Deutschland
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Wie lässt sich soziale Ungleichheit in staatssozialistischen Gesellschaften konzeptionell fassen? Der Beitrag stützt sich auf neuere Ungleichheitskonzepte der Soziologie und führt die Debatte um das Verhältnis von Sozial- und Geschichtswissenschaften fort – im Hinblick auf aktuelle Fragen einer Gesellschaftsgeschichte der kommunistischen Diktaturen. Diskutiert werden die gewollten und ungewollten Verteilungen sozialer Vor- und Nachteile, die innergesellschaftlichen Diskurse über „Privilegien“ und „arbeiterlichen Egalitarismus“ sowie die sozialen Dynamiken im Vorfeld der Systemtransformationen Ende der 1980er-Jahre. Besonders am Beispiel der DDR zeigt der Aufsatz die „intersektionale“ Verteilung von Armut und Reichtum nach Einkommen, bürokratischen Mechanismen und Effekten des „grauen“ Marktes. Eine weiterführende These lautet: Es gab einen engen Zusammenhang zwischen der sozialen Differenzierung im späten Staatssozialismus vor 1989/90 und der „Verungleichung“ danach.
Der Aufsatz geht der Frage nach, welche Formen von Armut es in der DDR in den Jahrzehnten nach dem Mauerbau gab und wie über sie kommuniziert wurde. Sozialhistorisch rekonstruiert wird die Unterversorgung zweier ausgewählter Armuts-Gruppen: Rentner und kinderreiche Familien. Auf der Basis von Akten, zeitgenössischen wissenschaftlichen Arbeiten und Medienberichten wird zudem betrachtet, welche Images von „Armut“ zirkulierten. Zwar galt Armut im Selbstverständnis des SED-Staats als überwunden. Dennoch war offenkundig, dass es soziale Ungleichheiten, ja Notlagen auch in der DDR gab, und diese fanden in der damaligen Sozialforschung ein breites Interesse. Die Einkommens- und Wohnverhältnisse von Rentnern, besonders von Rentnerinnen, waren häufig prekär, so dass viele von ihnen eine zusätzliche Arbeit aufnehmen mussten – was mit dem Bild des „rüstigen“ Alten beschönigt wurde. Bei Kinderreichen wurde differenziert zwischen den „würdigen“, „wohlorganisierten“ und den „liederlichen“, „dissozialen“ Familien. So ging es im Hinblick auf beide Gruppen nicht allein darum, ihre Armut zu lindern. Das vorrangige Ziel war vielmehr, sie mit positiven Images zu versehen und abweichendes Verhalten zu sanktionieren.
Neuere Täterforschung
(2013)
Im Zuge der Holocaust-Forschung ab den 1990er-Jahren wandte sich die Geschichtswissenschaft auf breiter Basis den Tätern zu. Frank Bajohr zeigt in seinem Beitrag, dass die sogenannte Neuere Täterforschung aber kein einfacher Königsweg zur Erklärung der NS-Verbrechen ist. Er versteht sie vor allem als Perspektive, die in den letzten Jahrzehnten eine empirische Rekonstruktion des Holocaust aus der Nahperspektive ermöglicht hat. Die Frage, warum jemand zum Täter wurde, lässt sich nicht monokausal beantworten, sondern verlangt eine multiperspektivische Sichtweise. Frank Bajohr plädiert daher dafür, „Täter“ und „Gesellschaft stärker zusammenzudenken“ und mit strukturellen und institutionellen Ansätzen zu kombinieren.
Verlagstext Böhlau, siehe: http://www.boehlau-verlag.com/978-3-412-21014-4.html: Ruth Fischer (1895–1961) war 1924/25 weltweit die erste Frau an der Spitze einer Massenpartei: der Kommunistischen Partei Deutschlands. Wie niemand sonst stand sie für die Angleichung der KPD an das autoritäre sowjetische Parteimodell. Später wurde sie – von Hitler und Stalin verfolgt – zur leidenschaftlichen Antikommunistin, die in den USA sogar gegen ihre Brüder Gerhart und Hanns Eisler sowie gegen Bertolt Brecht aussagte. Zuletzt suchte sie wieder Anschluss an eine undogmatische Linke.
Ruth Fischers bewegtes Leben wird in dieser Biographie auf der Grundlage bisher unerschlossener Archivquellen, darunter FBI-Akten, erstmals ausführlich dargestellt. Das Buch zeigt exemplarisch, wie Kommunismus und Antikommunismus sich im Kalten Krieg in einer Person verschränken konnten.