Deutschland
Klaus Theweleits literaturwissenschaftliche Dissertationsschrift „Männerphantasien“ von 1977/78 wurde in fünf Sprachen übersetzt und mehr als zweihunderttausend Mal verkauft. Der Aufsatz ordnet dieses außergewöhnliche Erfolgsbuch in seinen Zeitkontext ein - in das linksalternative Milieu der Bundesrepublik der späten 1970er-Jahre. Sechs Faktoren dürften zur Resonanz auf die „Männerphantasien“ beigetragen haben: Erstens vollzog das Buch den Wandel von klassisch marxistischer zu psychologisch-postmoderner Theoriebildung nach; zweitens lieferte es mit der Faschismusdeutung einen Beitrag zu dem zentralen Milieuthema; drittens verstand sich das Buch als ein Beitrag zur damals hochaktuellen Geschlechterdiskussion; viertens begleitete und förderte es den Wandel zu einer „Politik der ersten Person“; fünftens bediente Theweleit die linksalternative Ästhetik, und sechstens schrieb er über Gewalt und Terrorismus als hochaktuelles Thema. Im zweiten Teil des Aufsatzes werden die „Männerphantasien“ als historiographische Leistung zur Körper- und Geschlechtergeschichte des Faschismus aus der Perspektive der heutigen Geschichtswissenschaft kritisch gewürdigt.
Vernetzung um jeden Preis. Zum politischen Alltagshandeln der Generalverwaltung im "Dritten Reich"
(2007)
Wie stand die Generalverwaltung der KWG zum NS-Regime? Welches Verhältnis entwickelte umgekehrt das NS-Regime, genauer: entwickelten die wissenschaftspolitisch einflußreichen Institutionen der Diktatur zur KWG? Diese Fragen lassen sich nur beantworten, wenn man die Netzwerke der zentralen Akteure der Wissenschaftsgesellschaft und ihrer Generalverwaltung als politischem Kern der KWG genauer unter die Lupe nimmt.
Die Revolution in der Produktkultur kommt unspektakulär daher: Im Herbstheft der Zeitschrift „Kultur im Heim“ von 1967 werben die Deutschen Werkstätten Hellerau mit einem Rastermotiv, das das Möbelprogramm Deutsche Werkstätten (MDW) ankündigt. Zwar steht im Vordergrund noch das Holz als Qualitätshinweis, doch ist alles in das kommende Maßsystem eingepasst - selbst das historisierende, an deutsche Handwerkskunst erinnernde Markenzeichen.
In der Forschung zum "Dritten Reich" wird häufig von "Verwaltungskonfusion", Zerrüttung und Zerfall des Staates gesprochen, von Chaos, allgemeinem Wirrwarr, "Desorganisation" oder "irrationalen Organisationsformen", so dass man sich verwundert die Augen reibt und fragt, wie dieser angebliche 'Nicht-Staat' innerhalb kurzer Zeit einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung induzieren und schließlich fast sechs Jahre lang einen Weltkrieg gegen mindestens ökonomisch weit überlegene Gegner führen konnte. Tatsächlich ist das Diktum von Zerfall des Staates zu kurz gegriffen. Was sich auflöste, war der klassisch-moderne Staat - der Staat mit mindestens im Groben verfassungsrechtlich wie politisch-praktisch abgeklärten, auf Dauer angelegten arbeitsteiligen Kompetenzen zwischen den Institutionen, mit rechtsförmig geregelten, überpersönlichen Verwaltungsgängen, mit eindeutigen und vergleichsweise festgefügten, also nur begrenzt fluiden Hierarchien. Diese Form der Staatlichkeit löste sich auf. Was in Deutschland 1936, 1939 oder 1941 existierte, waren jedoch nicht lediglich staatliche Trümmer. Es bildete sich vielmehr eine neue, ganz eigenartige politische Struktur heraus, eine neue Variante von Staatlichkeit, die nur sehr begrenzt Vorbilder kannte. Um diese neue Staatlichkeit geht es im folgenden.