Biographie
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Gholamreza Takhti (1930–1968), Olympiasieger im Freistil-Ringen 1956 und zweifacher Weltmeister, gilt in Iran bis heute nicht nur als sportliche Legende, sondern wird über nahezu alle politischen Lager hinweg als Repräsentant einer authentisch iranischen Männlichkeit verehrt. Die Faszination Takhtis gründet sich insbesondere auch auf seine einfache Herkunft und seinen demütigen, bodenständigen Charakter, der ihn schon zu Lebzeiten glaubwürdig als »Mann aus der eigenen Mitte« erscheinen ließ. Seine Heroisierung ist nicht loszulösen von kollektiven Subordinationserfahrungen vor dem Hintergrund ausländischer Hegemonie in Iran während des 20. Jahrhunderts, der in den 1960er-Jahren formulierten Diagnose einer »Westbefallenheit« der iranischen Gesellschaft und der damit verbundenen Suche nach Authentizität. Ausgehend von der Biographie des Ringers werden im Beitrag die geschlechtlich aufgeladenen Dimensionen dieser Erfahrungen besprochen und die dafür verwendeten Begriffe untersucht. Über die Sportart Ringen konnte die iranische Gegenwart mit der nationalen Mythologie verbunden werden, und Takhti wurde in einzigartiger Weise zum Modell des iranischen Helden, zum idealen Mann – noch verstärkt durch die Tragik seines frühen Todes.
Gholamreza Takhti (1930–1968), Olympic wrestling champion in 1956 and two-time world champion, is regarded in Iran to this day as a sporting legend. Across almost all political camps, he is also revered as a representative of authentic Iranian masculinity. The fascination with Takhti derives in particular from his simple origins and his humble, down-to-earth character, which made him appear credible as ›one of us‹ to huge sections of Iranian society during his lifetime. His heroisation thus cannot be detached from collective experiences of subordination against the background of foreign hegemony in Iran during the twentieth century, the diagnosis of a ›Westoxication‹ of Iranian society formulated in the 1960s and the related search for authenticity. Based on the wrestler’s biography, the article explores the gendered dimensions of these experiences and examines the language used to describe them. Wrestling created a link between the Iranian present and the national mythology, and Takhti became the model of the Iranian hero, the ideal man – reinforced by the tragedy of his untimely death.
Zeitzeugin / Zeitzeuge
(2022)
Zeitzeug*innen sind nicht mehr wegzudenken aus der deutschen und internationalen Erinnerungskultur. Der Artikel von Steffi de Jong beschäftigt sich mit der Frage, wie die Zeitzeug*in zu einer derart populären Figur werden konnte. Der erste Teil behandelt den Begriff der Zeitzeug*in, im zweiten wird eine mögliche Genealogie von der Französischen Revolution bis ins digitale Zeitalter vorgeschlagen, und im dritten Teil geht es um die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Zeitzeug*in als Quelle, als Untersuchungsgegenstand und als Geschichtsvermittler*in, um schließlich in einem Ausblick nach der zukünftigen Rolle von Zeitzeugenschaft zu fragen.
un.sichtbar – Zur Einführung
(2024)
Studierende des Masterstudiengangs Public History der Freien Universität Berlin haben im Wintersemester 2023/24 mit Unterstützung von Christine Bartlitz (ZZF), Christoph Kreutzmüller (Selma Stern) und Theresia Ziehe (Jüdisches Museum) das Fotoalbum der deutsch-jüdischen Familie Lindenberger als zeitgeschichtliche Quelle im Sinne einer Visual History untersucht und sich dabei auf das Spannungsverhältnis von Sichtbarem und Unsichtbarem im Album und bei den einzelnen Bildern konzentriert. In dem Themendossier „un.sichtbar. Blicke auf das Fotoalbum einer jüdischen Familie 1904-1969“ geben wir Einblicke in unsere Arbeit: In 17 Beiträgen nähern wir uns aus ganz unterschiedlichen Perspektiven den Bildern aus dem Album und stellen das Fotoalbum in Gänze sowie einzelne Fotografien im Detail vor, unter der Fragestellung: Was können uns die Bilder zeigen – und was zeigen sie nicht?