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Über Ereignisse, Folgen und Deutungen einer für Deutschland, Europa und die Welt bedeutsamen Zäsur reflektiert Christoph Kleßmann in seinem Beitrag über „1945“. Der Autor rekonstruiert zeitgenössische Interpretationen dieses Jahres als Niederlage, Befreiung oder Stunde Null und setzt sie ins Verhältnis zu historiografischen Deutungsmustern. Sein Beitrag für die Docupedia-Kategorie „Periodisierung“ vergleicht zudem „1945“ und „1989“ mit Blick auf das Spannungsverhältnis von gesellschaftsgeschichtlichen Brüchen und Kontinuitäten, das beide Chiffren aufrufen. Kleßmann diskutiert dabei auch, wie sich der Blick auf das Kriegsende durch den Fall der Mauer verändert hat.
Arbeitergeschichte
(2010)
Authentizität (Version 1.0)
(2010)
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich der Authentizitätsbegriff zu einem allseits verwandten Schlagwort gewandelt. Über Authentizität wird heutzutage in vielen kulturwissenschaftlichen Disziplinen gesprochen: in der Psychologie, der Pädagogik, der Soziologie, der Ethnologie, den Politikwissenschaften, der Philosophie und selbstverständlich in den Kunstwissenschaften und der Ästhetik. Der schillernde Authentizitätsbegriff hat auch den Bereich der Geschichtsschreibung und der Zeitgeschichte erfasst, und doch ist Authentizität keinesfalls ein zeithistorischer Grundbegriff.
Mit dem Übergang zum 21. Jahrhundert stellt sich die Frage nach den spezifischen Konturen des vergangenen 20. Jahrhunderts. Je nach Perspektive lassen sich unterschiedliche Aspekte herausarbeiten, die das letzte Jahrhundert über die Epochengrenzen hinweg entscheidend geprägt haben. Wenn Zeithistoriker versuchten, das – „kurze“ oder „lange“ – 20. Jahrhundert auf einen Begriff zu bringen, nannten sie es beispielsweise das „Zeitalter der Extreme“, „A Century of Genocide“, das „Jahrhundert des Industrialismus“ oder auch das „Zeitalter der (Hoch-)Moderne“, welches sich durch umfassendes technokratisches Ordnungs- und Planungsdenken ausgezeichnet habe. Unumstritten dürfte sein, dass der Fordismus und die damit verbundenen betrieblichen Rationalisierungsbewegungen ebenso zu den markanten Signaturen des vergangenen Jahrhunderts gehören wie die mit dem Fordismus verknüpfte Vision, gesellschaftliche Interessenkonflikte sozialtechnisch regulieren zu können. Darüber hinaus sollten die Volkswirtschaften, die Gesellschaften, die Städte und die Menschen analog zu den maschinengesteuerten Prozessen in den Fabriken rationalisiert werden, um eine größtmögliche Effizienz zu erzielen. Viele dieser technischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Bestrebungen verbanden sich bereits für die Zeitgenossen mit dem Namen des US-amerikanischen „Automobilkönigs“ Henry Ford.
So viel Krise war lange nicht. Spätestens die erstaunliche Geschwindigkeit, mit der im Herbst 2008 astronomische Summen zur Stützung des internationalen Bankensystems mobilisiert wurden, machte offensichtlich, dass es sich diesmal nicht um einen letztlich sektoral oder regional begrenzten Einbruch der Finanzmärkte und Aktienkurse handelte wie bei der „Asienkrise“ 1997/98 oder beim Platzen der Dotcom-Blase im März 2000. Die wesentlich dramatischere öffentliche Wahrnehmung der Situation dürfte zum nicht geringen Teil die Undurchschaubarkeit jener „strukturierten Produkte“ reflektieren, die aus amerikanischen Immobilienspekulationen für jedermann zunächst eine weltumspannende Banken-, sodann eine allgemeine Wirtschaftskrise gemacht haben, deren Ende trotz der Erholungssignale der Finanzmärkte keineswegs ausgemacht ist.
Fürsorgediktatur
(2010)
Die Erinnerungswelle des 20. Jahrestags des Mauerfalls im Jahr 2009 hat die seit der Enquete-Kommission heiß diskutierte Frage nach dem fundamentalen Charakter der DDR mit erneuter Eindringlichkeit gestellt. In der politischen Diskussion wurden Verkürzungen wie der Begriff des „Unrechtsstaats" benutzt, um die Repression des SED-Systems zu brandmarken – aber viele ostdeutsche Bürger finden ihre eigenen Lebenserfahrungen unter einer solchen Etikettierung nicht wieder; und einige neigen zu (n)ostalgischen Verklärungen.
Historisierung (Version 1.0)
(2010)
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Der Begriff „Historisierung” stellt sicherlich keine Neuheit in der Diskussion über Geschichtstheorie dar. In der Zeitgeschichte hat er sich insbesondere dank der Auseinandersetzung zwischen Martin Broszat und Saul Friedländer über das zulässige Ausmaß historischer Relativierung des Nationalsozialismus etabliert, und in der Tat würden die meisten Fachkolleginnen und -kollegen den Begriff wahrscheinlich mit diesem intellektuellen Ereignis assoziieren. Dennoch nahm der Begriff bisher keineswegs einen zentralen Platz in den fachhistorischen Debatten ein.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Unter Historikern ist mittlerweile unumstritten, dass Medien in der Zeitgeschichte eine zentrale Rolle spielen. Sie werden nicht einfach als virtueller Spiegel von etwas „Realem” aufgefasst, sondern als integraler Teil sozialer Wirklichkeiten. Das gilt etwa für ihre materielle Dimension, ihre jeweilige alltägliche Nutzung und ihren Einfluss auf Wahrnehmungen und soziale Praktiken. Insofern erscheint es gerade in der Zeitgeschichtsforschung bei den meisten Themen unumgänglich, die jeweilige Bedeutung von Medien analytisch einzubeziehen. Über eine Geschichte der Medien hinaus steht entsprechend die Medialität der Geschichte und damit die Bedeutung von Medien für historische Entwicklungen zunehmend im Vordergrund zeithistorischer Untersuchungen.
Je weiter unser Abstand zum 20. Jahrhundert wächst, desto stärker wird das historiographische Bedürfnis, den gemeinsamen Handlungs- und Deutungsrahmen zu fassen, in dem der erbitterte Kampf um die gültige Ordnung der Moderne ausgetragen wurde. Was ließ Menschen in diesem 20. Jahrhundert nach einem erlösenden Messias rufen, die Allmacht ihrer jeweiligen Weltanschauung beteuern oder „Freiheit statt Sozialismus“ fordern? Die mit dem Namen von Reinhart Koselleck verbundene Untersuchung „Geschichtlicher Grundbegriffe“ liefert einen Zugang zur unsichtbaren Welt der Vorstellungen, die Wirklichkeit als Erlebnis- und Gestaltungsraum überhaupt erst konstituieren und gerade darum in ihrer gemeinsamen Prägekraft oft wirkmächtiger sind als die unterschiedlichen Geschehnisse und widerstreitenden Interpretationen der sichtbaren Welt. Es ist an der Zeit, dem auf die Herausbildung der Moderne gewidmeten Lexikon der geschichtlichen Grundbegriffe ein Archiv der zeitgeschichtlichen Leitbegriffe zur Seite zu stellen, das die Historizität der Moderne aus dem Blickwinkel ihrer Semantiken zu erfassen sucht.
Popgeschichte
(2010)
Pop bzw. das Populäre hat in den vergangenen Jahren auch im akademischen Diskurs stark an Gewicht gewonnen. Während sich Disziplinen wie die Kultur-, Musik- und insbesondere die Literaturwissenschaften schon seit Jahrzehnten verstärkt um Theoriebildung auf diesem Feld bemühen, ist es innerhalb der Geschichtsschreibung bislang eher schwach konturiert. Dennoch kommt kaum ein Überblickswerk zur Nachkriegszeit mehr ohne die Kategorie Pop aus.