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Historischer Vergleich
(2012)
Hartmut Kaelble zeigt in seinem Beitrag für Docupedia, dass sich Methodik, Praxis und damit auch Vergleichsräume und Vergleichszeiträume des Historischen Vergleichs in den letzten Jahren stark verändert haben. Nachdem die theoretischen Diskussionen der 1990er-Jahre über den Historischen Vergleich als weitgehend abgeschlossen angesehen werden können, ist er heute ein fest etablierter, eigenständiger Teil der transnationalen Geschichte. Wissenschaftshistorisch hat er damit zur Herauslösung der Geschichtswissenschaft aus rein nationalgeschichtlichen Traditionen beigetragen.
Historisierung (Version 2.0)
(2012)
Der Begriff „Historisierung” stellt sicherlich keine Neuheit in der Diskussion über Geschichtstheorie dar. In der Zeitgeschichte hat er sich insbesondere dank der Auseinandersetzung zwischen Martin Broszat und Saul Friedländer über das zulässige Ausmaß historischer Relativierung des Nationalsozialismus etabliert, und in der Tat würden die meisten Fachkolleginnen und -kollegen den Begriff wahrscheinlich mit diesem intellektuellen Ereignis assoziieren. Dennoch nahm der Begriff bisher keineswegs einen zentralen Platz in den fachhistorischen Debatten ein.
Human-Animal Studies
(2012)
Mieke Roscher widmet sich in ihrem Artikel dem noch recht jungen, interdisziplinären Forschungsfeld der Human-Animal Studies. Gegenüber älteren Beschäftigungen mit Mensch-Tier-Verhältnissen nehmen die Human-Animal Studies einen Perspektivwechsel vor, indem sie auf die Anerkennung tierischer „Wirkmächtigkeit” und ihrer „Agency“ abheben und in kritischer Perspektive gesellschaftliche Konzepte des „Animalischen” dekonstruieren. Vor allem historisieren die Human-Animal Studies jedoch das changierende Verhältnis von Mensch und Tier. Der Artikel betrachtet die institutionelle Entwicklung der Disziplin, bietet einen Überblick über insbesondere zeithistorische Forschungsthemen und stellt schließlich die theoretisch-methodischen Ansätze der Tiergeschichtsschreibung vor.
Die Konsumgeschichte ist ein relativ junges, seit den 1990er-Jahren stark expandierendes Forschungsfeld innerhalb der Zeitgeschichte. Wie Manuel Schramm in seinem Überblick deutlich macht, handelt es sich dabei um einen Paradigmenwechsel innerhalb der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte, der in der Abwendung von einem produktionszentrierten Paradigma der älteren Sozial- und Gesellschaftsgeschichte zu sehen ist. Vielmehr geraten mit der Konsumgeschichte Prozesse der Kommerzialisierung, die Bedeutung von Märkten und auch individuelle Konsumbedürfnisse stärker in den Blick der zeithistorischen Forschung. Vor diesem Hintergrund plädiert der Autor dafür, dass mit der Konsumgeschichte auch wesentliche Kategorien der Gesellschaftsgeschichte wie soziale Ungleichheit und wirtschaftliches Wachstum neu überdacht werden müssen.
Zwar begann mit der Diskussion um eine Kulturgeschichte der Politik kein völlig neues Zeitalter; auch davor gab es Untersuchungen, die ähnliche Fragen stellten und vergleichbare Erklärungshorizonte hatten. Die theoretische und methodische Diskussion der letzten zehn Jahre hat aber eine Schärfung des methodischen Arsenals und ein klareres Bewusstsein von Kontinuität und Bruch im Verhältnis zu den älteren Ansätzen der Politikgeschichte erzeugt. Kulturgeschichte der Politik kann sich heute, soweit sie sich als Methode versteht, als eine Alternative zu herkömmlichen Politikgeschichten präsentieren.
Unter Historikern ist mittlerweile unumstritten, dass Medien in der Zeitgeschichte eine zentrale Rolle spielen. Sie werden nicht einfach als virtueller Spiegel von etwas „Realem” aufgefasst, sondern als integraler Teil sozialer Wirklichkeiten. Das gilt etwa für ihre materielle Dimension, ihre jeweilige alltägliche Nutzung und ihren Einfluss auf Wahrnehmungen und soziale Praktiken. Insofern erscheint es gerade in der Zeitgeschichtsforschung bei den meisten Themen unumgänglich, die jeweilige Bedeutung von Medien analytisch einzubeziehen. Über eine Geschichte der Medien hinaus steht entsprechend die Medialität der Geschichte und damit die Bedeutung von Medien für historische Entwicklungen zunehmend im Vordergrund zeithistorischer Untersuchungen (...)
„Computerspiele einschließlich anderer interaktiver Unterhaltungsmedien (Video-/Konsolen-, Online- und Handyspiele) haben in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Sie sind in Deutschland wirtschaftlich, technologisch, kulturell und gesellschaftlich zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. [...] Computerspiele transportieren gesellschaftliche Abbilder und thematisieren eigene kulturelle Inhalte. Sie werden damit zu einem bedeutenden Bestandteil des kulturellen Lebens unseres Landes und sind prägend für unsere Gesellschaft.“1 Wie der Beschluss des Deutschen Bundestags zur Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises zeigt, der seit 2009 jährlich vergeben wird, werden Computerspiele mittlerweile auch von offizieller Seite als ebenso bedeutsam wahrgenommen wie andere, bereits etablierte Kulturgüter. Diese Entwicklung entspricht in ihrer Grundtendenz derjenigen anderer Medien wie Film oder Comic, deren kulturelle Bedeutung ebenfalls erst einige Zeit nach ihrer Erfindung gesellschaftlich anerkannt und staatlich gefördert wurde.
Für ein Schreibprojekt, das vor nur gut elf Jahren ins Leben gerufen wurde, ist die Bilanz nicht schlecht: Die Wikipedia vereint heute 20 Millionen Artikel in über 280 Sprachversionen und wird von einer halben Milliarde Einzelnutzer im Monat konsultiert. Allein in der deutschsprachigen Variante sind pro Stunde anderthalb Millionen Seitenaufrufe zu verzeichnen. Die schiere Quantität dieser Nachfrage zeigt also, dass es offenbar einen enormen gesellschaftlichen Bedarf für einen freien Zugang zu strukturierten Informationen gibt. In diesem Zusammenhang wird häufig übersehen, dass es nicht allein die digitale Form ist, welche die Online-Enzyklopädie von ihren historischen Vorläufern in der Nachfolge Diderots unterscheidet. Die freie MediaWiki-Software wurde entlang einer Leitidee entwickelt, die den Grundgedanken des Zusammenwirkens vieler Beteiligter von der Open-Software-Bewegung auf die Vision einer globalen und zugangsoffenen Diskursgemeinschaft überträgt.
Sozialgeschichte und Historische Sozialwissenschaft gehören sicherlich zu den prägendsten Methoden und Forschungsfeldern der Zeitgeschichte, auch wenn sie Ende der 1980er-Jahre in die Kritik der aufsteigenden Kulturgeschichte gerieten. Klaus Nathaus verweist auf vier Gebiete, in denen sich die Sozialgeschichte derzeit neu erfindet: die Wiederentdeckung „großer” Themen wie Ungleichheiten, Globalisierung, Arbeit, Märkte und Kapitalismus; theoriegeleitete Arbeiten zu historischem Wandel, Prozessen und Kontinuitäten im Anschluss an die „historical sociology“; die Analyse sozialer Beziehungen sowie die Untersuchung einer zunehmend medialisierten Selbstbeobachtung von Gesellschaft.
(Version 1.0, siehe auch Version 2.0)
Lange Zeit galt die Sportgeschichte innerhalb der deutschen Geschichtswissenschaft als (schönste) „Nebensache" der Disziplin. Olaf Stieglitz und Jürgen Martschukat zeichnen in ihrem Beitrag nach, wie durch den Einfluss der Cultural Studies Fragen des Sports, der Bewegungskulturen sowie des Körpers und seiner Historizität an Bedeutung gewinnen. „Sportgeschichte", so der programmatische Ausblick der Autoren, entwickle sich momentan zu einer Körper- und Kulturgeschichte, in deren Kern das Ineinandergreifen von Sport, Körperlichkeiten und Identitätsbildungen sowie deren soziokulturell ordnungsstiftende Mechanismen und Funktionen stehen. Eine solche Geschichte von Körpern in (sportlicher) Bewegung vermag daher auch zu zeigen, dass „Wahrheiten" über Körper letztlich Ergebnisse historischer Aushandlungsprozesse sind.