Staatssozialismus
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Für den 17. Dezember 1958 hatte die Abteilung Wissenschaften des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands zu einer Besprechung „im Großen Sitzungssaal des Zentralhauses der Einheit“ gebeten, auf der sich im Beisein des Staats- und Parteichefs die Elite der ostdeutschen Historikerschaft versammelte. Unter den Eingeladenen waren Institutsdirektoren, Universitätsprofessoren und Parteihistoriker, und sie waren zusammen- gekommen, um zusammen mit der politischen Führung des Landes über die Stellung der DDR-Geschichtswissenschaft gegenüber ihrer bundesdeutschen Schwesterdisziplin zu beraten. Um in die einzelnen Aspekte des Themas einzuführen, waren prominente Referenten gewonnen worden, und der Parteichef selbst trug zu der Frage vor, wie die Beziehungen zwischen Geschichtswissenschaft und Politik unter seinem Bonner Amtskollegen geregelt seien: „Die Historiker [...] arbeiten gegenwärtig für die Durchführung des psychologischen Krieges, und Adenauer hat sie ganz hübsch an die Strippe genommen. Welches ist die Aufgabe, die Adenauer ihnen gestellt hat? Adenauer hat diese ganzen Historiker zusammen genommen und ihnen klar gemacht, daß sie beweisen müssen die geschichtliche Notwendigkeit der europäischen Integration und die Rolle Westdeutschlands in der NATO. Und sie schreiben alle tapfer in dem Sinne, wie ihnen das angeordnet wurde, alle, angefangen bei Ritter bis hin zum letzten Schulmeister in den Dörfern. [...] Die ganze Geschichtsschreibung, wie sie dort im Westen betrieben wird, dient dieser Aufgabe. Es gibt dort eine einheitlich ideologisch-politische Leitung der gesamten Geschichtsforschung. [...] Die Geschichtsschreibung Westdeutschlands ist auf die Durchführung des psychologischen Krieges abgestellt und darauf, daß im Jahre 1961 die Rüstung der westdeutschen NATO-Truppen fertig ist, und bis zu dieser Zeit muß die entsprechende ideologische Verseuchung in Westdeutschland erreicht sein. Das ist dort exakt ausgearbeitet.“
Sowohl der Blick nach Westeuropa als auch nationale Selbstpositionierungen bestimmten Europavorstellungen im Ostblock. Besonders in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts dynamisierten sich hier Debatten um Europa, und verschiedene Narrationen von Europa standen dabei in einer Bedeutungskonkurrenz. Die politische Integration im westlichen Teil des Kontinents strahlte in die Kreise unabhängiger Intellektueller positiv aus, doch es wurden auch Debatten um eine regionale Identität Zentraleuropas geführt. Beide Stränge traten in der bekannten „Mitteleuropa-Debatte“ in einen Widerstreit. Auch wurde die Auseinandersetzung um „Polens Platz in Europa“ über die Jahre des Staatssozialismus hinweg fortgeführt, und in den Friedensbewegungen suchte man länderübergreifend nach einer europäischen Ordnung außerhalb der Systemkonfrontation. Sogar in den Parteieliten wurde darüber nachgedacht, wie sich die westlichen Staaten des Ostblocks angesichts des schwachen Zusammenhalts im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) wirtschaftlich neu orientieren könnten. So wurden den westeuropäischen Staaten Angebote zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit, zu einer Verstärkung des Ost-West-Handels und gar zum politischen Dialog gemacht. Selbst in sich ideologisch stark vom Westen distanzierenden Staaten wie der DDR kam zur aus der Nachkriegszeit stammenden antikapitalistischen Rhetorik das intensive Reden über Ost-West-Kooperationen hinzu. Zwar wurde die Nachkriegspropaganda der Abgrenzung vom westlichen „Kleineuropa“ noch bis 1989 verfolgt, parallel wurde jedoch versucht, sich der Bundesrepublik und der Europäischen Gemeinschaft anzunähem, um wirtschaftliche Vorteile zu realisieren und damit die Herrschaft zu stabilisieren. Oppositionelle Vorstellungen von Europa befanden sich trotz der restriktiven Bedingungen der staatssozialistischen Diktaturen nicht allein in einem abgrenzenden Gegensatz, sondern auch in einem Austausch mit denen der offiziellen Propaganda.
Das Buch zeigt, inwiefern es den Machthabern in der SBZ/DDR gelang, auf dem Land eine neue "sozialistische" Gesellschaft zu errichten. Über die Agrarpolitik des Regimes hinaus behandelt die Studie die Auswirkungen von Bodenreform und Kollektivierung, insbesondere in Brandenburg. Dabei geht es auch um den Umgang gesellschaftlicher Gruppen und einzelner Dorfbewohner mit den politischen Eingriffen sowie um die Reaktionen der Menschen auf den Wandel ihrer Lebenswelt. Die Durchsetzung der Bodenreform und die schwierige Bildung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften werden ebenso untersucht wie die Not der Neubauern, das Lavieren der Funktionäre auf dem Lande, die Vertreibung der "Großbauern" und der Wandel innerhalb der Landarbeiterschaft. (Quelle: Verlag)
Diese von ostdeutschen Literaturwissenschaftlerinnen und einem westdeutschen Historiker verfaßte Studie rekonstruiert anhand der Akten der „Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel“ im Ministerium für Kultur der DDR die Geschichte dieser zentralen Zensurbehörde und der Evolution eines - auch im Vergleich zu anderen Ostblock-Ländern - einzigartigen und hochdifferenzierten Systems literaturpolitischer Steuerung.
Von der vertrauten Vorstellung einer monolithischen „Literaturpolitik der DDR“ wird jedoch Abschied genommen. Zensur funktionierte von Verlag zu Verlag und von Phase zu Phase unterschiedlich. Die resultierende systemspezifische Intransparenz und ein allgemeines Gerangel um Papier und Devisen, um Konzeptionen und Formulierungen ließen, wie an zahlreichen Beispielen gezeigt wird, jede Publikation zum Abenteuer werden.
Vor dem Hintergrund einer in den unterschiedlichsten Formen auftretenden alltäglichen Zensur werden Spielräume, Bedingungen und Illusionen der „Literaturgesellschaft“ im „Leseland“ sowie die Chancen und Schwierigkeiten einer kritischen DDR-Literatur beschrieben.
Die Regularien der Austragung von Arbeitskämpfen, die in der tschechoslowakischen Republik zwischen 1918 und 1938 institutionalisiert und kodifiziert wurden, sind bereits vor der kommunistischen Machtübernahme (Februar 1948) so weit ausgehöhlt worden, daß die Errichtung des Machtmonopols der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) unter diesem Gesichtspunkt nicht als qualitative Zäsur betrachtet werden kann. Ausschlaggebend für die Erosion der rechtlichen, organisatorischen und politisch-sozialen Grundlagen von Arbeitskämpfen war das machtpolitische Konfliktszenarium der formal demokratisch verfaßten Nachkriegsrepublik (1945-1948), d. h. die oft dargestellten Auseinandersetzungen zwischen der KPTsch und den anderen Parteien der Nationalen Front, in deren Verlauf die legitime Verfolgung von Gruppeninteressen und das freie Ausschwingen sozialer Konflikte in beiden politischen Lagern rigoros parteipolitischem Kalkül untergeordnet wurden. Unser Thema ist dafür ein besonders anschauliches Beispiel. Die Parteien rechts von Kommunisten und Sozialdemokraten forderten einen restriktiven Umgang mit Arbeitskämpfen, um dem sozialen Radikalismus und der politischen Mobilisierung der Industriearbeiterschaft, die in der Masse zur Klientel der KPTsch gehörte, das Wasser abgraben zu können. Auf der Gegenseite akzeptierte und unterstützte das linke Machtkartell, das die kommunistische Partei und die im Mai 1945 als Einheitsgewerkschaft gegründete Revolutionäre Gewerkschaftsbewegung (ROH) bildeten, industrielle Konflikte nur insoweit, als diese mit seinen klassenpolitischen Zielsetzungen und dem - wenn auch zunächst vage formulierten - volksdemokratischen Konzept vereinbar erschienen. Das verdeutlichen in erster Linie die von den beiden Organisationen teils selbst organisierten, teils nachträglich in Regie genommenen politischen Streiks für die Verstaatlichung von Industriebetrieben oder gegen die Restitution industrieller Konfiskatę in privates Eigentum.
Der DDR-Staats- und Parteiführung als Herrschaftsequipe eines der ökonomisch reichsten Länder im sogenannten Ostblock war es lange Zeit gelungen, ihre abhängig Beschäftigten im Rahmen eines staatlich organisierten Sozialprogramms weitgehend zu pazifizieren. Im Ergebnis machte sich relative Ruhe in den Betrieben breit, selbst unter den in den frühen Jahren der DDR besonders renitenten Arbeitern der Bau-, Chemie- und Metallbranche. Konfliktarmut und Stagnation wurden in den siebziger und namentlich den achtziger Jahren zu hervorstechenden Merkmalen des DDR-Betriebsalltags. Der, wie es scheint, im großen und ganzen zufriedengestellte Arbeiter, hatte sich vorteilhaft dem ihm zugewiesenen Arbeits- und Lebensregime angepaßt, seine Nische und sein Auskommen gefunden.
Workers always have something to complain about - even in the ,workers’ and peasants’ states’ of state socialism. Many of the causes of worker discontent across eastern European states in the period from the late 1940s to 1990 were similar, although varying in level and intensity at different times in different areas. What differed were the ,hard‘ and ,soft‘ institutional strategies for dealing with worker discontent; the varying resources, alliances and interests of workers; and the varying forms of protest, in the light of particular historical conditions and distinctive heritages of experience and culture. A comparative approach, paying attention both to changes within the working classes and to wider social changes across time, can yield some potentially very fruitful hypotheses about patterns of worker protest in eastern European communist states.
Nach Hobsbawm hätte sich der westliche Welfare State ohne die Existenz eines sozialistischen Gegenmodells und ohne die Bedrohung, die dieses Modell für die westlichen Mächte darstellte, niemals so umfassend entwickelt. Dies ist eine Grundannahme, die schon öfter aufgegriffen und verbreitet worden ist. Sie scheint auch deshalb berechtigt zu sein, weil mehrere Beobachter den Zusammenhang zwischen dem Ende des Kommunismus und dem Niedergang des Sozialstaats unterstrichen haben. Zwar hat man schon seit Ende der 1970er-Jahre von der Krise des Sozialstaats gesprochen, aber erst in den 1990ern wurde die zentrale Bedeutung der Sozialpolitik für die Stabilität und Prosperität der westeuropäischen Staaten infrage gestellt. International wurden Stimmen laut, die die Relevanz und Nützlichkeit einer International Labour Organization und die Legitimität von internationalen Arbeitsnormen anzweifelten. Parallel dazu wurde 1994 die World Trade Organization gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hatte, die Liberalisierung des internationalen Handels zu fördern, was mit Deregulierung und sozialem Dumping einherging. Aber Gleichzeitigkeit heißt nicht Kausalität. Es muss daher noch untersucht werden, welche Verbindungen es zwischen den drei Punkten des Dreiecks gab: Staatssozialismus im Osten, westliche kommunistische Parteien und westliches Sozialstaatmodell.
Die Gesellschaft sozialistischer Staaten wird oft als „arbeiterlich“ bezeichnet. Unabhängig davon, ob man dieser Pointierung folgt oder nicht, ist wohl sicher, daß diese Gesellschaften in hohem Maße von Arbeit geprägt waren. Mit dem Themenkreis „Arbeitsbeziehungen, Arbeitsverhältnisse, Arbeiterexistenzen“ wird also ein Bereich berührt, der eins der wichtigsten Laboratorien staatssozialistischer Politik war. Die besondere Bedeutung der Arbeitswelt sozialistischer Staaten betont auch Peter Hübner in seinem Beitrag. Er weist darauf hin, daß diese Sphäre seit 1989 eine nachträgliche, überwiegend positive Bewertung durch die ehemalige Bevölkerung erfahren habe und sie darum heute einen zentralen Bezugspunkt sentimentaler Rückschau darstelle.
Anhand von Kemritualen der DDR, erweitert und ergänzt um Beispiele aus der Sowjetunion, den Volksrepubliken Polen und Ungarn, aus der Tschechoslowakei und aus Albanien sollen hier strukturelle Elemente einer politischen , Rhetorik des Performativen‘ im Sozialismus der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre bilanzierend herausgearbeitet werden. Sodann wird eine methodologische Faustskizze die kommunikationstheoretischen und kulturgeschichtlichen Implikationen einer Ritualforschung zwischen ,Botschaft' und ,Bedeutung' umreißen, um schließlich eine erste Annäherung an die Aneignungsgeschichte sozialistischer Rituale zu wagen - nicht zuletzt auch unter generationengeschichtlicher Perspektive.
The first thesis the paper argues is that a certain collective identity emerged at the shop floor („we“, the workers as opposed to „them“, party leaders, intelligentsia, peasants, the self-employed) that was built - and declared - increasingly in opposition to the official ideology and the communist party.5 Important factors in this process were the growing economic difficulties, the party’s apparent inability to solve them and the increasing materialism people experienced in the everyday life - including party member- and leadership. From the mid-70s onwards, the workers could perceive the worsening economic situation of the country by the decrease of the real wages and the need to do overwork or take extra jobs (first in the agriculture and then in the so-called vgmk-s) to keep the former standards of living. The continuously increasing prices made the impact of the „global market“ real regardless of the stance of the Central Committee. The sharpening criticism of the system is formulated, however, not from the viewpoint of the individual but that of the worker, which suggests the existence of a collective identity. One may call it a paradox of the Communist ideology that the system, after all, was successful to develop working-class collective identities but these were built in opposition to the Communist regime and not for it. The paper will attempt to show how these „oppositionist“ identities were formulated and in what ways they are indicative of the alienation of the workers from the workers’ state.
Die Arbeiter im Staatssozialismus als Gegenstand der zeithistorischen Forschung sind in Bulgarien nach 1989 noch nicht entdeckt worden. Aus zwei Perspektiven tasten sich bulgarische Wissenschaftler jedoch langsam an das Thema heran - somit lassen sich aus deren Publikationen in den letzten Jahren schon einige interessante Fragen und Hypothesen ableiten. In politologischen Untersuchungen zur bulgarischen Transformation nach 1989 erscheinen die Arbeiter als eine eher konforme Bevölkerungsschicht, die definitiv nicht zu den Akteuren der Wende gehörte. Unter den vielen Ursachen und Voraussetzungen für den Systemwechsel vor 15 Jahren spielte die Unzufriedenheit der Arbeiterschaft eine sehr geringe Rolle. Offene Proteste der Arbeitnehmer oder gar Arbeitsniederlegungen blieben bis in die späten achtziger Jahre eine Ausnahme.
Längst hat eine die Kultur, Alltags- und Lebenswelt einbeziehende Öffnung der Sozialgeschichte im allgemeinen, der Sozialgeschichte der Arbeiterschaft im besonderen, der der Arbeiterschaft im Staatssozialismus im speziellen stattgefunden. Trotzdem tut man nach wie vor gut daran, soziale Mikrokosmen und Milieus, Identitäten und Mentalitäten in der politischen Ökonomie zu erden. Sind deren „große“ Institutionen auch keine ehernen Gehäuse, so erweisen sie sich doch als träge, oft nur in der longue durée und mit großem Aufwand verschiebbare Koordinaten des Handelns. Sie sind von beträchtlicher, Menschen und Lebenswelten prägender Wirkmacht: reale, im doppelten Sinn harte Fakten.
Als der Generalsekretär L. I. Breshnew 1977 das sechzigjährige Jubiläum der Revolution feierte, hielt er mit dem Schlagwort vom „entwickelten Sozialismus“ einen Zustand fest, der das Vermächtnis der Revolution als einen Besitzstand beschwor. Dieses Schlagwort war 1971 auf dem XXIV. Parteitag der KPdSU in Umlauf gesetzt worden und sollte ein gleichgewichtiges Wachstum mit einer stärkeren Berücksichtigung der Konsumwünsche der Bevölkerung signalisieren. Die alternde Sowjetführung verstand „entwickelten Sozialismus“ als das realisierte, aber zunehmend pragmatisch umgesetzte Erbe Lenins (und Stalins). Der Name des letzteren wurde seit 1967 nur noch im Zusammenhang mit dem Triumph im Großen Vaterländischen Krieg genannt, obwohl die Nachkriegsstruktur der Sowjetunion auf den Fundamenten ruhte, die Stalins Regime gelegt hatte. Was Breshnew unter seiner Definition von Sozialismus subsumierte, gab sich als das Resultat einer Spirale von Kämpfen und Siegen aus. Nun konnte sich im entwickelten Sozialismus eine „sozialistische Lebensweise“ entfalten. Diese wurde auf dem XXV. Parteitag (1976) als eine „Atmosphäre genuinen Kollektivismus und Kameradschaft“ beschrieben, „als Solidarität und Freundschaft aller Nationen und Völker des Landes“, und schließlich als „moralische Gesundheit, die uns stark und standhaft macht“. In diesem Sozialkitsch manifestierte sich die Selbstzufriedenheit eines juste milieu, der Breshnew-Generation, die unter Stalins Terror sozialisiert, einen beispiellosen Aufstieg aus subalternen Schichten erlebt hatte und den eigenen Erfolg - zu Recht oder zu Unrecht - mit den Siegen im Großen Vaterländischen Krieg und dem Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht verknüpfte.
Das Verhältnis von Arbeitern und Staat beschäftigte die Protagonisten der in unterschiedlichen historischen Kontexten entstandenen Arbeiterbewegungen von deren Anfängen an. Der Plural des Begriffs, wie ihn Klaus Tenfelde in seinem Einführungsvortrag „Arbeiter, Arbeiterbewegungen und Staat im Europa des ,kurzen' 20. Jahrhunderts“ verwendet, signalisiert nicht allein Unterschiede der Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen, sondern auch Differenz im Politischen, in der Programmatik ebenso wie in der täglichen Praxis. In besonderem Maße spiegelten sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Arbeiterbewegungen, wie überhaupt der Arbeiterschaft in der Perzeption des Staates. Doch auch „der Staat“ präsentierte sich Arbeitern gegenüber in sehr verschiedener Weise. Insofern ließ sich die Beziehung zwischen beiden nie über einen Kamm scheren. Gleichwohl weist sie im internatio-nalen Vergleich ebenso wie im Hinblick auf die Arbeiterbewegungen strukturelle Übereinstimmungen auf.
Unter dem Leitthema „Aufwachsen unter der Diktatur - die DDR in den 50er Jahren“ werden aus soziologischer Perspektive einerseits und organisationsgeschichtlicher bzw. kulturwissenschaftlicher Sicht andererseits zwei Projekte bearbeitet.
Das erste von ihnen untersucht die Spezifik von Sozialisation in der stalinistischen Phase der DDR-Entwicklung (1947/48-1956) am Beispiel Ost-Berlins. Auf der Grundlage einer allgemeinen Charakterisierung von Sozialisationsbedingungen in dieser Zeit werden die für die Heranwachsenden besonders bedeutungsvollen Instanzen Familie und Schule in den Mittelpunkt der empirischen Forschung gerückt. Dabei interessieren sowohl die der Familie und Schule seitens des Staates zugedachten Funktionen für die Sicherung und Reproduktion der bestehenden Herrschaftsverhältnisse als auch die Wirkungen bzw. Leistungen dieser Sozialisationsmedien. Gleichzeitig wird der Frage nachgegangen, welche Erfahrungen die Kinder sammelten, die in dieser Diktatur aufwuchsen.
Das zweite Projekt beschäftigt sich mit der Kinderorganisation „Junge Pioniere“ von ihrer Gründung bis Ende der 50er Jahre in ihrer Verknüpfung von politischer und Freizeitorganisation. Untersucht wird, in welcher Weise diese Organisation zur politischen Instrumentalisierung der Heranwachsenden genutzt wurde und welche inneren Strukturen und Funktionsweisen dieser Verband herausbildete. Eine der zentralen Fragestellungen betrifft das Spannnungsfeld zwischen einerseits seiner Attraktion als Freizeitorganisation, zu der es keine Alternative gab, und andererseits der direkten politischen Unterweisung und Mobilisierung. Diese Fragestellung bezieht sowohl die Ebene der Umsetzung von Herrschaftsabsichten als auch die der Wirkung auf die Kinder ein.
Die DDR ist vierzig Jahre am Leben geblieben, bevor sie - unwahrscheinlich schnell - unterging. Jetzt, wo der Westen der „Sieger der Geschichte“ zu sein scheint, sagen viele, daß die DDR im Grunde nur auf Terror und Repression aufgebaut war. Der alte Begriff vom „Unrechtsstaat“, wie auch das Konzept des „Totalitarismus“, die in den fünfziger Jahren so beliebt waren, finden wieder Gefallen. Manche sagen auch, daß „die Deutschen“ seit eh und je besonders gehorsam gewesen sind.
Das politische und soziale Verhalten der Industriearbeiterschaft, einer für die DDR-Gesellschaft wesentlichen Bevölkerungsgruppe, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Gefragt wird nach den Interessenlagen, die das Politik- und Sozialverhalten unter den Bedingungen einer sich herausbildenden und konsolidierenden "Diktatur des Proletariats" bestimmen. Dabei geht es besonders um die Konstituierung, Artikulation und um die Durchsetzungsversuche sozialer Interessen. In diesem Kontext werden Modalitäten und Verläufe von Interessenarrangements und Konflikten analysiert.
Gegenstand dieses Buches ist die SED-Politik gegenüber den Juden bis zum israelisch-arabischen krieg vom Juni 1967. Im Verständnis der SED-Führung galten vorrangig die aktiven Mitglieder der Jüdischen Gemeinde als Juden. Doch läßt sich eine spezifische Politik gegenüber Menschen jüdischer Herkunft (auch Parteimitgliedern) wie gegenüber dem Staat Israel beobachten, die eine eigenständige Untersuchung rechtfertigt. Diese Politik bewegte sich zwischen zeitweiliger repression (1952/53) und schließlicher Toleranz, wobei letztere Komponente der Politik das ursprüngliche sozialistisch-kommunistische Assimilationskonzept aber nicht in Frage stellte: Juden sollten sich in die "sozialistische" Gesellschaft integrieren, jüdische Identität sollte gegenüber dieser Integration zurücktreten. Sie wurde toleriert, aber nicht unbedingt gefördert, wobei die SED-Führung das Maß an Toleranz bestimmte.
Kinder im Klassenkampf. Die Geschichte der Pionierorganisation von 1948 bis Ende der fünfziger Jahre
(1997)
Über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren wird auf der Grundlage der jetzt zugänglichen Akten analysiert, wie die SED mit Hilfe der von ihr instrumentalisierten Kinderorganisation "Junge Pioniere" versuchte, einen prägenden Einfluß auf die politische Sozialisation der Heranwachsenden, auf die Erziehung des "neuen Menschen" auszuüben. (Quelle: Verlag)