Fotografie
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Eine schwarz-weiße Fotografie mit neun Personen, die zu einem Gruppenbild versammelt sind: Sieben Personen stehen, zwei sitzen. Alle tragen einen Lendenschurz, der den Blick auf die untergewichtigen, ausgezehrten, geschwächten Körper freigibt. Drei Personen stützen sich mit einem Stock ab, einige tragen Halsketten als Schmuck. Auch Ringe um die Knöchel sind zu sehen. Es ist unklar, ob es sich dabei vielleicht um Eisenketten handelt. Die Blicke sind meist auf den Betrachtenden gerichtet, nur die sitzenden Personen scheinen die Augen geschlossen zu haben. Im Hintergrund sieht man eine karge Landschaft; ein Zelt am rechten oberen Bildrand fällt ins Auge. Weitere Details sind bei näherem Hinsehen erkennbar, ohne den Betrachtenden genauen Aufschluss über die Personen, den Ort oder die Zeit der Aufnahme zu geben. Man ist auf Spekulationen angewiesen: „Afrikaner“, dem Aussehen nach? Der Landschaft zufolge möglicherweise ein Ort im südlichen Afrika. Material und Art der Aufnahme lassen auf einen lange zurückliegenden Entstehungszeitraum schließen.
Zwei Pressefotografien zeigen Menschen unterschiedlicher Migrantengruppen: eine türkische „Gastarbeiterfamilie“ und sogenannte Aussiedlerkinder. Beide Bilder stehen in einem engeren inneren Zusammenhang, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Im Juli 1973, vier Monate vor Verkündung des „Anwerbestopps“ von Arbeitskräften aus Südeuropa, titelt „Der Spiegel“: „Gettos in Deutschland. Eine Million Türken“. Auf dem Cover des Nachrichtenmagazins ist eine achtköpfige, vermutlich türkische Familie abgebildet: fünf Kinder, Mutter, Vater und ein weiterer männlicher Verwandter oder Freund der Familie. Das zweite Bild zeigt ein modernes Sprachlabor im Durchgangswohnheim Unna-Massen im Jahr 1971: An Arbeitsplätzen, die mit Trennwänden voneinander abgeschirmt sind, sitzen „Aussiedlerkinder“ und erhalten über Kopfhörer Deutschunterricht.
Ausgehend von der These, dass die Internationalen Organisationen im Zeitalter der Dekolonisation nach 1945 auf die Erfindung einer neuen Bildsprache angewiesen waren, die uns bis heute zutiefst vertraut ist und inzwischen selbstverständlich anmutet, fragt das Projekt nach Akteuren, Politik und Praxis des Fotojournalismus im Mid-Century. Die Geschichte der Internationalen Organisationen ohne ihr Bildprogramm erklären zu wollen, läuft daher zumindest für die nach unserem heutigen Verständnis naiv-optimistischen 1950er Jahre ins Leere: Bilder waren die Sprache, welche weltweit verstanden werden konnte, und sie waren – vieles weist darauf hin – anders als die „Weltsprachen“ Englisch oder Französisch zumindest zeitgenössisch als herrschaftsfreie Ausdrucksformen weitgehend akzeptiert.
Das seit April 2017 laufende Dissertationsprojekt untersucht den sich wandelnden Medieneinsatz und Stellenwert von Visualisierungen in lokalen Stadtplanungsdebatten der Berliner Öffentlichkeit im Laufe des 20. Jahrhunderts. In der sozial- und medienhistoriografischen Arbeit werden anhand ausgewählter Beispiele der Berliner Bebauungsgeschichte aus verschiedenen Zeitphasen (zwischen1910 und 1990) schlaglichtartig zeitgenössische Schnittpunkte zwischen Stadtplanung, Gesellschaft, Öffentlichkeit sowie Medientechnologie und -einsatz erforscht. Um die historischen Prozesse von Mediatisierung und Medienwandel einzuordnen, sollen die Erkenntnisse zu Nutzung und Stellenwert von visuellen Medien aus den Fallbeispielen in Form einer diachronen Vergleichsgeschichte systematisch kontextualisiert werden.
1917 veröffentlichte das US-amerikanische Magazin „Vanity Fair“ einen Artikel mit der Überschrift „Moving Pictures for Golfers“. Das war nichts Ungewöhnliches, denn Sport war eines der Themen, die das zumeist weiße, urbane, gebildete Publikum dieses Lifestyle-Magazins ansprach. Außergewöhnlich waren die beiden Bilderserien, die den Artikel illustrierten – bestehend aus je 22 individuellen Fotos zeigten sie zwei Golfer beim Abschlag des Balls. Die bloße Anzahl unterschiedlicher Bilder athletischer Körper in diesem Zeitraum ist ein Indikator für ihre Relevanz. Und jenseits dieser quantitativen Beobachtung waren große mediale Räume von diesen Darstellungen besetzt, von Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, über Werbeposter, Sammelkarten und Kunst bis hin zu Lehrfilmen, Wochenschauen und Spielfilmen. Das Projekt widmet sich diesen Quellen als eine ausdrücklich transnational ausgerichtete Kulturgeschichte der USA.
Unter dem Titel „Landsleute“ hat der Fotojournalist Rudi Meisel Bilder aus Reportagen zusammengestellt, die zwischen 1977 und 1987 in der DDR, im Ruhrgebiet und in West-Berlin entstanden sind. Sie sind als Ausstellung – 2015 in der Fotogalerie C/O Berlin gezeigt – nun im Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung zu sehen: Anlass für Fragen an den Fotografen zwischen Zeitgenossenschaft und Geschichte.
Fotohistorikerinnen und -historiker – deren Perspektive auch diese Rezension folgt – machen seit vielen Jahren darauf aufmerksam, dass die Geschichtsschreibung des 19. und vor allem des 20. Jahrhunderts Bildquellen in die historische Analyse einbeziehen muss. Wie Fotografien politik-, sozial- und kulturgeschichtliche Prozesse in der Vergangenheit mit gestaltet haben, kann man seit den 1980er-Jahren in den Fachzeitschriften „Fotogeschichte“ und dem „Rundbrief Fotografie“, in unzähligen Monografien und Tagungsdokumentationen, seit einigen Jahren auch in geschichtswissenschaftlichen Zeitschriften wie den „Zeithistorischen Forschungen“ und nicht zuletzt an dieser Stelle nachlesen. Nun legt Annette Vowinckel eine fotohistorische Studie vor, die ausdrücklich nicht von den Fotos ausgeht, sondern „von den Handlungen, deren Ziel und Inhalt die Produktion und Zirkulation von Bildern ist“ (S. 15).
Klaus Ender wurde 1939 in Berlin geboren. Aus politischen Gründen flieht er 1957 aus der DDR und schließt in Friedrichshafen am Bodensee eine Ausbildung als Bäcker ab. Nach eineinhalb Jahren kehrt er in die DDR zurück. Auf Rügen gründet er den Fotoclub Saßnitz. 1963 entstehen erste Aktaufnahmen. Zwei Jahre später werden Fotos von ihm in der Zeitschrift „Das Magazin“ veröffentlicht. Nach seiner Zulassung als Bildreporter ist er als Volkskorrespondent tätig und veröffentlicht im Fotokinoverlag Leipzig das Lehrbuch „Mein Modell“. 1975 wird in Potsdam seine Fotoausstellung „Akt & Landschaft“ eröffnet, in der Bilder von ihm und dem Fotografen Gerd Rattei zu sehen sind. Sie ist ein großer Erfolg und tourt durch sechs Städte in der DDR. Im Jahr 1981 reist Ender aus der DDR nach Österreich aus. Seit 1996 lebt er wieder auf Rügen, veröffentlichte über 150 Bücher und zeigt seine aktualisierte Ausstellung „Akt & Landschaft“ in verschiedenen Orten, zuletzt 2016 in Wittenberg.
Das seit 2015 laufende Dissertationsprojekt „Zur visuellen Produktion von ‚Flucht‘ und ‚Asyl‘ in Pressefotografien der Bundesrepublik“ beschäftigt sich im ausgeführten Zusammenhang mit Pressefotografien, die in Debatten um „Flucht“ und „Asyl“ seit den 1950er Jahren bis Mitte der 1990er Jahre in der Bundesrepublik in fünf überregionalen Tages- und Wochenzeitungen veröffentlicht wurden („Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Stern“, „Spiegel“, „Süddeutsche Zeitung“, „Die Welt“ – zudem partiell die „Zeit“ und die „tageszeitung“). Der Korpus besteht aus 1800 veröffentlichten Fotografien, den dazugehörigen Zeitungsartikeln und Bildunterschriften.
Wir wissen nicht viel über Richard Wagner und seine Frau Anna – nur, dass er Bahnangestellter war und begeisterter Hobbyfotograf. Alles andere können wir vermuten und durch unser Vorwissen ableiten. Im Jahre 1900 begann das Ehepaar Wagner vor Weihnachtsbaum und Geschenken per Selbstauslöser Fotos von sich zu schießen. Der gekonnt in Szene gesetzte Gabentisch sollte zu einer 44-jährigen Tradition werden.
Birgit Jochens präsentiert als – Herausgeberin – in ihrem Buch „Deutsche Weihnacht. Ein Familienalbum 1900-1945“ die Fotografien von Anna und Richard Wagner. Die Bilder lassen Rückschlüsse auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Begebenheiten des jeweiligen Jahres zu. Zusammen mit zeitgenössischen Zeitungszitaten verbindet Jochens die Bildbeweise und schriftlichen Quellen, um diese in einen größeren Zusammenhang zu bringen.