Europa
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Gleich nach dem Erscheinen im August 1977 erntete das Buch von damaligen Stars der linksintellektuellen Szene wie Herbert Marcuse oder Ernest Mandel allerhöchstes Lob. Marcuse stellte fest, das Werk des bis zum Zeitpunkt seiner Verhaftung durch die Staatsorgane der DDR nur Insidern bekannten Autors Rudolf Bahro sei „der wichtigste Beitrag zur marxistischen Theorie und Praxis, der in den letzten Jahrzehnten erschienen ist“. Mandel, der führende Denker der trotzkistischen Vierten Internationale, bezeugte, Bahro sei ein „wirklicher Kommunist“ und „Revolutionär“. Keinen Gefallen an Bahros Werk fanden hingegen jene Theoriearbeiter, die dem „real existierenden Sozialismus“ nahe standen. So erklärte beispielsweise der Marburger Politologe Wolfgang Abendroth, Bahro verliere sich „in gelegentlich zutreffender, aber häufig verzerrter und übersteigerter Kritik der sozialistischen Länder“. Ihm hielt der Theologe Helmut Gollwitzer entgegen, Abendroth beschränke sich in seiner Auseinandersetzung mit Bahro auf eine Rechtfertigung des Sowjetsystems und übersehe die Herausforderung der „Alternative“ für die marxistische Theoriebildung: „Die kommunistische Zielsetzung wird hier endlich einmal wieder ernst genommen, wird aus dem Himmel der Ideale heruntergeholt in ‚konkrete Denkbarkeit‘; den schon erreichten Verhältnissen wird die Melodie ihrer Möglichkeiten vorgesungen, und diese wird zum Kriterium der Kritik - zu einem Kriterium, dem keiner sich entziehen kann, dem es um das Ziel des Sozialismus noch ernst ist.“
Eine Geschichte des wissenschaftlichen Fortschritts müsste zugleich eine Geschichte des Verlustes und des Vergessens sein. Zu solchen Überlegungen wird gedrängt, wer die Studien von Joseph B. Schechtman und Eugene M. Kulischer über die Bevölkerungsverschiebungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in die Hand bekommt. Bekanntlich ist das Problem von Flucht, Vertreibung, Zwangsumsiedlungen im Zusammenhang der Jugoslawienkriege und anderer „ethnischer Säuberungen“ wieder zu einem brisanten Thema geworden, das die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit auf sich ziehen konnte. Für die neuere Forschung – etwa Klaus J. Bades „Europa in Bewegung“ (2000) oder Norman Naimarks „Fires of Hatred“ (2001) – sind Kulischer und Schechtman kein monumentaler Referenzpunkt, sondern nur eine Fußnote.
Seit den 1960er-Jahren wurden für die Migranten in der Bundesrepublik Radiosendungen und Zeitschriften in ihrer jeweiligen Nationalsprache produziert. Die Entwicklung dieser Medien wurde von weitgreifenden Konflikten geprägt, die sich im Kontext internationaler Auseinandersetzungen um die politische Beeinflussung der so genannten „Gastarbeiter“ entfalteten. Zum einen stand die Gründung und Finanzierung von „Gastarbeitersendungen“ bzw. „Gastarbeiterzeitschriften“ im Rahmen des Kalten Krieges: Die Medien sollten die Zuwanderer vom (befürchteten) Konsum fremdsprachiger Auslandsprogramme abhalten, welche die Ostblockstaaten zu propagandistischen Zwecken ausstrahlten. Zum anderen konnten die meist autoritären Heimatregierungen der Migranten die Kritik nicht dulden, die in den „Gastarbeitersendungen“ zum Ausdruck gebracht wurde. Daraus entwickelten sich schwerwiegende diplomatische und innerdeutsche Spannungen. Trotz aller politischen Schwierigkeiten orientierten sich die Programme inhaltlich vor allem an den sozialen Bedürfnissen der Migranten.
In allen Phasen und annähernd allen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen der DDR haben die Stiefel der bewaffneten Organe mehr oder minder tiefe Spuren hinterlassen. Wer die DDR in ihrer Komplexität begreifen will, kommt am Faktor Militär nicht vorbei. Das hat vor allem zwei Gründe: Erstens lassen sich die militär- und sicherheitsrelevanten Fragen in der DDR nur unter einem sehr weit gefassten Sicherheitsbegriff analysieren. Dabei müssen die exogenen Faktoren (Lage der DDR an der Nahtstelle des Kalten Krieges, Bedrohungsbild, Bündnisverpflichtungen im Warschauer Vertrag, Schutz der Landesgrenze) stets im Zusammenhang mit den inneren Wirkungskräften gesehen werden, vor allem mit der Herrschaftssicherung des SED-Regimes. Der äußere und innere Kreis sind oft nicht voneinander zu trennen; sie bildeten die Grundlage für ein engmaschiges Netz militärischer und paramilitärischer Strukturen. Zweitens war der Mobilisierungsgrad der Gesellschaft eine bedeutsame Größe. Etwa 400.000 hauptamtliche Mitarbeiter arbeiteten in den bewaffneten Organen der Nationalen Volksarmee (einschließlich Grenztruppen), der Deutschen Volkspolizei, der Transportpolizei, der Zollverwaltung, des Luftschutzes und der Zivilverteidigung, der Kampfgruppen der Arbeiterklasse, der Gesellschaft für Sport und Technik und natürlich des Ministeriums für Staatssicherheit. Jeder zehnte Erwerbstätige wurde in das so genannte „System der Landesverteidigung“ institutionell eingebunden. Gemessen an der Einwohnerzahl gehörte die DDR damit zu den militärisch am stärksten mobilisierten und letztlich auch militarisierten Gesellschaften im Kalten Krieg. Die ideologische Durchdringung reichte von der Leitidee der „Sozialistischen Wehrerziehung“ in Kindergarten, Schule, Berufsausbildung und Universität über die gesteuerte Präsenz in den Medien bis zur historischen Instrumentalisierung des „Antifaschistischen Kampfes“ und der „Befreiung durch die Sowjetarmee“. Qualität und Quantität dieser Vernetzung sind in der deutschen Militärgeschichte einzigartig. Sie machen die DDR zu einem ausgesprochen interessanten, aber auch methodisch schwer zu fassenden Gegenstand der militärhistorischen Forschung.
Im Juli 1959 erklärte das Bundesverfassungsgericht den so genannten „väterlichen Stichentscheid" für verfassungswidrig. Mit dieser Entscheidung verwarf es zwei Paragraphen des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957, in denen sich ein patriarchalisches Verständnis elterlicher Autorität niedergeschlagen hatte. Diese Entscheidung des Gerichts lässt sich als ein Durchbruch einer emanzipatorischen Geschlechterpolitik interpretieren. Die Argumentation der Richter entsprach einem in der westdeutschen Öffentlichkeit verbreiteten Bedürfnis, väterliche Autorität nicht mehr als ein natürliches Entscheidungsrecht des Mannes und ein hierarchisches Verhältnis von Befehl und Gehorsam zu interpretieren. Die Suche nach neuen Formen der Vaterschaft war in der frühen Bundesrepublik ein zentrales Thema der allgemeineren Selbstverständigung über Autorität und Demokratie. In der Debatte um den „demokratischen Vater" experimentierten die Westdeutschen mit einem Lebensgefühl, das es ihnen erlaubte, die Bundesrepublik nicht nur als Schicksal, sondern als Chance zu begreifen.
Die Geschichte von Flucht und Vertreibung der Deutschen aus den ehemals deutschen Ostgebieten sowie aus Ostmittel- und Osteuropa ist seit den 1990er-Jahren wieder zu einem bedeutenden Thema der breiteren Öffentlichkeit geworden. Dies zeigen verschiedene Publikationen, Fernsehfilme und nicht zuletzt die Debatte um ein „Zentrum gegen Vertreibungen“. Die Hinwendung der Öffentlichkeit zu diesem Thema war von einem Perspektivwechsel in der Geschichtswissenschaft begleitet. Auch hier fand und findet das Thema ein verstärktes Interesse, das sich in zahlreichen Tagungen und oftmals vergleichenden fachwissenschaftlichen Publikationen niederschlägt.
This article discusses key aspects of the symbolic politics of the British and West German anti-nuclear-weapons movements in the late 1950s and early 1960s. More specifically, it examines the interaction between protest, politics, the media and the public sphere. It proposes two analyses of the protests: first, as the creation of a public sphere by means of "street politics" and, second, as a key to establishing an emotional community of protesters both in a national and transnational context. The media played a crucial role by enabling isolated protests to be perceived as parts of broader movements. The article argues that protests in both countries by and large adhered to, rather than transcended, the dominant national cultural codes. These movements thus exemplify the ways in which international relations, transnational links and national protest traditions interact.
„Da hat er uns wieder mal einen ordentlichen Sprengsatz untergeschoben!“, ließ ein leitender Kulturfunktionär der SED-Bezirksleitung mit gepresster Stimme vernehmen, als er während seines Rundgangs durch die 11. Kunstausstellung des Bezirkes Leipzig Anfang Mai 1985 auf die Plastik „Jahrhundertschritt“ von Wolfgang Mattheuer stieß. Und so oft sich Funktionäre in der Geschichte der DDR in Sachen Kunst irrten - hier sollten sie einmal Recht behalten, und zwar im doppelten Sinn des Wortes: Wie aufgesprengt wirkt nicht nur der schrundige, eingerissene Brustkorb von Mattheuers ‚kopfloser‘ Figur; Sprengkraft enthielt vor allem die künstlerische Botschaft des Werkes, in dem der Künstler das 20. Jahrhundert Gestalt werden ließ. Die vier Gliedmaßen der Figur streben so heftig auseinander, dass sie diese schier zu zerreißen drohen: Den rechten Arm zum faschistischen Gruß ausgestreckt, die linke Hand zur proletarischen Faust geballt, hinkt das von einer Blutspur gezeichnete linke Stiefelbein dem ungestüm ausschreitenden, makellos weißen rechten Bein unheilschwer hinterher. „Symbolhaft“ hat Mattheuer in dieser Plastik „die Unsicherheit und Zerrissenheit unserer Zeit eingefangen“. Und da der nahezu gesichtslose Kopf der Figur fast vollständig in ihrem aufgerissenen Rumpf zu versinken droht, fehlt diesem Jahrhundert zugleich die (geistige) Mitte, die es zusammenhält. „Verlorene Mitte“ und „Verlust der Mitte“ heißen denn auch zwei Grafiken, mit denen Mattheuer 1980 das Ringen um diese Figur aufnahm.
Der Begriff „Didaktik“ stammt vom griechischen Wort „didaskalia“ ab, was so viel wie „Lehre“, „Unterweisung“, „Unterricht“ bedeutet. Die Erörterung von Präsentationsformen des Wissens war fester Bestandteil antiker und christlicher Philosophie. Das Wort „Didaktik“ wurde allerdings als Neologismus erst im frühen 17. Jahrhundert geprägt; es entstand im Zusammenhang der Debatten um eine Reform des christlichen Schulunterrichts, in dem Mathematik und Naturwissenschaften sowie die deutsche Sprache größere Bedeutung erhalten sollten.
»Keinem, der dem Wesen der menschlichen Angelegenheiten, das sich in Geschichte und Politik manifestiert, nachdenkt, kann die Rolle, welche die Gewalt seit eh und je in den Beziehungen der Menschen zueinander gespielt hat, entgehen; und es ist auf den ersten Blick einigermaßen überraschend, daß sie so selten zum Gegenstand besonderer Untersuchungen gemacht wurde.« So angemessen diese Feststellung Hannah Arendts im Jahre 1970 auch gewesen sein mag, inzwischen zeigt sich die intellektuelle Szenerie gründlich gewandelt. Gewalt ist in nahezu allen kulturwissenschaftlichen Disziplinen der Gegenwart zu einem beherrschenden Thema geworden. In der Epoche Hannah Arendts jedoch brachte ihre zitierte Aussage eine Theorielandschaft auf den Punkt, in der ein die Nachkriegsgesellschaften des Westens prägender Prozess von Demokratisierung das Problem illegitimer Gewaltausübung zum Verschwinden zu bringen schien. Die Modernisierungstheorie der 60er und 70er Jahre stellt sich unter diesem Gesichtspunkt als eine gegenüber Gewaltphänomenen unsensible Gesellschaftskonzeption dar.