20. Jahrhundert
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Christoph Classen, Achim Saupe, Hans-Ulrich Wagner
Wie stellt sich das Verhältnis von Authentizität, Medien und Geschichte
unter den Bedingungen der fortgeschrittenen Moderne dar? Der Sammelband
führt kursorisch in dieses Dreiecksverhältnis ein und zeigt die Probleme
auf, in die das Konzept von Authentizität angesichts der
Unvermeidbarkeit von Medien in historischen und generell kommunikativen
Zusammenhängen führt.
Mit Beiträgen von: Christoph Classen, Miriam Frank, Juliane Hornung,
Judith Keilbach, Sylvia Kesper-Biermann, Georg Koch, Helmut Lethen,
Michael Ostheimer, Raphael Rauch, Brigitte Sahler, Magdalena
Saryusz-Wolska, Achim Saupe, Franziska Schaaf, Julia Schumacher, Daniel
Siemens, Katja Stopka, Hans-Ulrich Wagner
Der Beitrag widmet sich dem Spannungsfeld von Authentizität und Medien am Beispiel der New Yorker High Society und der Gesellschaftsberichterstattung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum stehen die New Yorker Millionäre Margaret (1902-1983) und Lawrence Thaw (1899-1965), die in den 1920er und 1930er Jahren um die Welt reisten und dabei neben zahlreichen Amateurfilmen professionelle Reisefilme mit der National Geographic Society und bedeutenden Hollywoodstudios drehten. Der Beitrag beleuchtet zum einen die narrativen und visuellen Authentisierungsstrategien der Gesellschaftsberichterstattung, die stets auf das scheinbare Privatleben ihrer Protagonist*innen abzielte. Zum anderen untersucht er, wie die Thaws eben diese Strategien in ihren Filmen reflektierten und in ein anderes Medium übersetzten. In diesem Zusammenhang stellt sich auch grundsätzlich die Frage, welchen spezifischen Quellenwert nicht-fiktionale Filme für die historische Forschung haben.
Ursprünglich anlässlich der Eröffnung des Humboldt-Forums geplant, fiel die Konzeption dieses Themenschwerpunkts in ein Jahr, das, bereits während es noch stattfand, zum einschneidenden Epochenjahr, ja zur historischen Zäsur erklärt wurde. Geprägt von der Lebens- und Arbeitswirklichkeit, den öffentlichen und akademischen Debatten dieses Ausnahmejahres, dehnte sich auch dieses Dossier aus, und sollte nicht länger allein (zeitgeschichtliche Perspektiven auf) postkoloniale Restitution in Deutschland thematisieren, sondern die Besonderheiten und Schwerpunkte seines Entstehungsjahres spiegeln, das postkoloniale Fragen immer wieder und auf mannigfaltige Weise in den Vordergrund spielte. An dieser Stelle möchte ich den unter erschwerten Bedingungen arbeitenden Autor:innen, deren Texte ich im Folgenden einzeln vorstellen werde, herzlich danken.
Zum 70. Jahrestag des Warschauer Aufstands ließ die Landeszentrale für politische Bildung in Hamburg in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsbereich Public History der Universität Hamburg, dem Museum des Warschauer Aufstands in Warschau sowie dem Verlag Leica Fotografie International eine historisch-fotografische Ausstellung unter dem Titel „Auf beiden Seiten der Barrikade. Fotografie und Kriegsberichterstattung im Warschauer Aufstand 1944“ erarbeiten. Die Ausstellung wurde am 1. Oktober 2014 im Mahnmal St. Nikolai in Hamburg eröffnet und ist seitdem an mehreren Orten in Deutschland präsentiert worden.
Ausgangspunkt für dieses Projekt war die Entdeckung, dass neben deutschen Fotografen, die den Aufstand dokumentiert haben – Mitglieder der Propagandakompanien (PK) der Wehrmacht und SS, die seit den 1930er Jahren standardmäßig mit Leica-Kameras ausgestattet wurden –, auch die Mehrzahl der Fotograf*innen unter den polnischen Kriegsberichterstatter*innen (PSW – Prasowi Sprawozdawcy Wojenni) mit einer Leica in Warschau fotografierte.
Geheimdienste sind aus der Perspektive der Nachrichtendienstgeschichte / Intelligence History nicht mehr in erster Linie im Zwielicht wirkende Agentenzentralen, die „tote Briefkästen“ betrieben und Geheimtinte entwickelten. Sie sind außenpolitische Akteure und Produzenten von Wissen für Entscheidungsträger*innen. Rüdiger Bergien entwickelt in seinem Beitrag eine Definition dieses Forschungsfelds. Er zeichnet nach, wie sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit Nachrichtendiensten seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelt hat, wobei die Frage im Mittelpunkt steht, wie zu unterschiedlichen Zeiten überhaupt Einblicke in die Blackbox Nachrichtendienst gewonnen werden konnten. Schließlich stellt er die Schwerpunkte der bisherigen Forschung vor und benennt Desiderate.
Gewerkschaftsgeschichte
(2021)
Gewerkschaften sind bis heute als Selbstorganisationen und Interessenvertretungen der Arbeiterschaft ein wichtiger Teil des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Sie waren vor allem im 19. und 20. Jahrhundert bedeutende historische Akteure der Vorgeschichte der Gegenwart. Knud Andresen bietet in seinem Artikel einen Überblick zur Entwicklung der Gewerkschaften mit Schwerpunkt auf Deutschland, besonders der Bundesrepublik ab 1945, aber auch mit Seitenblicken auf die Gewerkschaftsgeschichte der DDR, und der internationalen Verbünde. Verschiedene sozialwissenschaftliche und historiografische Deutungen werden dargestellt und damit das Forschungsfeld skizziert. Auch nach systematischen Potenzialen der zeitgeschichtlichen Gewerkschaftsgeschichte wird gefragt.
Herrschaft und Macht
(2021)
In ihrem Artikel geben Andrea Maurer und Christoph Lau einen Überblick über die Begriffe „Herrschaft“ und „Macht“, wobei sie zunächst wichtige Charakteristika von Herrschaft in Abgrenzung zu Macht und anderen Formen der Über- und Unterordnung (Gewalt) erläutern. Daran anschließend werden Forschungsperspektiven und -desiderata besprochen und die Potenziale einer wissenschaftlich fundierten Herrschaftsdiskussion ausgewiesen.
Es mutet paradox an: Nach 1947, dem Jahr, in dem der Alliierte Kontrollrat den preußischen Staat für aufgelöst erklärt hatte, setzte in den deutschen Geschichtswissenschaften, der Publizistik und in der Politik eine Diskussion ein, wann Preußen zu bestehen aufgehört habe.[1] Das so nahe liegende Jahr 1947 vermochte als Schlusspunkt indes wenig zu überzeugen. Diskutiert wurden andere Epochenjahre als Zäsur zwischen Bestehen und Nicht-Bestehen: Hatte Preußen nicht bereits 1945 mit dem Zusammenbruch jeglicher staatlichen Ordnung zu existieren aufgehört? Oder schon 1933/34 mit der Gleichschaltung, die den Ländern ihre Eigenständigkeit beraubte? Oder doch am 20. Juli 1932, als mit dem „Preußenschlag“ die demokratisch gewählte Regierung Otto Brauns abgesetzt und die Staatsgewalt auf den Reichskanzler übertragen wurde? War nicht die Monarchie seit jeher ein integraler Bestandteil preußischer Geschichte gewesen, sodass ihr Ende in den kalten Herbsttagen des Jahres 1918 zu verorten ist, als Wilhelm II. als Kaiser und König abdankte und in das niederländische Exil flüchtete?
Historische Authentizität im Spielfilm. Ein Zusammenspiel von Ähnlichkeits- und Differenzerfahrung
(2021)
Der Beitrag beschäftigt sich mit Diskursen, Konzepten und Konventionen von »historischer Authentizität« in populären fiktionalen Spielfilmen, insbesondere, aber nicht ausschließlich im deutschsprachigen Kontext. Der erste Teil widmet sich einer typisch deutschen Tradition der Verknüpfung von filmischer Geschichtsdarstellung und Realismus, die als notwendige Grundlage für die Forderung nach Authentizität in fiktionalen Ausdrücken begründet wird. Der zweite Teil erläutert ein theoretisches Modell, das die Herstellung des Realismus-Eindrucks als Zusammenspiel von ästhetischer Ähnlichkeits- und Differenzerfahrung begreift. Wie sich dies für die Analyse von historisch situierten Spielfilmen anwenden lässt, erläutert der dritte Teil des Beitrags, der zugleich eine Systematisierung von ästhetischen Strategien der Authentifizierung vorschlägt. Zum Abschluss, im vierten Schritt, wird ein Ausblick auf mögliche Bezugspunkte für eine verstärkt kritische Auseinandersetzung mit dem Thema »historische Authentizität im Spielfilm« gegeben.