Gesellschaftsgeschichte
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Konsumgeschichte
(2020)
Zahlreiche Monografien, Aufsätze und Sammelbände sind in den letzten Jahren zu diversen Themen der Konsumgeschichte erschienen. Manuel Schramm gibt einen Überblick über zentrale Themen und diskutiert Fragen der Periodisierung in der Konsumgeschichte. Es folgt eine Erörterung des Verhältnisses von Konsum zu zentralen Themen der Sozialgeschichte, nämlich soziale Ungleichheit und Geschlechterverhältnisse. Anschließend wird auf die vielfältigen Verbindungen zwischen Konsum und Politik sowie auf die Globalisierung und Regionalisierung des Konsums eingegangen. Nach einem Blick auf neuere Ergebnisse der deutschsprachigen zeithistorischen Forschung werden Stand und Perspektiven der Konsumgeschichte erörtert.
Eine Betrachtung von Berufungen unter der Kategorie Geschlecht eignet sich in besonderem Masse dazu, gleichsam wie in einem Vergrösserungsspiegel, die soziale Bedingtheit von Berufungen aufzuzeigen. Diese werden bis heute von den an Berufungsverfahren Beteiligten wenig oder gar nicht reflektiert, besteht doch die unhinterfragte illusio[1] des akademischen Feldes darin, nach dem vermeintlich harten Kriterium der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit ›die besten Köpfe‹ zu berufen. Bislang gibt es für das 19. und 20. Jahrhundert, d.h. die Phase der sogenannten modernen Universität, keine historische, quellenbasierte Untersuchung zur inhaltlichen Ausgestaltung und zum Wandel von Berufungskriterien. Bisher ist auch das Verhältnis von Berufung und Geschlecht in historischer Längsschnittperspektive nicht systematisch untersucht worden.
Der folgende Beitrag erschien erstmals im Jahr 2012 in der Publikation „Professorinnen und Professoren gewinnen. Zur Geschichte des Berufungswesens an den Universitäten Mitteleuropas“, die von Christian Hesse und Rainer Christoph Schwinges herausgegeben wurde. Mit freundlicher Erlaubnis der Autorin Sylvia Paletschek veröffentlicht zeitgeschichte|online die Einleitung des Aufsatzes. Eine vollständige Version findet sich auf dem freien Dokumentenserver FreiDoks plus, ein Angebot der Universitätsbibliothek der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und im Material zu diesem Beitrag.
Wir werden das Königliche Schloss – manche sagen Humboldt-Forum – wohl nicht mehr los. Nun steht es da, das Kreuz obendrauf und die selfie-süchtigen Menschenmassen zu Füßen. Die Historikerin Hedwig Richter schlägt vor, wir sollten uns damit arrangieren. In der deutschesten aller Kompetenzen, der „Empörungskompetenz“, haben wir verlernt, uns an der einfachen Schönheit des Baus zu erfreuen. Richter prognostiziert: Vielleicht wird das Ding ja zum „Volksbau schlechthin?“
Nein, weder Schloss noch Nachbau waren dem Volk – wie auch immer es definiert sein mag – gewidmet. Das Original war eine Herrscherresidenz, sein Replikat ist architektonischer Ausdruck einer Nationalromantik, die die Berliner Republik heimsucht.
Nostalgische Alltagserinnerungen an die DDR standen seit den frühen1990er Jahren unter dem Verdacht der Verharmlosung der SED-Diktatur. Obwohl diese sehr einseitige Sichtweise durch die Forschung mittlerweile weitgehend entkräftet ist und ein differenzierteres Bild von Erinnerung Einzug gehalten hat, fällt noch immer eine gewisse Exotisierung ostdeutscher Erinnerungspraktiken auf. Weitet man den Blick jedoch auf nostalgische Erinnerungen in westlichen Ländern, werden trotz einiger Unterschiede Parallelen sichtbar, die auf gesellschaftliche Wandlungsprozesse in Ost und West verweisen und Erklärungsmuster für ostdeutsche Alltagserinnerungen in einem anderen Licht erscheinen lassen.
In diesem Essay begeben wir uns auf die Spurensuche in den Rayon Chojniki, der teilweise zur 30-km-Sperrzone von Tschernobyl gehört. Im ersten Teil wird die Geschichte von Chojniki vor und vor allem nach dem Jahr 1986 zusammenfassend geschildert. Anschließend reflektiert die aus dem Rayon Chojniki stammende Germanistin Ekaterina Jadtschenko die aktuelle Lage und ihren eigenen Weg von einer Sympathisantin des Präsidenten Lukaschenka zur Aktivistin der demokratischen Protestbewegung.
Wenn Svetlana Tichanovskaja bei ihrem Auftritt vor den EU-Außenminister*innen in Brüssel am 21. September 2020 sagt: „The Belarus the world has not seen before“, frage ich mich: Hat die Welt Belarus davor überhaupt gesehen? Ich blicke auf eigene Erfahrungen zurück, oft konnten die an meiner Herkunft interessierten Gesprächspartner*innen mit dem Namen „Belarus“ nichts anfangen. In den meisten Fällen bedurfte es einer weiteren Erklärung: Weißrussland. Auch damit konnte man nicht viel assoziieren, wenngleich der Wortteil „Russland“ immerhin eine geographische Orientierung gab. Gleichzeitig wurden wir, Belarus*innen in Deutschland, häufig nicht nur mit der Unkenntnis über Belarus, sondern auch mit einem offensichtlichen, beinahe an Arroganz grenzenden Desinteresse an dem Land konfrontiert. Die Gründe dafür sind vielfältig, ein wesentlicher ist, die durch den Kalten Krieg bedingte Blindheit für Regionen im Osten.
So war auch Belarus lange Zeit für die Welt unsichtbar.
“I am going out” was the last message sent by Raman Bandarenka to a Telegram chat uniting people from his neighbourhood in Minsk. In the evening of November12th, he went down to his courtyard, known by protesters as the Square of Changes. The Square of Changes appeared in Minsk in the beginning of September 2020 to support initiatives of a local community in times of political contestation. Raman went down to protect a fence decoration made from white-red-white ribbons that became a target for a group of unknown men in masks and sportive clothing. To watch over protest symbols installed in their Square of Changes became a routine action for the locals. Their neighbour, Stsiapan Latypau, was detained in September in somewhat similar circumstances: he was asking men in masks to introduce themselves and to explain their reason for destroying a graffiti, a symbol of the Square of Changes. This time, Raman was beaten up in the same courtyard, then put in a blue van, and taken to the police station. The next day he died in a hospital from the received traumas. All elements of this story – anonymous men in civic clothing who seem to have the carte blanche to brutal violence, blue vans without a registration number, write-red-white ribbons, alternative names to cities’ places, and local chats – are the symbols of the ongoing Belarusian protests.
Dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs findet die Transformationszeit um 1989 wieder verstärkte Aufmerksamkeit in der zeithistorischen Forschung. Zugleich sind transnationale und globalgeschichtliche Forschungsperspektiven nach wie vor ein Schwerpunkt innovativer Forschungsarbeiten. Umso erstaunlicher ist, dass beide Aspekte noch kaum miteinander verbunden sind – ein echtes „1989 transnational“ ist in der deutschen Zeitgeschichtsforschung (und auch darüber hinaus) bisher nur selten zu finden.
Stattdessen bewegen sich Forschungsarbeiten zum Umbruch 1989 zumeist im lokalen, regionalen oder nationalen (manchmal im deutsch-deutschen) Rahmen. Wenn einmal grenzüberschreitend geforscht wird, dann handelt es sich nicht selten um Forschungsarbeiten zu spezifischen Grenzregionen. Solche Arbeiten sind dann allerdings nicht selten in den Kulturwissenschaften und nicht in der Zeitgeschichte verortet.
Mit dieser disziplinären Trägheit vergibt die Zeitgeschichtsforschung eine große Chance: Denn wo, wenn nicht im Protestgefüge von 1989, das aufgrund seiner grenzübergreifenden Dynamik von Timothy Garton Ash als annus mirabilis bezeichnet worden ist, wird deutlich, dass ein Denken in national isolierten Kategorien häufig an den zentralen Fragen der modernen Geschichtsschreibung vorbeiführt?
Nichts weniger als „Die russische Geschichte in Fotografien“ bietet seit kurzem ein eindrucksvolles Online-Angebot: Insgesamt 40 russische Archive haben sich zusammengetan, ihre Bestände an historischen Fotos digitalisiert und im Verbund ins Netz gestellt: 70.000 Fotografien bisher (darunter viele Erstveröffentlichungen). Unter den Partnern finden sich die großen Sammlungen des Staatlichen Archivs der Russischen Föderation, des Staatlichen Museums der politischen Geschichte Russlands und des Zentralen Staatlichen Archivs von Kino-Foto-Dokumenten St. Petersburg. Auch Kunstarchive wie das Majakowski-Museum, das Staatliche Architekturmuseum Schtschussew, das Theatermuseum Bachruschin und das Staatliche Literaturmuseum (allesamt in Moskau) gehören dazu. Sogar die jahrzehntealte Presseagentur „Tass“, die zu Sowjetzeiten der Monopolist für alle offiziellen Verlautbarungen der Sowjetunion war, hat ihr Fotoarchiv online gestellt. Auch Archive regionalen Charakters, wie Fotosammlungen aus Kaliningrad, Murmansk, Samara, oder Privatarchive von Familien steuerten Fotos bei.
Heimat (english version)
(2018)
The concept of Heimat can be used in conjunction with many phenomena and sometimes seems to have a precise definition. The very vagueness of the concept bespeaks its emotional aspect, one that makes it rather appealing for a wide range of marketing and propaganda purposes. Heimat denotes a local identification that is not exclusive of other identifications, whether regional, national or transnational institutions, ideologies or religious communities. The Article will address the concept and its varied meanings and it will also examine the fundamental relationship between individuals with respect to their social and geographic spaces.
Der Neue Mensch
(2017)
Geschichtswissenschaftliche Studien zum „Neuen Menschen“ beziehen sich auf übergreifende Fragestellungen und breitere Forschungsfelder. Dabei sind die neuen totalitären Ideologien und modernen Diktaturen des 20. Jahrhunderts besonders beachtet worden. Allerdings wurden Utopien eines Neuen Menschen auch in Demokratien entwickelt, die deshalb in diesem Beitrag ebenfalls berücksichtigt werden. Abschließend wird auf Defizite der Geschichtsschreibung hingewiesen.
Heimat
(2017)
Das Konzept „Heimat“ lässt sich als scheinbar genauere Bestimmung vor viele Phänomene setzen. In der Unbestimmtheit des Begriffs zeigt sich seine prominente emotionale Seite, die ihn für Marketingzwecke jeder Art – und damit sind auch politische Absichten eingeschlossen – attraktiv macht. Heimat markiert eine lokale Identifizierung, die andere Identifikationen nicht ausschließt, ob es sich nun um regionale, nationale oder transnationale Institutionen, Ideologien oder Glaubensgemeinschaften handelt. Der Artikel behandelt den Begriff „Heimat“ sowie das grundsätzliche Verhältnis zwischen Individuen zu sozialen und geografischen Räumen.
This article will first examine the emergence of Italian Fascism and provide insight into Italian Fascists’ self-perception. Second, taking the contemporary conceptualizations of fascism developed by its Marxist, liberal, and conservative opponents as a starting point, this article reviews research on fascism during the Cold War. Third, the approaches taken by more recent research on fascism will be discussed and a survey of current fields of empirical work will be presented. A concluding section summarizes the usefulness of the concept of fascism.
Wir wissen nicht viel über Richard Wagner und seine Frau Anna – nur, dass er Bahnangestellter war und begeisterter Hobbyfotograf. Alles andere können wir vermuten und durch unser Vorwissen ableiten. Im Jahre 1900 begann das Ehepaar Wagner vor Weihnachtsbaum und Geschenken per Selbstauslöser Fotos von sich zu schießen. Der gekonnt in Szene gesetzte Gabentisch sollte zu einer 44-jährigen Tradition werden.
Birgit Jochens präsentiert als – Herausgeberin – in ihrem Buch „Deutsche Weihnacht. Ein Familienalbum 1900-1945“ die Fotografien von Anna und Richard Wagner. Die Bilder lassen Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Begebenheiten des jeweiligen Jahres zu. Zusammen mit zeitgenössischen Zeitungszitaten verbindet Jochens die Bildbeweise und schriftlichen Quellen, um diese in einen größeren Zusammenhang zu bringen.
Auch der 2014 veröffentlichte Comic „Irmina“, um den es hier gehen soll, entworfen und gezeichnet von der Berliner Comic-Autorin Barbara Yelin, behandelt eine Familiengeschichte im Deutschland der 1930er- und 40er-Jahre. „Irmina“ basiert auf Tagebüchern und Briefen ihrer Großmutter, auf die die Autorin vor einigen Jahren gestoßen ist. Wie nah die Geschichte sich an diesen Aufzeichnungen orientiert, bleibt offen, deutlich wird aber, dass dem Buch ausführliche historische Recherchen zugrunde liegen. Dabei nutzt Yelin, wie ich darlegen möchte, genau jene Potenziale des Comics, die das Medium für die Geschichtsschreibung bereithält.
Seit über neunzig Jahren wird über Inhalt und Reichweite des Faschismus-Begriffs gerungen. Fernando Esposito beleuchtet die Entstehung des italienischen Faschismus kursorisch und gibt einen Einblick in das Selbstverständnis der Akteure. Er stellt die Faschismusforschung im Zeichen des Kalten Kriegs vor, erörtert die Ansätze der neueren Faschismusforschung und ihre Themenfelder, um dann in einem abschließenden Fazit den Mehrwert des Faschismusbegriffs vor Augen zu führen.
Environmental history is the history of the changing mutual relationship between humankind and nature. The various, more or less concrete attempts to define this area of historical study can be reduced to this basic common denominator. Though the notion of man and nature's mutual dependence may sound pithy at first, it's a rather fuzzy one upon closer inspection. Melanie Arndt describes this field of research in all its facets – because the valuable contribution of environmental history as a „subdiscipline” deserves much greater recognition from the outside world and from scholars working in other disciplines.
(Version 3.0) Umweltgeschichte ist die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur – auf diesen kurzen und allgemeinen Nenner lassen sich die verschiedenen, mehr oder weniger konkreten Definitionsversuche dieses historischen Teilbereichs bringen. Dabei wird beiden Seiten dieses Wechselverhältnisses, sowohl dem Menschen als auch der Natur, ein eigener Stellenwert eingeräumt, auch wenn sie als unauflöslich verschränkt gedacht werden.
Das Wissen von Europäern um Südamerika ist seit der frühen Neuzeit, als der Kontinent Ziel der europäischen Expansion wurde, durch Bilder vermittelt worden. Diese Bildüberlieferung erhielt im 19. und frühen 20. Jahrhundert neue Impulse: Fotos und später Bildpostkarten zeigten den Menschen im Deutschen Reich ein ambivalentes Bild des fremden Kontinents, das mit bestehenden Vorstellungen und Projektionen zusammenwirkte, aber auch mit diesen konkurrierte. Die Ambivalenz des Südamerikabildes wird deutlich in den Motiven, denn die Bildmedien zeigten einerseits Eisenbahnen und Bahnhöfe, Stadtansichten, repräsentative Gebäude, Häfen, Zoos und Fabriken. Ein ganz anderes Bild zeichneten dagegen Ansichten von Indigenen und Ruinen. Auf den ersten Blick scheinen die Quellen so insgesamt eine bekannte Dichotomie aus Tradition und Moderne zu zeigen. Aber die genauere Untersuchung ergibt, dass sich hybride Bedeutungen bildeten, deren Sinn je nach Nutzungszusammenhängen oszillierte.
(Version 2.0, siehe auch Version 3.0)
Umweltgeschichte ist die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur – auf diesen kurzen und allgemeinen Nenner lassen sich die verschiedenen, mehr oder weniger konkreten Definitionsversuche dieses historischen Teilbereichs bringen. Dabei wird beiden Seiten dieses Wechselverhältnisses, sowohl dem Menschen als auch der Natur, ein eigener Stellenwert eingeräumt, auch wenn sie als unauflöslich verschränkt gedacht werden.
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
Fortschritt und Entwicklung
(2012)
Daniel Speich Chassé plädiert in seinem Beitrag für eine globalgeschichtliche und selbstreflexive Analyse der Konzepte Fortschritt und Entwicklung. Die Annahme, Fortschrittlichkeit zu besitzen und diese anderen Kollektiven zu bringen, war eine der zentralen Legitimationsstrategien des europäischen Kolonialismus. Nach 1945 trat der Entwicklungsbegriff stärker in den Vordergrund, der vermeintlich unterentwickelte Kollektive mit Inhabern höherer Entwicklungsstufen auf eine gemeinsame Zeitachse des Fortschritts stellte und den Ausgleich dieser Differenz zum gemeinsamen Zukunftshorizont erhob. Nach Speich Chassé kann die Geschichtswissenschaft auf beide Konzepte kaum verzichten, da historischer Wandel ohne diese Prozessbegriffe schwer zu beschreiben ist.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
(Version 1.0, siehe auch Version 3.0)
Umweltgeschichte ist die Geschichte der Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Natur – auf diesen kurzen und allgemeinen Nenner lassen sich die verschiedenen, mehr oder weniger konkreten Definitionsversuche dieses historischen Teilbereichs bringen. Dabei wird beiden Seiten dieses Wechselverhältnisses, sowohl dem Menschen als auch der Natur, ein eigener Stellenwert eingeräumt, auch wenn sie als unauflöslich verschränkt gedacht werden.
Über Ereignisse, Folgen und Deutungen einer für Deutschland, Europa und die Welt bedeutsamen Zäsur reflektiert Christoph Kleßmann in seinem Beitrag über „1945“. Der Autor rekonstruiert zeitgenössische Interpretationen dieses Jahres als Niederlage, Befreiung oder Stunde Null und setzt sie ins Verhältnis zu historiografischen Deutungsmustern. Sein Beitrag für die Docupedia-Kategorie „Periodisierung“ vergleicht zudem „1945“ und „1989“ mit Blick auf das Spannungsverhältnis von gesellschaftsgeschichtlichen Brüchen und Kontinuitäten, das beide Chiffren aufrufen. Kleßmann diskutiert dabei auch, wie sich der Blick auf das Kriegsende durch den Fall der Mauer verändert hat.
Cultural Turns
(2010)
In den neueren Kultur- und Sozialwissenschaften ist noch immer die Rede vom „Cultural Turn”, der in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Hinwendung der einzelnen Disziplinen auf die Analyse kultureller Bedeutungen und symbolischer Ordnungen ausgelöst hat. Diese Meistererzählung von dem einen herausgehobenen Cultural Turn, der noch dazu im Bann eines übermächtigen linguistic turn verharrt, ist jedoch fragwürdig. Denn wendet man sich der Vielzahl und Verschiedenheit der cultural turns zu, dann entfaltet sich eine andere Geschichte der neueren Kulturwissenschaften, die ausdrücklich auf Pluralisierung zielt.