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Da eine Arbeiterklasse als relativ homogene, soziale Großgruppe 1848 noch nicht existiert hat, drängen sich als erstes folgende Fragen auf: Was heißt eigentlich 'soziale Unterschichten'? Wie setzten sie sich zusammen? Welches Bewußtsein, welche Verhaltensmuster herrschten in den unteren Sozialschichten?
Mit Blick auf den Charakter und den Verlauf der Revolution
wäre dann genauer zu untersuchen: Welche Veränderungen lassen sich 1848 hinsichtlich Bewußtsein und Verhaltensdispositionen beobachten? Was läßt sich über das Organisationsverhalten insbesondere der Gesellen und Fabrikarbeiter sagen? Abschließend sollen dann einige Thesen zum Verhältnis von Bürgertum und städtischen Unterschichten formuliert werden. Im folgenden geht es ausschließlich um Großstädte, genauer: um die drei großen Metropolen Mitteleuropas, die zugleich für den Verlauf der europäischen Revolution 1848 am wichtigsten waren - um Berlin, um
Paris sowie um Wien.
Die gegenwärtige Debatte um deutsche Vergangenheiten ist zweifellos von einem großen Spektrum unterschiedlicher Meinungen geprägt, die sämtlich auch öffentlich artikuliert und durch Publikationen verbreitet werden. Ihr bisheriger Verlauf zeigt jedoch in vieler Hinsicht auch, daß die Deutschen in West und Ost noch sehr weit von der Normalität eines Geschichtsdiskurses entfernt sind, der nicht nur äußerlich nach den Regeln demokratischer Pluralität abläuft, sondern der auch inhaltlich eine Vielfalt von historischen Erinnerungsformen einschließt, statt Unbequemes jeweils auszugrenzen. Für mich als einen aus dem Wissenschaftsbetrieb der DDR kommenden Historiker hat diese Frage besondere Bedeutung, und zwar sowohl aus den Erfahrungen einer unter dem Ideologie- und Politikmonopol einer einzigen Partei stehenden offiziösen Geschichtsorientierung als auch in Sorge über die Folgen pauschaler historischer Abrechnung mit der DDR, ihrer Geschichte und aller damit verbundenen Ansätze historischen Denkens.
Über den Thälmann-Kult nachzudenken oder zu reden, ist eigentlich langweilig. Ein armseliges, dürftiges Thema, das mit wenigen Gedanken auskommt. Der Kult schafft stets etwas Glattes, Unangreifbares. Aus einem lebendigen Menschen mit all seinen Widersprüchen und Brüchen wird eine Legende, ein Mythos. Sein Leben wird aus seinem eigentlichen historischen Zusammenhang gelöst und in einen neuen, den kultischen Zusammenhang gestellt, in dem er funktionieren soll. Denn Kult, Mythos hat immer etwas mit einer Wirkungsabsicht zu tun, ganz gleich ob, er von oben verordnet oder von unten getragen wird.
Als Brigitte Reimann, die literarische Chronistin des Aufbaus von Hoyerswerda-Neustadt, 1968 die Stadt nach einem knappen Jahrzehnt wieder verließ, schreibt sie voller Verwunderung: „Merkwürdig, wie man sein Herz an diese öde Landschaft gehängt hat, an diese unmögliche Stadt, an die Leute, an - Gott weiß was. Wenn ich denke, daß nur ein paar Blöcke in einer Sandwüste standen, als wir hierherkamen, und jetzt ist es eine Stadt von fast sechzigtausend Einwohnern, und das Kombinat ist ein riesiger Komplex geworden.“ Nicht nur die sensible Schriftstellerin besaß ein zwiespältiges Verhältnis zu dieser Stadt, sondern dieses Gefühl zwischen Zuwendung und Ablehnung ist heute noch bei der Aufbaugeneration verbreitet; der Stolz auf das Geleistete herrscht vor, wobei die triste Gegenwart zur Verklärung der Vergangenheit beiträgt. Der Chefarchitekt von Hoyerswerda betrachtete sein Werk bereits 1963 mit einer gewissen Trauer: „Er hat sich seine Stadt auch anders vorgestellt. Er sagt, er habe sich vorgestellt, er werde eine wunderschöne Stadt bauen und später, wenn er alt ist, zuweilen aus Dresden rüberkommen, die Straße entlanggehen und in seiner Stadt Kaffee trinken. Die Mittel für die zentralen Bauten sind rigoros gestrichen worden.“
Für das Niederlausitzer Industriegebiet war bis in die 1960er Jahre eine spezifische Gruppe von Arbeitern bäuerlicher Herkunft mit weiter bestehender Verbindung zur Landwirtschaft - die Nebenerwerbsbauern - ebenso typisch wie zu Industriedörfern expandierende Landgemeinden. Ein zunächst zeitweiliger Nebenerwerb zur kleinen Landwirtschaft sicherte in der überwiegend kleinbäuerlich geprägten Region mit zum großen Teil geringwertigen Böden und niedrigen Erträgen die Existenzgrundlage vieler oftmals sorbischer Familien. Der selbst angebaute Flachs wurde im Winter in Heimarbeit zu Leinen gewebt bzw. ein dörfliches Handwerk betrieben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann sich die ländliche Sozialstruktur der Niederlausitz grundsätzlich zu verändern. Ursache war zum einen die Agrargesetzgebung, die zur Ablösung der Feudallasten gegen Geld und zu Landabgaben an die Gutsherrschaft während der Separation führte. Zum anderen beschleunigte das Eindringen des Kapitalismus in die Landwirtschaft besonders über den zunehmenden Konkurrenzdruck eine soziale Differenzierung der Bauernschaft. Immer mehr vormals selbständige Kleinbauern waren nunmehr gezwungen, ständig eine Lohnarbeit auszuüben. Ihnen boten der mit dem Siegeszug der Dampfmaschine sich schnell ausweitende Braunkohlenbergbau sowie die Tuchfabriken in Cottbus, Spremberg und Forst eine meist minderbezahlte Arbeit. Hauptberuflich nicht mehr in der Landwirtschaft tätig, hielten die Nebenerwerbsbauern an ihrem wenigen Grand und Boden weiterhin zäh fest, ergänzten seine Produkte doch ihren geringen Lohn und boten eine Rückversicherung für schlechte Zeiten.
Wenn der folgende Versuch organisationsgeschichtlichen Mustern folgt und daraus Material für eine Bildkritik zu ziehen hofft, dann muß er sich dem Vorwurf stellen, nicht das gesamte Quellen- und Bildreservoir präsentieren zu können, aus dem er schöpft: es wären einige zigtausend Aufnahmen sowie einige hundert Schriftstücke vorzuführen, und ob die daraus resultierenden Analysen zu stichhaltigen und historisch unbestreitbaren Ergebnissen führen würden, mag dahingestellt bleiben. Und um den Diskurs vollends fragwürdig zu machen, sei von vornherein darauf hingewiesen, daß die folgenden Anmerkungen mit dem Thema von Ausstellung und Buch zunächst nur lose verknüpft sind. Das weite Ausholen, das nach Kurt Tucholsky einen schlechten Redner kennzeichnet, war auch ein Markenzeichen der NS-Propaganda samt deren Steuerungsapparat - und wer darüber nachdenkt, muß sich dem notwendigerweise stellen.
Der 9. November gehört zweifellos zu den beziehungsreiehen und symbolträchtigen Daten der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts: 1918 - Ausrufung der Weimarer Republik, 1923 - Hitlerputsch in München, 1938 - „Reichskristallnacht“, 1989 - Öffnung der Grenze der DDR zur Bundesrepublik. Nicht wenige Reden, Analysen, Essays und Kommentare führender deutscher Politiker und Publizisten sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten anläßlich dieser Daten und ihrer Jahrestage ediert worden. Es wäre daher ein wissenschaftlich reiz- und anspruchsvolles Vorhaben, nicht nur den offensichtlichen oder verdeckten inneren Bezügen zwischen den benannten Geschehnissen nachzuspüren, sondern auch den Umgang der jeweiligen politischen Klasse oder machtausübenden Elite mit der Geschichte des 9. November aufzuzeigen. Ideologische Postulate und politischer Pragmatismus bestimmten letztlich in hohem Maße, ob und wie die verschiedenen Bedeutungsinhalte des Tages miteinander in Beziehung gesetzt, gegeneinander gestellt, verdrängt oder gegenseitig aufgehoben wurden.
Gegenstand dieses Beitrages ist der betriebliche Alltag einer mittelständischen Tuchfabrik in Guben und der dort unter den Bedingungen der NS-Kriegswirtschaft und des Zweiten Weltkrieges Beschäftigten. Versucht wird eine Rekonstruktion alltäglicher Situationen von deutschen Arbeiterinnen und Arbeitern, ab 1943 auch von ausländischen Arbeitskräften, aber auch des Unternehmens selbst. Die Untersuchung fußt fast ausschließlich auf Quellenmaterial des Betriebsarchives der Firma C. Lehmann’s Wwe. & Sohn, Tuchfabrik Guben. Neue Perspektiven für die Sicht von Lebenssituationen im Dritten Reich haben sich zwar aus diesem Aktenmaterial nicht ergeben, doch fügen sich einige Facetten ein in das Gesamtbild vom Leben unter der nationalsozialistischen Diktatur.
Das Konzentrationslager Dachau war das am längsten bestehende Konzentrationslager des Dritten Reichs. Es wurde als erstes „reguläres“ nationalsozialistisches Konzentrationslager am 22. März 1933 eingerichtet und als vorletztes der großen Lager vor Mauthausen am 29. April 1945 befreit. Seine Geschichte spiegelt nahezu alle Stadien und Facetten wider, die das Verhalten des NS-Regimes gegenüber seinen Gegnern und den zu Minderwertigen gestempelten Menschengruppen kennzeichnen. In ähnlicher Weise reflektiert die Auseinandersetzung mit dem historischen Ort des ehemaligen Konzentrationslagers den Umgang der deutschen Gesellschaft, aber auch der amerikanischen Besatzer und der international zusammengesetzten Gruppe der ehemaligen Häftlinge, mit der menschlichen, materiellen und moralischen Hinterlassenschaft des NS-Regimes.