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Auch zwei Jahrzehnte nach dem Untergang der realsozialistischen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas leistet ihre Analyse einen grundlegenden Beitrag zur empirischen Sozialforschung und soziologischen Theoriebildung. Nur im Vergleich zwischen kapitalistischen und sozialistischen Gesellschaften ist zurechenbar, welche Mechanismen gesellschaftlicher Differenzierung und sozialer Statusreproduktion systemübergreifenden Charakter besitzen und welche nur in ihren spezifischen sozioökonomischen und historischen Kontexten auftreten und aus diesen erklärt werden können. Sozialistische Gesellschaften sind besonders wichtige Anwendungsfälle für die Elitentheorie und bedeutende Untersuchungsfelder für die Elitenforschung, weil sie eine Analyse der sozialen Struktur von Machtverhältnissen ermöglichen, die nicht in privaten Besitzverhältnissen begründet sind.
Laut Duden deckt der Begriff »Lager« ein breites semantisches Spektrum ab. Dem historisch-gesellschaft lichen Verständnis nach ist ein Lager ein »(provisorischer) Wohn- und Übernachtungsplatz«, der für das »vorübergehende Verbleiben einer größeren Anzahl von Menschen« eingerichtet wird. In dieser Bedeutung erlebte der Begriff seit der zweiten Hälft e des 19. und dann insbesondere im 20. Jahrhundert eine bis in die Gegenwart andauernde Konjunktur. Um das Grundwort »Lager« entstanden immer neue Begriff e, die Ausdruck eines Jahrhunderts sind, in dem Lager und Lagerwelten als Begleiterscheinungen von Krieg, (Zwangs-)Migrationen, Repression und sozialen Experimenten einen immer größeren Platz im Alltag der Deutschen einnahmen. Das Provisorium, das unzertrennlich mit der Geschichte des Gebäudetyps »Baracke« verbunden ist, entwickelte nicht nur in Deutschland eine ungeahnte Dynamik und wurde zu einem Signum des 20. Jahrhunderts – Das Jahrhundert der Lager.
Wer kennt heute noch den Nachfolger Kants? Das war Christian Jacob Kraus, der bis 1807 als Professor für Philosophie und Kameralistik an der Universität Königsberg lehrte. Dort sah er eine wichtige Aufgabe darin, dem Werk Adam Smiths, vor allem dessen »Reichtum der Nationen«, Geltung zu verschaffen. Deshalb gehörte er auch zu den frühen Übersetzern dieses Traktats von 1776. Sein Smithianismus erwies sich als besonders einflussreich, weil künftige preußische Beamte damals an einer Landesuniversität studiert und ihr Examen abgelegt haben mussten. Zahlreiche Beamte der Reformära haben daher bei Kraus studiert und dessen Kultbuch kennengelernt. Immer wieder verfocht Kraus sein enthusiastisches Urteil, »dass die Welt noch nie ein bedeutenderes Buch« als Smiths »Reichtum der Nationen« gesehen habe, »seit der Zeit des Neuen Testamentes hat kein Werk segensreichere Wirkungen gehabt.«
Die Entwicklung der digitalen Telefonie (1960–1985). Die Kosten soziotechnischer Flexibilisierungen
(2017)
Westliche Wachstumgsgesellschaften haben im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts einen tiefgreifenden Wandel erfahren. Die Veränderungen waren so grundlegend, dass es fast ununmgänglich wurde, dafür eine eigenständige kollektive Umbruchsymbolik zu entwickeln: Ein paar wenige Jahreszahlen und Ereignisse – 1968, 1973/74, 1989/90 – wurden so arrangiert, dass sie das Wichtigste benennbar machten. Der Erinnerungshaushalt konnte damit insofern besser verwaltet werden, als die historische Erzählung ganz selbstverständlich auf bekannte und allen verfügbare Meilensteine zurückgreifen vermochte. Dieselben Meilensteine stabilisieren auch heute noch den Umgang mit unserer Vergangenheit – bis zu dem Masse, in welchem sie gerade den gesellschaftlichen Wandel nicht mehr erklären können, weil die großen Ereignisse fälschlicherweise zu Gründen der gesellschaftlichen Entwicklung gerechnet werden, obwohl sie als Ereignisse vielmehr Effekte des zu erklärenden Wandels gewesen sind.
In den Kultur- und Sozialwissenschaften sind die letzten dreißig Jahre von einem signifikanten Boom zur materiellen Kultur geprägt, der ein immer breiter werdendes Spektrum an Fächern ergreift. Material Culture Studies sind in aller Munde. Damit einhergehend nimmt die Flut der Publikationen zu materieller Kultur zu, und zwar nicht nur in den Fächern Volks- und Völkerkunde sowie Archäologie, die auf die besondere Bedeutung der materiellen Dinge schon in der Periode der Entstehung der Fächer verweisen können. Heute sind auch Soziologen, Religionswissenschaftler, Historiker, Pädagogen und Philosophen dringend daran interessiert, über die Relevanz der Sachen nachzudenken. Der wissenschaftsgeschichtliche Vorsprung der zuerst genannten Fächer bedeutet in keinem Fall, dass deren Vertreter sich nun zurücklehnen und aus dem Fundus ihrer Fächer schöpfen könnten. Die Einsicht in die fächerübergreifende Relevanz dieses Forschungsfeldes paart sich mit dem Eingeständnis, dass keine einzelne Disziplin den Schlüssel zu seiner Bearbeitung in der Hand hält. Mit einigem Recht können die Material Culture Studies heute als ein „postdisziplinäres Feld“ gelten.
Seit den 1980er Jahren beschäftigen Prognosen zum anthropogenen Klimawandel Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit gleichermaßen. Von der übertriebenen Gelassenheit der Klimaskeptiker bis zur Hysterie der Alarmisten basieren die Expertisen dabei auf den Prognosen computerbasierter Modelle zur Berechnung zukünftiger Szenarien. Die Heterogenität der Expertisen spiegelt sich in den kontroversen Diskussionen zum Klimawandel wider und kumuliert meist in der Rede von der Unsicherheit der Prognosen.
Seit dem Beginn der empirischen, aktengestützten NS-Forschung in Deutschland sind sechs Jahrzehnte vergangen. Das ist ein Zeitraum, der nicht nur arithmetisch zwei Generationen umspannt, denn mit ein bisschen Generosität und, zugegeben, ein wenig Bereitschaft zur Vereinfachung lässt sich behaupten, dass es vor allem zwei Generationen gewesen sind, die den Kurs der Geschichtsschreibung über das »Dritte Reich« in diesen zweimal 30 Jahren bestimmt haben, und zwar in zeitweise ziemlich kontroverser Debatte: nämlich einerseits die vormaligen Flakhelfer und jungen Frontsoldaten und andererseits die dann schon bald so genannten Achtundsechziger.
Zunächst ein Beispiel, an dem sich die Ausgangssituation industriebetrieblichen Ordnungsdenkens und social engineerings vergegenwärtigen lässt: Es geht um einen Besuch Willy Hellpachs im Daimler-Werk in Stuttgart/Untertürkheim. Hellpach besichtigte Daimler auf Einladung Eugen Rosenstock-Huessys, zu dieser Zeit Redakteur der »Daimler Werkzeitung«, um den sozialpsychologischen Folgen und Wirkungsgrenzen von Betriebsreformen im Allgemeinen und der Gruppenfabrikation im Besonderen auf die Spur zu kommen.
Präventive Semantiken und Handlungsmuster sind ubiquitär geworden. Weit über die Medizin hinaus besitzt die Losung, Vorbeugen sei besser als Heilen, eine fraglose Plausibilität. Der planerische Optimismus, der noch bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Verhältnis zur Zukunft prägte, ist einer Kultur der Furcht und Schadensvorbeugung gewichen. Wenn es, ähnlich wie Zeitkrankheiten auch Zeitgefühle gibt, Grundstimmungen, in denen sich die Affektlage einer historischen Situation exemplarisch verdichtet, dann wäre die für unsere Gegenwart dominante Gefühlslage wohl das, was Craig Calhoun das »emergency imaginary« genannt hat (Calhoun 2004: 392; Opitz/Tellmann 2011: 27ff.). Es ist dieses durch Katastrophenmeldungen und düstere Zukunftsprognosen fortwährend aktualisierte Gefühl der Entsicherung, der Ausgesetztheit gegenüber allgegenwärtigen Gefahren und Risiken, aus dem die präventiven Semantiken und Strategien ihre Legitimität und Anziehungskraft gewinnen. Denormalisierungsangst und vorbeugende Normalisierung sind dabei untrennbar verbunden: Um den Normalbetrieb aufrechtzuerhalten, bedarf es geradezu regelmäßiger Signale drohenden Normalitätsverlusts. Diese fungieren als Frühwarnsystem und lösen Maßnahmen vorbeugender Gegensteuerung aus, oder sie immunisieren durch pure Gewöhnung an einen Schrecken, der für die meisten dann doch auf den Bildschirm beschränkt bleibt (Link 2009:11ff.).
History is not only construed and handed down in writing. In popular cultural practice, it has long been edited and can be experienced in many forms. Past debates have not treated these practices well, however, and concentrated primarily on representational forms shaped by historical politics, such as museums and schoolbooks, as well as by entertainment-oriented media, such as television documentaries, feature films and TV-series, video and computer games, as well as non-fiction and novels. In this context, doing history, understood as a discursive and performative visualisation of the past, has hardly been explored, although it has quite a long tradition. In this introduction, we pursue an access that is both theoretical and practical, and draw closer to doing history on the basis of three central pairs of concepts that have strongly influenced the cultural and historiographical debate over the last several years: ›body_emotion‹, ›experience_space‹ as well as ›thing_meaning‹. History is created in the interplay between person, body, space and object. The physical and affective experience influences, in interaction with the evocative experience of presence, as well as the relationship and meaning of the object and the actions and interpretations of individuals, what is capable of leading to sensational, certainly culturally subjectively shaped imaginations from the past.