Refine
Year of publication
Document Type
- Journal Article (840) (remove)
Is part of the Bibliography
- no (840) (remove)
Keywords
- Auftragsforschung (2)
- Behördenforschung (2)
- NS-Aufarbeitung (2)
- 1950s (1)
- 1960s (1)
- GEMA (1)
- Germany (West Germany) (1)
- copyright (1)
- record player (1)
- records (1)
Im April 2008 wurde in Gegenwart von Simone Veil, der früheren Präsidentin des EU-Parlaments, an der Pariser Universität Sciences Po eine neue und ambitionierte elektronische Informationsquelle freigeschaltet: die Enzyklopädie über Massengewalt oder „mass violence“, wie der Titel im Englischen heißt (das die bevorzugte Sprache dieser Website ist). Das Projekt ist also noch jung, und so nimmt es nicht wunder, dass es trotz einer fast vierjährigen Vorlaufphase nicht frei von Startproblemen ist. Sie liegen zum Teil im monumentalen, aber noch unzureichend eingelösten Dokumentationsanspruch der Enzyklopädie, vor allem aber in der unscharfen Bestimmung dessen, was dokumentiert werden soll.
In der aktuellen Debatte um Holocaust, Kolonialismus und Erinnerung hat Per Leo jüngst angeregt, dass Historikerinnen und Historiker irritierende Fragen stellen sollten. Diesem, wie ich finde, klugen Vorschlag folgend, möchte ich hier diskutieren, ob und inwieweit die Rede von der Singularität des Holocaust angemessen, sinnvoll, erkenntnisfördernd ist. Wie ist sie (in der Bundesrepublik) entstanden, und worin könnte heute ihre Aussagekraft liegen? Müsste die Perspektive nicht erweitert werden? Solche Fragen führen in das Zentrum einer Debatte, die hierzulande seit der Auseinandersetzung vom Frühjahr 2020 um den afrikanischen postkolonialen Theoretiker Achille Mbembe heftig entbrannt ist, dem der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Felix Klein vorwarf, den Holocaust zu relativieren. Die vor allem in den Feuilletons geführte Debatte verschärfte sich, als der in den USA lehrende Historiker A. Dirk Moses im Mai 2021 mit einem provokanten Essay die deutsche Erinnerungskultur kritisierte: In der Fixierung auf den Holocaust würden die Kolonialverbrechen ausgeblendet. Die Kontroverse um Antisemitismus auf der diesjährigen documenta bildete mit den schrillen Tönen zweifellos den vorläufigen Tiefpunkt dieser Debatte. Nachdenkliche Argumente wie von Micha Brumlik, Sebastian Conrad, Charlotte Wiedemann oder Natan Sznaider scheinen kaum noch Gehör zu finden.
Das Thema »Erben« besitzt eigentlich alles, was zur Neugier reizt: prominente Schicksale, sozialen Sprengstoff, in materielle Interessen hineingewirkte Emotionen, familiäre Inventuren und kriminelle Energien. Aus diesen Gründen ist das Erben durch alle literatur- oder filmhistorischen Epochen hindurch zu einem Leitmotiv erzählender Genres geworden – vom »König Lear« bis zu den »Buddenbrooks« und von Balzacs »Eugenie Grandet« bis zum »Gestiefelten Kater«. Für Komödien und Dramen aller Art, von Krimis ganz zu schweigen, ist der Erbfall ein überaus dankbarer Plot. Für die zeithistorische Wissenschaft, zumindest für die deutschsprachige, trifft diese Feststellung überraschenderweise kaum zu. Während für die älteren Epochen der Geschichte das Vererben, die Weitergabe von Land und Besitz, der Umgang mit Mitgiften, strategisches Heiratsverhalten oder die adlige Erbfolge seit langem maßgebliche und sehr gut erforschte Themenfelder sind, gilt dies für das 19. und vor allem für das 20. Jahrhundert nur in einem sehr eingeschränkten Maße.
Seit einigen Jahren verdichtet sich auch in Deutschland das Gespräch über Herausforderungen und Perspektiven des digitalen Zeitalters für die Geschichtswissenschaft. Auf jedem Historikertag seit 2010 gab es mehrere Sektionen, die sich unterschiedlichen Facetten des Themas zuwandten. Es entstehen Fachpublikationen, Überblickswerke, Dissertationen und erste Ansätze, das Feld institutionell neu zu gestalten. Die Geschichtswissenschaft bemüht sich, produktiv auf die Veränderungen einzugehen. Punktuell ist es auch bereits zu einem Dialog mit Archiven und der Archivwissenschaft gekommen. So hat der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands (VHD) 2015 unter Federführung der Vorsitzenden Eva Schlotheuber und Frank Bösch ein Grundsatzpapier verabschiedet, das sich der Quellenkritik im digitalen Zeitalter annimmt. Die Forderung, Elemente der Digital Humanities in die Historischen Grundwissenschaften zu integrieren, wurde seitdem noch weiter unterstrichen.
While most Europeans lived through an exceptionally peaceful period of history, termed ‘The Long Peace’ by John Lewis Gaddis,2 the populations of other continents were decidedly less fortunate. What was a ‘Cold War’ for the Europeans was anything but ‘cold’ for the Koreans, Vietnamese, Cambodians and Laotians, for most Arab peoples, the Afghans, Pakistanis, Bangladeshis, and Indians, the populations of the Congo, Kenya, Nigeria, Angola, Mozambique, Guinea-Bissau, Ethiopia, Somalia and Eritrea, and of most of Latin America. How, then, can one be so sanguine as to characterise this period as that of a ‘Cold War’ or a ‘long peace’? The reason is that the long-expected Third World War has not (yet?) taken place. It was the prospect of such a Third World War, a ‘total’ and in all probability nuclear war, that attracted the attention of concerned minds in Europe and North America, the cultures that over centuries produced most publications on the subjects of war, strategy, military affairs and international relations.
Three processes provided a dynamic of violence that involved the whole continent of Europe in varying degrees. First, “total war” meant the escalation of violence applied to the entire population of enemy states. Second, “totalitarian” ideologies drew on the experience of war and sought to annihilate their own projected antagonists. Third, the tension between territory, peoples, and nation-states was resolved through ethnic violence. The worst episodes of violence, especially the Holocaust, combined all three processes. Democratic states were affected by the same violence but to a much lesser extent, due to inbuilt restraints. Determining whether this dynamic of violence was distinctively European or one dimension of a wider modernity means rethinking European history in a global historical context.
Im deutschen Erinnern an »1945« hat sich das Bild vom Wehrmachtssoldaten eingeprägt, der das Maschinengewehr, mit dem er gerade noch geschossen hat, wegwirft und dann mit erhobenen Händen aus den Trümmern einer Häuserreihe auf die Straße tritt. Die Geste steht für einen Akt der unmittelbaren Gewaltabsage; sie visualisiert die Kapitulation. Zu den international populären Bildern vom Kriegsende 1945 zählen auch das inszenierte Hissen der Flagge auf Iwo Jima oder auf dem Reichstag, die scheinbar endlosen Flächen zerstörter und stiller Städte sowie die Bilder aus den befreiten Konzentrationslagern, deren Leichenberge und Überlebende ein Gewaltsystem zeigten, das erst mit vollständiger Niederlage des Deutschen Reichs zum Stillstand kam.
Wandel der Sicherheitskultur
(2010)
Mehr als 65 Jahre nach den Atombombenabwürfen auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki haben wir uns an das gewöhnt, was wir gemeinhin als das „nukleare Tabu“ bezeichnen. Kernwaffen, so lautet seit dem Ost-West-Konflikt das Mantra, sind politische Waffen, die der Abschreckung dienen, jedoch nicht eingesetzt werden. Doch können wir uns wirklich so sicher sein? Wissen wir überhaupt, ob Abschreckung im Kalten Krieg funktioniert hat, und wenn ja, war nicht auch sehr viel Glück im Spiel?
Impfungen sind ein Traum der Moderne: Sie versprechen den Schutz ganzer Gesellschaften. In den beiden deutschen Staaten wurde dieser Schutz mit unterschiedlichen Methoden vorangetrieben – das Mobilisieren von Ängsten, Appelle an die Sorge um das Gemeinwohl oder die Durchsetzung von Impfpflichten sollten die Gesundheit des Einzelnen und den „Herdenschutz“ der Gesellschaft sichern. Der Aufsatz erkundet die deutsch-deutsche Geschichte des Impfens von den 1950er-Jahren bis 1989/90. Im Fokus stehen Aushandlungen von Risiko- und Sicherheitsvorstellungen, Versuche eines „Emotion Management“ sowie Debatten über das Verhältnis zwischen staatlicher Interventionsmacht und staatsbürgerlicher „Mündigkeit“. Anhand der Konflikte zwischen der Bundesrepublik und der DDR wird zudem gezeigt, dass der Wettlauf um die bessere Immunisierung ein Kampf um die bessere soziale Ordnung war. Andererseits wird belegt, dass es auf dem Gebiet der Impfpolitik gerade in den 1980er-Jahren eine wachsende Tendenz zur deutsch-deutschen und internationalen Kooperation gab.
Sowjetisierung und Amerikanisierung der sozialistischen Staaten gelten als Gegensätze. Als die DDR in den 1960er Jahren eine technische „Auto-Amerikanisierung“ einleitete, lehnte die Sowjetunion diese jedoch keineswegs ab. Sie förderte sie vielmehr im Rahmen eines transnationalen technischen Großprojekts, des „Einheitlichen Systems der Elektronischen Rechentechnik“ (ESER). Die Übernahme westlicher Technik sollte dazu beitragen, den Westen zu „überholen“, ohne ihn zuvor „einholen“ zu müssen. Zugleich fürchtete man in Partei und Staat, dass durch den Technologietransfer auch westliches Gedankengut in die DDR einsickern könnte. Daher wurde dort, wo die Herrschaft der SED gefährdet schien, die Kontrolle schnell wieder verschärft.
„Was nimmt sich dieser Amerikaner heraus, anzukommen und unsere Leichen aus den Wandschränken zu zerren?“, fragte „Le Monde“ am 1. Februar 1973 empört. Dieser unverschämte Amerikaner war der an der New Yorker Columbia-Universität lehrende 40-jährige Historiker Robert O. Paxton, und aus den Schränken zerrte er mit seiner Studie über Frankreich im Zweiten Weltkrieg die Leichen der Besatzungszeit. Das Werk, 1972 in den USA erschienen und ein Jahr später auch auf Französisch, löste eine erhebliche Kontroverse aus. Es war das richtige Buch zur richtigen Zeit: Nach einem Vierteljahrhundert der „unterdrückten Erinnerung“ an die „années noires“ der deutschen Besatzung wandte sich die französische Öffentlichkeit nach 1968 dem Thema verstärkt zu, und vermeintliche Gewissheiten fielen scheppernd in sich zusammen. Bereits in Marcel Ophuls’ für das Fernsehen produziertem Dokumentarfilm „Le Chagrin et la Pitié“ wurde der Mythos einer in der Résistance vereinten französischen Nation dekonstruiert. Vom Programmdirektor als zu schockierend empfunden, wurde der Film nicht ausgestrahlt. Als er 1971 in die Kinos kam, strömten die Menschen monatelang in die Vorstellungen. Auch in Literatur und Spielfilmen zeigte sich der Bruch mit den Repräsentationen der Vichy-Vergangenheit Anfang der 1970er-Jahre. In der Geschichtswissenschaft zweifelten neue Studien die vormals dominante (gaullistische und Pétain-verherrlichende) Interpretation der Geschichte Frankreichs im Zweiten Weltkrieg an. Warum war gerade Paxtons Buch dennoch eine „Revolution“?
Vor dem Thron haltgemacht
(1998)
Andere Revolutionen würden „gar nicht zum Ausbruch gekommen oder im Entstehen unterdrückt worden sein, wenn sie ihr nächstes Ziel in den ersten 16 Stunden wie in Berlin erreicht hätten", resümierte Hans Victor von Unruh, letzter Präsident der Preußischen Nationalversammlung und seit 1867 eine der führenden Persönlichkeiten der Nationalliberalen, drei Jahre nach der Revolution von 1848. ln der Tat überstürzten sich die Ereignisse in der preußischen Revolution. Demokraten und Liberale wogen sich nach dem 18. März zunächst in der Illusion, alles sei erreicht - und bemerkten zu spät, daß nur die Oberfläche des überkommenen politischen Systems angekratzt war.
Der Beitrag untersucht Arbeitsämter in der Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien während der 1970er- und 1980er-Jahre, einer Zeit deutlich gestiegener Arbeitslosenzahlen. Im Fokus stehen die Verwaltungsvorgänge, begriffen als soziale Praktiken und Mensch-Ding-Verhältnisse. Mit der Akteur-Netzwerk-Theorie fragt der Aufsatz nach der Agency der Verwaltungsdinge im Arbeitsamt: den Bürogestaltungen, Aktenordnern, Wartenummern oder Stellenaushängen. Problematisiert wird besonders die in den 1970er- und 1980er-Jahren durchgesetzte Technisierung der administrativen Vorgänge, also der vermehrte Einsatz von Apparaten und EDV-Systemen in bundesdeutschen und britischen Arbeitsverwaltungen. In beiden Ländern wurde »Selbstbedienung« zu einem neuen Verhaltensdispositiv, das sich in den neu eingerichteten britischen Jobcentres jedoch schneller durchsetzte als im traditionellen deutschen Arbeitsamt, wo das passive Warten weiterhin eine vorherrschende Subjektivierungspraxis blieb.
Von mimetischen Maschinen zu digitalen Organismen. Die Transformation des menschlichen Motors
(2013)
Die Metaphern, die erfassen und verkörpern sollen, was wir Arbeit nennen, geraten mit den Veränderungen industrieller und postindustrieller Arbeit anfangs des 21. Jahrhunderts in eine Krise. Die Metapher der menschlichen Maschine oder des menschlichen Motors ist eng verknüpft mit den Veränderungen der Arbeit im Verlauf der Geschichte der Moderne, die wiederum mit den Maschinen und den industriellen Prozessen selbst zusammenhängt. Die Metapher der Maschine als Körper/Motor kann unschwer in drei einfache und distinkte historische Typen unterteilt werden: den ‚mimetischen‘, den ‚transzendentalen‘ und den ‚digitalen‘ Typus. Jeder dieser drei Typen steht für eine andere Technologie.
Welchen Einfluss hatte die Dieselmotortechnologie auf die öffentliche Perzeption von Dieselfahrzeugen und damit auch auf ihre Absatzentwicklung in Deutschland und in den USA im Zeitraum von 1976 bis 1985? Dieser zentralen Frage geht folgender Beitrag nach und legt dar, dass Konsumenten ihre Kaufentscheidung für einen Diesel und gegen einen Benzin-Pkw nicht allein an rational-ökonomischen Gründen ausrichten, wie dies gängige Erklärungsmodelle betonen. Als alternatives Modell bieten sich so genannte Rationalitätsfiktionen an, die Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung als Rationalisierungsstrategie dienen. Anhand der drei Fallbeispiele Volkswagen Golf Diesel, Mercedes-Benz Diesel und Oldsmobile respektive GeneralMotors Diesel wird analysiert, wie die technischen Eigenschaften der Dieselautos mit ihrer Wahrnehmung korrelierten und wie sich dies in der Absatzentwicklung in beiden Ländern niederschlug. Entscheidend ist, dass sich in den USA bereits während der für die Marktdurchdringung wichtigen Phase um das Jahr 1981 eine überwiegend negative Sichtweise durchsetzte, die bis heute im Kern ihre Gültigkeit behielt. Seitdem gelten Diesel zum Beispiel als unzuverlässig und lahm. Diese dominierende, kulturspezifisch negative Wahrnehmung ließ das Interesse der Konsumenten an Dieselautos abflauen und verhinderte einen erneuten Dieselboom. In Deutschland bewahrten die Diesel demgegenüber ihre positiven Attribute wie Langlebigkeit und Zuverlässigkeit. Dort unterlagen der Kauf und der Besitz eines Diesels infolgedessen keinem sozialen Rechtfertigungsdruck, was maßgeblich zum Absatzboom Anfang der 1980er Jahre beigetragen hat.
Im multikonfessionellen Libanon bilden die Schiiten von jeher eine periphere und diskriminierte Gemeinschaft. Erst durch einen rapiden, aber unstrukturierten Modernisierungsprozess, durch israelische Kriege gegen die PLO auf libanesischem Boden und die Wirren des libanesischen Bürgerkriegs gelangten sie vom Rand ins Zentrum der Gesellschaft. Die schiitischen Religionsgelehrten Musa as-Sadr, Muhammad Husain Fadlallah und Hasan Nasrallah haben seit den 1960er-Jahren ihre Gemeinschaft durch die Wiederbelebung und Umdeutung des Schicksals des Prophetenenkels und Imams al-Husain nachhaltig geprägt. Seinen Märtyrertod im Jahre 680 n.Chr. in der Schlacht von Karbala erhoben sie zum Vorbild, sich auch in vermeintlich aussichtsloser Situation für „Gerechtigkeit“ und „Freiheit“ einzusetzen. Durch die aktualisierende Rezeption dieses rebellischen Vorbilds konnten sie eine zuvor quietistische Religiosität in Aktivismus verwandeln. Sie haben ihrer Gemeinschaft damit zu einem stärkeren kollektiven Selbstbewusstsein verholfen, ihr Mut gemacht, auch gewaltsam gegen Diskriminierung, Invasionen und Besatzung aufzubegehren, und ihr zugleich die Grenzen des Machbaren in einer hoch fragmentierten Gesellschaft aufgezeigt. Jenseits von Glorifizierung oder Dämonisierung trägt der Aufsatz zur historischen Einordnung der Hizb Allah und ihrer religiösen Autoritäten bei.
Seit dem Zweiten Weltkrieg prägen die Vereinigten Staaten von Amerika die westliche Welt nicht nur in politischer, sondern ebenso in wirtschaftlicher und technologischer Hinsicht. Während die USA insbesondere in den modernen Schlüsseltechnologien wie der Mikroelektronik und der Antriebstechnik zu den innovativsten und dynamischsten Märkten gehören, war bis in die späten 1960er Jahre hinein in den europäischen Staaten ein Mangel an technologischem Fortschritt spürbar. Am Beispiel der deutschen Computerindustrie befasst sich der Beitrag mit den Bemühungen, diesen Rückstand aufzuholen. Mit Blick auf das von Volker Berghahn geprägte Amerikanisierungs-Paradigma ist dabei vor allem nach den Konsequenzen für die Wettbewerbspolitik der 1950er bis 1970er Jahre zu fragen.
Zentrales Thema des Beitrags ist die Geschichte der „Moscheen in umfunktionierten Räumen“. Diese etwas irreführend oft als „Hinterhofmoscheen“ bezeichneten Räume sind seit den 1980er-Jahren verstärkt durch Neubauten abgelöst worden, mit denen eine größere öffentliche Sichtbarkeit des Islams und dadurch nicht selten auch ein höheres Konfliktpotenzial verbunden ist. Der Blick auf sonstige soziokulturelle Räume des Islams bildet einen weiteren Schwerpunkt des Aufsatzes – ausgehend von der Beobachtung, dass sich „der Islam“ nicht sinnvoll allein mit „der Moschee“ assoziieren lässt. Die verschiedenen Strömungen des Islams haben sich auch in Vereinen, Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen ausgedrückt, bei denen religiöse und andere Funktionen unterschiedlich eng verbunden waren und sind. Es ist ein Anachronismus, dass die nichtmuslimische Gesellschaft vielfach erst durch Moschee-Neubauten die Existenz des Islams in der Bundesrepublik zur Kenntnis nimmt. Genauere zeitgeschichtliche und religionswissenschaftliche Forschung könnte das Bewusstsein für die gesellschaftliche, auch innerislamische Pluralität schärfen.