Antisemitismus
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Dieser Text handelt nicht von antisemitischen Bildern, sondern von Bildern, die im Kampf gegen Antisemitismus eingesetzt werden. Genauer gesagt, geht es um das Plakat der internationalen Tagung „An End to Antisemitism“, die vom 18. bis zum 22. Februar 2018 in Wien stattfand. Auf diesem Plakat ist eine Grafik zu sehen, die das Sündenbock-Motiv visualisiert und somit die Funktions- und Wirkungsweise von Antisemitismus kritisch zu veranschaulichen versucht.
Ein antisemitisches Gespenst im Advent. Der Adventskalender der „Deutschen Apotheker Zeitung“
(2019)
Mit einer Figur, die in Reinform klassische Merkmale des modernen Antisemitismus trägt, rechnet man im Adventskalender der „Deutschen Apotheker Zeitung“ (DAZ) zunächst einmal nicht. Hat sich ein Gespenst aus der Vergangenheit in die Gegenwart verirrt? Oder liegt das Problem im Auge der Betrachter*in, in einer Déformation professionelle, die in einer aktuellen Karikatur ein altes antisemitisches Bild sieht und so Vergangenheit und Gegenwart zu schnell in einen Topf wirft? Der Historiker David Nirenberg warnt in seinem Buch „Anti-Judaismus“ vor solchen vereinfachenden Kontinuitätserzählungen des Antisemitismus: „Wir wissen […], dass Historiker uralte Haken finden können, um darauf neue Hüte zu hängen.“ Betrachtet man jedoch den „DAZ-Adventskalender“ von 2019, hat man den Eindruck, die Apotheker*innen hätten den uralten Haken der Judenfeindschaft gefunden, um Probleme ihres Standes daran aufzuhängen.
Die deutsche Zeitgeschichtsschreibung hat den Ruf, sich über Jahre hinweg nicht ernsthaft mit der extremen Rechten in der Bundesrepublik und der DDR beschäftigt zu haben, während Studien zur Geschichte des Nationalsozialismus ganze Bibliotheken füllen. Der zu früh verstorbene Zeithistoriker Axel Schildt bekundete, dass „die Geschichtswissenschaft bisher sehr wenig zur Analyse rechtsextremer Bewegungen nach 1945 beigetragen“ habe. Doch stimmt dieser Befund in seiner Pauschalisierung überhaupt?
Nationalistische und rassistische Organisationen haben in der Bundesrepublik Tradition. Das gleiche gilt für den gesellschaftlichen Umgang mit ihnen. (Neo)nazistische Organisationen und die gesellschaftlichen Reaktionen darauf können folglich auch aus einer historischen Perspektive betrachtet werden. Das müssen sie sogar, nimmt man das heute so selbstverständlich scheinende „Nie wieder!“ der „wehrhaften Demokratie“ beim Wort. Denn was sollte sich eigentlich nicht mehr wiederholen: der Zweite Weltkrieg, die antisemitische Vernichtungspolitik oder die Abschaffung der Weimarer Demokratie durch die NSDAP?
Befreit man den Imperativ des „Nie wieders“ von den geschichtspolitischen Mythen, die ihn seit jeher umranken, ist ein nüchterner Blick auf die Konjunkturen gesellschaftlicher (Nicht-)Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gewonnen. Dieser Blick bringt nicht nur mehr historische Klarheit, sondern stellt auch die Instrumente der „wehrhaften Demokratie“ auf den Prüfstand: Wer überprüft wen auf ‚Verfassungstreue’ und mit welchen Mitteln? Zum historischen Blick gehört also auch eine politikwissenschaftliche Perspektive. Denn der Schutz der bundesrepublikanischen Demokratie hängt davon ab, was oder wer als Ursache für das Scheitern der Weimarer Demokratie ausgemacht wird.
Nehmen wir das Ansinnen ernst, eine zeitgeschichtliche Forschung zum bundesdeutschen Rechtsextremismus zu entwickeln, dann sollte diese ihren Gegenstand in seinem Facettenreichtum würdigen. Dies bedeutet unter anderem, dass eine zeitgeschichtliche Forschung zum Thema einen Bereich benötigt der rechtsextreme Kulturarbeit und -erscheinungen untersucht. Denn Rechtsextremismus ist nicht allein ein politisches Phänomen und darum nicht vollständig über die Untersuchung von Organisationen, Ideologien, Strategien, Gewalttaten oder über Wahlergebnisse erfassbar. Vielmehr ist Rechtsextremismus in seiner Entwicklung in Deutschland seit 1945 auch als sozialer und eben kultureller Zusammenhang in den Blick zu nehmen. Die rechtsextreme Kulturarbeit dürfte bedeutende Beiträge zur Reproduktionsfähigkeit, für die Vernetzung, für die Sinnvermittlung und Traditionsvermittlung und für die Herstellung von Identität geleistet haben und stellt so einen Austragungsort für strategische, ästhetische und in zweiter Linie auch inhaltliche Debatten in ihrem Lager bereit.