Funktion und Selbstverständnis vieler Museen seit Beginn des 21. Jahrhunderts: weg von elitären Bildungseinrichtungen, hin zu Orten des zivilgesellschaftlichen Austauschs und der Partizipation. Dieser Wandel in der Museumswelt trifft gegenwärtig auf ihrerseits gewandelte geschichtspolitische Ansprüche, die an die Museen herangetragen werden.
Die Forderung nach einer stärkeren Beachtung auditiver Quellen ist in etwa so alt wie die systematische Beschäftigung mit Quellen selbst. Johann Gustav Droysen bemerkte schon 1857, dass „namentlich vor der Zeit des Bücherdruckens historische Lieder recht eigentlich die historische Meinung vertraten“, und sprach sich deshalb für eine gleichrangige Behandlung von Liedern als Quellen der Geschichtsschreibung aus. Keine zwei Jahrzehnte später erlaubte die technische Innovation des phonographischen Verfahrens erstmals die Aufzeichnung und akustische Wiedergabe von Audiosignalen. In den darauffolgenden mehr als 100 Jahren hat die Schallplatte als Tonträger die Medien- und Kulturgeschichte entscheidend verändert. Dennoch werden Platten in der historischen Forschung – wenn überhaupt – meist noch immer so verwendet wie zu Droysens Zeiten: als Textzitat. Dieser Beitrag plädiert dagegen dafür, den mehrdimensionalen Quellenwert von Schallplatten als Ton-, Text- und Bildspeichern auszuschöpfen. Anhand einiger Beispiele werden Anwendungsmöglichkeiten für die Zeitgeschichte nach 1945 skizziert. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der akustischen Dimension und dem sich daraus ergebenden Wert von Schallplatten als Material einer Klang- und Popgeschichte des 20. Jahrhunderts.
Philadelphia, Detroit, The Bronx oder Saint Germain des Prés: Manchen urbanen Topographien hat sich die Musikgeschichte so sehr eingeschrieben, dass ihre Ortsnamen wie unverwechselbare Marken synonym für spezifische Sounds oder Pop-Stile stehen. Dies lässt sich auch in Deutschland finden. Seit kurzem wird hier die untergegangene »Halbstadt« West-Berlin mit Macht neu entdeckt. Zahlreiche Romane, Memoiren, Bildbände, Sachbücher und Ausstellungskataloge erinnern an ihre Popgeschichte.[1] Manche dieser Publikationen beschwören eine Art Westalgie,[2] die als retrospektives Unbehagen an den aktuellen Umbrüchen verstanden werden kann. Im Kontrast zur sich rasant verändernden Hauptstadt der Berliner Republik erscheint der Westen der geteilten Stadt darin als ein Ort, der zwar im Zentrum der geopolitischen Konflikte seiner Epoche lag, gleichzeitig aber – zumindest in den letzten zwei Jahrzehnten seiner Existenz – davon scheinbar unberührt die Kulisse einer hedonistischen Freizeitgesellschaft bildete, die sich in künstlerischen Avantgarden sowie politisierten und subkulturellen Milieus formierte. Man mag hier Ansätze der Mythenbildung erkennen, doch rückt damit die Sonderrolle der vergangenen Stadt in den Fokus.
Popgeschichte
(2010)
Pop bzw. das Populäre hat in den vergangenen Jahren auch im akademischen Diskurs stark an Gewicht gewonnen. Während sich Disziplinen wie die Kultur-, Musik- und insbesondere die Literaturwissenschaften schon seit Jahrzehnten verstärkt um Theoriebildung auf diesem Feld bemühen, ist es innerhalb der Geschichtsschreibung bislang eher schwach konturiert. Dennoch kommt kaum ein Überblickswerk zur Nachkriegszeit mehr ohne die Kategorie Pop aus.
Antiziganismus
(2020)
Bisweilen bestechen Bilder erst durch das, was auf ihnen nicht zu sehen ist. Die Art und Weise, wie das Abgebildete eingeordnet und ergänzt, wie aus dem Ausschnitt ein Panorama, aus dem Augenblick eine Geschichte wird, offenbart oftmals mehr über die Wirkweisen von Bildern als diese selbst. So auch im Fall von „Maria“, einem jungen Mädchen, dessen Porträt aus einer Wohnsiedlung von Rom*nja in der griechischen Stadt Farsala im Herbst 2013 weltweite Wogen schlug.
Von einem ganz ähnlichen Verständnis visueller Zeugnisse ist auch die gegenwärtige Sonderausstellung der Stiftung Topographie des Terrors geleitet. Nur nimmt sie anstelle der weit häufiger fixierten osteuropäischen Perspektive auf den Holocaust erstmalig ein westeuropäisches Land in den Blick. „Fotografien der Verfolgung der Juden. Die Niederlande 1940-1945“ ist aus einer Kooperation mit dem Amsterdamer NIOD Instituut voor Oorlogs-, Holocaust- en Genocidestudies und dem Joods Cultureel Kwartier / Nationaal Holocaust Museum i.o. hervorgegangen, in dem die Ausstellung zuvor zu sehen war.
Herfried Münkler, seit 1992 Professor für Theorie der Politik an der Humboldt-Universität zu Berlin, betrachtet Imperien als „eine Form von Problembearbeitung neben der des Staates und anderen Organisationsformen des Politischen“. Idealtypisch unterscheidet er zwischen dem „pluriversen Ordnungsmodell der Politik“, d.h. einer von mehr oder weniger gleichberechtigten Staaten ausgehandelten Weltordnung, und dem imperialen, d.h. von einer klaren Vormacht bestimmten Ordnungskonzept. Dieser Gegensatz könne auch und gerade viele Konfliktlagen des 20. Jahrhunderts erklären. Anders als die Imperialismustheoretiker, die imperiale Herrschaftsformen seit Ende des 19. Jahrhunderts auf unterschiedliche Weise kritisiert haben, fragt Münkler zunächst einmal wertfrei nach den Merkmalen von Imperien, den Quellen ihrer Macht, ihren Stabilitätsbedingungen und Techniken der Krisenbewältigung sowie nach den Ursachen ihres Scheiterns. Sein universalhistorischer Blick reicht vom Imperium Romanum über das Mongolenreich, die frühneuzeitlichen See-Imperien und das russische Zarenreich bis zum heutigen Europa und den USA.